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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/462: Iran-Report Nr. 6 - Juni 2020


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 6 - Juni 2020
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Iran steht an einem Scheideweg. Nach dem Austritt der USA und der Wiedereinführung von Wirtschaftssanktionen droht das Atomabkommen zu scheitern. Der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung, die Öffnung nach außen und vor allem auch die Liberalisierung der theokratischen Staatsordnung sind in weite Ferne gerückt. Über den Kurs des Landes, auch über die Rolle Irans in der Region, ist sich die Staatsführung nicht einig. Wie der Machtkampf, der schon seit geraumer Zeit zwischen Konservativen und Reformern tobt, ausgehen wird, ist ungewiss. Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.

INNENPOLITIK

• Neues Parlament fest in der Hand der Konservativen
• Ghalibaf neuer Parlamentspräsident
• Kampf gegen Corona-Epidemie
• Alamolhoda: "Corona war ein Segen"
• Gesundheitsminister warnte vor "bitteren Gegentoren in der Nachspielzeit"
• Reaktionen auf Chatamis Appell
• 19 Tote und 15 Verletzte bei Manöverunfall
• Iranische Grenzbeamte treiben Afghanen in den Tod
• Statt Kundgebungen Autokorsos am Al-Kuds-Tag
• Ausbildung der Zahnarzthelferinnen nur mit Erlaubnis des Ehemanns


NEUES PARLAMENT FEST IN DER HAND DER KONSERVATIVEN

Das neue Parlament, das am 21. Februar gewählt wurde, nahm seine Arbeit am 27. Mai auf. An der Eröffnung nahmen auch Präsident Hassan Rohani, Justizchef Ebrahim Raisi und Mohammad, Mohammadi Golpayegani, Gesandter des Revolutionsführers, teil. Zu Beginn legten die Abgeordneten eine Erklärung vor, in der sie bekundeten, dass sie weder Anwälte noch Feinde der Regierung seien. "Wir stehen einheitlich hinter dem Revolutionsführer und sind entschlossen, die Probleme des Landes zu lösen," hieß es. Zunächst verlas Golpayegani eine Botschaft des Revolutionsführers Ali Chamenei, in der die Wirtschaft als das Hauptproblem des Landes bezeichnet wurde, das mit aller Kraft zu bewältigen gelte.

Danach forderte Rohani in einer Rede die Abgeordneten auf, mit der Regierung zu kooperieren und in erster Linie nicht das Interesse ihrer Fraktionen, sondern das Wohl des gesamten Landes zu berücksichtigen. Zuvor hatte bereits die Nachrichtenagentur Irna, die als Sprachrohr der Regierung gilt, in einem Bericht geschrieben, angesichts der kritischen Haltung einiger Abgeordneter gegenüber der Regierung, sei zu befürchten, dass es bei der Zusammenarbeit des neuen Parlaments mit der Regierung Probleme geben werde. Dennoch habe die Regierung dem neuen Parlament die Hand gereicht und erklärt, sie werde sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Parlaments einmischen und eine Kooperation mit der Legislative anstreben.

Die rigorose Ablehnung unliebsamer Kandidaten durch den Wächterrat im Vorfeld der Wahlen, hatte dazu geführt, dass nahezu sämtliche reformorientierte und unabhängige Bewerberinnen und Bewerber von der Wahl ausgeschlossen wurden. Der Wächterrat hatte 248 der 290 Parlamentsabgeordneten, die sich wieder zur Wahl stellen wollten, als ungeeignet zurückgewiesen. Die meisten der Abgelehnten gehörten der Reformfraktion an.

174 neu gewählte Abgeordnete sind Erstlinge im Parlament, die meisten von ihnen mit den Regelungen und Mechanismen des Parlaments kaum vertraut. Lediglich 20 Abgeordnete werden zu den Reformern gezählt, weitere 27 Abgeordnete gelten als unabhängig. Alle anderen gehören zu den rechten und ultrarechten Gruppen und Fraktionen, die nun einer Regierung gegenüberstehen, die sich als gemäßigt bezeichnet. Doch auch die Rechten und Ultrakonservativen, die unter der Bezeichnung "Prinzipientreue" einen gemeinsamen Block gebildet hatten, sind sich keineswegs einig.

Stärker als erwartet ist die "Dschebhe Paydari" (Einheitsfront) aus den Wahlen hervorgegangen. Ihr geistiger Mentor ist der ultrakonservative Geistliche Mohammad Taghi Mesbah-e Yasdi. Die meisten Mitglieder dieser Fraktion sind ehemalige Weggefährten des früheren Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad (2005-2013), die nachdem dieser in Konflikt mit dem Revolutionsführer geriert, Abstand von ihm genommen haben. Vor neun Jahren bildeten sie die Einheitsfront. Der Generalsekretär der Front ist Mortesa Agha Tehrani, ein ehemaliger Schüler von Mesbah Yasdi. Unter den 30 aus der Hauptstadt Teheran gewählten Abgeordneten gehören neun der Front an. Der zweite Mann der Front ist Sadegh Mahsuli. Er war unter der Regierung Ahmadinedschad zunächst Innenminister und danach Sozialminister.

Die gemeinsame Liste der 30 Abgeordneten aus Teheran wurde von Mohammad Bagher Ghalibaf geführt, der am 28. Mai zum Präsidenten des Parlaments gewählt wurde. (s. nachfolgenden Bericht auf dieser Seite) Ghalibaf bezeichnet sich als Anhänger der "Neoprinzipientreuen." Der frühere Bürgermeister von Teheran wird von seinen Anhängern als "Macher," als "Praktiker" präsentiert. Die Gruppe um ihn hatte sich bei den Parlamentswahlen vor allem auf Probleme der Wirtschaft konzentriert, während andere "Prinzipientreue" ideologische und politische Themen in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs gestellt hatten. Diese werfen Ghalibaf vor, er kümmere sich zu wenig um Prinzipien der Islamischen Republik, er sei eher ein Technokrat, daher habe er zum Beispiel bezüglich des Atomabkommens zustimmend reagiert. Sie erinnern neuerdings munkelnd an Korruptionsfälle, für die Ghalibaf während seiner Tätigkeit als Teheraner Bürgermeister verantwortlich gemacht wurde. All dies deutet darauf hin, dass die Einheit, die die Konservativen und Ultras im Wahlkampf demonstrierten, im neuen Parlament nicht fortgesetzt wird.

Unter den neuen Abgeordneten befinden sich eine ganze Reihe von früheren Ministern, Provinzgouverneuren, Staatssekretären und weiteren hochrangigen Funktionären, die unter Präsident Ahmadinedschad gedient hatten. Schamsoddin Hosseini, der frühere Wirtschaftsminister, der nun als Abgeordneter gewählt wurde, sagte: "Im neuen Parlament sitzen acht frühere Kabinettsmitglieder, neun Provinzgouverneure und eine beachtliche Zahl von Staatssekretären und hochrangigen Beamten aus der Zeit der Regierung Ahmadinedschad. Es sind insgesamt mehr als 50 Abgeordnete. Sie haben lange zusammengearbeitet und werden nun miteinander kooperieren."

Die traditionellen Konservativen sind vor allem in der Hesb-e Motalefeh (Partei der Koalition) versammelt. Ihr profiliertester Repräsentant im neuen Parlament ist der frühere Kulturminister Mostafa Mirsalim. Seine Zeit als Minister war die dunkelste Zeit, die Kulturschaffende in der Islamischen Republik erlebt haben. Mirsalim wollte gerne Parlamentspräsident werden, scheiterte jedoch krachend gegen Ghalibaf.

Der einzige einigermaßen bekannte Reformer, der einen Sitz im Parlament erobert hat, ist Masud Peseschkian. Doch selbst er distanzierte sich von den Reformern. "Die Begriffe Reformer oder Prinzipientreue ziehen nicht mehr. Die Wähler haben den Reformern eine deutliche Botschaft geschickt: 'Wenn ihr nicht in der Lage seid, unsere Forderungen durchzusetzen, sind wir nicht verpflichtet, zu den Urnen zu gehen', sagte Peseschkian. Auch die Abgeordnete Asar Mansuri erklärte: "Das Beharren auf die Teilnahme an der Macht muss aus den Plänen der Reformer gestrichen werden."

Tatsächlich scheint die Reformbewegung, die mit der Regierungsübernehme von Präsident Mohammad Chatami (1997) ihren Höhepunkt erreichte, in die Bedeutungslosigkeit getrieben worden zu sein. Der Grund für diese, für Millionen Wähler und Wählerinnen enttäuschende Entwicklung, besteht nicht alleine darin, dass die Gegenseite mit mehr Macht und Möglichkeiten ausgestattet war, sondern auch darin, dass die Akteure dieser Bewegung nicht genug Mut hatten, die Kraft, die ihnen Millionen Wähler angeboten hatten, tatsächlich einzusetzen und Reformen zu wagen, die die Grundsätze des Systems in Frage stellten. Sie sind gescheitert, weil sie an dem bestehenden System festhielten, ohne sich darüber bewusst zu sein, dass die Staatsordnung der Islamischen Republik, das heißt die absolute Herrschaft der Geistlichkeit, nicht reformierbar ist.


GHALIBAF NEUER PARLAMENTSPRÄSIDENT

Der 58-jährige Spitzenkandidat des Blocks der Konservativen und Hardlinern, Mohammad Bagher Ghalibaf, wurde am 28. Mai mit 230 von 276 Stimmen zum Präsidenten des Parlaments gewählt. Sein Kontrahent, der erzkonservative Mostafa Mirsalim, erlebte mit nur 12 Stimmen ein Debakel.

Wie viele Spitzenpolitiker der Islamischen Republik, begann Ghalibaf seine Karriere bei den Revolutionsgarden. Als bewährter Gardist während des achtjährigen Kriegs gegen Iran (1980-1988) übernahm er später die Leitung verschiedener Brigaden, danach die Leitung der Bauabteilung und schließlich wurde er zum Chef der Luftwaffe ernannt. Von 2000-2005 war er Chef der Polizei. Danach wurde er zum Bürgermeister der Hauptstadt Teheran gewählt. Diesen Posten behielt er bis 2017. Dreimal bewarb er sich vergeblich um das Amt des Staatspräsidenten.

Während seiner Tätigkeit als Bürgermeister von Teheran wurden schwere Vorwürfe gegen ihn erhoben. Das Teheraner Rathaus hatte zahlreich Immobilien und Grundstücke zu Spottpreisen an Militärs, hohe Staatsbeamte und Mitarbeiter der Justiz verkauft. Der Nachrichtendienst Memari News veröffentlichte ein Schreiben des "Obersten Kontrollorgan des Staates" an Ghalibaf, in dem ihm Korruption, Vetternwirtschaft und Veruntreuung des Volkseigentums vorgeworfen wurde. Die Vorwürfe wurden später von der Staatsanwaltschaft bestätigt. Ein Urteil gab es jedoch nicht.

Bei seiner ersten Rede im Parlament übte Ghalibaf scharfe Kritik gegen die Regierung. Die Führung der Staatsverwaltung sei "unfähig," es herrsche Chaos, der Blick der Regierung richte sich nach außen und nicht nach innen. Sie erkenne die Grundsätze einer revolutionären Verwaltung nicht an, so der neue Präsident. Das mache die Lage gefährlich. Das Parlament werde im Umgang mit der Regierung "logisch und revolutionär" vorgehen.

"Revolutionäre Verwaltung" ist ein Begriff, den Revolutionsführer Chamenei geprägt hat. Damit meint er eine Verwaltung, die selbstbewusst ist, die nicht nur nach Gesetzen und Paragraphen handelt, sondern aus innerer Überzeugung, eine Verwaltung, die opferbereit ist, die aus Dschihadisten (zum Märtyrertod bereiten Menschen) besteht. Das Parlament werde mit Hilfe von Gesetzen, aber auch durch strenge Kontrolle die Regierung auf die richtige Bahn lenken, sagte Ghalibaf.

In einem anderen Teil seiner Rede ging Ghalibaf auf die Außenbeziehungen der Islamischen Republik ein. Jegliche Verhandlungen mit den USA, der "Achse globaler Arroganz," ebenso wie eine Beschwichtigungspolitik seien "nutzlos," ja "sehr schädlich," sagte er. Unsere Strategie im Umgang mit dem terroristischen Amerika ist, die Rache für das Blut von General Soleimani zu Ende zu bringen, was gewiss zu einer vollständigen Vertreibung der terroristischen amerikanischen Militärkräfte aus der Region führen wird." Es gelte nun, die Beziehungen zu den Nachbarn und Großmächten, "die uns in der Not beigestanden haben" weiter auszubauen und zu intensivieren. Welche Länder er meinte, sagte er nicht.

