Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → GESCHICHTEN

GUTE-NACHT/3109: Verschwunden (SB)


Gute Nacht Geschichten

"Sag mal Heinrich, hast du die Gartenzwerge gesehen?", fragt die Bauersfrau ihren Mann. Der schmunzelt: "Ich habe sie mit dem Weihnachtsbaum in die Garage gebracht. Du wolltest sie doch nicht wirklich jetzt im Haus aufstellen?" Die Bauersfrau zuckt mit den Achseln. "Nun, ich kann ja verstehen, daß unser Enkel mit den Gartenzwergen spielt, aber wir wollen sie doch lieber da lassen, wo sie hingehören, im Gartenbeet." - "Den Winter über sollten sie aber doch schön trocken stehen, sonst leiden die Farben", wendet die Bäuerin ein. "Das tun sie ja", beruhigt der Bauer seine Frau, "in der Garage ist es absolut trocken. Da können sie bleiben bis zum Frühjahr."

"Heinrich hat ja recht", denkt die Bäuerin, "Gartenzwerge ins Haus zum Überwintern zu holen ist schon ein bißchen albern. Es sind ja schließlich keine Lebewesen, auch wenn sie von vielen Liebhabern fast schon als solche behandelt werden. Eigentlich hätten wir ja gar keine Gartenzwerge. Heinrich hat dafür nie Geld ausgegeben, und ich finde sie auch nicht gerade so besonders schön zwischen den Blumen im Beet. Aber als sie beim Nachbarn auf dem Sperrmüll lagen, da taten sie mir eben leid. Auf den Müll gehören sie nun wirklich auch nicht, nur weil dem einen Zwerg die Kappe an seinem Schuh fehlt und dem anderen die Farben etwas verblaßt sind. Da habe ich sie eben mitgenommen und neben die Gartenbank gestellt."

Der Bauer sieht seiner Frau an, daß sie über irgendetwas nachdenkt. Aber nachzufragen, dazu hat er jetzt keine Zeit. Er muß in den Stall, die Kühe melken. Und Emma, seine Frau, wird dort auch gebraucht. "Es ist gleich sechs. Laß uns in den Stall gehen!", schlägt der Bauer vor.

Beide ziehen sich warm an, denn draußen liegt auch heute wieder Schnee und es ist kalt. Emma blickt hinüber zur Garage, als sie aus dem Haus tritt. "Ach, Quatsch, da drin sind sie schon gut aufgehoben bis zum Frühling und wärmer als im Schuppen ist es darin auch." Damit wendet sie sich ihrer allmorgendlichen wie allabendlichen Aufgabe beim Melken zu.

Anschließend hat sie noch einen Eimer auf dem Mist auszuleeren. Neben dem Misthaufen liegt der neumodische Plastikschlitten ihres Enkels. "Wieso hat er den denn genau hier neben dem Misthaufen liegen gelassen. Und außerdem dachte ich, den hätte Heinrich in die Garage gebracht." Mit diesen Gedanken nimmt sie die Plastikschlittenschüssel und schreitet hinüber zur Garage. Sie will den Schlitten hineinstellen, aber das Garagentor ist verschlossen. "Zu! Dann stelle ich den Schlitten eben morgen in die Garage. Es ist ja schließlich ein Schlitten und Kälte macht ihm nichts aus. Es wundert mich nur, wieso er ausgerechnet am Misthaufen stand?" Noch einmal versucht die Bäuerin das Garagentor zu öffnen. Doch es bleibt verschlossen. Im Inneren hat der Bauer so viele teure Gerätschaften, daß er lieber vorsichtig ist und das Tor stets abschließt.

Der letzte Blick der Bäuerin auf das Garagentor verrät, daß es ihr beim Besuch der Garage nicht nur um das Wegstellen des Plastikschlittens gegangen wäre. Der Schlitten wäre nur ein willkommener Anlaß, um gleich auch noch nach den zwei kleine Kerlchen zu sehen. Doch daraus wird heute nichts mehr.

Auch in den nächsten Tagen kommt die Bäuerin nicht dazu. So geraten die Gartenzwerge in Vergessenheit. Erst im Frühling wird sich wieder an sie erinnert. Aber da sind die beiden Wichtel schon längst über alle Berge - wer weiß wohin ...


5. Januar 2010

Gute Nacht