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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/449: Demokraten-Telethon kämpft gegen den Muskelschwund der amerikanischen Klimapolitik


Heinrich-Böll-Stiftung - 12. September 2019

Analyse
Demokraten-Telethon kämpft gegen den Muskelschwund der amerikanischen Klimapolitik

von Liane Schalatek


Die zehn aussichtsreichsten Präsidentschaftsanwärter/innen ließen über sieben Stunden bester Sendezeit bei CNN ihre Klima-Muskeln spielen.

Die Zeit Anfang September und den Begriff "Telethon" oder "Fernsehmarathon" brachte man in der Vergangenheit in den USA vor allem mit dem Komiker Jerry Lewis in Verbindung, der um den amerikanischen Tag der Arbeit jahrzehntelang seinen Fernsehmarathon hielt, um die Unterstützung einer breiten amerikanische Öffentlichkeit - und Spenden - zum Kampf gegen den Muskelschwund zu organisieren. Dieses Jahr wurde die Tradition des Telethons am 4. September im US-Kabelsender CNN wiederbelebt, um die amerikanische Wahlöffentlichkeit für den Kampf gegen den Muskelschwund amerikanischer Handlungsfähigkeit und Führungskraft in Sachen Klimawandel zu mobilisieren - und dabei vielleicht auch die eine oder andere Wahlkampfspende für eine(n) der zehn aussichtsreichsten verbleibenden Hoffnungsträger/innen im Vorwahlkampf um die demokratische Präsidentschaftskandidatur einzusammeln.

Die letzten zehn der ehemals über 20 demokratischen Präsidentschaftskandidat/innen, die die Auswahl des Democratic National Committee (DNC) für die dritte Fernsehdebattenrunde am 12. September geschafft haben, waren auch diejenigen, die sich am 4. September jeweils in 40-Minuten-Takt nacheinander für insgesamt sieben Stunden bester US-Kabelsendezeit den sehr sachkundigen und kritischen Fragen registrierter demokratischer und unabhängiger Wähler/innen stellten. Darunter waren auffallend viele junge Studierende und Anhänger/innen der US-Klimajugendbewegung Sunrise Movement.

Deren Sichtbarkeit war nicht mehr als recht und billig, waren es doch gerade junge Leute und Klimaaktivist/innen, die mit ihrem Push für mehr Sendezeit für eine Klimadebatte demokratischer Spitzenkandidat/innen den CNN-Klima-Telethon, wenn auch nicht als direkten Schlagabtausch der Kandidat/innen zu ihren Klima-Ideen, erst möglich gemacht haben. In der dritten offiziellen Fernsehdebatte der letzten zehn DNC-sanktionierten Standhaften wird der Kampf gegen den Klimawandel wohl wieder nur eines von vielen zu behandelnden Themen sein mit entsprechend geringer Sendezeit.

Im Präsidentschaftswahlkampf selbst wird die Debatte um den Klimaschutz von Amtsinhaber Donald Trump und seinen Getreuen - wie bereits im Twitter-Umfeld des CNN-Telethons - auf die Kernfrage, wer an den Klimawandel glaubt, und damit eine Frage des ideologischen Kulturkampfes zwischen den angeblich individuelle Freiheiten verteidigenden Republikaner und den auf die Regulierungsmacht der Regierung setzenden Demokraten zugespitzt werden. Aufgrund der sich verhärteten Politiklager im amerikanischen Elektorat wird es sehr schwierig werden, trotz der erhöhten Sichtbarkeit des Themas in den US-Medien angesichts von verheerenden Waldbränden, extremen Wetterereignissen wie Hurrikan Dorian oder bislang beispielslos massiven Überschwemmungen im agrarischen Herzstück der USA im Mittleren Westen, die amerikanische Wählerschaft auf einen gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel einzuschwören. Denn während die jüngste Meinungsumfrage der Quinnipiac Unversität von Ende August zeigt, dass mit 56 Prozent die Mehrheit aller registrierten US-Wähler/innen Klimawandel für einen weltweiten Notfall hält und 67 Prozent der Ansicht sind, die Vereinigten Staaten müssten mehr tun, um den Klimawandel zu adressieren, zeigt die gleiche Befragung ein deutliches Meinungsgefälle zwischen registrierten Republikanern und Demokraten. Den 84 Prozent Demokraten und 63 Prozent der unabhängig registrierten Wähler, die den Klimanotstand ausgerufen sehen wollen, stehen 81 Prozent der republikanischen Wähler gegenüber, die weit und breit keine Klimakrise erkennen können.