Der "radikal-revolutionäre" Auftritt des neuen Parlamentspräsidenten lässt für die Regierung, die sich als gemäßigt bezeichnet, nichts Gutes erahnen. Sollte das Parlament nach der Absetzung des Ministers für Industrie und Bergbau, Resa Rahmani, einen weiteren Minister aus dem Kabinett von Rohani absetzen, müsste die Regierung gemäß der Verfassung erneut die Vertrauensfrage stellen. Ob diese bei der gegenwärtigen Zusammensetzung des Parlaments positiv ausfallen würde, ist mehr als fraglich.


KAMPF GEGEN CORONA-EPIDEMIE

Wie in vielen Ländern wurden auch in Iran die Einschränkungen schrittweise gelockert. Am 3. Mai kündigte Präsident Rohani an, ab dem 4. Mai würden 132 Städte, als "weiße Zonen" eingestuft und die Moscheen sollen unter Beachtung der hygienischen Richtlinien wieder für Besucher zugänglich sein. Die Gläubigen müssten Masken tragen und den vorgeschriebenen Abstand einhalten. Dasselbe gelte für Freitagsgebete. Von dieser Lockerung blieben sowohl die Hauptstadt Teheran als auch die Mausoleen in den Pilgerstädten Ghom und Maschad ausgeschlossen. Schulen, Restaurants, Cafés, Friseure und Schönheitssalon blieben weiterhin geschlossen. Auch sportliche Veranstaltungen sollen vorerst nicht stattfinden. Trotz bereits erfolgter Lockerungen habe die Zahl der neu Infizierten abgenommen, weil 80 Prozent der Bevölkerung die Regeln eingehalten hätten, sagte Rohani. Doch zugleich warnte er: "Wir wissen nicht, wann die Corona-Krise ihr Ende haben wird. Daher sollten wir lieber weiterhin pessimistisch bleiben und uns auf schwierigere Zeiten vorbereiten." Laut Gesundheitsministerium gab es in den vergangenen 70 Tagen mehr als 6.200 Corona-Tote und fast 98.600 Infizierte. Fast 80.000 der in den Krankenhäusern Behandelten, hätten die Krankheit überstanden. Nach offiziellen Angaben hat die Pandemie fast 70 Prozent der iranischen Wirtschaft lahmgelegt. Die offiziellen Zahlen sind höchst umstritten. Auch Expert/innen zweifeln diese an.

Am 8. Mai fanden in rund 180 Gemeinden Freitagsgebete statt. Im Fernsehen sah man Bilder von mehreren Tausend Menschen mit Mundschutz. Am 9. Mai meldete der Sprecher des Gesundheitsministeriums Kianusch Dschahanpur einen weiteren Rückgang der Zahl der Neuinfizierten. Demnach lag die Zahl der Toten innerhalb von 24 Stunden bei unter 50, die der Neuinfizierten bei 1.529, von denen die meisten ohne Krankenhausaufenthalt behandelt werden konnten. Doch die Lage sei in Teheran und der Provinz Chusestan weiterhin kritisch, so der Sprecher.


ALAMOLHODA: "CORONA WAR EIN SEGEN"

Der Erzkonservative Geistliche Ahmad Alamolhoda, Freitagsprediger in der Stadt Maschad, schrieb am 8. Mai, zwar habe das Corona-Virus einige Probleme gebracht, es sei jedoch für Iran ein Segen gewesen. Der Freitagsprediger, der wegen der Corona-Krise seine Predigten nicht mehr wie sonst üblich öffentlich halten kann, veröffentlichte seine Predigten aktuell online als "Freitagsbotschaft." Er hatte gegen die Schließung des Mausoleums und dem Verbot der Freitagsgebete protestiert, konnte sich aber nicht durchsetzen.

Das Virus habe die "Begabungen entfaltet und den Menschen einen Ruck gegeben," sagte der Prediger. "Unseren schiitischen Jungs ist es gelungen, Kits für Corona-Tests herzustellen und sie auch in andere Länder zu exportieren. Sie haben Beatmungsgeräte gebaut, die bald in Massen angefertigt werden und sogar ins Ausland exportiert werden können."

Ob diese erfreuliche Ankündigung sich nicht als Finte herausstellen wird, so wie bei dem Wundergerät zur Coronaviruserkennung, das die Revolutionsgarden jüngst vorstellten, wird sich bald zeigen. Die Garden hatte behauptet, ein Gerät erfunden zu haben, mit dem man innerhalb von fünf Sekunden feststellen könne ob sich im Umkreis von hundert Metern ein Corona-Virus befindet.


GESUNDHEITSMINISTER WARNTE VOR "BITTEREN GEGENTOREN IN DER NACHSPIELZEIT"

Gesundheitsminister Said Namaki warnte am 10. Mai vor unbedachten Lockerungen, vor allem an Orten wie den heilige Stätten, an denen sich Menschenmassen versammeln. Zwar gebe es Teilerfolge, aber eine übereilte Aufhebung der Einschränkungen könnte "bittere Gegentore in der Nachspielzeit zufolge haben." Doch offenbar war der Druck seitens des Klerus zu groß. So wurde den Moscheen während des Fastenmonats erlaubt, an drei Abenden ihre Tore für Besucher zu öffnen. Die Gläubigen sollen besonders das Fest Lailat al-Ghadr, einen Höhepunkt des Fastenmonats, feiern können, sagte Namaki. Am 15. Mai meldete das Gesundheitsministerium, es habe an diesem Tag die höchste Zahl von Corona-Infizierten seit mehr als einem Monat registriert. Demnach gab es innerhalb von 24 Stunden mehr als 2,100 Neuinfizierte, so viel wie zuletzt am 6. April. In einige Provinzen wie Lorestan, Sistan-Belutschistan und Ost-Aserbaidschan sei die Lage alarmierend. Dennoch kündigte Präsident Rohani am 16. Mai weitere Lockerungen an. Folglich wurde den Mausoleen erlaubt, ab dem 23. Mai zweimal, für je drei Stunden am Tag, ihre Tore zu öffnen. Auch Cafés und Restaurants dürften wieder Besucher empfangen. Die Schulen sollen weiterhin geschlossen bleiben.

Am 18. Mai erklärte der Gouverneur der Provinz Chusestan, Gholamresa Schariati, die Lage sei höchst kritisch, in 16 Kreisstädten herrsche "die Warnstufe rot." Er forderte die Bewohner auf, ihre Häuser nicht zu verlassen. Das medizinische Personal sei überlastet und der Ansteckungsgefahr ausgesetzt. Weiter ordnete er die Schließung von Ämtern, Geschäften und Banken für die nächsten Tage an.

Am 20. Mai gab Polizeipräsident Hossein Aschtari die Verhaftung von 320 Personen bekannt. Sie hätten "Angst und Unsicherheit wegen Corona verbreitet. Zudem seien 1.300 Webseiten gesperrt worden, deren Betreiber würden gerichtlich verfolgt.

Am 20. Mai erklärte Präsident Rohani auf einer Kabinettssitzung, "wir haben im Kampf gegen Corona noch einen weiten Weg vor uns, wir sollten uns nicht auf Teilerfolge verlassen, müssen Vorsicht walten lassen. (...) Den Weg, für den wir uns von Anfang an entschieden hatten, war nicht der der Zwangsquarantäne, wir haben auf freiwillige Kooperation gesetzt, haben die Bürger um Unterstützung gebeten. Das taten sie auch. Wir haben in den drei vergangenen Monaten Schritt für Schritt Erfolge erzielt, mussten keinen Rückzieher machen und haben insgesamt beachtliche Erfolge gehabt. Jetzt stehen wir an der Grenze und haben nur noch einen Schritt zu gehen, um die Krankheit voll im Griff zu bekommen. (...) Die Lage wäre noch besser, wenn in einigen Provinzen, in denen es derzeit noch Probleme gibt, die Vorschriften besser eingehalten worden wären."

Am 30. Mai relativierte Rohani seine Äußerungen. "Die Menschen müssen wissen, dass wir so bald nicht zu den Zuständen der Vorcorona-Zeit zurückkehren können," sagte er und forderte die Menschen auf, die Regeln einzuhalten. Dennoch kündigte er an, dass "alle Moscheen im ganzen Land von heute an zum Beten geöffnet werden," auch die zeitlichen Einschränkungen für Einkaufspassagen sollen aufgehoben werden. Man solle sich über die Zahl der Infizierten keine Sorgen machen, die Zahl der Neuinfizierten sei das Ergebnis von Tests. Demnach könne jemand, obwohl er jung ist und keine Symptome der Krankheit zeigt, in häuslicher Quarantäne geschickt werden, damit er andere nicht ansteckt.

"Es ist nicht nützlich, Angst zu verbreiten und um die Zukunft besorgt zu sein," sagte der Präsident. "Wir müssen uns entschließen, in den nächsten Monaten mit dem Virus zu leben und dabei Vorsicht walten zu lassen. Das Virus wandert von Provinz zu Provinz. Wir können es nicht innerhalb von wenigen Tagen vernichten, weil wir noch kein Medikament und keine Impfung dagegen haben." Rohani forderte alle Bewohner auf, die Einschränkungen bei sozialen Kontakten zu akzeptieren und "einen Teil ihres realen Alltags in der digitalen Welt" zu verbringen.


REAKTIONEN AUF CHATAMIS APPELL

Mohammad Chatamis großväterlicher Appell an das Volk und den Staat hat unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Der ehemalige Staatspräsident (1997-2005), der als "Vater der Reformbewegung" bezeichnet wird, hatte sich am 10. Mai über die "Spirale der Gewalt" besorgt gezeigt. "Es ist möglich, dass die Anwendung der Gewalt seitens der Unzufriedenen und die gewaltsame Reaktion des Staates darauf zu einer Steigerung der Spirale der Gewalt führen." Um dies zu verhindern sollte jede Seite, ehe es zu spät ist, offen eigene Fehler zugeben, damit die "Herzen sich wieder näherkommen können."

Viele User in den sozialen Netzwerken machten den Ex-Präsidenten darauf aufmerksam, dass nicht die Unzufriedenen, sondern der Staat Gewalt anwende, zuletzt bei den Unruhen im November vergangenen Jahres, bei denen mehr als tausend Menschen getötet wurden. Madschid Tawakkoli, der eine längere Zeit im Gefängnis verbracht hat, warf Chatami vor, unfair zu urteilen. "Wie können Sie den Unzufriedenen, die für ihre Belange protestiert haben, Anwendung von Gewalt unterstellen," fragte er.

Der Journalist Hossein Mehrdad bezeichnete Chatami als "den saubersten und patriotischsten Politiker in der iranischen Geschichte." Sein Appell gleiche einem politischen Testament, zumal Chatami betont habe, dass er "niemals nach der Macht streben werde."

Einige Userinnen und User bezeichneten Chatami als unzeitgemäßen Politiker, der heute nichts mehr ausrichten könne. Andere hingegen wiesen darauf hin, dass kein Politiker in Iran so populär und beliebt sei, wie Chatami. Daher hätten seine Worte ein besonderes Gewicht.

Unklar bleibt, warum sich Chatami gerade in diesen Tagen genötigt fühlte, seine Sorge, um die Entwicklung des Landes öffentlich mitzuteilen.


19 TOTE UND 15 VERLETZTE BEI MANÖVERUNFALL

Am 11. Mai gaben die iranischen Streitkräfte bekannt, dass bei einem Manöver zwischen dem Persischen Golf und dem Golf von Oman "versehentlich" 19 Menschen getötet und 15 verletzt wurden. Nach dem Vorfall seien Rettungsmannschaften mit Schnellbooten zu dem Ort des Geschehens hingefahren und hätten die Toten geborgen und die Verletzten ins Krankenhaus gebracht.

Bei dem Manöver sei von der Korvette "Dschamaran" versehentlich eine Rakete auf das Hilfsschiff "Kenarak" abgefeuert worden, hieß es in der Mitteilung der Streitkräfte, die die Agentur Isna veröffentlichte. Die Verletzten befänden sich in einem "guten" Zustand. Der tragische Vorfall sei geschehen, weil das Hilfsschiff den notwendigen Abstand nicht eingehalten habe. Die Streitkräfte würden den Vorfall genau untersuchen und das Ergebnis der Öffentlichkeit mitteilen. In der Mitteilung wurde gefordert, von jeglichen Spekulationen abzusehen. Details über den Vorfall wurden in der Mitteilung nicht genannt. Zunächst hatte ein Sprecher der Militärs von einem Toten und 15 Verletzten gesprochen. Zuvor hatten einige Journalisten von einem Fehler beim Abschuss der Rakete berichtet.

