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ADVENT - ERZÄHLT/007: Baumretter - Mitstreiter ... (SB)



"Verflucht, mir knurrt der Magen. Wenn ich nicht gleich etwas zwischen meine Zähne bekomme, fress' ich einen Baum auf", polterte ein ... ja, ein wer oder was machte denn da seinem Ärger so lauthals Luft? Timbo erschrak sich zu Tode, war aber so schlau, sich nicht zu bewegen. Doch leider nützte ihm das nichts.

"Hah, wen haben wir denn da? Du sieht aber lecker aus, habe ich heute vielleicht ein Glück!", säuselte die riesige, gestreifte Katze gefährlich, die jetzt im dichten Unterholz zum Vorschein kam.

"Halt, halt, nein, du darfst mich nicht fressen, ich schmecke ganz bestimmt überhaupt nicht lecker. Warte bitte, ich kann dir alles erklären, warum du mich nicht ..." - "Das will ich gar nicht wissen! Für mich siehst du sehr appetitlich aus!", grollte die Katze. "Nein, nein, warte, du musst mir zuhören!"

Ein großer Tiger schreitet hungrig, lauernd dem kleinen Hund entgegen, der entsetzt aufspringt - Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblik

Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

"Häh, warum das denn? Ich habe noch niemals meinem Mittagessen zugehört!" - "Ich habe einen wichtigen Auftrag. Ich will deinen Wald retten, damit du dein Zuhause nicht verlierst", schrie Timbo so laut er konnte. "Wie, wieso retten? Was ist denn mit dem Wald?", war die große Katze auf einmal doch neugierig geworden.

"Bara, der große, bunte Vogel, ist um die ganze Welt geflogen und hat überall von dem großen Unglück berichtet, dass Menschen alle Bäume absägen, Feuer legen und alle Waldbewohner vertreiben oder töten", erklärte Timbo.

"Was, du kennst Bara? Warum sagst du das denn nicht gleich?", lenkte die Katze ein und entschuldigte sich: "Nimm 's mir nicht übel, aber das konnte ich nun wirklich nicht wissen!"

Timbo ließ sich erleichtert auf den Hintern plumpsen und japste nach Luft. Es dauerte etwas, bis er sich wieder beruhigt hatte: "Also, ich heiße Timbo und möchte nicht, dass die Bäume sterben, wir müssen den Wald retten. Und wer, bitte schön, bist du?" Er schaute zur Riesenkatze hin, die sich inzwischen hingesetzt hatte.

"Ich? Oh, ja, natürlich. Mein Name ist Kralle. Kralle Tiger. Ich lebe auch noch nicht so lange hier. Bara ist ein prima Kerl. Er hat mir geholfen, mich hier zurechtfinden. Bara spricht andauernd über die Menschen, die diese großen, lauten Maschinen hierher gebracht haben. Bis an diesen Ort hier sind sie zum Glück noch nicht gelangt."

Timbo war froh, dass Kralle Tiger seinen Hunger vergessen hatte und so fasste er sich ein Herz: "Kralle, ich kenne mich hier überhaupt nicht aus und weiß nicht recht, wie ich die Bäume beschützen kann. Allein schaffe ich das bestimmt nicht."

"Hmmm, ja, nun. Ist auch mein Wald und wenn es den nicht mehr gibt, weiß ich nicht wohin." Er wog seinen großen Kopf nachdenklich hin und her und brummte: "Abgemacht, klare Sache, ich helfe dir. Weißt du was, wir brauchen Verstärkung! Warte einfach hier auf mich, Timbo. Ich mache mich auf die Suche nach Sila, sie ist eine sehr kluge Schimpansenfrau und kennt ziemlich viele ..." - "Eine was?", unterbrach Timbo den Tiger, aber der winkte ab und riet Timbo, sich überraschen zu lassen. "Hier leben so viele verschiedene Tiere, dass ich dir wirklich nicht alle beschreiben kann." - "Oh?!", brachte Timbo erstaunt hervor.