So konnte der Klima-Telethon der zehn demokratische Hoffnungsträger/innen Anfang September wohl auch nur die Wähler/innen ansprechen und überzeugen, die von jedem demokratischen Präsidentschaftsbeweber erwarten, im Falle eines Wahlsiegs im November 2020 zu Hause wie international wieder amerikanische Klimamuskeln spielen zu lassen. Im Vorfeld des Telethons hatten mehrere Kandidat/innen, darunter Senator/innen Elizabeth Warren (Massachusetts), Kamala Harris (Kalifornien), Cory Booker (New Jersey), Amy Klobuchar (Minnesota) und der frühere Wohnungsbauminister Julián Castro, noch schnell die Gelegenheit genutzt, neue oder revidierte Klima- und Energiepläne zur veröffentlichen, die sich zum Teil ganz bewusst an dem des Washingtoner Gouverneurs Jay Inslee orientierten, der - indem der den Klimaschutz gleich zu Anfang seiner zu kurz geratenen Kandidatur zu seinem beherrschenden Vorwahlkampfthema mit 200 Seiten Details gemacht hatte - das Heer seiner restlichen demokratischen Mitstreiter auch nach seinem frühzeitigen Ausscheiden nachhaltig in Richtung ambitionierten Klima-Aktivismus gedrängt hat.

Die Zuschauer/innen der Präsidentschaftsbewerber-Klima-Bodybuilding-Show waren daher über die groben Übereinstimmungen der individuellen Kampagnen-Klima- und Energiepläne hinaus deshalb auch vor allem an den Nuancen, Alleinstellungsmerkmalen und Differenzierungen im Klimaschutzansatz interessiert, die die zehn laut DNC aussichtsreichsten Kandidat/innen voneinander abgrenzen. Sozusagen neugierig auf die individuelle Klima-Kür, neben dem unausweichlichen Pflichtprogramm. Zu letzterem gehörte beispielsweise die Zusage aller Kandidat/innen, die USA bis spätestens 2050 klimaneutral zu machen, die Ansage als einen der ersten Amtsschritte als neugewählte(r) demokratische(r) Hausherr(in) im Weißen Haus, die USA wieder dem Pariser Klimaschutzabkommen beitreten zu lassen, oder das Versprechen, Öl- und Gasförderpachtverträge auf Bundesterritorien auszusetzen. Alle demokratischen Bewerber/innen sind sich ebenfalls einig, dass gemäß der Vorlage aus dem US-Kongress zu einem "Green New Deal" neben der Emissionsreduzierung der Hauptaugenmerk jedes guten demokratischen Klimaplans auf Unterstützung der Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze durch den nötigen Strukturwandel bedroht werden (Stichwort Just Transition), ebenso wie auf die Schaffung, neuer gut bezahlter und gewerkschaftlicher organisierter grüner Jobs gelegt werden muss. Als verallgemeinernde Richtschnur für die zehn im Telethon vorgeschlagenen Vorgehensweisen gilt hier, je liberaler der/die Kandidat/in, desto aggressiver der Ansatz, um US-Kohlenstoffemissionen in kürzerer Zeit auf Netto Null zu reduzieren.

Im individuellen Kandidat/innen-Klima-Parcours zwischen Pflicht und Kür und beim Blick in die einzelnen Klimaprogramme kristallisierten sich einige wichtige und interessante Unterschiede heraus, die hier thematisch sortiert kurz angesprochen werden sollen:

• Finanzierungsumfang der Klimapläne

Mehr oder weniger synchron zur Positionierung des/der jeweiligen Kandidat/in auf dem progressive-liberalen Spektrum reichen die Vorschläge von US$16,3 Billionen von Senator Bernie Sanders über 15 Jahre, über Kamala Harris 10-Jahres US$10 Billionen Klima-Blaupause, zu Tech Unternehmer Andrew Yangs US$ 5 Milliarden und den vergleichsweise moderaten US$ 3 Billionen über 10 Jahre die Elizabeth Warren und die US$1.7 Billionen, die der ehemalige Vizepräsident Joe Biden mobilisieren wollen. Finanzielles Schlusslicht bildet der Plan von Pete Buttigieg der mit einem Investitionsrahmen von US$ 1 Billion drei Millionen grüne Jobs kreieren will. Im Vergleich: Bernie Sanders sagt sein Plan könne 20 Millionen gutbezahlte Jobs im Kampf gegen den Klimawandel in den USA schaffen. Auf den Klimaschutz-Preisvergleich zwischen ihr und Bernie Sanders im Telethon angesprochen, konterte Elizabeth Warren, dass die Regulierungsfähigkeit der Regierung sowie eine klimakompatible Handelspolitik, zum Beispiel über die Einführung einer Klimanpassungsgebühr für energieintensiv produzierte Importgüter, ebenso wichtig wie die Bereitstellung von Finanzmitteln ist. Die Mittel zur Finanzierung ihrer Klimapläne wollen die Kandidat/innen unter anderem auch durch die Verlagerung von US-Militärausgaben zum Klimaschutz sowie die Abschaffung der Subventionen und Steuervergünstigungen für die Kohle-, Gas- und Ölindustrie (Andrew Yang und Bernie Sanders), sowie durch die Rückgängigmachung der Trump'schen Steuerkürzung (Elizabeth Warren) und durch Strafzahlungen von der Kohlestoffindustrie durch strafgerichtliche Verfolgung, ähnlich den Zahlungen, die die Tabakindustrie leisten musste (Kamala Harris und Joe Biden) erreichen.

