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GUTE-NACHT/3472: Der kleine Nachtwächter ist sprachlos (SB)


Gute Nacht Geschichten vom kleinen Nachtwächter

Der kleine Nachtwächter ist sprachlos



Ein Sonnenstrahl, der sich durch den Spalt zwischen den zugezogenen Vorhängen herein stipitzt, kitzelt den kleinen Nachtwächter an der Nase, sodaß dieser niest und davon erwacht. Nach dem Niesen folgt ein kräftiges Gähnen. Dann erst öffnet er die Augen. Die suchen sogleich den Raum nach Rebell ab. "Wo steckt er nur? Mal wieder unter dem Bett?"

Der kleine Nachtwächter beugt sich hinunter und wäre fast kopfüber aus dem Bett heraus gepurzelt. Aber im letzten Moment kann er das Übergewicht abfangen und sich zurück auf das Bett ziehen.

Unter dem Bett liegt kein Hund. "Stimmt ja, ich habe Rebell doch gestern Abend hinaus vor die Tür gelassen. Da hole ich ihn doch gleich wieder herein."

Aber beim Öffnen der Tür prallt der kleine Nachtwächter mit einem Wachtmeister und einem anderen Mann zusammen, die ihn just sprechen möchten. In diesem Moment stellt der kleine Nachtwächter fest, daß er sich noch gar nicht angezogen hat, läßt die beiden warten und holt das Anziehen schnell nach. Dann dürfen die Männer eintreten.

"Wollen die Herren mich nun verhören?", fragt der kleine Nachtwächter.

"Aber nein, aber nein", sagt da der fremde Mann, "wir wollen uns bei Ihnen, kleiner Nachtwächter, entschuldigen." Der Wachtmeister räuspert sich. Er will das Wort übernehmen. Der kleine Nachtwächter blickt ihn an?

"Nun, die Sache ist die ... ", beginnt er, "Ihr habt der Frau Wirtin Blüten gegeben."

"Aber nein", protestiert der kleine Nachtwächter, "ich habe der Wirtin keine Blumen geschenkt. Und wenn schon. Das ist doch kein Verbrechen, oder doch?"

"Die Wirtin fand die Blüten, also den halben Schein, in Eurer Jacke, die sie ja zum Waschen bekommen hatte!", erklärt der unbekannte Mann. Wieder räuspert sich der Wachtmeister und sagt: "Über die Blüten, also das Falschgeld, hat uns die Wirtin sofort informiert. Wir sind nämlich schon einige Zeit hinter einer Geldfälscherbande hinterher. Mein Kollege, der gestern Abend Dienst hatte, glaubte nun, Ihr wäret einer der Täter ... " - "Ach, deshalb hat er mich hier eingesperrt, und woher wissen sie beide jetzt, daß ich nicht dazu gehöre?"

"Wir dachten ja, daß Ihr fliehen würden, wenn nur die Gelegenheit dazu vorhanden wäre. So schloß die Wirtin Eure Tür nicht wieder ab. Als der Hund dann herauskam, dachten wir, Ihr schickt ihn schon einmal voraus. So sind wir ihm gefolgt und haben auch auf Euch gewartet. Der Hund brachte uns zur alten Burg - dort oben auf dem Hügel. Und welch eine Freude, wir kamen gerade rechtzeitig, die Fälscherbande dingfest zu machen und alle in Gewahrsam zu nehmen. Der Hund half dabei kräftig mit."

"Und wo steckt Rebell jetzt?", möchte der kleine Nachtwächter wissen. "Er ist wohl versorgt und bekommt ein leckeres Mahl bei der Wirtin in der Küche", sagt der Unbekannte, der sich bisher noch immer nicht vorgestellt hat. Dies aber jetzt nachholt: "Im Übrigen bin ich der Bürgermeister dieses Ortes, und ich möchte mich im Namen aller für den Verdacht entschuldigen und Euch zu dem schlauen Hund beglückwünschen."

Das erneute Räuspern des Wachtmeisters kündigt an, daß da noch etwas ist. Aber nicht der Wachtmeister ergreift das Wort, sondern der Bürgermeister fährt fort: "Ich möchte im Auftrag der Bürger fragen, ob ihr nicht bei uns bleiben und hier als Nachtwächter arbeiten wollt. Einen solch tüchtigen Hund ..." - "Mhm, mhm, mhm", räuspert sich der Wachtmeister. "... und einen so ehrlichen Mann", ergänzt der Bürgermeister schnell, "würden wir gern einstellen. Wie sieht es aus?"

Der kleine Nachtwächter überlegt kurz und antwortet dann: "Also, Rebell und ich sind auf dem Weg zum Zoo, wo wir nach Arbeit fragen wollen. Aber, wenn ihr mich nicht jeden Abend einsperrt, könnte ich mir auch vorstellen, hier zu arbeiten. Allerdings müßte ich mich da noch mit Rebell absprechen." Der kleine Nachtwächter grinst.

Da lacht der Wachtmeister laut auf: "Also dem gefällt es hier schon jetzt!"

"Aber, was genau soll ich denn bewachen? In diesem Ort gibt es ja nicht viele Häuser, und die Wirtin paßt auf ihre Wirtschaft selber gut auf!"

Der Bürgermeister beantwortet die Frage: "Mit Verlaub, wir dachten da an die Burg dort oben. Schließlich sollen sich nicht wieder irgendwelche Gauner dort einschleichen!"

Jetzt muß sich der kleine Nachtwächter erst einmal hinsetzen. Damit hat er nicht gerechnet, eine ganze Burg bewachen. Aber der Gedanke gefällt ihm. Und Rebell hat sicher nichts dagegen. War er doch in der letzten Nacht schon von selber wieder dorthin zurückgekehrt.

In diesem Moment wird die Zimmertür vorsichtig aufgestoßen und Rebell tritt herein. Er sucht sogleich die Nähe des kleinen Nachtwächters und legt sich zu dessen Füßen. Ob es die lange Nacht oder das üppige Mahl gerade in der Küche war oder beides, Rebell jedenfalls legt seinen Kopf auf die Füße des kleinen Nachtwächters, schließt die Augen und ruht sich erst einmal aus.

Gute Nacht!

Burg - Buntstiftzeichnung: © 2011 by Schattenblick

zum 13. September 2011