"Also bis gleich, und nicht weglaufen!" Mit einem Riesensprung war Kralle Tiger im Dickicht verschwunden. Etwas ratlos sah Timbo sich um und beschloss, sich wieder auf sein kleines Fleckchen Gras zu legen und auf den Tiger zu warten. Gerade hatte er es sich recht bequem gemacht, da begann es urplötzlich zu regnen. Laut prasselten die schweren Tropfen auf die Blätter und Timbo wurde patschnaß. "Na toll!", maulte er. Doch der Regen war schnell vergessen. Irgendetwas ging hier vor. Doch was war das? Hatten sich etwa dort drüben tatsächlich die Zweige des Strauches auseinander gebogen? Und wirklich, Timbo konnte erst eine Hand, dann einen Fuß und schließlich einen ganzen Menschen erkennen. Das erste, was Timbo auffiel, war, dass er gar nichts anhatte, außer Schmuckbänder an Armen und Beinen und um den Hals. Er sah ganz anders aus als die Menschen, die er kannte. Der Mann sah sich um, und als er Timbo entdeckte, kam er direkt auf ihn zu. 'Hoffentlich hat der nicht auch Hunger', dachte Timbo bei sich.

"Was macht denn so ein kleiner Hund ganz allein hier im Wald?", sprach der Mann ruhig zu ihm. Timbo richtete sich zu seiner vollen Größe auf: "Ich heiße Timbo und komme von weit her. Bara, der große, bunte Vogel hat überall in der Welt erzählt, was mit dem Regenwald passiert, und ich will helfen, ihn zu retten." Der Mann lächelte freundlich und ließ sich neben Timbo nieder, der sich nun auch wieder hinsetzte. "Das freut mich sehr, kleiner Hund Timbo, wir können wirklich Hilfe brauchen. Ich heiße Teberan und ..."

Ein Regenwaldbewohner sitzt vor Timbo mit lauter Blättern auf dem Schoß - Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

"Warum hast du denn gar keine Kleider an?", fuhr Timbo ihm neugierig dazwischen. Der Mann sah ihn verblüfft an und Timbo wurde ganz verlegen. "Entschuldigung", murmelte er leise.

"Das ist meine Kleidung", antwortete Teberan und fügte nachsichtig hinzu, "du bist neu hier und kannst das ja nicht wissen. Ich will dir gerne alles erklären. Also, auch wir Menschen, die wir hier im Regenwald leben, werden unsere Heimat verlieren, genau wie die Tiere." Der Mann, der sich Teberan nannte, stand unvermittelt auf und sammelte aus der nahen Umgebung Blätter auf. Als er einen Haufen zusammen getragen hatte, ließ er sich wieder neben Timbo nieder und legte die Zweige und Blätter über seine Beine. Der Regen wollte wohl gar nicht mehr aufhören. Teberan nickte Timbo freundlich zu: "Du brauchst ein Dach!" - "Ein Dach?", staunte Timbo. "Ja, du wirst dich über ein Plätzchen freuen, dass dir vor dem strömenden Regen Schutz bietet", fügte Teberan hinzu.

"Hmm, bestimmt, das ist gut, vielen Dank!", Timbo verstand das zwar nicht so recht, denn er konnte weit und breit kein Dach erkennen. 'Aber vielleicht führt der Mann mich ja noch dorthin, wo es ein Dach gibt', überlegte Timbo. Teberan begann die Blätter zu sortieren und sorgfältig übereinander zu legen. "Also, nun kannst du mich alles fragen", ermunterte er Timbo.

"Ja, am liebsten möchte ich wissen, wann es zu regnen aufhört?" - "Bald", lachte Teberan, "bald, aber wenn es aufgehört hat, fängt es auch immer wieder an. Was meinst du, warum der Wald Regenwald heißt?"

"Oh! Ja, natürlich. Lebst du schon immer hier? Und bist du ganz allein? Wo sind die anderen? Wo wohnt ihr denn, wo sind denn die Häuser ... ?"

"Halt, kleiner Hund, warte. Das sind ja ganz viele Fragen auf einmal!", unterbrach ihn der Mann, während er ununterbrochen die Blätter auf seinem Schoss hin und her bewegte.

"Uff, stimmt, tut mir Leid ..."

