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GUTE-NACHT/3310: Der einsame Pantoffel wird gemieden (SB)


Gute Nacht Geschichten vom einsamen Pantoffel


Am Vormittag sind Oma Erna und Bello in der Stadt beim Drucker. Oma Erna hat sich hier die Kalenderblätter und die Hägargeschichten binden lassen. Schön in Geschenkpapier verpackt, erhält sie ihre Projekte zurück. Mit diesen beiden Päckchen und den bereits zuhause stehenden in rotem Papier eingewickelten Pantoffeln für Annette hat Oma Erna nun alle Geschenke für ihre Kinder zusammen.

Nach dem Drucker bummeln Oma Erna und Bello noch ein bißchen durch die Stadt, um sich ein paar Anregungen zum Dekorieren des Weihnachtsbaums und der Wohnung zu holen. Nur um einen gewissen Schuhladen machen die beiden einen großen Bogen herum.

Zuhause wieder angekommen freut sich Oma Erna darüber, daß auch bereits der Weihnachtsputz erledigt ist. Jetzt kann sie sich auf den Weihnachtsschmuck für den Baum besinnen. Wie möchte sie dieses Jahr den Weihnachtsbaum schmücken? Will sie Kugeln oder Strohsterne nehmen? Im Laufe der Jahre sind viele Kugeln und andere Anhänger zusammengekommen. Nur die Spitze mit dem Weihnachtsengel ist jedes Jahr am Baum erschienen, während die Kugeln wechselweise angebracht wurden.

In einem Jahr hatten die Kinder - da waren sie noch klein - all ihre liebsten Spielzeuge, die nicht zu groß oder zu schwer geraten waren, an den Baum gehängt. Ein anderes Jahr hatten sie nur Süßigkeiten und Plätzchen angebunden. Da sah der Weihnachtsbaum aber bereits einen Tag nach dem Fest so abgemagert aus, daß Opa ihn gleich rausgeworfen hat. Bis zu den Heiligen Drei Königen wollte er dieses armselige Ding nicht in der Wohnung behalten. Im nächsten Jahr wurde dann einstimmig beschlossen, die Süßigkeiten lieber auf einem schönen Teller unter den Baum zu stellen.

Endlich sind Oma Erna und Bello wieder zuhause. Im Sessel vor dem Fenster gönnt sich Oma erstmal eine heiße Tasse Tee. Bello liegt im Sessel daneben, mit dem Kopf auf seinem puscheligen roten Lieblingskissen, das einmal ein Pantoffel gewesen war. "Habe ich dir schon erzählt, daß in diesem Jahr jede Menge Plastikbäume angeboten werden. Das soll der letzte Schrei sein."

Keine Antwort abwartend fährt Oma fort: "Kannst du dich noch daran erinnern, als Tante Grete einen dieser Plastikweihnachtsbäume zuhause aufstellte? Die Zweige waren ganz aus grünem Plastik und der Baumschmuck und die Lichter waren bereits dran. Tante Grete brauchte ihn nur noch auseinander zu spannen wie einen Regenschirm und ihn später ebenso wie einen solchen wieder zusammen zu klappen. Die Kinder fanden ihn gar nicht toll. Wir mußten Tante Grete mit zu uns nehmen, weil die Kleinen meinten, ohne den schönen Weihnachtsbaum zuhause wäre es auch nicht Weihnachten. Tante Grete war damals aufs äußerste beleidigt. Zum Glück ließ sie sich überreden mitzukommen, denn die späteren Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiele, bei denen wir sie alle Runden gewinnen ließen, ohne daß sie es natürlich merkte, versöhnten sie wieder."

Noch lange schwelgt Oma Erna an diesem Abend in Erinnerungen. Sie holt sich die Fotoalben herbei und schaut sich alte Weihnachtsfotos an. Da ist das Jahr, in dem die Mädchen eine Puppe und der Junge eine Eisenbahn bekamen. In dem Jahr hatten sich die beiden Mädchen ein besonderes Geschenk für die Eltern ausgedacht. Sie spielten Knecht Ruprecht und das Christkind und sagten das Gedicht dazu auf, das nun Oma Erna leise vor sich herzusagen beginnt:

"Von drauß' vom Walde komm ich her;
ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr.
Allüberall auf den Tannenspitzen
sah ich goldene Lichtlein blitzen,
und droben aus dem Himmelstor,
sah mit großen Augen das Christkind hervor ..."

Ein Kopf sinkt herab, ein leises Schnarchen ist zu hören. Vom linken Sessel ein Gedanke: "Könnte ich wie ich möchte, ich würde eine Decke nehmen ..."

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Advent 2010