Der Sprecher der Streitkräfte, Schahin Taghichani, erklärte am 13. Mai: "Bei Manövern, die die Marine veranstaltet, entstehen oft Situationen, die einer natürlichen Kampfsituation entsprechen. Natürlich können sich bei solchen großen Übungen auch unangenehme und tragische Vorfälle ereignen. Unsere geschätzten, tapferen Soldaten müssen sich auf besondere Tage und auf den Kampf gegen unsere Feinde vorbereiten und dabei einiges riskieren. Wenn man Großes leistet, können Gefahren und Schäden nicht ausgeschlossen werden." Nach dem Vorfall hätten der Staatspräsidenten und der Oberbefehlshaber der Revolutionsgarden "ermunternde Botschaften" an die Streitkräfte gesandt, was bei den Soldaten, vor allem bei der Marine, das Selbstvertrauen gestärkt habe, erklärte Taghichani weiter. "Das Blut der Märtyrer von Kenarak hat die Offiziere und Soldaten der Marine ermuntert, ihre Aktivitäten unter besseren Bedingungen fortzusetzen."

Am 14. Mai erklärte Präsident Hassan Rohani auf einer Kabinettssitzung, man werde bald die Ursachen des Vorfalls feststellen und die Öffentlichkeit darüber informieren. Auch Revolutionsführer Ali Chamenei bekundete den Hinterbliebenen der Opfer sein Beileid und forderte die Verantwortlichen auf, die Gründe für den Vorfall genau zu ermitteln und dafür zu sorgen, dass derartige "schädliche und bittere Vorfälle" nicht mehr vorkommen.

Die USA bekundeten am 14. Mai dem iranischen Volk ihr Beileid. Bill Urban, Sprecher des US-Zentralkommandos, sagte, der unnötige Verlust von Menschenleben sei höchst bedauerlich. Zugleich seien die USA besorgt und beunruhigt, dass solche Fälle in internationalen Gewässern passieren können.


IRANISCHE GRENZBEAMTE TREIBEN AFGHANEN IN DEN TOD

Gran Hywad, Sprecher des afghanischen Außenministeriums, erklärte am 2. Mai in Kabul, das Ministerium habe eine Expertengruppe beauftragt, den Vorfall an der iranisch-afghanischen Grenze, bei dem afghanische Staatsbürger von iranischen Grenzbeamten in den Tod getrieben wurden, zu untersuchen.

Nach Aussagen eines Betroffenen in einem Interview mit der BBC, sollen 57 Afghanen, die illegal nach Iran einreisen wollten, von iranischen Grenzbeamten festgenommen worden sein. Sie seien zunächst misshandelt worden, manche von ihnen hätten sich nackt ausziehen müssen. Danach seien sie über die Grenze gebracht und in einen Fluss getrieben worden. 23 von ihnen, darunter auch Kinder, seien ertrunken, der Rest habe sich retten können. Die Leichen von sechs Ertrunkenen seien aus dem Fluss geborgen worden. In den sozialen Netzwerken kursierten Bilder von den Leichen. Der Gouverneur des Bezirks Gulran in der Provinz Herat, Abdol Ghani Nuri, sagte laut AFP vom 8. Mai: "Die Leichen tragen Spuren von Schlägen und Folter (...). Ausgehend von den Berichten der Überlebenden und den Spuren auf den Leichen der Opfer, wurden sie von den iranischen Grenzsoldaten zunächst mit Drahtseilen gefesselt und dann mit vorgehaltener Waffe gezwungen, in den Fluss zu springen."

Die iranische Agentur Isna berichtete, die Polizei sei den Gerüchten nachgegangen, habe jedoch keine Vorkommnisse festgestellt, die den Vorfall bestätigen könnten. Auch die iranische Grenzpolizei erklärte, auf den Aufnahmen der an der Grenze installierten Videokameras sei von dem vermeintlichen Vorfall nichts zu sehen. "Die Afghanen werden von unseren Grenzbeamten stets mit islamischer Wohltätigkeit behandelt."

Außenamtssprecher Abbas Mussawi sagte: "Wir bedauern dieses Unglück zutiefst, aber der Zwischenfall ereignete sich auf afghanischem und nicht auf iranischem Territorium." Nichtdestotrotz sei Iran bereit, die afghanischen Behörden bei der Aufklärung des Vorfalls zu unterstützen. Mussawi bezeichnete die Grenzen zwischen Iran und Afghanistan als "Grenzen des Friedens und der Freundschaft." Er fügte hinzu: "Wir bekräftigen unseren Willen, unsere Freundschaft mit unseren afghanischen Nachbarn auf der Basis der Freundschaft und Brüderlichkeit und des gegenseitigen Respekts fortzusetzen."

Eine regierungsunabhängige Menschenrechtskommission Afghanistans forderte am 4. Mai eine vollständige Aufklärung des Vorfalls. Afghanistan und Iran sowie internationale Institutionen sollten die Täter gerichtlich verfolgen und bestrafen, damit sich solche Untaten nicht wiederholen. Alice Wells, Staatssekretärin im US-Außenministerium, twitterte: "Der brutale Umgang iranischer Grenzsoldaten mit afghanischen Migranten ist unmenschlich und entsetzlich." Die USA werden die Untersuchung unterstützen und dafür eintreten, dass die Verantwortlichen bestraft werden.

Am 5. Mai erklärte das afghanische Außenministerium, Teheran und Kabul seien übereingekommen, eine gemeinsame Untersuchungskommission einzusetzen, um die Berichte über Misshandlungen afghanischer Bürger an der gemeinsamen Grenze auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Das Außenministerium stehe zu diesem Zweck mit dem iranischen Botschafter in Kabul in ständiger Verbindung. Es sei der Wunsch der afghanischen Regierung gewesen, dass beide Seiten die Untersuchung des Vorfalls so rasch wie möglich durchführen, um auf der Basis der erstellten Ergebnisse die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Das Teheraner Außenministerium habe dem afghanischen Botschafter in Teheran telefonisch die Bildung einer gemeinsamen Kommission zugesagt. Diese Bereitschaft sei zu begrüßen. Ziel der Untersuchung sei, die Wahrheit herauszufinden und Gerechtigkeit walten zu lassen.

Das Ergebnis der ersten Untersuchungen, die in Afghanistan unter der Leitung von Mohammad Hamid Tahmasi durchgeführt wurden, wurde am 10. Mai bekanntgegeben. Demnach seien bislang zehn Leichen gefunden worden, 15 Personen werden vermisst. Insgesamt hätten 46 Personen versucht, nach Iran zu gelangen. Tahmasi betonte, dass die Untersuchung noch nicht abgeschlossen sei. Daher könnten sich die Angaben ändern. Er hoffe, dass auch die Namen der Teilnehmer der iranischen Delegation bekannt gegeben würden und erwarte, dass die gemeinsame Untersuchung der Nachbarstaaten mit Blick auf die lange, gemeinsame Geschichte der beiden Länder, fair erfolgen werde. Am 13.Mai gab das Außenministerium in Kabul bekannt, dass die gemeinsame Untersuchungskommission mit Iran ihre Arbeit aufgenommen habe. Bei dem ersten Treffen forderten iranische Delegationsmitglieder ihre afghanischen Kollegen auf, ihre Grenzen besser zu kontrollieren.

Wie aus einer Erklärung des afghanischen Außenministeriums vom 18. Mai hervorgeht, kam die Kommission zu keinem gemeinsamen Ergebnis. Gran Hywad, Sprecher des Ministeriums, sagte, die Vertreter Irans hätte die von der afghanischen Delegation vorgelegten Dokumente und Zeugenaussagen nicht akzeptiert. Daher müsse die Entscheidung nun auf diplomatischem Weg herbeigeführt werden.

Am 20. Mai gab das Außenministerium in Kabul bekannt, dass eine Delegation, bestehend aus iranischen Diplomaten, ihren Besuch in Afghanistan angekündigt habe. Sie werde von Mohssen Baharwand, Staatssekretär im Teheraner Außenministerium für juristische und internationale Angelegenheiten, geleitet. Das genaue Datum der Einreise wurde nicht erwähnt. Es werde erwartet, dass eine gemeinsame Untersuchung den Vorfall aufklären werde und bei dem Besuch Maßnahmen beschlossen würden, die eine Wiederholung solcher Fälle ausschließen.

Indes haben 250 iranische Professoren und Menschenrechtaktivisten in einer Erklärung vom 16. Mai die Regierung aufgefordert, sich offiziell wegen des "Verbrechens gegen unschuldige afghanische Bürger" zu entschuldigen. "Es ist höchst bedauerlich und beschämend, dass das Unrecht und die Verbrechen, die immer wieder gegen kurdische Lastenträger an den Grenzen im Westen des Landes geschehen, nun auch an den Grenzen im Osten des Landes verübt werden," schreiben die Verfasser der Erklärung. "Wir Unterzeichner fordern, dass die iranische Regierung sich bei den Angehörigen der Opfer sowie bei der afghanischen Regierung offiziell entschuldigt, alles unternimmt, um das Verbrechen aufzuklären und die Verschwundenen zu finden und die Hinterbliebenen zu entschädigen. Ferner fordern wir die Regierung auf, die Verantwortlichen für das Verbrechen zu bestrafen und alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, damit solche Fälle sich nicht wiederholen. Die iranische Regierung ist verpflichtet, internationale Konventionen und Protokolle in Bezug auf Flüchtlinge und Migranten zu achten und entsprechende Gesetze zu erlassen."


STATT KUNDGEBUNGEN AUTOKORSOS AM AL-KUDS-TAG

Wegen der Corona-Pandemie wurden in diesem Jahr am Al-Kuds-Tag Demonstrationen und Kundgebungen abgesagt. Stattdessen fanden an vielen Orten Autokorsos statt. Der Al-Kuds-Tag soll an den Sechstagekrieg und die Besetzung Ost-Jerusalems (1967) erinnern. Dies wurde nach der islamischen Revolution in Iran von dem damaligen Revolutionsführer Ayatollah Chomeini angeordnet. Die Demonstrationen finden jeweils am letzten Tag des Fastenmonats statt. Das war in diesem Jahr der 22. Mai. Aus diesem Anlass hielt Revolutionsführer Ali Chamenei eine Rede. Zudem nahm der Chef der palästinensische Organisation Hamas, Ismail Hanje, an einer Zeremonie teil.

Ähnlich wie in Iran findet der Gedenktag auch in einigen anderen Ländern statt, darunter auch in Deutschland, namentlich in Berlin. Doch auch hier wurde die Demonstration wegen der Corona-Krise abgesagt. Darüber zeigte sich der Berliner Innensenator Andreas Geisel erleichtert. "Eine der widerlichsten antisemitischen Veranstaltungen bleibt uns allen erspart. Eine gute Nachricht für Berlin," sagte er.


AUSBILDUNG DER ZAHNARZTHELFERINNEN NUR MIT ERLAUBNIS DES EHEMANNS

Einer Verordnung des Gesundheitsministeriums zufolge werden verheiratete Frauen nur nach Zustimmung ihres Ehemanns zur Ausbildung als Zahnarzthelferin zugelassen. Die Zustimmung beinhaltet das Einverständnis, nach der Ausbildung an jenen Orten das Praktikum zu absolvieren, die das Ministerium ihnen zuweist. Die Verordnung hat landesweit Proteste hervorgerufen. Die Kritiker werfen dem Ministerium vor, Frauen ungleich zu behandeln. Die Verordnung bestätige die traditionelle Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen, bei der Frauen als Eigentum der Männer gelten.

Ein Sprecher des Ministeriums sagte dazu, die Verordnung sei nicht neu, sie werde schon seit 15 Jahren praktiziert. Sie sei erforderlich, um die Zahnarzthelferinnen dem Bedarf des Landes entsprechend regional einsetzen zu können. Dem Gesetz nach müssten verheiratete Frauen bei der Ausübung eines jeden Berufs die Zustimmung ihres Ehemanns vorlegen.

