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GUTE-NACHT/3538: Eine außergewöhnliche Bande - Teil 13 (SB)


Gute-Nacht-Geschichten

Eine außergewöhnliche Bande



Mit einem heftigen Schreck erwacht der rechte Stiefel am Morgen. "War das ein fürchterlicher Traum", denkt er, "bin ich doch glatt eine hohe Klippe hinabgestürzt." Er blickt sich um und fragt sich: "Wo bin ich denn hier eigentlich?" Zu seinem großen Entsetzen stellt er fest, daß sein Traum kein Traum war. Die Nacht hatte er hoch oben im Baumhaus zugebracht. Doch jetzt befindet er sich unter dem Baum. Also war er zwar keine Klippe hinabgestürzt, anstatt dessen war er aus dem Baumhaus gefallen.

Dem Stiefel schaudert. "Zum Glück habe ich mir keinen
Knochen gebrochen!", denkt er. Dann fällt ihm auf, daß
diese Redensart der Menschen für ihn sowieso
nicht zutrifft. Schließlich besteht er ja nur aus Leder
und hat keinen einzigen Knochen in sich. "Wie gut, daß
mir nichts geschehen ist", denkt der Stiefel bei sich.

Plötzlich kommt dem Stiefel ein Gedanke: "Durch das Leben bei den Menschen haben wir Schuhe viele ihrer Gewohnheiten angenommen wie zum Beispiel das Schlafen. Dabei haben wir das doch gar nicht nötig! Wozu sollen wir Schuhe denn schlafen? Ich werde doch gar nicht müde. Was ist das überhaupt, der Schlaf."

Doch bevor der Stiefel noch weiter über diese Fragen nachsinnt, steht er auf und stapft zu seinem Partner hinüber, der die Nacht auf der Matratze geschlafen hatte. Dort liegen auch die anderen Schuhe schön brav beieinander. Eigentlich wollte der Stiefel zuerst seinen zweiten wecken. Doch nun gibt er einen lauten Schrei von sich, der sogar die Vögel in den Bäumen erschreckt und einige fliegen gleich auf und davon.

"Was ist denn los?", fragen die Schuhe auf der Matratze und auch die Schuhe im Baumhaus schauen fragend hinunter. "Kommt mal alle her!", fordert der rechte Stiefel die anderen auf. Neugierig gehorchen die Schuhe. Sie sind einfach noch zu verschlafen für eine Widerrede.

Als alle auf der Matratze in der Mitte der kleinen Mulde versammelt sind, hält der rechte Stiefel eine kleine Rede und berichtet von dem, was ihm an diesem frühen Morgen so durch den Kopf gegangen ist und zum Abschluß meint er: "Ich frage mich, warum wir alles so wie früher machen. Es sind doch gar keine Menschen hier. Da können wir es uns doch gut gehen lassen." Die kleinen Turnschuhe sind hellauf begeistert.

Jetzt schlagen beide Stiefel vor: "Wir bleiben eine Weile hier in diesem guten Versteck. Ihr Wanderschuhe könnt - wenn ihr wollt - den äußeren Ring dieses Kessels erkunden." Plötzlich meldet sich die eine Sandale zu Wort: "Hat jemand von euch meine Schwester gesehen? Sie ist seit dem Aufwachen nicht hier gewesen." Keiner der anderen Schuhe hat die zweite Sandale gesehen. "Dann sollten wir auf jeden Fall heute hierbleiben und auch nach meiner Schwester suchen." Alle Schuhe sind einverstanden. Alle wollen mithelfen. Irgendwo wird die zweite Sandale ja wohl stecken. Keiner der Schuhe ahnt auch nur, was in der vergangenen Nacht geschehen ist. Nur die verschwundene Sandale weiß inzwischen, was mit ihr geschah. Denn sie steckt noch immer in dem Rattenloch fest, in das sie in der Nacht verschleppt wurde. Voller Erde und einige Bißspuren liegt sie da.

Wie soll sie hier wieder herauskommen? Das fragt sie sich und weiß keinen Rat. Sie weiß nicht einmal, ob es noch Nacht oder schon Tag ist. Denn hier unten ist es völlig dunkel. Ob sie vielleicht einer der anderen vermißt, so wie sie es mit den Herrenschuhen getan haben? Hoffentlich. Vielleicht würde es helfen, wenn die Sandale nach den anderen rufen würde. Sie versucht es. Doch es kommt keine Antwort. Ganz erschöpft bleibt die Sandale liegen. Vielleicht sollte sie ein wenig schlafen, um dann erneut nach den anderen zu rufen. In Gedanken hört sie die Worte von Tonis Mutter, die oft abends nur vom Flur her, ihren Kindern zurief:

"Gute Nacht!"




zum 14. März 2012