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GUTE-NACHT/3206: Vor dem Kamin - Cupcake (SB)


Gute Nacht Geschichten

Semira liegt auf ihrer Decke im Wohnzimmer vor dem Kamin. Der Kamin brennt zur Zeit nicht. So kann Semira nicht in die aufblitzenden Flammen schauen und auf die Funken warten, die da nach oben springen. Im Grunde macht ihr das heute gar nichts aus. Denn etwas anderes hält sie wie in einem Bann gefangen. Es ist der Duft, der durch das Haus zieht. Die Drillinge feiern morgen Geburtstag. Es soll ein schönes Fest werden mit allerlei süßen Kuchen. Daher ist Henriette vollauf mit Backen beschäftigt. Für einen Kindergeburtstag findet Henriette besonders Muffins oder Cupcakes angebracht. Diese kleinen Kuchen können sich die Kinder einfach so nebenbei in den Mund stopfen.

Doch die Herstellung derselben ist schon recht aufwendig, besonders die winzig kleinen Kuchen, die Cupcakes. Denn diese werden nach dem Backen und nachdem sie abgekühlt sind, noch mit einer selbsthergestellten Creme bestrichen und anschließend mit besonders schönen und bunten Streuseln verziert. Einige der Streusel glitzern sogar.

Semira liebt den Duft nach Essen, ob Gebratenes oder Gebackenes. Sie wartet geduldig ab, denn noch immer hat ihr Henriette etwas zum Probieren übrig gelassen. Nicht so geduldig ist der kleine Welpe. Wuschel läuft hin und her und versucht die ganzen Gerüche zu orten. Dabei schaut er auch neugierig um die Ecke in die Küche. Dann wieder läuft er den Flur auf und ab, daß Henriette glaubt, Wuschel wolle Gassi gehen.

Henriette kann den Backofen jetzt nicht sich selbst überlassen und bittet Henri, mit dem Hund hinaus zu gehen. Inzwischen backt sie weiter und rührt die Creme. Die erste Sorte Cupcakes ist bereits fertig. Henriette nimmt den Teller mit den schön verzierten Köstlichkeiten und stellt ihn auf den Wohnzimmertisch. Noch ein Handtuch wird darüber gebreitet, dann geht es zurück in die Küche.

Der Duft, den die Cupcakes trotz des Tuches verströmen, ist absolut verführerisch. Doch Semira hat gelernt, sich zu beherrschen. Sie holt sich nie etwas vom Tisch herunter und wartet geduldig auf ihrer Decke.

Jetzt ist auch die zweite Ladung im Ofen. Henriette hat deshalb gerade Zeit, um oben im Kinderzimmer nach den Drillingen zu sehen. Die Schreie von oben signalisieren, die Drei veranstalten gerade eine Kissenschlacht.

Während Henriette die Küche sich selbst überläßt, kommen Henri und Wuschel wieder ins Haus zurück. Wuschel wird auch jetzt nicht ruhig und läuft im Erdgeschoß hin und her. Zuerst in die Küche. Doch da ist nichts zu holen. Danach geht er ins Wohnzímmer. Hier liegt Semira auf ihrer Decke und scheint zu schlafen. Das findet Wuschel ungewöhnlich. Aber da er sowieso etwas vor hat, schleicht er in weitem Bogen an Semira vorbei und folgt dem in der Luft liegenden Duft zum Tisch. Da Wuschel schon auf das Sofa klettern kann, ist es für ihn auch ein Leichtes gleich noch auf den Tisch zu klettern, dorthin, wo die verführerischen kleinen Kuchen unter einem Handtuch liegen ...

Inzwischen ist die Kissenschlacht zu Ende ausgefochten. Henriettes Taschenwecker hat außerdem geklingelt, um sie zum Ofen zu rufen. Die zweite Ladung Küchlein kann aus dem Ofen geholt werden. Während diese Abkühlen, rührt Henriette eine neue Cremesorte an und füllt die nächsten Förmchen für die letzte Ladung Cupcakes. Dann geht es wieder ans Verzieren.

Nun ist auch das nächste Tablett voller Cupcakes fertig und soll in die Stube auf den Tisch gestellt werden. Doch Henriette eilt erst einmal voraus, um dafür Platz auf dem Tisch zu schaffen.

Als sie das Zimmer betritt, sieht sie ein vorsichtig heruntergeholtes Tuch und einen leeren Teller. Und den Übeltäter? Den sieht Henriette sofort: "Semira! Wie kannst du es wagen! Die schönen Cupcakes ..." Semira weiß nicht, wie ihr geschieht, kommt sie doch gerade aus dem Land, das die Menschen Schlaraffenland nennen.

Henriette schimpft und Semira sucht das Weite. Sie geht in den Flur und sieht die offene Tür von Henris Zimmer. Dorthin begibt sie sich und läßt sich von Henri trösten. Der weiß von den Vorfällen nichts und fragt sich nur verwundert, warum Semira ihn hier besucht. "Das ist doch sonst nicht deine Art?"

Henriette dagegen muß sich erst einmal auf dem Sessel niederlassen. Die ganze Arbeit für umsonst. "Semira, das verzeihe ich dir nie!" Nach der ersten Schreckminute steht Henriette wieder auf und geht in die Küche. Zum Glück waren das ja nicht alle kleinen Kuchen. Schließlich hat Henriette ja noch den zweiten Teller in der Küche und das Blech im Ofen.

Doch als Henriette die Küche betritt, bleibt sie erst einmal wie angewurzelt stehen. Auch der zweite Teller ist völlig leer gefuttert. "Semira! Wie kannst du mir das antun!", schreit Henriette durch das Haus. Einen kurzen Moment später erscheint Henri in der Küche. "Warum schreist du hier so herum und was um Gottes Willen hat Semira damit zu tun? Sie liegt in meinem Arbeitszimmer."

Plötzlich schwant Henriette etwas. "Wie lange bist du schon wieder von draußen zurück? Und wo steckt Wuschel?", möchte Henriette wissen. "Wir sind schon eine ganze Weile wieder hier. Da du nicht zugegen warst, bin ich gleich wieder in mein Büro gegangen. Kurz darauf kam Semira. Wo Wuschel ist? Mhm, das kann ich dir auch nicht sagen."

Nun beginnen die beiden, Wuschel zu rufen. Aber er kommt nicht. Also geht die Suche los. Es dauert nicht lange, da wird der Kleine gefunden. Hinter der Küchentür hat er sich versteckt. Dort liegt er zusammengerollt und schläft.

"Kann das sein, daß dieser kleine Winzling fünfzig Cupcakes gefressen hat?", fragt Henriette erstaunt. Henri streicht über Wuschels Bauch, der dabei erwacht, aber noch immer liegen bleibt, was gar nicht seine Art ist. "Ich denke schon!", gibt Henri nach der Tasterei zur Antwort. "Dieser Schlingel! Da habe ich Semira ja ganz umsonst beschuldigt." - "Das mußt du nicht mir sagen, sondern unserem Hund", erklärt Henri. "Das mache ich. Du aber da unten, du kleiner Kerl, sollst zur Strafe von heute an Cupcake heißen!"


26. Mai 2010

Gute Nacht