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KULTUR

• Daryabandari gestorben
• Brand in der jüdischen Pilgerstätte in Hamadan
• Brief von 250 Theaterkünstlerinnen und Theaterkünstlern sorgt für heftige Kritik
• Mohammad Mossaed von der Deutschen Welle ausgezeichnet


DARYABANDARI GESTORBEN

Der weit über die iranischen Landesgrenzen bekannte Schriftsteller, Essayist und Übersetzer Nadschaf Daryabandari, starb am 4. Mai mit fast 91 Jahren. Er hat über Jahrzehnte bei der geistig-kulturellen Entwicklung Irans eine wichtige Rolle gespielt. Daryabandari hatte weder einen Schulabschluss noch besuchte er ein Institut für Fremdsprachen. Doch er wurde ein ausgezeichneter Essayist und Journalist und ein hervorragender Übersetzer. Zudem arbeitete er als Fotograf und malte Bilder.

Er wurde in Abadan, im Südwesten Irans geboren, verlor zu Beginn seiner Schulzeit seinen Vater, der als Schifflotse arbeitete. Schon als Schüler wurde Daryabandari für seine Aufsätze von den Lehrern gelobt. "Ich ahmte verschiedenen Schriftstellern nach und kam damit gut an," sagte er später. In der damals stark politisierten Atmosphäre engagierte er sich für die kommunistische Tudeh-Partei und war unter den Werktätigen der Ölindustrie aktiv.

Bei der Abiturprüfung fiel er durch, verzichtete auf eine Wiederholung, begann bei der Ölgesellschaft, die damals in britischer Hand war, zu arbeiten. Dort nutzte er der die Gelegenheit und lernte die englische Sprache. "Ich schaute mir Filme (in englischer Sprache) an, jeden Film mehrmals und lernte die Dialoge auswendig," sagte er.

Inzwischen war er aktives Mitglied der Tudeh-Partei geworden, nahm an Arbeiterstreiks und Studentendemonstrationen teil. Beruflich wurde er immer wieder wegen mangelhafter Leistungen versetzt, bis er in die Presseabteilung der Ölgesellschaft kam. Dort lernte er einige Journalisten und Filmemacher kennen. Danach arbeitete mit der in Abadan erscheinenden Tageszeitung Achbare-Ruz (Tagesnachrichten) zusammen. Zunächst übersetzte er Nachrichten und Berichte, danach begann er selbst Artikel zu schreiben. Der Kontakt zu bekannten Schriftstellern erweckte sein Interesse für die Literatur. "Der erste Flug" war die erste Übersetzung eines irischen Schriftstellers aus dem Englischen, die Daryabandari veröffentlichte. Danach übersetzte er "Eine Rose für Emily," eine Kurzgeschichte des amerikanischen Schriftstellers William Faulkner und später "Abschied von den Waffen" von Ernest Hemingway.

Im Zuge der Nationalisierung der Ölindustrie (1951-1953) musste er für kurze Zeit ins Gefängnis. "Es war meine eigene Schuld, ich hätte leiser treten müssen, es war aber nicht so ernst," sagte er. Aber nach dem amerikanisch-britische Putsch von 1953 gegen die demokratisch gewählte Regierung von Mohammad Mossadegh wurde es bitter ernst. Der damals 23-jährige Daryabandari wurde gemeinsam mit zehn anderen politischen Aktivisten festgenommen und wegen politischen Aktivitäten zum Tode verurteilt. Ein Revisionsgericht milderte das Urteil in lebenslanger Haft. "Im Gefängnis habe ich gemerkt, dass meine Ansichten von denen der Tudeh-Partei weit entfernt waren," schrieb er.

Im Gefängnis übersetzte er einige philosophische und literarische Bücher, darunter "Philosophie des Abendlands" von Bertrand Russell. Später traf er den Philosophen in London. "Im Gefängnis habe ich auch Kochen gelernt," sagte er in einem Interview.

Wenige Jahre danach veröffentlichte er gemeinsam mit seiner Frau ein Kochbuch. Seine Gefängnisstrafe wurde immer wieder gemildert, bis er schließlich wegen seines guten Verhaltens aus dem Gefängnis entlassen wurde. Seine Eindrücke im Gefängnis verarbeitete er literarisch in den Büchern "Die gelbe Spinne" und "Das Bad."

Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis wurde Daryabandari beim Anfang der 1950er Jahre gegründeten Franklin-Book-Programm eingestellt, einer kulturellen Einrichtung, die vorwiegend Bücher veröffentlichte. Das "Institut" spielte in der Kulturpolitik der Schah-Zeit eine zentrale Rolle. 17 Jahre lang blieb er bei dieser Tätigkeit, bei der er auch zahlreiche Übersetzungen und eigene Schriften veröffentlichte.

Nach der Revolution übernahm Daryabandari die Chefredaktion der Zeitung Asadi, die von der neu gegründeten Demokratischen Nationalfront herausgegeben wurde. Die Zeitung wurde bald verboten. Die Umstände zwangen ihn zum Rückzug ins Privatleben. Zu Hause setzte er seine Arbeit fort und übersetzte unter anderem "Der alte Mann und das Meer" von Ernest Hemingway.

Die Lage in Iran wurde für Freidenker immer schwieriger. So musste auch Daryabandari, wie zahlreiche Intellektuelle, die Heimat verlassen. Er ging zunächst nach Amerika. "Mir wurde nach und nach bewusst, dass Immigration Tod bedeutet," schrieb er. Er kehrte nach Iran zurück und veröffentlichte weitere Übersetzungen. Erst eine schwere Krankheit setzte seiner unerschöpflichen Schaffenskraft ein Ende.


BRAND IN DER JÜDISCHEN PILGERSTÄTTE IN HAMADAN

Laut iranischer Medien wurde die jüdische Pilgerstätte, das Grab von Esther und Mordechai am Abend des 15. Mai in Brand gesteckt. Das Grab der Königin der Achämeniden Esther und Frau von Xerxes I. und ihres Cousins Mordechai befindet sich im Zentrum der Stadt Hamadan im Westen Irans. Es zählt zu den Kulturerben Irans.

Für iranische Juden ist das Grab der wichtigste Wallfahrtsort. Esther hatte im 5. Jahrhundert v. Chr. einen Massenmord an den Juden verhindert und sich für ihre Rettung eingesetzt. Auch zahlreiche Christen und Muslime besuchen jährlich das Mausoleum.

Die staatliche Agentur Irna berichtete, am 14. Mai, dem Tag der Gründung des Staates Israel, hätte ein Mann vergeblich versucht, in die Grabstätte hinein zu gehen.

Überwachungskameras hätten den Vorgang aufgenommen. Der Mann werde von der Polizei gesucht. Die Identität des Mannes und seine Motive seien bislang unbekannt. Die Nachricht wurde nach wenigen Stunden aus dem Netz genommen.

Von den Palästinensern wird der Gründungstag Israels als "Tag der Schande" bezeichnet. Vor einigen Jahren hatten Basidsch-Milizen der Stadt Hamadan mit der Zerstörung des Mausoleums gedroht.

Laut iranischen Behörden soll der Brand nur einen kleinen Teil der Grabstätte ergriffen haben. Der entstandene Schaden sei gering. Der Provinzgouverneur von Hamadan, Hassan Chandschani, sagte, die Justiz werde den Fall genau verfolgen.

In Hamadan lebten früher zahlreiche Juden, doch viele von ihnen sind inzwischen ausgewandert.


BRIEF VON 250 THEATERKÜNSTLERINNEN UND THEATERKÜNSTLERN SORGT FÜR HEFTIGE KRITIK

Ein Brief von 250 Theaterkünstlern an Kulturminister Abbas Salehi über Zensur hat heftige Kritik unter Künstler/innen, Schriftsteller/innen und Kulturschaffenden ausgelöst. "Wir haben die Zensur hingenommen. Nicht weil wir sie mögen oder sie akzeptiert haben, sondern weil wir Bewohner eines Landes sind, das wir lieben und die Gesetze dieses Landes für uns die Zensur angeordnet haben," schreiben die Theaterkünstler. "Wir achten immer auf die Verbote, bevor wir unsere Arbeit beginnen und wir halten die Vorschriften ein. Sollten wir etwas vergessen, übernehmen die Zensoren die Mühe der Korrektur. Also geht es in diesem Brief nicht um die Zensur an sich."

"Was Ihre zuständigen Verantwortlichen in Bezug auf Filme tun, ist, ausgehend von ihrer Überzeugung, dass Zensur notwendig ist, und in Anbetracht der Masse der Ansprechpartner, folgerichtig. Dasselbe gilt für die Zensur des Fernsehens, eines Mediums, das in jedem Haus zu sehen ist. Doch mit dem Theater verhält es sich anders."

Wenn Theateraufführungen vom Fernsehen gesendet werden würden, wären schärferen Zensuren akzeptabel, denn da würde das Kunstwerk auf zufällige Zuschauer treffen. Doch bei Theateraufführungen in Theaterhäusern ist die Zuschauerzahl beschränkt. ..." "Das Theater hat bestimmte Zuschauer. Die strenge Zensur, die Sie ausüben, hindert diese Menschen, deren Zahl weit geringer ist als die der Fernsehzuschauer oder Kinobesucher, daran, an einer gesunden kulturellen Aktivität teilzunehmen. (...) Auf der anderen Seite verfügt das Theater nicht über die technischen Möglichkeiten, die das Kino besitzt, um die Massen zu begeistern. Daher versucht es durch geistige Auseinandersetzungen die Menschen zum Nachdenken aufzufordern. Dieser Unterschied verlangt eine unterschiedliche Zensur. .... Wir bitten daher bei der Online-Übertragung der Theateraufführung weniger streng vorzugehen und die Zensur zu mildern," schreiben die Autor/innen Unter den Unterzeichnern befinden sich bekannte Theaterregisseure/innen und Schauspieler/innen. Die meisten Kritiker werfen den Unterzeichnern vor, mit ihrem Schreiben grundsätzlich die Zensur akzeptiert und sich den Anweisungen der Obrigkeit gebeugt zu haben.

Nicht erst seit der Gründung der Islamischen Republik, sondern auch in den Jahrzehnten davor haben iranische Künstler/innen, Schriftsteller/innen und Kulturschaffenden immer wieder in offenen Briefen ihren Protest gegen die Zensur zum Ausdruck gebracht und auf das Recht der freien Meinungsäußerung und auf die Freiheit der Kunst ohne Einschränkungen bestanden. Es ist das erste Mal, dass Künstler in Iran grundsätzlich die Zensur akzeptieren und um Milde bitten (oder betteln) und dies nicht mal allgemein für alle Künste, sondern nur für das Theater. Angesichts der langen Tradition des mutigen Widerstands der Künstler und Schriftsteller in Iran ist dieses Schreiben ein beschämendes Armutszeugnis.


MOHAMMAD MOSSAED VON DER DEUTSCHEN WELLE AUSGEZEICHNET

Der iranische Journalist Mohammad Mossaed gehört zu den Personen, die in diesem Jahr von der Deutschen Welle für ihren Einsatz für die freie Meinungsäußerung ausgezeichnet wurden. Die Preise werden jährlich an Journalistinnen und Journalisten vergeben, die sich besonders engagiert für die freie Meinungsäußerung einsetzen. In diesem Jahr wurden Journalisten ausgezeichnet, die durch Aufklärung und die Veröffentlichung wichtiger Dokumente zum Kampf gegen die Corona-Pandemie beigetragen haben.

Peter Limbourg, Intendant der Deutschen Welle, erklärte, der Preis für die Meinungsfreiheit 2020 gehöre jenen mutigen Journalisten, die wegen ihrer Berichte über die Pandemie unterdrückt worden seien. Er forderte alle Staaten auf, Journalisten, die deswegen verhaftet worden seien, unverzüglich frei zu lassen. "Wir würdigen und unterstützen alle unsere Kollegen und Kolleginnen, die unter schweren Umständen trotz Gewalt und Unterdrückung ihrer Arbeit nachgehen," sagte der Intendant.

Die diesjährige Preisvergabe erfolgte wegen der Pandemie ohne festliche Veranstaltung. Sämtliche Preisgewinner hatten in ihren Heimatländern "geheim gehaltene Tatsachen" öffentlich gemacht, so wie Mossaed in Iran.

