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GUTE-NACHT/2490: Großmutter Maus, warum hast du... (SB)


Mutter Maus im Sandmannhaus

Mutter Maus hat es nicht leicht mit ihren sechs Mäusekindern. Nur wenn sie Geschichten hören, werden sie still und lauschen. Dann erst kann sich Mutter Maus ausruhen, aber auch nicht völlig, denn schließlich ist sie die Erzählerin.

Immer neue Geschichten zu finden, ist nicht gerade leicht. Wie gut, daß Mutter Maus hier im Haus des Sandmannes einen Unterschlupf gefunden hat. Abends sitzt der Sandmann über einem großen Buch und schreibt viele Geschichten hinein, die er den Kindern in ihren Träumen erzählt.

Diese Geschichten borgt sich Mutter Maus so dann und wann aus, wenn ihr keine eigenen mehr einfallen. Wenn der Sandmann über seinem dicken Buch eingeschlafen ist, schlüpft Mutter Maus aus dem Mauseloch und läuft auf leisen Sohlen zum Tisch hinüber. Dort klettert sie behende den Stuhl hinauf und schaut in das große Buch der Träume hinein.

Auch heute ist Mutter Maus wieder unterwegs. Denn wie die Geschichte um die Mäusegroßmutter ausgeht, weiß sie noch nicht. Schon so manches Mal hat Mutter Maus die Geschichten des Sandmann in die Welt der Mäuse übertragen. Schließlich sind ihre Kinder Mäuse und keine Menschen. Auch dieses Mal wird sie die Sandmanngeschichte umzuwandeln haben.

Vorsichtig klettert Mutter Maus auf die Tischplatte,
zieht ihre kleine Brille aus der Schürze, setzt sie
auf und liest: "Rotkäppchen und der böse Wolf."
Den Anfang der Geschichte hat Mutter Maus ihren
Kleinen gestern bereits erzählt. Das Ende steht ihnen
nun noch bevor. Aus dem Mädchen mit dem roten Käppchen
und dem Korb voller Kuchen und Wein wurde ein kleines
Mäusekind, das mit einem Stück Käse zur Großmutter Maus
unterwegs war.

Einen Wolf hätten die Mäusekinder nicht ernst genug genommen. So wurde aus dem Wolf der große fette Kater Mombart, der hier im Haus des Sandmannes für Angst und Schrecken sorgt. Vor ihm haben sich alle Mäuschen in Acht zu nehmen, wenn sie nicht gefressen werden wollen. Mutter Maus sucht die Stelle, an der die Geschichte weitergeht. Zuletzt hatte der Wolf das Rotkäppchen dazu überredet, vom Weg abzugehen und Blumen für die Großmutter zu pflücken. Er selbst war in großen Sätzen davongesprungen und hatte die Großmutter mit Haut und Haaren verschlungen. Mutter Maus liest weiter:


*


Rotkäppchen und der böse Wolf

... und als der Blumenstrauß für die Großmutter so dick war, daß Rotkäppchen ihn fast nicht mehr halten konnte, lief es zurück zum Weg und zu Großmutters Haus. Da aber stand die Türe auf, was Rotkäppchen erstaunte. Es trat ein und sah die Großmutter mit ihrem Häubchen im Bett liegen. Rotkäppchen grüßte und fragte nach Großmutters Befinden. Die sagte, Rotkäppchen solle ruhig näherkommen. Rotkäppchen fand die Großmutter heute seltsam und versuchte herauszubekommen, woran es liegen könne. So fragte das Kind: "Großmutter, warum hast du so große Ohren?" - "Damit ich dich besser hören kann", war die Antwort. "Aber Großmutter, warum hast du so große Augen?" - "Damit ich dich besser sehen kann." - "Aber Großmutter, warum hast du so große Hände?" - "Damit ich dich besser packen kann." Schon ganz voller Sorge fragte das Rotkäppchen ein letztes Mal: "Ach, Großmutter, warum hast du so ein großes Maul?" - "Damit ich dich besser fressen kann!"...


*


Bei diesen Worten hört Mutter Maus plötzlich ein ihr ganz bekanntes Geräusch und ohne zu überlegen, läuft sie, was sie nur kann. Denn Kater Mombart hat es auf Mutter Maus abgesehen. Doch Mombart ist nicht schnell genug. Noch bevor der Kater in die Nähe des Mauselochs kommmt, ist Mutter Maus bereits hineingeschlüpft und klemmt dem Kater die Pfote mit der Mäusetür.

"Auha!" schimpft der Kater und der Sandmann auf seinem Stuhl erwacht. Er reibt sich die Augen, nimmt seinen Stift wieder zur Hand und schreibt die Geschichte zu Ende. Mutter Maus später vielleicht noch einmal einen Vorstoß wagen.

28. November 2007

Gute Nacht