• CO2-Bepreisung

Fast alle Kandidat/innen wollen Kohlenstoffemissionen bepreisen, aber die spezifischen Umsetzungvorschläge und gegebenen Details variieren stark. Sie reichen von Senatorin Kamala Harris und Julián Castros Vorschlägen für eine noch zu definierende Art Verschmutzergebühr für die grössten industriellen Beschmutzer bis hin zum Technologieunternehmer Andrew Yang, der bereits den Preisrahmen für seine Kohlenstoffsteuer für Industrie pro Tonne sukzessiv von anfangs US$40 auf US$100 erhöhen will. Elizabeth Waren plant eine Kohlenstoffbesteuerung, die primär die großen drei Industriebereiche Gebäude, Transport, Energie treffen würde, die sie als Hauptverantwortliche für 70 Prozent der US-Emissionen ausgemacht hat. Warren warnt davor, dass die notwendige Debatte über den Klimabeitrag jedes einzelnen in der Fokusierung auf Plastikstrohhalme, Fleischgenuss und Glühlampen und deren mögliche Regulierung nur der Kohle-, Öl- und Gasindustrie in die Hände spielt. Der ehemalige Kongressabgeordnete Beto O'Rourke lehnt dagegen eine CO2-Steuer ab und glaubt stattdessen, dass ein Emissionshandelssystem die richtigen Preissignale senden kann. Gleicher Meinung ist auch die solide im gesamtpolitischen Mittelfeld verankerte Senatorin Amy Klobuchar, die erst einmal sehen will, wer im Kongress die Kontrolle übernimmt, bevor sie sich auf ein Cap and Trade System für Emissionen einlassen will.

• Internationale Klimaschutz-Führerschaft der USA

Abgesehen von dem Versprechen, die USA wieder dem Paris Klimaabkommen unterzuordnen, die allen 10 Kandidat/innen gemein ist, zeigen die Bewerber/innen unterschiedliche Vorstellungen davon, wie eine US-amerikanische Klimaschutz-Führungsrolle auf globaler Ebene aussehen könnte. Mehrere Kandidat/innen betonten, dass selbst mit neuem amerikanischen Klimaführungswillen und radikalen US-Reduktionen rund 80 Prozent der globalen Emissionen von anderen Ländern verursacht werden. Ex-Vizepräsident Joe Biden präsentierte sich im Telethon als global erfahrener Spitzendiplomat, der innerhalb seiner ersten 100 Amtstage eine internationale Klimakonferenz in Washington halten will und die G7 zum Thema Klima einen kann. Auch Bernie Sanders, Kamala Harris und Andrew Yang betonen stark die notwendige internationale Führungsrolle eines US-Präsidenten zur Bewältigung der globalen Klimakrise. Die finanzielle Solidarität der USA zur Unterstützung der Klimaambitionen der Entwicklungsländer thematisieren die Klimaprogramme von Bernie Sanders, Kamala Harris und Joe Biden, die alle drei eine US-Unterstützung für den Grünen Klimafonds (GCF) versprechen, wobei Bernie Sanders von gigantischen US$ 200 Milliarden Unterstützung (über die Laufzeit seines 15-Jahresplans?) spricht. Deutlich knausriger ist da Kamala Harris, die immerhin nicht nur Amerikas ungezahlte Beitragsverpflichtungen endlich zu begleichen sucht, sondern auch verdoppeln will, während Joe Biden in seinem Klimaplan nur zur Zahlung der laufenden US-Schulden an den GCF in Höhe von US$ 2 Milliarden bereit ist.