Michelle Bachelet, Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen, sagte in ihrer Video-Botschaft, die Menschen brauchten besonders in diesen Zeiten eine freie Presse und das Recht auf Information und freie Kommunikation. Auch die Staaten benötigten korrekte Informationen, um richtige Entscheidungen treffen zu können. Es sei aber unerträglich und beängstigend, wenn Journalisten gerade wegen ihrer Berichterstattung bedroht, unter Druck gesetzt oder gar verhaftet werden. Viele Staaten hätten auf die entstandene Krise mit Einschränkungen von Grundrechten reagiert. "Politiker manipulieren die Tatsachen, vertuschen Wahrheiten und verhaften trotz Corona Journalisten," sagte Bachelet.

Menschenrechtsorganisationen wie Reporter ohne Grenzen berichteten in den vergangenen Monaten, dass in mehreren Ländern, darunter in China, in den afrikanischen Staaten sowie in lateinamerikanischen Staaten Journalisten verhaftet worden oder verschwunden seien.

Die 17 von der Deutschen Welle ausgezeichneten Journalisten stammen aus 14 Ländern. Mohammad Mossaed wurde im Dezember vergangenen Jahres nach den landesweiten Protesten gegen die Erhöhung des Benzinpreises von Sicherheitsbeamten festgenommen, wurde aber zwei Wochen später gegen eine Kaution aus dem Gefängnis entlassen. Er hatte vor seiner Verhaftung einige kritische Artikel über die Preiserhöhung und über die Zensur des Internets veröffentlicht. Einer seiner Tweets, in dem er schrieb: "Klopf, Klopf, freie Welt. Ich habe 42 Proxy verwendet, um dies schreiben zu können. Millionen Iraner haben kein Internet. Hört unsere Hilferufe!", wurde weltbekannt.

Nach seiner Freilassung setze Mossaed seine Kritik in den sozialen Netzwerken fort. Mitte Februar, bevor sich das Corona-Virus verbreitete, versuchte er die Öffentlichkeit über die Seuche zu informieren. Er wurde unter Druck gesetzt, es wurde ihm untersagt, weiter zu schreiben.

In seinem Dankschreiben an die Deutsche Welle schrieb Mossaed: "Wir sind Journalisten, keine Soldaten der Regierung."

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WIRTSCHAFT

• Milliarden-Summen für Syrien
• Himmelschreiende Korruption und Selbstbereicherung in der Autoindustrie
• Iran schickt Benzin nach Venezuela
• Währungseinheit Rial soll abgeschafft werden
• Iran warnt vor Verlängerung der Sanktionen
• USA kündigen Ende der Ausnahmen von Sanktionen gegen Irans Atomprogramm an
• Deutsche Geschäfte mit Iran kommen langsam in Schwung


MILLIARDEN-SUMMEN FÜR SYRIEN

Der frühere Vorsitzende des Ausschusses für nationale Sicherheit und Außenpolitik im islamischen Parlament, Heschmatollah Falahatpischeh, erklärte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur "Etemad Online": "Wir haben 20-30 Milliarden Dollar für Syrien ausgegeben. Wir müssen das Geld zurückverlangen, denn es handelt sich um das Eigentum des Volkes."

Falahatpischeh war, nachdem Alaeddin Borudscherdi nach 12 Jahren den Vorsitz des Ausschusses abgegeben hatte, zu seinem Nachfolger gewählt worden, musste aber nach einem Jahr diese Position aufgeben.

"Als das Parlament über die Mitgliedschaft Irans bei der FATF (die Financial Action Task Force ist ein internationales Gremium zur Bekämpfung von Geldwäsche, Finanzierung von Terrorismus und Proliferationsfinanzierungen) debattierte, habe ich über Bedingungen gesprochen, zum Beispiel über die Unterstützung von Widerstandsorganisationen. Zugleich habe ich gefordert, dass das Volk genau informiert wird, wofür die Gelder verausgabt werden," sagte Falahatpischeh.

Die für Syrien zuständige Abteilung der Vereinten Nationen hatte vor einigen Jahren erklärt, schätzungsweise investiere Iran im Jahresdurchschnitt sechs Milliarden Dollar in Syrien.

Iranische Einheiten sind seit fast zehn Jahren in Syrien präsent. Die Staatsführung begründet den Einsatz in Syrien mit der Unterstützung des Regimes in Damaskus im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS). Mithilfe Russlands und der libanesischen Hisbollah solle der IS vernichtet werden, heißt es. Teheran betont immer wieder, in Syrien nur eine beratende Funktion auszuüben.

Die Menschen in Iran beklagen sich bei Demonstrationen immer wieder über das Engagement in Syrien und die Aktivitäten des Landes in den Nachbarstaaten. "Weder Syrien, noch Libanon. Ich opfere mein Leben für Iran," ist eine Parole, die oft bei Demonstrationen gerufen wird. Es ist vor allem für Millionen notleidender Menschen nicht nachvollziehbar, dass Milliarden für das Engagement im Ausland ausgegeben werden, während sie am Hungertuch nagen.

Falahatpischeh ist der erste Amtsträger, der die Milliardenunterstützung offen benennt und eine Begründung für die enormen Ausgaben verlangt. Im neuen Parlament ist er nicht mehr vertreten.


HIMMELSCHREIENDE KORRUPTION UND SELBSTBEREICHERUNG IN DER AUTOINDUSTRIE

Am 20. Mai, dem letzten Tag des alten Parlaments, waren die Berichte, die die Abgeordneten zu hören bekamen so erschütternd, dass sie vor lauter Schreck den Atem anhielten. Da wurde der Bericht der Untersuchungskommission über die beiden größten Autokonzerne Irans, Khodro und Saipa, vorgetragen, der reichlich für Entsetzen sorgte. Und als wäre dies nicht genug, gab Justizsprecher Gholamhossein Esmaili bekannt, dass Wahid Behasadi, der als "König der iranischen Autoindustrie" bezeichnet wird und seine Frau und Kollegin Nadschwa Lascheydai zum Tode verurteilt worden seien. Außer den beiden seien 50 weitere Angeklagte, darunter Mehdi Dschamali, Geschäftsführer von Saipa, und zwei Abgeordnete aus eben diesem Parlament, das heißt Mohammad Asisi und Fereidum Ahmadi, verurteilt worden.

Die Untersuchungen wurden vor mehr als einem Jahr aufgenommen. Das Ergebnis zeigt, wie groß das Ausmaß der Korruption in diesen beiden Autofirmen ist. Die Autoren des Berichts stellen zunächst fest, dass die Eigentumsverhältnisse in beiden Firmen undurchschaubar seien. Zwar habe der Staat mit einem Anteil von weniger als 20 Prozent keine Kontrollbefugnisse. Doch weil der Staat bei einem großen Teil der Zuliefererindustrie zu den Hauptaktionären gehört und auch in den juristischen Bereichen das Sagen hat, ist er in beiden Firmen der Hauptakteur. Unüberschaubar seien die Eigentumsverhältnisse auch deswegen, weil Chodro aus 107 Subfirmen bestehe und Saipa aus 64 aktiven und 12 passiven Subfirmen. Bei diesem "Durcheinander" werden die Unkosten in die Höhe getrieben. Eine einheitliche Strategie gebe es nicht. Manche Subfirmen bekämen überhaupt keine Informationen über die Pläne und Strategien der gesamten Firmen.

Die Monopolisierung der Zulieferungen habe für die grenzenlose Korruption und die Veruntreuung von Geldern Tor und Tür geöffnet. Beide Firmen haben Stahl, obwohl im Inland ausreichend produziert, aus dem Ausland importiert. Diesen haben sie dann zum Bau von Teilen an die Zulieferer übergeben, die den importierten Stahl teuer verkauften, die Teile jedoch mit inländischem Stahl bauten. Dadurch haben sie hohe Gewinne erzielt. Zugleich kooperierten die Zuliefererfirmen mit ausländischen, zumeist chinesischen Stahlproduzenten, manipulierten die Preise, so dass am Ende für die Hauptfirma die Teile um bis zu 25 Prozent teurer würden.

Der Preis der Fahrzeuge für normale Käufer ist ungewöhnlich hoch. Zugleich müssen die Käufer Monate und länger warten, bis sie ein Fahrzeug bekommen. Ein wichtiger Grund für diesen Umstand besteht darin, dass einflussreiche Personen, auch einige Funktionäre der Firmen, die Autos horten, um dadurch die Preise in die Höhe treiben zu können und sie dann mit einem weit höheren Preis an Interessenten zu verkaufen. Das nun zum Tode verurteilte Ehepaar hatte 6.700 Fahrzeuge gekauft und gehortet. Justizbeamte hatte in der Wohnung der Frau 24.700 Goldmünzen und 100 Kilo Gold sichergestellt. Offenbar war das Ehepaar auch durch Geldwäsche und Betrug beim Kauf von staatlichen Devisen zu einem horrenden Reichtum gelangt. All dies konnte nur jahrelang unentdeckt geschehen, weil beide Firmen über ein Netz von einflussreichen Personen im Staat und in der Privatwirtschaft verfügten. Die nun festgestellte Korruption bei den beiden Autofirmen ist nur ein Beispiel für die in der Islamischen Republik verbreitete Korruption. Durch Korruption sind die frommen Geistlichen, die früher für ein Handgeld bei Trauerfeiern Reden hielten, inzwischen zu Milliardären geworden.


IRAN SCHICKT BENZIN NACH VENEZUELA

Das Datenunternehmen Rifinitiv Eikon, das Informationen über den internationalen Schiffverkehr sammelt, meldete am 14. Mai, ein iranischer Tanker mit Benzin am Bord habe Ende März den Hafen Bandar Abbas am Persischen Golf verlassen und soeben den Suezkanal passiert. Der Tanker trage iranische Flaggen. Sein Ziel sei offenbar Venezuela. Die Lieferung solle Venezuela bei der Bewältigung der bedrohlichen Wirtschaftskrise, in der sich das Land derzeit befinde, unterstützen.

Bereits im vergangenen Monat hatte Iran mehrere Flugzeuge, beladen mit Geräten, die zum Reparieren einer großen Ölraffinerie dienen sollten, nach Venezuela geschickt. Die beiden befreundeten Staaten, Iran und Venezuela, leiden derzeit unter harten amerikanischen Sanktionen.

Am selben Tag meldete die Agentur Reuters vier iranische Tanker seien mit unbekanntem Ziel unterwegs. Sie hätten soeben den Atlantik erreicht. Zugleich meldete das Medienunternehmen Bloomberg, die Regierung in Venezuelas habe neun Tonnen Gold im Wert von rund 500 Millionen Dollar für Dienstleistungen Irans beim Wiederaufbau der Ölraffinerie nach Teheran geschickt. Und US-Außenminister Mike Pompeo erklärte, Flugzeuge der iranischen Fluggesellschaft Mahan seien in Venezuela gesehen worden. Venezuelas Präsident Nicola Maduro dankte Iran in einer Fernsehansprache für die "freundschaftliche Unterstützung."

Am 21. Mai erklärte Venezuelas Verteidigungsminister Vladimir Padrino Lopez laut AFP, den iranischen Tankern militärischen Schutz gewähren zu wollen. Sobald die Tanker sich Venezuela annäherten, würden Venezuelas Marine und Luftwaffe ihnen Gleitschutz gewähren, sagte der Minister. Zur Koordinierung dieser Aktion stehe er mit seinem iranischen Kollegen in Verbindung.

Indes warnte Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif die USA vor einem Versuch, die iranischen Tanker zu stoppen. In einem Brief an UN-Generalsekretär Antonio Guterres bezeichnete er ein solches Unternehmen als "illegal und eine Form der Piraterie."

Einem Bericht der Agentur Fars zufolge hatten die USA vier Kriegsschiffe in die Karibik entsandt, um gegen eine "mögliche Konfrontation" gewappnet zu sein.

Am 23. Mai meldete die Agentur Reuters, die Tanker hätten die Karibik erreicht. Nach Angaben der Regierungen in Teheran und Caracas handelt es sich bei dem Transport um 1,5 Millionen Barrel Benzin und ähnlichen Erdölprodukte. "Falls die Amerikaner unseren Öltankern im Karibischen Meer Probleme bereiten sollten, werden auch wir ihnen Probleme bereiten," sagte Irans Präsident Hassan Rohani in einem Telefonat mit dem Amir von Katar, Tamin bin Hamad al-Thani. Iran wolle keinen Konflikt mit den USA, behalte sich jedoch das Recht vor, sich selbst zu verteidigen. "Wir hoffen daher, dass die Amerikaner diesbezüglich keinen Fehler begehen."

