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GUTE-NACHT/3292: Der kleine Nachtwächter weiß nicht wo entlang (SB)


Gute Nacht Geschichten

Zu dritt ziehen sie durch die Nacht - Rebell, der schwarze Hund, sowie der kleine Nachtwächter mit der Taschenlampe in der einen und der Laterne in der anderen Hand und Frau von Zitterspinne, die es sich am heutigen Abend auf der Laterne gemütlich gemacht hat. Im Laterneninnenraum hat sie den ganzen Tag zugebracht und über ihre Kinder in der rosa Kugel gewacht. Jetzt, wo die Kerze brennt, ist es ihr im Innenraum der Laterne viel zu heiß und so sucht sie nach etwas Abkühlung. Diese findet sie ganz sicher hier draußen an der frischen Luft. Denn es weht ein heftiger Wind. Aber Frau von Zitterspinne kann sich gut festhalten. Sie braucht sich nicht einmal in eine zitternde Bewegung zu versetzen, um vor Feinden geschützt zu sein. Denn auch das erledigt der Wind für sie.

"Wo gehen wir denn heute zuerst entlang?", fragt der kleine Nachtwächter und sieht als Antwort auf seine Frage Rebell gleich losstürmen. "Nein, Rebell! Nicht den gewohnten Gang. Wir können nicht jede Nacht die gleichen Runden drehen und womöglich auch noch zur gleichen Zeit. Schließlich, was wäre einfacher für einen Dieb oder Einbrecher, uns zu beobachten und sich die Zeiten zu merken. Dann könnte er genau in diesen Zeiten dort hantieren, wo wir gerade nicht vorbeikommen. Er wäre so etwas wie unser Schatten, den wir auch nicht fangen können."

Rebell sieht zwar nicht ein, was sein Herrchen meint, aber er kommt zurückgelaufen und folgt dem kleinen Nachtwächter in die andere Richtung. Plötzlich bleibt der kleine Nachtwächter stehen und überlegt laut: "Nun, wir können den Spieß auch nicht einfach umdrehen. Da könnte der Dieb doch dasselbe vornehmen und wieder genau da etwas nehmen, wo wir nicht sind. Also wie gehen wir vor?" Rebell blickt den kleinen Nachtwächter aufmerksam an. Er hat etwas von Spieß vernommen. "Ist das nicht so etwas wie ein Stöckchen?", ahnt der Hund und wartet auf den ersten Wurf. Doch nichts geschieht.

Eine Weile verstreicht. Rebell sitzt nun ratlos neben dem kleinen Nachtwächter und wundert sich, warum das Stöckchen nicht durch die Luft fliegt oder wenigstens der Wachgang endlich losgeht. Aus seiner sitzenden Position legt er sich nieder und streicht sich mit den Pfoten über seine Nase - erst mit der rechten Pfote, dann mit der linken.

Auch Frau von Zitterspinne langweilt sich. Sie hatte sich auf einen ausgiebigen Rundgang durch die Stadt gefreut. Außerdem wird es ihr jetzt doch zu kalt und sie zieht sich in die Laterne zurück.

"Nun", beginnt der kleine Nachtwächter und bewegt dabei seine rechte Fußspitze auf und nieder, "wir können auch nicht einfach hier stehenbleiben oder auf der Stelle hin und her laufen. Wir brauchen eine Strategie. Ich brauche eine Strategie." So in strategischen Überlegungen verstrickt, beginnen die Beine des kleinen Nachtwächters einfach loszulaufen. Sie sind es nicht gewohnt, lange an einem Ort zu verweilen, außer wenn sie nachts - natürlich tags - im Bett liegen, nämlich wenn der kleine Nachtwächter schläft. Doch selbst dann sind sie noch jedes Mal aktiv, zucken hier ein bißchen und dort oder unternehmen gar kleine vorgetäuschte Laufbewegungen. Sie sind eben am liebsten ununterbrochen unterwegs.

Die Beine wissen wohl schon längst, was der Stadtprofessor erst kürzlich bei seinen Forschungen entdeckt hat, daß Bewegung bei Mensch und Tier das Denken fördert und dadurch das Wohlbefinden stärkt.

Der kleine Nachtwächter läuft weiter und weiter. Dann hält er abrupt inne. Denn er hat eine Idee: "Wir werden den Spieß umdrehen! Wir bewegen uns jetzt auf die Weise fort wie der Dieb es wohl vornehmen würde. Also los Leute, packen wir es an!"

Rebell versteht gar nichts mehr. Noch immer ist kein Stöckchen in Sicht. Nur ein im Zickzack laufender kleiner Nachtwächter täuscht irgendwelche Manöver vor. Was soll der schwarze Hund und Frau Zitterspinne bloß davon halten?

13. November 2010

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