• Rolle von Ernährung und Landwirtschaft

Die an mehrere der Kandidat/innen währen des Telethons gestellt Frage, ob amerikanische Ernährungsmuster zugunsten der Klimabekämpfung verbessert, sprich Amerikas Fleischkonsum reduziert werden muss, nutzten mit Pete Buttigieg, Kamala Harris und Amy Klobuchar mehrere demokratische Präsidentschaftsbewerber, um zu versicheren, das der amerikanische Durchschnitssbürger weiterhin seinen Hamburger oder Cheeseburger essen kann, obwohl zumindest Kamala Harris für eine entsprechende Anpassung der amerikanischen Ernährungsrichtlinien warb. Selbst Senator Cory Booker, der sich als Veganer outete, sah wie seine Mitstreiter/innen das eigentliche Problem nicht im Fleischkonsum selbst, sondern in der Massentierhaltung und industriellen Landwirtschaft, die kleine Familienbauernhöfe in den Bankrott getrieben habe. Amerikaner hätten das Recht zu essen, was sie wollten, aber der Landwirtschaftssektor kein Recht darauf, Subventionen für ihren Beitrag zu einem Ernährungssystem zu bekommen, dass US-Bürger krankmacht. Andrew Yang, Bernie Sanders, Amy Klobuchar, Beta O'Rourke and Pete Butigieg sprachen sich für gezielte Unterstützung für landwirtschaftliche Familienbetriebe aus, die als Teil einer Klimastrategie die Ernährung lokalisieren (food-to-table farming), Rotationsanbau betreiben, und sich um die Aufnahmefähigkeit landwirtschaftlicher Flächen als Kohlenstoffsenken bemühen. Cory Booker schlug eine Re-aktvitierung des Civilian Conservation Corps unter Franklin Delano Roosevelt vor, um im Rahmen des Green New Deal Millionen von Bäumen zu pflanzen.

• Zukunft von Erdgas/Fracking und US-Ölexporten

Auch hier ist Bernie Sanders der radikalste Kandidat, der alle Fracking-Aktivitäten sofort stoppen will, ebenso wie den Import und Export von Kohle, Öl und Gas. Dagegen unterstützt beispielsweise Julián Castro nur das Ende von Fracking auf Territorien im Besitz der Regierung, erwartet aber insgesamt einen eher langsamen Abschied von der Erdgasnutzung. Erdgas wird aus Sicht von Amy Klobuchar noch absehbar als Übergangstreibstoff weiter gebraucht, weshalb sie sich nur zur Überprüfung der Erlaubnis individueller Fracking-Operationen als Präsidentin durchringen will. Auch Joe Biden hält einen Bann für Fracking-Operationen für verfrüht und will nur keine neuen Förderlizensen mehr vergeben. Neben Bernie Sanders sprach sich während des Telethons nur Senator Cory Booker für ein Verbot amerikanischer Ölexporte aus.


• Geoengineering

Beim Telethon direkt mit einer Frage zu seiner Unterstützung von Geo-Engineering zur Bewältigung der Klimakrise konfrontiert, verteidigte Andrew Yang, die Notwendigkeit alle technologischen Optionen offenzuhalten, und die USA zum globalen Führer in diesem Bereich zu machen, inklusive via einem Geo-Engineering-Gipfel, den ein Präsident Yang zu Regulierung des weltweiten Einsatzes von Verfahren wie cloud seeding oder Weltraum-Spiegels einberufen würde. Er ist nicht der einzige demkokratische Präsidentschaftskandidat, der mit einem Techfix-Ansatz in seinem Klimaprogramm arbeitet. Auch Joe Biden spricht in seinem Klimaplan von seiner Unterstützung als Präsident für die Beschleunigung der Entwicklung und des Einsatzes von Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS), während Cory Brooker zugab, nicht viel über Geo-Engineering zu wissen, aber Interesse am Nachlesen zu haben, und insgesamt an die Kraft amerikanischer Forschung zur Lösung der Klimakrise zu glauben.

