Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → GESCHICHTEN

GUTE-NACHT/3309: Der einsame Pantoffel am Nikolaustag (SB)


Gute Nacht Geschichten vom einsamen Pantoffel


Am Vormittag klingelt es an der Wohnungstür bei Oma Erna. Konnte das wirklich schon Tochter Annette sein? Hatte sie nicht zu arbeiten? Durch das kleine Guckloch späht Oma Erna auf den Hausflur. Schließlich kann man nie wissen, wer da draußen steht, und vielleicht will man denjenigen ja auch nicht hereinlassen.

Es ist nicht Tochter Annette. Den Fremden vor der Tür kennt Oma Erna nicht. Doch er trägt die Uniform der Post. Oma Erna öffnet. "Ein Päckchen für sie!", sagt der Bote und überreicht es ihr. Dann verabschiedet er sich schnell wieder. Vor Weihnachten hat er sicher sehr viel zu tun. "Wer war das?", hört Oma Erna die Frage aus der Stube. "Nur der Postbote", antwortet sie schnell. "Ein Bote? Ist unsere Postfrau nicht mehr da?", hört Oma Erna die nächste Frage aus der Stube. "Die bringt doch nur die normale Briefpost und keine Päckchen oder Pakete." Schon wird die nächste Frage gestellt.

"Kanntest du den Boten überhaupt?" - "Nein, aber ich habe ihn doch an seiner Kleidung erkannt", sagt Oma Erna, "warum machst du dir eigentlich immer Sorgen. Ich bin doch wohl alt genug!" - "Es ist einfach zu gefährlich, wenn man so alleine wohnt. Kinder und alte Leute sollten am besten niemandem die Tür öffnen, wenn sie den Besucher nicht kennen. Denk bloß an die sieben Geißlein und den Wolf!" Oma beginnt zu lachen: "Kinder läßt man grundsätzlich nicht allein zuhaus und ich habe doch Bello! Nicht wahr Bello, du beschützt mich schon."

Mit dem Päckchen geht Oma in die Stube und setzt sich in den rechten Sessel. Sie betrachtet das Päckchen, kann aber keinen Absender entdecken. "Was hier wohl drin ist?", grübelt sie. Dann klappt sie den Deckel ihres Nähkastens, der genau neben dem Sessel steht, auf und nimmt die Schere heraus. Damit öffnet sie das Päckchen. Diesmal erhebt die Stimme aus dem linken Sessel keinen Einwand. Vielleicht weil sich Bello gerade mit seinem neuen Schatz im Maul den Sessel mit einem Sprung hinauf erobert.

Neben vielen Süßigkeiten findet Oma Erna ein noch kleineres Päckchen und eine Karte. Auf der Karte ist zu lesen: "Heute ist der 6. Dezember. Viele Grüße vom Nikolaus. PS: Das kleine Päckchen ist vom Weihnachtsmann. Also bitte erst am Heilig Abend öffnen." Oma Erna ist völlig verwundert. Wer mochte ihr nur dieses Päckchen geschickt haben. Derjenige mußte ihren Geschmack sehr genau kennen, denn alle Süßigkeiten, die jetzt hier vor ihr liegen, mag sie besonders gern.

Oma Erna legt die Schere in den Nähkasten zurück. Dann blickt sie zu Bello mit seinem puscheligen, roten Schatz hinüber und wundert sich, wie gut sich Bello neuerdings mit diesem geflickten Pantoffel versteht. Überall schleppt er ihn mit hin. Nun fällt ihr Blick wieder auf die Süßigkeiten. In Gedanken klappert Oma Erna sämtliche Freunde, Bekannte und Verwandte ab und überlegt, wer ihr wohl eine Freude machen wollte. Ihr fallen einige ein, aber niemand weiß so gut über ihren Geschmack Bescheid, daß er wie dieser Absender hier genau ins Schwarze treffen würde.

Oma Erna steht auf, legt die Süßigkeiten in eine Schale und geht zu ihrem Sekretär. In diesem kleinen Schreibtisch verwart sie alle wichtigen Briefe wie auch Briefpapier, Postkarten und Adressen auf.

"Bello, es wird Zeit, Weihnachtskarten zu verschicken." Zuerst schreibt Oma Erna eine Liste, auf der diejenigen Bekannten und Freunde aufgeführt sind, die in diesem Jahr eine Karte erhalten sollen. Dann sucht sie für jeden eine passende Weihnachtskarte aus. Eine Karte gefällt ihr besonders gut, weil darauf die Weihnachtsgrüße in verschiedenen Sprachen aufgedruckt stehen. Diese Karte verschickt Oma Erna nicht, sondern behält sie für alle Fälle selber.

© 2010 by Schattenblick


Advent 2010