"Macht nichts. Also, ich lebe nicht allein, habe Frau und Kinder, wie die anderen von uns auch. Wir wohnen hier im Wald - für uns ist er so wie Vater und Mutter. Wir leben mit ihm und in ihm. Hier finden wir Nahrung und Blätter für ein Dach, Holz für ein Feuer und Wasser in den kleinen Bächen. Wir essen Früchte, fangen Fische und jagen Tiere, wenn wir Hunger haben. Alles wird gleich aufgegessen, denn wir nehmen uns aus dem Wald nur das, was wir wirklich zum Leben brauchen - nicht mehr. Wir horten keine Vorräte - das wäre auch kaum möglich, weil alles schnell schlecht würde. Jeder bekommt soviel er möchte. Kinder natürlich reichlich, weil sie noch wachsen. Die Hunde bekommen etwas und dem Wald geben wir auch stets ein wenig zurück ..." - "Dem Wald? Wieso dem Wald? Bäume essen doch gar nichts ...", wunderte sich Timbo.

"Oh doch, erwiderte Teberan ernst, die Bäume essen Erde, und alles, was wir dem Wald geben, wird schließlich zu Erde. Wir zeigen ihm so unsere Dankbarkeit." - "Ach, so", flüsterte Timbo immer noch erstaunt.

"Wie du ja schon bemerkt hast, tragen wir auch fast keine Kleider - nur einen Schutz um die Lenden. Stell' dir mal vor, unsere Kleider würden bei dem vielen Regen immer wieder nass und schnell schmutzig werden. Ohne Kleider werden nur wir einfach nass, sauber und wir trocknen auch schnell wieder, weil es hier sehr warm ist."

"Also ich möchte auch keine Kleider anziehen, ich habe ja mein Fell, das reicht mir ...", überlegte Timbo laut.

"Nun stell dir vor, die Leute, die den Wald zerstören, behaupten, dass es für uns gar nicht schlimm wäre, wenn es keinen Wald mehr gibt. Wir könnten dann in Häusern wohnen und Kleider tragen - das wäre ungefähr so, als würde man von dir verlangen, auf einem Stuhl zu sitzen, wenn du dein Fressen bekommst."

Timbo sitzt genervt am Tisch und reicht kaum an den Fressnapf heran - Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

Timbo malte sich das aus und protestierte: "Nein, das ist doch, also nein, da tut mir mein Po ja jetzt schon weh, nein, nein!"

"Siehst du, und mir geht es nicht anders. Ich will nicht in einem Haus leben, sondern hier im Wald bleiben." Teberan war jetzt richtig zornig. Timbo dachte eine Weile über das Gesagte nach: "Aber wenn ihr den Wald so gern habt, was für Menschen sind denn das, die ihn kaputtmachen wollen und warum bloß? Ich versteh' das nicht!" Teberan legte seine Stirn in Falten und fragte sich, wie er all das erklären sollte.

"Also, kleiner Hund, das ist auch für mich schwer zu begreifen. Wir, die wir hier leben, kennen kein Geld, weil wir alles vom Wald bekommen. Aber die meisten Menschen auf der Welt leben ganz anders als wir, und dazu brauchen sie dann eben Geld. Du weißt doch, was Geld ist, oder?" - "Natürlich. Wenn mein Herrchen Futter für mich holt, dann gibt er dem Mann, der ganz viel Hundefutter hat, Scheine oder Münzen dafür. Das ist Geld!"

"Tja, und nun gibt es Menschen, die handeln nicht mit Hundefutter sondern mit Bäumen aus dem Wald, die sie töten, rauben und fortschaffen. Sie bringen sie auf Schiffe, die in ferne Länder fahren, und dort verkaufen sie die Baumstämme und bekommen Geld dafür. Also, ehrlich gesagt, so ganz verstehe ich das auch nicht, aber eins weiß ich jedenfalls sicher: das Geld macht diese Menschen gierig und sie wollen immer mehr und mehr davon haben."

Timbo hatte aufmerksam zugehört. "Und deswegen töten die Menschen dann Bäume ...?" - "... ja, und immer mehr und immer mehr Bäume, und die Bewohner des Waldes müssen fliehen." - "Das ist ja furchtbar!", bellte Timbo wütend, "das muss sofort aufhören!"

Timbo liegt stolz und glücklich unter dem neuen Blätterdach - Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

Während Teberan all das erzählte, hatte er unbemerkt und geschickt ein Dach aus Blättern gefertigt. "Hier, für dich", sagte er und reichte Timbo das kleine grüne Blätterdach. "Damit du dich darunter legen kannst, sobald es regnet." - "Oh, vielen Dank", freute sich Timbo.

Fortsetzung folgt ...

17. Dezember 2015


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