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GUTE-NACHT/3259: Der kleine Nachtwächter setzt sich ein (SB)


Gute Nacht Geschichten

Jeden Abend geht der kleine Nachtwächter durch seine Stadt - die Laterne in der einen und die Taschenlampe in der anderen Hand. Wenn alle Kinder, Frauen und Männer schlafen, paßt er auf und warnt die Bewohner falls etwas geschieht. Doch nicht nur auf die Bewohner achtet der kleine Nachtwächter. Auch für die Tiere hat er ein Herz.

Da ist das Kaninchen aus dem Schrebergarten. Gestern war es sehr hungrig, weil keiner ihm frisches Futter gebracht hat. Der kleine Nachtwächter schaut darum heute wieder nach ihm. "Hallo Kaninchen", begrüßt er das Fellbündel in seinem Käfig, "ich habe dir Möhren mitgebracht und getrocknetes Brot, dann noch einen Apfel und Blumenkohl. Magst du Blumenkohl?" - "Mhm, lecker. Ich liebe Blumenkohl. Aber was hast du denn da noch in der Hand?", möchte das Kaninchen wissen. "Ach ja, das ist Broccoli und grüner Spitzblumenkohl. Das schmeckt dir bestimmt auch." Der kleine Nachtwächter öffnet die Käfigtür und legt das Futter hinein. Zuvor aber nimmt er noch die verdorrten Reste vom letzten Mal heraus.

"Schnell, schnell", jammert das Kaninchen. "Hast du denn so großen Hunger?", fragt der kleine Nachtwächter. "Nein, nein. Aber ich habe Angst vor dem Fuchs und dem Marder." - "Sei unbesorgt. Die werden nicht kommen, solange ich bei dir bin." Das Kaninchen atmet auf: "Dann ist ja gut." Doch im nächsten Moment bekommt es schon wieder Angst. "Bitte kleiner Nachtwächter, kannst du nicht bei mir bleiben?"

"Das geht nicht. Ich bewache doch die ganze Stadt. Aber dir wird nichts geschehen. Ich verschließe deine Käfigtür wieder wie zuvor und kein Tier wird dir etwas anhaben." Damit verabschiedet sich der kleine Nachtwächter. Doch nach einigen Schritten, kehrt er um. "Wenn es dir hier im Garten zu einsam ist und du große Angst hast, dann kann ich dich mit zu mir nach Hause nehmen. Dort kann, wenn ich fort bin, mein Kätzchen auf dich aufpassen!" - "Eine Katze!", entfährt es dem Kaninchen, "nein bitte nicht."

Der kleine Nachtwächter grübelt: "Warum hat das Kaninchen nur so viel Angst? Irgendwie will ich ihm helfen. Wenn der Morgen kommt, besuche ich noch einmal den Pächter dieses Schrebergartens. Er muß sich jetzt um sein Kaninchen kümmern."


*


Am Morgen, bevor der kleine Nachtwächter nach Hause geht und sich in sein Bett legt, besucht er den Mann, dem das Kaninchen gehört. Zuerst öffnet niemand. Aber nach einer Weile kommt der Mann humpelnd an die Tür. Wegen der frühen Morgenstunde verärgert, fragt er, was denn der kleine Nachtwächter zu so einer unmenschlichen Stunde bei ihm wolle? "Nun, ich wundere mich, daß ihr euch nicht um euer Kaninchen kümmert." - "Mein Kaninchen!", schimpft der Mann, "es gehört meinem Neffen. Er hat hoch und heilig versprochen, sich um das Tier zu kümmern und jetzt bin ich krank und liege im Bett und was muß ich hören, mein Neffe hält nicht, was er versprochen hat. Was mache ich da bloß. Ich kann mit meinem Bein doch nicht in den Garten gehen. Ich habe es mir vor zwei Tagen verstaucht." - "Es ist schon gut", beruhigt der kleine Nachtwächter den Mann, "ich habe mich inzwischen um das Kaninchen gekümmert, ihm zu fressen und zu trinken gegeben. Was jetzt noch fehlt, ist ein bißchen Gesellschaft. Dann hat das Kaninchen auch nicht mehr so viel Angst." - "Egal", sagt der Mann, "ich kann mich nicht um das Karnickel kümmern. Nehmen sie es ruhig mit. Ich habe keine Verwendung dafür." Damit wirft der Mann die Tür wieder ins Schloß und ist verschwunden.

Der kleine Nachtwächter findet dieses Benehmen gar nicht nett. "Ein bißchen freundlicher hätte er schon sein können. Aber das wichtigste ist, ich kann das Kaninchen mit nach Hause nehmen. Dort gibt es auch einen Käfig und mein Kätzchen darf eben dem Kaninchen nicht zu nahe kommen. Dann ist alles in Ordnung."

Hoffentlich sieht das das Kaninchen auch so.


21. September 2010

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