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GUTE-NACHT/3575: Der kleine Nachtwächter entdeckt das rote Etwas (SB)


Gute Nacht Geschichten vom kleinen Nachtwächter

Der kleine Nachtwächter entdeckt das rote Etwas

Oben auf dem Rundgang der Burg steht der kleine Nachtwächter und blickt hinunter zum Dorf. Seine Augen weiten sich. Denn sie entdecken etwas großes Rotes, das sie zuvor dort unten noch niemals gesehen haben. "Was mag das sein?", fragt sich der kleine Nachtwächter und beschließt, dem roten Ding auf den Grund zu gehen.

"Auf geht's, Rebell! Das wollen wir uns aus der Nähe ansehen!" Schon stapft der kleine Nachtwächter los, die Laterne in der einen und die Taschenlampe in der anderen Hand.

Vom Burgtor aus kann er das rote Etwas noch immer über einige Dächer des Dorfes hinüberragen sehen. Je dichter der kleine Nachtwächter und Rebell, sein Hund, sich dem Dorf aber nähern, um so mehr duckt sich das Rot hinter die Häuser bis es ganz verschwindet.

Doch der kleine Nachtwächter hat ein gutes Ortsgedächtnis. "Ich glaube, das Ding steht auf dem Marktplatz", murmelt er vor sich hin. Diesem Ziel entgegen lenkt er seine Schritte.

Auf dem Marktplatz angekommen, entpuppt sich das rote Etwas als ein Zelt, ein riesiges Zelt mit einem rotem Dach. Um das Zelt herum stehen große Wohnwagen. Niemand ist zu sehen. Da das Zelt nicht verschlossen ist, sondern die Zeltbahnen rechts und links am Eingang hochgeklappt sind, tritt der kleine Nachtwächter in das Zeltdunkel ein.

Seine Laterne taucht das Innere des Zeltes in ein schummriges Licht. Hell genug ist es aber, daß der kleine Nachtwächter eine Bühne und viele Bänke davor entdecken kann. Der Vorhang der kleinen Bühne ist geschlossen. Dort oben, wo sich der Vorhang in seinen rechten und linken Teil von der Mitte her öffnen wird, hängen zwei Masken - eine lustig blickende und eine ganz traurige. Die hölzernen Masken sehen unheimlich aus. Am liebsten wüßte der kleine Nachtwächter wie es hinter dem zugezogenen Vorhang und hinter der Bühne ausschaut.

"Wer sich dort wohl verbirgt?", flüstert der kleine Nachtwächter ehrfürchtig, geht aber keinen Schritt auf die Bühne zu. Plötzlich spricht ihn eine dunkle Stimme hinterrücks an: "Wer bist du Eindringling? Gib dich zu erkennen!"

Der kleine Nachtwächter zuckt zusammen, dreht sich aber dennoch zu der Stimme um. Rebell beginnt zu knurren! "Ah, ein Wolf!", sagt die dort stehende Gestalt. "Hinfort mit dir", fügt sie noch an und schwenkt einen Stock vor sich hin und her. Da erkennt der kleine Nachtwächter, daß der Mann blind ist und sich mit seinem Blindenstock verteidigen will. "Still, Rebell!", befiehlt er darum seinem Hund.

"Guter Mann, das Zelt stand offen. Das rote Dach hat uns von der Burg herunter gelockt und wir waren so neugierig, was hier in dem Zelt wohl drinnen ist."

Die Stimme des Blinden wird freundlicher: "Dann seid ihr also Besucher für mein Puppentheater. Doch heute spiele ich nicht mehr. Ihr seid umsonst gekommen. Morgen gegen Abend kommen die Figuren auf die Bühne. Bis dahin werdet ihr euch gedulden müssen."

Plötzlich fällt dem blinden Puppenspieler der Stock aus der Hand und er bückt sich, um danach am Boden zu tasten. Rebell springt hinzu und nimmt den Stock mit dem Maul auf. "Hier werter Herr, hier ist euer Stock, mein Hund gibt ihn euch", hilft der kleine Nachtwächter.

Der Puppenspieler nimmt den Stock entgegen und streicht vorsichtig über Rebells Fell. Rebell läßt sich das gern gefallen. "Guter Hund", sagt der Blinde und läd nun auch Rebell in die morgige Vorstellung ein.

"Was wird denn morgen gegeben?", möchte der kleine Nachtwächter wissen. Doch das will der Puppenspieler nicht verraten. "Also dann bis morgen!", sagt er nur und tastet sich mit seinem Stock zu seinem Wohnwagen zurück. "Bis morgen", grüßt auch der kleine Nachtwächter und wünscht dem Alten noch eine: "Gute Nacht!"



zum 3. Mai 2012