• Nuklearkraft

Mit einem Beitrag von rund 20 Prozent an der US-Energieproduktion scheiden sich beim Thema zukünftige Rolle der Atomkraft zur Emissionsreduzierung Amerikas die Kandidat/innen-Geister. Andrew Yang und New Jersey Senator Cory Booker argumentieren beide, dass ohne Atomkraft 'net-zero carbon' bis 2050 nicht erreichbar ist, und dass neue Nukleartechnologien, die auf Thorium setzen, deutlich sicherer als herkömmliche Brennstoffelemente sind. Ähnliches sagt auch Joe Biden in seinem Programm. Ohne sich direkt gegen die Atomkraft im zukünftigen US-Energiemix auszusprechen, zeigten sich die Senatorinnen Amy Klobuchar und Kamala Harris besorgt über Nuklearmüll und ließen sich das Hintertürchen offen, neue Atomkraftwerke nur zu akzeptieren, wenn eine Lösung für den Problemmüll gefunden werden kann. Elizabeth Warrens Plan sieht vor, keinen neuen Atomkraftwerke mehr zu bauen und die Energieversorgung der USA bis 2035 zu entwöhnen. Einzig Bernie Sanders sprach sich glasklar gegen die Atomkraft aus, die aus Kostengründen und wegen der Nuklearmüllproblematik angesichts kostengünstigerer Wind- und Solaroptionen schon heute keinen Sinn mehr mache.

• Klimagerechtigkeit

Der frühere Wohnungsbauminister Julián Castro, der erste Redner im Telethon, setzte den Ton in Sachen Klima- und soziale Gerechtigkeit, als er die Notwendigkeit einer neuen Bürgerrechtsgesetzgebung zur Eindämmung eines Umweltrassismus postulierte, der schwarze und braune, oft auch wirtschaftlich benachteiligte Bürgergruppen disproportionaler Umwelt- und Klimagefährdung aussetzt. Kamala Harris sprach über ihre Erfahrung als Staatsanwaltin und die Macht von Strafanzeigen und Regulierung von Verschmutzern, um oft vernachlässigten Bevölkerungsgruppen, zu Recht zu verhelfen. Amy Klobuchar und Elizabeth Warren wollen Gelder von der Bepreisung von CO2 direkt an vom Klimawandel sozial benachteiligte Gemeinschaften verteilen, wobei Warren wie Harris besonders die Bedeutung gerade amerikanischer indigene Stämme als traditionelle Bewahrer einer gesunden Umwelt hervorhob. Auch die Frage der Generationengerechtigkeit wurde von mehreren Sprechern, so auch Pete Butigieg thematisiert. Bernie Sanders schliesslich verteidigte, auf eine Frage aus dem Publikum, die Klimawandel und Bevölkerungswachstum in Verbindung brachte, das Recht von Frauen in den USA und in aller Welt, selbst zu entscheiden, wieviele Kinder sie haben wollen. Weil er in diesem Zusammenhang die amerikanische Gag-Regelung ins Spiel brachte, die den Einsatz von US-Entwicklungsgeldern für Organisationen im Ausland verbietet, die auch Abtreibungen unterstützen, war seine Antwort ein gefundenes Fressen für Republikaner, die direkt im Anschluss an den Telethon in ihren Medien verbreiteten, als linksextremer würde Bernie Sanders im Namen des Klimawandels Abtreibungen unterstützen.

• Anerkennung von Klimaflüchtlingen

Mehrere der demokratischen Präsidentschaftsbewerber/innen beklagten das Schicksal von Klimaflüchtlingen sowohl innerhalb der USA, wo zum Beispiel Gemeinschaften in der Küstenregion Louisanas aufgrund des steigenden Meeresspiegel ihre Heimat und kulturelle Identität bereits verloren haben, als auch das Schicksal von Klimaflüchtlingen in Amerikas Nachbarschaft. Beta O'Rourke und Julián Castro sprachen sich ausdrücklich für die Verpflichtung und Verantwortung der USA aus, Klimaflüchtlingen, zum Beispiel aus den Bahamas oder Guatemala, Aufenthaltsrechte, auch unter dem US-Asylverfahren zu gewähren, während Kamala Harris in ihrem Klimaplan, sich als Präsidentin für die Anerkennung von Klimaflüchtlingen unter internationalem Recht einzusetzen.

Nach sieben Stunden CNN-Telethon, in denen die zehn aussichtsreichsten demokratischen Präsidentschaftsanwärter/innen von B wie Joe Biden bis W wie Elizabeth Warren kollektiv und in der Solo-Präsentation ihre Klimaschutz-Muskeln spielen ließen, ist klar, dass in den demokratischen Vorwahlen über die nächsten Monate im Streben um den Vorwahlsieg kein Weg an konkreten Klimazusagen und einem umfassenden Klima- und Energieplan vorbeiführt. Im Vergleich zum Amtsinhaber Donald Trump sind alle demokratischen Bewerber/innen Klimamuskel-bepackt. Und könnten daher dem gesamten Elektorat dadurch durchaus zu Klima-gestählt erscheinen. Letztendlich entscheidet die Gesamtheit der amerikanischen Wähler im November 2020, ob der Muskelschwund in der amerikanischen Klimapolitik endlich erfolgreich besiegt werden kann.


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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2019

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