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GUTE-NACHT/3216: Der kleine Nachtwächter (SB)


Gute Nacht Geschichten

Jeden Abend geht der kleine Nachtwächter durch die Straßen seiner Stadt und schaut nach, ob alles in Ordnung ist. Sind die Lichter gelöscht? Brennt kein offenes Feuer mehr? Sind die Türen der Häuser und die Tore der Stadt verschlossen? Wenn das alles geschehen ist, freut sich der kleine Nachtwächter. Dann steigt er hinauf auf den höchsten Turm der Stadtmauer und begeht dort oben seinen Rundgang. Erst wenn auch aus der Sicht von weit oben alles in Ordnung scheint, setzt sich der kleine Nachtwächter auf ein dickes Faß, holt sein Butterbrot hervor und beißt Stückchen für Stückchen davon ab. Bevor er das Brot allerdings kaut und hinunterschluckt, schickt er einen Lockruf in die Nacht.

Manchmal kommen Tiere und der kleine Nachtwächter teilt mit ihnen sein Brot. Heute aber scheint er ganz allein. "Keiner da, der mit mir speisen will?", fragt er. Da niemand erscheint, zerkaut der kleine Nachtwächter den ersten Bissen allein.

Plötzlich erblickt der kleine Nachtwächter zwei grünlich schimmernde Lichter, das eine kleiner als das andere. "Da seid ihr ja, meine ersten Gäste! Fast hättet ihr nichts mehr von meinem Stückchen Brot abbekommen", läd der kleine Nachtwächter die beiden ein.

"Das macht nichts", entgegnet das größere der beiden Glühwürmchen. "Habt ihr denn gar keinen Hunger?", fragt der kleine Nachtwächter. "Nein, überhaupt nicht", erklärt das größere Glühwürmchen, "denn wir essen nie etwas. Das verwundert den kleinen Nachtwächter und er spricht noch einmal den kleineren der beiden an: "Auch du nicht?" Jetzt wehrt auch das kleinere Glühwürmchen ab."

Da ergreift das größere erneut das Wort und erklärt: "In den Sommernächten sind wir vollauf damit beschäftigt herumzufliegen und zu leuchten. Gefuttert haben wir als Larven lange genug. Da haben wir außer Fressen und uns Verpuppen kaum etwas anderes getan. Deshalb brauchen wir jetzt kein Futter mehr."

Nach dieser Erklärung stopft sich der kleine Nachtwächter auch den Rest seines Brotes noch in den Mund. Die beiden Glühwürmchen indess sind schon wieder auf und davon. Nur ein leichtes Schimmern in der Ferne kündet von ihnen.

"Jetzt habe ich doch glatt vergessen, mich den beiden vorzustellen. Auch habe ich sie nicht nach ihren Namen gefragt. Na, vielleicht begegne ich ihnen in der morgigen Nacht ja wieder. Zu dieser Jahreszeit sind Glühwürmchen ja keine Seltenheit." Bei diesen Worten wischt sich der kleine Nachtwächter seine Hände an seinem Umhang ab und begibt sich erneut auf seinen Rundgang. Schließlich will er nicht auf dem Faß einschlafen. Denn die Stadt braucht jemanden der Acht auf sie gibt.


16. Juni 2010

Gute Nacht