Am 24. Mai meldete dpa, ein erster iranischer Tanker, die "Fortune," habe ohne Zwischenfälle Venezuela erreicht. Außenminister Jorge Arreaza twitterte: "Iran und Venezuela haben sich in schwierigen Zeiten immer unterstützt." Wie dpa meldete, erklärte Russ Dallen, Chef der US-Investmentfirma Caracas Capital Marktes, gemäß der ihm vorliegenden Daten werde der letzte Tanker am 27. Mai eintreffen. Das ist dann tatsächlich ohne Zwischenfälle geschehen.


WÄHRUNGSEINHEIT RIAL SOLL ABGESCHAFFT WERDEN

Das Parlament in Teheran hat ein Gesetz zu einer neuen Währungseinheit verabschiedet. Demnach soll die iranische Währung Rial in einer "Übergangsphase" Schritt für Schritt in Tuman verwandelt werden. Der Wert des Tuman soll nicht wie bisher 100 Rial betragen, sondern 10.000 Rial. Das bedeutet, dass vier Nullen gestrichen werden. Die kleinste Geldeinheit wird dann nicht mehr Rial, sondern "Gheran" sein. Hundert Gheran sind ein Tuman. Die Gegner meinen, der Wechsel werde nicht zur Besserung der Wirtschaft führen. Demgegenüber meinen die Befürworter, durch den Wechsel werde die Währungseinheit aufgewertet. Zudem würden die Druckkosten für Scheine und Münzen erheblich reduziert werden.

Wie der Chef der Zentralbank, Abdolnasser Hemmati, erklärte, soll die Übergangsphase zwei bis fünf Jahre dauern. Um die Umsetzung zu vollziehen, müssen neuen Geldscheine gedruckt und alte Geldscheine und Münzen eingesammelt werden. Man rechnet mit langanhaltenden Unstimmigkeiten bei der Festlegung von Preisen.

Das Gesetzt bedarf noch der Zustimmung des Wächterrates. In dem Gesetz wird die Zentralbank verpflichtet, innerhalb der nächsten zwei Jahre die "Übergangsphase" einzuleiten.

Hematti sagte im Parlament, angesichts der andauernden und zunehmenden Inflation in den vergangenen fünf Dekaden spiele der Rial faktisch keine Rolle mehr. Im Geschäftsalltag habe der Tuman sich als Währungseinheit durchgesetzt. Durch den Wechsel und Streichung von vier Nullen werde die chronische Inflation gebannt. Zudem werde die nationale Währungseinheit international aufgewertet.


IRAN WARNT VOR VERLÄNGERUNG DER SANKTIONEN

Präsiden Hassan Rohani gab auf einer Kabinettssitzung am 6. Mai bekannt, dass er in einem Schreiben an die Regierungen Russlands, Chinas, Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens vor den Folgen einer möglichen Verlängerung der Sanktionen gegen Iran gewarnt habe. "Sollten sie einen solchen Fehler begehen, werden sie schwere Folgen erleiden und eine historische Niederlage erleben," sagte er.

Eine Woche zuvor hatte die US-Regierung in Washington erklärt, sie werde nicht zulassen, dass das Waffenembargo gegen Iran aufgehoben werde. In der UN-Resolution 2231 wurde das Embargo konventioneller Waffen auf Oktober 2020 befristet, vorausgesetzt, Iran halte seine Verpflichtungen ein. Die USA wollen die Aufhebung verhindern.

Die Amerikaner seien auf einmal aufgewacht und haben nun gemerkt, "welchen Fehler sie mit dem Ausstieg aus dem Atomabkommen begangen haben," sagte Rohani weiter. Die Aufhebung des Embargos sei ein "untrennbarer Bestandteil des Atomabkommens." Iran habe alle seine Pflichten erfüllt. "Es ist unser Recht, dass das Embargo aufgehoben wird. Gleichgültig ob wir Waffen kaufen oder selbst produzieren, wir werden sie ausschließlich für unsere Verteidigung und Verteidigung anderer Völker benutzen. Unsere Waffe ist nicht, Benzin auf das Feuer zu gießen, sondern wir gießen Wasser auf das Feuer."

Außenminister Mohammad Dschawad Sarif bezeichnete die Forderung der USA, das Embargo zu verlängern, als "dumme Bemerkung.". "Dumme Bemerkungen seitens der Amerikaner sind ja nichts Neues. Besonders, wenn sie von Leuten kommen, die empfehlen, Desinfektionsmittel zu trinken, um sich nicht mit dem Corona-Virus zu infizieren." Die USA seien doch aus dem Atomabkommen ausgestiegen und hätten daher kein Recht, im Zusammenhang mit der Resolution 2231 irgendwelche Forderungen zu stellen.

Die USA versuchen auf die Unterzeichner des Abkommens Druck auszuüben. "Sollten diese nicht bereit sein, mit uns zu kooperieren, werden wir andere Wege suchen, um die Aufhebung des Embargos zu verhindern.

Tatsächlich ist es nun wichtig, wie sich die Europäer verhalten werden. Denn Iran hat zwar bis zum Ausstieg der USA und sogar ein Jahr danach seine Vertragsverpflichtungen erfüllt. Das bestätigten sowohl die Europäer als auch die Internationale Atombehörde (IAEA). Doch seit einem Jahr hat Iran damit begonnen, schrittweise seine Verpflichtungen ruhen zu lassen. So hat das Land mehr Uran als erlaubt angereichert und den Grad der Anreicherung mit schnelleren und moderneren Zentrifugen erhöht. Dies könnten die Europäer als Grund nehmen, um eine Beschwerde gegen Iran beim UN-Sicherheitsrat einzureichen. Sollte der Rat zu dem Schluss gelangen, dass Iran gegen das Abkommen verstoßen habe, könnte er die Verlängerung des Embargos beschließen. Allerdings müssten dem auch die Vetomächte Russland und China zustimmen, was in Anbetracht der guten Beziehungen der beiden Länder zu Iran unwahrscheinlich erscheint.


USA KÜNDIGEN ENDE DER AUSNAHMEN VON SANKTIONEN GEGEN IRANS ATOMPROGRAMM AN

Die USA haben Ausnahmegenehmigungen für ausländische Unternehmen, die mit dem iranischen Atomprogramm kooperierten, gekündigt. Außenminister Mike Pompeo sagte am 28. Mai, die "waghalsige Politik" der Islamischen Republik haben Washington keine andere Wahl gelassen. Den Unternehmen sei eine letzte Frist von 60 Tagen zugesprochen worden, um ihre Aktivitäten in Iran zu beenden. Einzig die Ausnahmegenehmigung für Aktivitäten in Irans einzigem Atomreaktor in Bushehr bleibe bestehen. Gemeint ist wohl Russland, das laut Atomabkommen Treibstoff für den Reaktor liefert.

Einer Meldung der dpa vom 30. Mai zufolge haben die Außenminister der drei europäischen Unterzeichner des Atomabkommens mit Iran, Deutschlands, Großbritanniens und Frankreichs, eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sie ihr Bedauern über die Maßnahme bekunden.

In dem Atomabkommen von 2015 mit Iran, das neben den drei EU-Staaten auch Russland, China und die USA unterzeichneten, wird der Islamischen Republik die zivile Nutzung der Atomenergie erlaubt und somit die Kooperation ausländischer Unternehmen mit Iran im Bereich des Atomprogramms des Landes. In der Erklärung, die von der EU-Kommission unterstützt wird, betonen die drei Minister, dass sie nach wie vor an dem Atomabkommen festhalten wollen. Die USA waren im Mai 2018 aus dem Abkommen ausgetreten und hatten die Sanktionen gegen Iran wieder aufgenommen.

In der Erklärung bezeichnen die Minister die gemeinsamen Projekte mit Iran als nützlich. "Diese Projekte dienen den Nichtverbreitungsinteressen aller und bieten der internationalen Gemeinschaft eine Rückversicherung für den ausschließlich friedlichen und sicheren Charakter der kerntechnischen Aktivitäten Irans," schreiben die Autoren. "Wir beraten mit unseren Partnern, um die Folgen dieser Entscheidung der Vereinigten Staaten abzuschätzen."

Auch Russland kritisierte die Entscheidung der USA. Die Sprecherin des Moskauer Außenministeriums Marija Wladimirowna Sacharowa sagte den Journalisten: "Die Maßnahmen der US-Regierung werden von Tag zu Tag gefährlicher und unvorhersehbarer."

Auch Josep Borrell, Außenbeauftragter der EU, bedauerte die Aufkündigung der Ausnahmegenehmigungen und warnte, dadurch werde die Kontrolle des iranischen Atomprogramms komplizierter. Auf einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats, auf der über das Verhältnis der EU zu den Vereinten Nationen diskutiert wurde, sagte Borrell, das Atomabkommen mit Iran sei wichtig gewesen. Denn es ermögliche sicherzustellen, dass das iranische Atomprogramm die festgesetzten Grenzen nicht überschreite. Aus demselben Grund sei die von den USA getroffene Maßnahme höchst bedauerlich. Der Sprecher der iranischen Atomorganisation, Behruz Kamalwandi, sagte laut der Agentur Isna, die Maßnahme werde für das iranische Atomprogramm keine Konsequenzen haben. Sie sei nichts anderes als ein "Medienrummel." "Unseren Brennstoff für den Reaktor in Bushehr bekommen wir, wann immer wir möchten, aus Russland. Und wenn er zu Ende sein sollte, sind wir selbst in der Lage, ihn ohne Hilfe von außen zu produzieren. Mit dem Tempo bei der Aktivierung des Schwerwasserreaktors in Arak sind wir nicht zufrieden. Das könnte besser laufen, vor allem wenn die Europäer besser kooperieren würden."


DEUTSCHE GESCHÄFTE MIT IRAN KOMMEN LANGSAM IN SCHWUNG

Laut einem Bericht der Agentur Reuters, der sich auf Angaben des statistischen Bundesamts stützt, wuchsen die deutschen Exporte nach Iran trotz der Corona-Krise im ersten Quartal dieses Jahres um 16,8 Prozent auf mehr als 394 Millionen Euro. Dieser Aufschwung erfolgt gegen den allgemeinen Trend des deutschen Gesamtexports, der wegen der Corona-Krise von Januar bis März um 3,3 Prozent gefallen ist. Den Grund für die Zunahme des deutschen Exports nach Iran sieht die Deutsch-Iranische Handelskammer in erster Linie darin, dass im Zusammenhang mit der Pandemie medizinische Geräte nach Iran geliefert wurden. Hinzu kämen aber auch die besseren Möglichkeiten der Finanzierung. Zwar beziehe Iran Masken und Schutzausrüstung vorwiegend aus China, sagte Vorstandsmitglied Michael Tockuss. Aber Iran benötige auch technische Geräte. "Auffällig viel gekauft wurden Medizintechnik und andere wichtige Dinge wie Vormaterialien für die lokale Medikamentenproduktion."

Es gebe aber auch strukturelle Veränderungen. "Erste Banken sind wieder stärker in die Exportfinanzierung gegangen," sagte Tockuss. "Deutsche Banken halten sich zwar immer noch stark zurück, aber iranische Banken haben das Feld wieder stärker für sich erschlossen. Das haben sie früher in diesem Umfang nicht gemacht. Aber für größere Projekte ist deshalb wieder Geld da."

Das Gesamtjahr wird ein Plus vorweisen, meinte Tockuss laut Reuters. "Wir rechnen mit einem Zuwachs von zehn bis 15 Prozent. Das liegt einfach daran, dass zwar die Rahmenbedingungen mit niedrigem Ölpreis nicht gut sind. Aber Iran hat sich auf diese Situation eingestellt." Die Besteuerung werde jetzt konsequenter als zuvor durchgesetzt. Das stabilisiere die Finanzen in Iran, sagte Tockuss.

