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GUTE-NACHT/2620: Ein Pfennig auf Reisen - Im Geldbeutel (SB)


Ein Pfennig auf Reisen

In einem Geldbeutel liegt zwischen all den großen und kleinen Geldstücken auch noch ein kleiner einzelner Pfennig. Seit vielen Jahren drückt er sich hier herum und will und will nicht aus diesem dunklen Versteck heraus.

"Was hast du eigentlich noch hier zu suchen?" wurde der kleine Pfennig erst vor kurzem gefragt. "Ich lebe hier", antwortete der kleine Pfennig auf die Frage. Doch der Cent, der ihn erbost angefahren hatte, fand nur: "Geldstücke leben erst wenn sie ausgegeben werden. Und dich will ja wohl keiner mehr haben." - "Aber ich bin doch ein Glückspfennig!" hatte der kleine Pfennig da erstaunt ausgerufen, "und Glückspfennige werden nicht so einfach fortgegeben. Sie bleiben bei ihrem Finder für so lange, bis sie aus Versehen fortgegeben werden und zum nächsten Menschen wandern, der ein bißchen Glück braucht."

"Da kannst du aber lange warten, bis du weiterwanderst. Du wirst auf keinen Fall mehr aus Versehen ausgegeben. Denn dich will ja keiner mehr haben. Für dich bekommt keiner mehr etwas."

Das traf den kleinen Pfennig wie ein Schlag. Wieso wollte ihn keiner mehr haben? Hieß es nicht, wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert? Als dies der kleine Pfennig dem Cent erzählte, lachte der nur. "Ja, den Taler will jetzt auch keiner mehr haben. Da paßt du gut dazu." Noch immer wußte der Pfennig nicht, was los war. Also erzählte der Cent, was er wußte. Die Banken hatten alles Geld eingezogen und neues ausgegeben. Dieses neue Geld wurde Euro und Cent genannt. Pfennige, Groschen und Markstücke waren nun nicht mehr im Umlauf.

Der kleine Pfennig stand unter Schock. War er noch als einziger seiner Art übrig geblieben? Gab es vielleicht irgendwo anders doch noch Pfennige? Das mußte der kleine Pfennig herausbekommen. So faßte er einen Plan, der ihn die nächsten Wochen noch beschäftigten sollte.

Doch heute liegt der kleine Pfennig wieder ganz hinten in der letzten Falte des Geldbeutels und hat es aufgegeben, hier überhaupt noch einmal heraus zu kommen. "Was bist du so traurig?" fragt ein goldenes Geldstück, das den Kleinen in seiner Falte schon eine Zeit beobachtet hat. Der Pfennig mag eigentlich nicht reden. Aber dann kann er gar nicht wieder aufhören, seinem Gegenüber all seinen Kummer zu berichten. "Wie heißt du überhaupt?" fragt der Pfennig. "Ich bin ein 50-Cent-Stück. Manche nennen mich auch einen Halben, weil ich halb so viel wert bin wie ein Ganzer." - "Was ist ein Ganzer?" möchte der kleine Pfennig wissen. "Ein Ganzer ist ein Euro. Früher gab es anstelle des Euro die Mark und anstelle des Pfennigs sind die Cent getreten." - "Euro klingt so fremd. So als sei man in einem anderen Land", findet der Pfennig. "Das kann dir auch passieren", erklärt der Halbe, "denn in mehreren Ländern sind wir jetzt seit vielen Jahren zuhause und helfen den Menschen beim Kaufen und Verkaufen." - "Ich möchte auch helfen!" bittet der Pfennig. "Heute Nacht kannst du das nicht mehr", sagt der Halbe zum Pfennig, "darum ruh dich erst einmal aus und wir sehen morgen weiter!"


Erstveröffentlichung am 25. August 2003

3. Mai 2008

Gute Nacht