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AUSSENPOLITIK

• Chamenei: "Die Endlösung: Widerstand bis zu einem Referendum"
• Bennett: Iran beginnt sich aus Syrien zurückzuziehen
• Iranischer Hafen von israelischem Cyberangriff lahmgelegt
• Assad soll nicht zurücktreten
• Sanktionen gegen iranischen Innenminister und Polizeichef
• Pompeo vergleicht Iran mit Nazi-Deutschland
• Iran begrüßt die afghanische Einigung
• Adelkhah zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt
• Kein Gesetz zum Verbot der Teilnahme an Wettkämpfen gegen Israel
• Durch iranische Angriffe verletzte US-Soldaten mit Orden ausgezeichnet
• Iran zum Gefangenenaustausch mit den USA bereit


CHAMENEI: "DIE ENDLÖSUNG: WIDERSTAND BIS ZU EINEM REFERENDUM"

Zum diesjährigen Al-Kuds-Tag am 22. Mai veröffentlichte Revolutionsführer Ali Chamenei unter dem Motto "Palästina wird frei sein" eine Zeichnung, die den Jerusalemer Tempelberg zeigt. Über der Zeichnung steht: "Die Endlösung: Widerstand bis zu einem Referendum." Zu sehen sind Soldaten, die mit palästinensischen Fahnen und Flaggen der Organisationen Hamas und Hisbollah vor der Al-Aksa-Moschee stehen und offenbar ihren Sieg feiern.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagierte darauf mit den Worten: "Chameneis Drohungen, die 'Endlösung' gegen Israel umzusetzen, erinnern an die 'Endlösung' der Nazis zur Vernichtung des jüdischen Volkes."

Auch US-Außenminister Mike Pompeo reagierte mit scharfen Worten. In einem Tweet bezeichnete er Chameneis Bemerkungen als "widerliche und hasserfüllte antisemitische Äußerungen." Es sei bekannt, dass Iran weltweit der größte Unterstützer des Terrorismus und Antisemitismus sei. Es schicke "Geld und Waffen an die anti-israelische Terroristen und hat sich nun auf den Nazi-Aufruf zur Endlösung berufen."

Chamenei betont immer wieder, dass die Islamische Republik jede Nation oder Organisation unterstützen werde, die gegen "das zionistische Regime" ist und es bekämpft. Zugleich betont er auch, dass die "Eliminierung des zionistischen Regimes" nicht die Vernichtung der Juden bedeute. Es gehe um die Abschaffung eines Unrechts- und Besatzerregimes. Sein Vorschlag sei, dass "muslimische, christliche und jüdische Palästinenser" die Möglichkeit bekommen, in freier Wahl ihren Staat und ihre Regierung zu wählen. "Das ist mit Eliminierung gemeint und das wird auch passieren," schrieb Chamenei.

In seiner Rede zum Al-Kuds-Tag, die direkt vom staatlichen Fernsehen übertragen wurde, sagte Chamenei: "Das Ziel des Kampfes ist die Befreiung des gesamten Landes Palästina und die Rückkehr aller Palästinenser in ihre Heimat." Gewöhnlich redet Chamenei frei mit nur einem kleinen Zettel in der Hand. Doch bei dieser Rede las er vom Blatt ab. Er warf den USA vor, "die Präsenz des zionistischen Regimes in der Region normalisieren zu wollen." Scharfe Kritik übte er an den arabischen Staaten, die "als Marionetten der USA" den Weg für diese Politik geebnet hätten. Er forderte uneingeschränkte Unterstützung der Palästinenser in ihrem Kampf gegen den Zionismus. "Jeder muss die Hand des palästinensischen Kämpfers füllen und seinen Rücken stärken. Wir tun stolz unser Bestes auf diesem Weg. Heute kann der Gazastreifen, der von Hamas beherrscht werde, gegen die Aggression des zionistischen Feindes aufstehen und gewinnen," sagte Chamenei.

Die ganze Welt zähle die Opfer der Corona-Pandemie in jedem Land, doch die Zahlen der Opfer der Kriege und Aggressionen in den islamischen Staaten würden ignoriert, kritisierte der Revolutionsführer. Schuld für die Aggressionen und das viele Blutvergießen in Afghanistan, Jemen, Libyen, Irak, Syrien und anderen Ländern seien die USA und Europa. Chamenei kritisierte alle jene, die sagen, Israel sei inzwischen eine Realität, man müsse den Staat anerkennen, um die Lage zu normalisieren. "Sie vergessen, dass man schädliche Realitäten bekämpfen muss," sagte er. Auch das Corona-Virus sei eine Realität, gegen das jeder vernünftige Mensch zu kämpfen bereit sei.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borell twitterte zu der Rede Chameneis: "Dies ist eine Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit. Die Sicherheit Israels ist von größter Bedeutung, und die EU wird an seiner Seite stehen."

"Er (Chamenei) sollte wissen, dass jedes Regime, das Israel mit der Vernichtung droht, sich in ähnlicher Gefahr befindet," schrieb Netanjahu auf Twitter. Auch Verteidigungsminister Benny Gantz erklärte, Israel sei für alle Bedrohungen gerüstet. Er warnte den iranischen Revolutionsführer, Israel zu provozieren.

Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte die Äußerungen Chameneis. "Wir verurteilen das Aufrufen zur Vernichtung Israels, die Legitimierung von Terror und das Verbreiten antisemitischer Inhalte auf das Schärfste. Solche israelfeindlichen Äußerungen, wie nun erneut von iranischer Seite, sind absolut inakzeptabel."

Laut AFP vom 22. Mai bezeichnete der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, Jürgen Hardt, Chameneis Äußerungen als "Hasstriaden." Sie seien "unerträglich und überschreiten jede Grenze." "Wer offen die Eliminierung Israels fordert, der greift auch uns direkt an," sagte er. Israels Sicherheit sei "Teil der deutschen Staatsräson und nicht verhandelbar."


BENNETT: IRAN BEGINNT SICH AUS SYRIEN ZURÜCKZUZIEHEN

Israels scheidender Verteidigungsminister Naftali Bennett erklärte am 19. Mai, dem letzten Tag seiner Amtsausübung, Iran habe begonnen, sich aus Syrien zurückzuziehen. Er forderte seinen Nachfolger Benny Gantz auf, den Druck auf Iran aufrechtzuerhalten, andernfalls könnte das Gegenteil passieren und Iran könnte seine Kräfte in der Region verstärken.

Israel fordert immer wieder den Abzug iranischer Kräfte aus Syrien. Das Land hat in den letzten Jahren zahlreiche Angriffe gegen iranische Stützpunkte in Syrien durchgeführt. Bennett sagte, Iran habe bereits Teile seiner Kräfte aus Syrien abgezogen und sogar einige seiner Stützpunkte aufgelöst.

Bei dem letzten Raketenangriff Israels gegen iranische Stützpunkte am 5. Mai in der Nähe der Stadt Dair im Osten Syriens waren mindestens 14 iranische und irakische Milizen getötet worden. Damals hatte Bennett, ohne die Verantwortung für den Angriff zu übernehmen, in einem Fernsehinterview gesagt, sein Land werde den Kampf gegen die Präsenz iranischer Truppen in Syrien fortsetzen. "Iran hat in Syrien nichts zu suchen," betonte er. "Solange die Iraner in dem Land sind, werden wir unseren Kampf dagegen fortsetzen."

Im Gegensatz zu Bennett erklärten die iranischen Revolutionsgarden aus Anlass des Al-Kuds-Tags, alle Anzeichen deuteten darauf hin, dass die Region des Nahen Ostens ohne Israel und die USA neue Gestalt annehme und Revolutionsführer Chamenei in der Al-Aksa-Moschee die Muslime zum gemeinsamen Gebet aufrufen könne.

In der Erklärung werden zudem die Verdienste von General Ghassem Soleimani gewürdigt, der vor einigen Monaten in der Nähe des Bagdader Flughafens durch einen gezielten Anschlag der USA getötet wurde. Soleimani sei "der Mittelpunkt der Entwicklung der Widerstandsfront" gewesen, hieß es.


IRANISCHER HAFEN VON ISRAELISCHEM CYBERANGRIFF LAHMGELEGT

Laut einem Bericht der Washington Post, aus dem dpa am 19. Mai zitierte, soll Israel hinter einem Cyberangriff stehen, der am 9. Mai den im Süden Irans gelegen Hafen Schahid Raschai von Bandar Abbas lahmlegte. Zunächst gab es für den eingetretenen Stillstand des Schiffsverkehrs keine Erklärung. "Sämtliche Computer, die den Verkehr von Schiffen, Lastwagen und Waren steuerten, stürzten ab," was zu eheblichen Staus auf den Wasserstraßen führte. Der Angriff wurde vom iranischen Vizetransportminister Mohammad Rastaf bestätigt, ohne mutmaßliche Täter zu nennen.

Die Washington Post schrieb, die Regierungen in Washington und anderer Staaten verträten die Meinung, es handele sich um eine Attacke Israels als Reaktion auf einen Versuch Irans, israelische Computer zu hacken, die Wassersysteme steuern. Dpa zitierte einen namentlich nicht genannten westlichen Diplomaten mit den Worten, es handele sich um eine Reaktion Israels auf eine iranische Cyberattacke vor zwei Wochen. "Iran hat eine rote Linie überschritten. Israel musste reagieren." Von dem Hafen aus liefere Iran Waffen an die Al-Kuds-Brigade der iranischen Revolutionsgarden.

Eine Reaktion Irans ließ nicht lange auf sich warten: Am 22. Mai berichtete AFP, am 21. Mai seien israelische Internetseiten durch ein Bild ersetzt worden, das die Stadt Tel Aviv in Flammen stehend zeige. Von der Attacke betroffen waren mehr als tausend Internetseiten großer Unternehmen, der Kommunen und regierungsunabhängige Organisationen. Ein Link führte zu einem Video, das die Bombardierung von Tel Aviv und anderer Städte zeigte. "Seid bereit für eine Überraschung," stand darunter, gezeichnet die "Piraten der Retter," berichtete AFP.


ASSAD SOLL NICHT ZURÜCKTRETEN

Iran und Russland haben Berichte dementiert, die behaupteten, die beiden Staaten seien übereingekommen, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zum Rücktritt aufzufordern. Hossein Amir Abdollahian, ehemaliger stellvertretender Außenminister für arabische und afrikanische Angelegenheiten, twitterte am 17. Mai: "Gerüchte über eine Vereinbarung zwischen Russland und Iran, Baschar al-Assad zum Rücktritt aufzufordern, sind große Lügen. Das gehört zu den amerikanisch-zionistischen Spielchen." Abdollahian, der derzeit als Berater des Parlamentspräsidenten in internationalen Angelegenheiten tätig ist, gehört zu den Politikern, die an der Gestaltung der iranischen Außenpolitik mitwirken. "Teheran akzeptiert ohne Wenn und Aber die nationale Einheit und die Souveränität Syriens," schrieb er. Dem Tweet fügte er ein Foto bei, auf dem Assad und General Ghassem Soleimani zu sehen sind. Soleimani war durch einen Anschlag der USA in der Nähe des Flughafens in Bagdad ums Leben gekommen. Assad sei "der legitime Präsident Syriens und großer Führer des Kampfes gegen IS-Terrorismus," schrieb Abdollahian weiter.

In den letzten Wochen waren Gerüchte im Umlauf, die besagten, dass Russland und Iran bei ihrer nächsten Syrienkonferenz in Astana, der Hauptstadt Kasachstans, gemeinsam mit der Türkei möglicherweise beschließen wollten, Assad fallen zu lassen, um damit auch international ihre Ziele in Syrien besser durchsetzen zu können.

Auch einige russische Medien dementierten unter Berufung auf die Führung des Landes die Berichte.

Bereits eine Woche zuvor hatte der Sprecher des Teheraner Außenamtsministeriums, Abbas Mussawi, erklärt, das Schicksal Syriens werde einzig vom syrischen Volk bestimmt. "Die Menschen in Syrien werden entscheiden, welches Staatssystem Syrien in Zukunft haben soll und wer das Land regiert. (...). Die Islamische Republik war stets beim Kampf gegen den Terrorismus an der Seite des syrischen Volkes und der syrischen Regierung präsent und wird auch in Zukunft diese Strategie fortsetzen."

Die letzten Astana-Verhandlungen zwischen den drei Staaten, Russland, die Türkei und Iran wurden am 22. April wegen der Corona-Pandemie über Video geführt. Zwei Tag zuvor hatte Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif trotz des Corona-Virus den syrischen Präsidenten Assad in Damaskus besucht.

Anlass zu den Gerüchten hatten Spekulationen über eine mögliche Änderung der Syrienpolitik Russlands geliefert. Die Medien berichteten, dass Präsident Wladimir Putin Assad zu mehr Flexibilität und Kompromissbereitschaft seinen Gegnern gegenüber aufgefordert haben soll, um den zehnjährigen Krieg in Syrien bald beenden zu können. Manche Medien berichteten auch über Meinungsverschiedenheiten zwischen Teheran und Moskau. Der Führer der libanesischen Hisbollah, der zu den festen Verbündeten Irans zählt, erklärte dazu, es gebe zwischen Iran und Russland keine Interessenkonflikte, obwohl Meinungsunterschiede zwischen den beiden Staaten "nicht unnatürlich" wären.


SANKTIONEN GEGEN IRANISCHEN INNENMINISTER UND
POLIZEICHEF

Das US-Finanzministerium hat den iranischen Innenminister, Abdolresa Rahmani Fasli, und den Polizeichef, General Hossein Aschtari, am 20. Mai wegen "eklatanter Verletzung der Menschrechte der iranischen Bevölkerung" auf die Sanktionsliste gesetzt. Das gesamte Guthaben der beiden in den USA werde, falls vorhanden, beschlagnahmt. Sie erhielten ein Einreiseverbot für die USA und jedwedes Geschäft mit ihnen werde bestraft, erklärte das Finanzministerium.

Grund für die Strafe gegen Fasli ist seine Rolle bei den landesweiten Protesten gegen die Preiserhöhung des Benzins im November vergangenen Jahres. Fasli hatte das Oberkommando zur Niederschlagung der Proteste. Die Internetverbindungen wurden über Wochen abgebrochen und Polizisten, Milizen und Revolutionsgarden wurden auf die Protestierenden losgelassen. Über die Zahl der Toten gibt es bis heute keine Angaben. Die Agentur Reuters sprach von 1.500, die Menschenrechtsorganisation Amnesty International legte Namen von mehreren Hundert Opfer vor, darunter die von Kindern und Jugendlichen.

Auch General Aschtari ist für die Opfer verantwortlich. Die Proteste bezeichnete er damals als "Verschwörung."

Der Sprecher des Teheraner Außenministeriums Abbas Mussawi sagte wenige Stunden nach der Bekanntgabe der Sanktionen, die Maßnahmen seien "nutzlos," "sie sind ein Zeichen der Schwäche," "ein sich wiederholender Akt der Verzweiflung." "Die Ergänzung

der Sanktionsliste mit Namen der Verantwortlichen für Innenpolitik, Polizei und Justiz bestätigt die Wirkungslosigkeit der bisherigen Sanktionen gegen Iran." Die Maßnahme sei ein Verstoß gegen die UN-Resolution 2231, sagte Mussawi und forderte den UN-Sicherheitsrat auf, die USA dafür zur Verantwortung zu ziehen.


POMPEO VERGLEICHT IRAN MIT NAZI-DEUTSCHLAND

Am zweiten Jahrestag nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit Iran forderte der amerikanische Außenminister Mike Pompeo laut dpa am 10. Mai die verbündeten Staaten der Vereinigten Staaten dazu auf, sich im Kampf gegen den Erzfeind Iran zusammenzustehen. "Vor 75 Jahren standen die Vereinigten Staaten und unsere Verbündeten zusammen, um die Welt von den Nazis und ihrer hasserfüllten Ideologie zu befreien," sagte der Minister. "Heute stehen wir vor einer schwerwiegenden Herausforderung für den regionalen Frieden durch ein anderes Unrechtsregime und wir fordern die internationale Gemeinschaft erneut auf, sich uns anzuschließen, um den weltweit führenden staatlich Sponsor des Antisemitismus zu stoppen."

Pompeo betonte, die USA würden das "Niveau an Gewalt und Terror" das derzeit durch Iran verübt werde, unter keinen Umständen dulden. "Und wir werden Iran niemals erlauben, eine Atomwaffe zu haben," sagte Pompeo. Zwei Tage nach dieser Erklärung besuchte er Israel.


IRAN BEGRÜßT DIE AFGHANISCHE EINIGUNG

Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif begrüßte wenige Stunden nach der Einigung zwischen dem afghanischen Präsidenten Mohammad Aschraf Ghai und dem früheren Regierungsgeschäftsführer und Außenminister Abdullah Abdullah das Abkommen zwischen den beiden rivalisierenden Politiker. "Das ist ein großer Schritt zu der nationalen Einheit Afghanistans," sagte er. Iran werde den Prozess zur nationalen Souveränität und Unabhängigkeit Afghanistans aktiv unterstützen und hoffe, dass alle Gruppen in dem Land, auch die Taliban, an diesem Prozess teilnehmen.

Einige Wochen zuvor hatte der iranische Botschafter in Kabul der afghanischen Führung empfohlen, sich zu einigen. Dafür war er wegen der Einmischung in inneren Angelegenheiten des Landes hart kritisiert worden.

Am 19. Mai erklärte das Teheraner Außenministerium, Vertreter Chinas, Pakistans, Russland und Irans hätten sich über die Lage in Afghanistan digital ausgetauscht. Dabei betonten die Teilnehmer übereinstimmend, Afghanistan sei ein unabhängiges souveränes Land, über dessen Zukunft und Entwicklung allein das afghanische Volk entscheide. Sie begrüßten die Einigung der Fraktionen und äußerten die Hoffnung, dass die "wichtige Einigung" den Weg für den innerafghanischen Dialog ebnete. Sie versicherten, dass sie den Friedensprozess unterstützen und zeigten sich überzeugt, dass die Einigung die Konflikte und Rivalitäten beenden werde. Sie forderten alle afghanischen Gruppen und Organisationen, einschließlich der Taliban, auf, die nun entstandene Chance zum Frieden wahrzunehmen und sie tatkräftig zu unterstützen.

Die Vertreter der vier Staaten betonten, dass sie den Friedensprozess auf Grundlage der afghanischen Verfassung, der Rechte der Frauen und ethnischen und religiösen Minderheiten unterstützen werden. Sie werden den Prozess, der notwendigerweise auch zum Abzug fremder Truppen aus Afghanistan führen werde, genau beobachten. Dieser Abzug solle geordnet und verantwortungsvoll erfolgen. Ferner forderten sie die Vertreter aller Gruppen in Afghanistan auf, politische Gefangene frei zu lassen. Sie äußerten die Hoffnung, dass die UN-Resolution 2514 umgesetzt und ein allgemeiner Waffenstillstand von allen Gruppen akzeptiert werde.

Die Vertreter der drei Staaten zeigten sich besorgt über den "existierenden Terrorismus" in Afghanistan und forderten alle Parteien und Gruppen auf, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um terroristische Organisationen, die nicht nur in Afghanistan, sondern auch in den Nachbarstaaten agieren, auszuschalten und den Schmuggel von Drogen "auszurotten."

Die Teilnehmer an dem Treffen versprachen, die Unterstützung Afghanistans beim Kampf gegen das Corona-Virus fortzusetzen. Sie äußerten die Hoffnung, dass der Friedensprozess die Rückkehr afghanischer Flüchtlinge in ihre Heimat ermöglichen werde. Sie kamen darin überein, diesen Austausch über die Lage in Afghanistan in Zukunft fortzusetzen.


ADELKHAH ZU SECHS JAHREN GEFÄNGNIS VERURTEILT

Die 61-jährige iranisch-französische Wissenschaftlerin Fariba Adelkhah wurde von einem iranischen Revolutionsgericht zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, fünf Jahren wegen "Verschwörung gegen die nationale Sicherheit" und ein Jahr wegen "Propaganda gegen die Staatsordnung der Islamischen Republik."

Adelkhah ist Anthropologin, sie arbeitet im Pariser Institut für politische Wissenschaften (Sciences Po). Sie forscht seit Jahren über die Lage der Frauen im Iran und Afghanistan und hat mehrere Bücher und zahlreiche Beiträge zu diesem Thema veröffentlicht.

Geboren in Teheran, wuchs sie in einer mittelständischen, religiös-konservativen Familie auf. Als Kind und Jugendliche trug sie einen Schleier, obwohl damals kein Zwang bestand. Als Teenagerin war sie begeistert von dem Geistlichen Mortesa Mottahari und dem Religionsphilosophen Ali Schariati. Beide traten für einen modernen, kämpferischen Islam ein. Sie gelten als ideologische Vorbereiter der islamischen Revolution von 1979. Kurz vor der Revolution begab sich Adelkhah zum Studium nach Frankreich, studierte zunächst an der Universität in Straßburg Soziologie, machte dort ihr Staatsexamen. Anschließend ging sie nach Paris und promovierte dort im Fach Anthropologie am Institut für politische Wissenschaften, wo sie später zu lehren und zu forschen begann.

In ihren Büchern und zahlreichen Beiträgen beschreibt sie die islamische Revolution im Iran als ein "Akt der Befreiung," als Beginn einer "modernen Ära", die ungewollt religiösen Frauen im Iran den Weg in die Freiheit bahnte und ihre Emanzipation ermöglichte. Das Leben der Frauen in der Islamischen Republik bezeichnete sie als "eine Revolution in Schleier verhüllt." Ihr Blick auf die Entwicklung der Islamischen Republik ist nicht grundlegend kritisch. Sie stehe nicht im Widerspruch zu "Demokratie und Modernität," meinte sie. In ihren Schriften versucht sie, wie in einer längeren Abhandlung unter dem Titel "Falsche Vorstellungen von der Islamische Republik," bestimmte "Unstimmigkeiten" mit Hinweis auf bestehende Umstände zu rechtfertigen.

Die Islamische Republik habe dazu beigetragen, dass bestimmte Eigenschaften, wie Bescheidenheit, Solidarität, Großzügigkeit, Gerechtigkeit und dergleichen mehr, sich strukturell in der Gesellschaft durchgesetzt hätten, schreibt Adelkhah. Als Vorbilder nennt sie unter anderem Ayatollah Chomeini, der ein bescheidenes, mutiges Leben geführt habe.

Der iranischen Opposition, vor allem der in der Diaspora, warf Adelkhah Kollaboration mit der Islamischen Republik vor. Zumal sie in einem Interview, das sie wenige Monate vor ihrer Festnahme im Iran mit einem französischen Sender führte, die schiitische Geistlichkeit in der Pilgerstadt Ghom als "Verteidiger der Demokratie" bezeichnete und die Meinung vertrat, dass die Opposition keinerlei Chanen habe, im Iran einen Regimewechsel herbeizuführen.

Adelkhah hielt sich im Rahmen ihrer Forschungsarbeit öfter im Iran auf. Bei ihrem letzten Besuch im Juni 2019 wurde sie vor ihrem Abflug auf dem Flughafen in Teheran unter dem Verdacht der Spionage festgenommen. Auch ihr Kollege und Lebensgefährte Roland Marchal, der sie im Gefängnis besuchen wollte, wurde inhaftiert, aber nach neun monatiger Haft im März dieses Jahres im Zuge eines Gefangenenaustauschs wieder freigelassen.

Frankreich verurteilte das Urteil gegen Adelkhah. Außenminister Jean-Yves Le Drian erklärte am 16. Mai laut dpa, das Urteil basiere nicht auf Fakten, es handele sich um ein politisches Urteil. Er forderte die sofortige Freilassung der Wissenschaftlerin.

Vermutlich ist die demonstrierte Härte der iranischen Justiz auf die Hoffnung zurückzuführen, bei einem möglichen Gefangenenaustausch hohe Forderungen durchsetzen zu können, etwa so wie im Mai 2010. Damals wurde die Französin Clotilde Reiss gegen zwei iranische Gefangene in Frankreich ausgetauscht. Reiss arbeitete als Französischlektorin an der Universität in Isfahan. Im Juli 2009 wurde sie auf dem Teheraner Flughafen wegen Teilnahme an den Protesten gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad festgenommen. Ihr wurde Spionage und Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten vorgeworfen. Der Austausch erfolgte am 16. Mai 2010. Die beiden freigelassenen Iraner gehörten aus der Sicht der Islamischen Republik zu den wichtigsten Gefangenen im Ausland. Einer von Ihnen war Ali Wakili Rad, der einen Mordauftrag gegen den letzten vom damaligen Schah ernannten Ministerpräsidenten Schahpur Bachtiar ausführte. Bachtiar wurde am 6. August 1991 in seinem Haus in Paris bestialisch ermordet.


KEIN GESETZ ZUM VERBOT DER TEILNAHME AN WETTKÄMPFEN GEGEN ISRAEL

Mitglieder des Ausschusses für Nationale Sicherheit und Außenpolitik im islamischen Parlament gaben bekannt, dass ein Paragraph aus einer Gesetzesvorlage gestrichen wurde. Dieser untersagte die Teilnahme iranischer Sportler an Wettkämpfen gegen israelische Sportler. Modschtaba Solnuri und Hossein Taghawi Hosseini, der Vorsitzende bzw. Sprecher des Ausschusses, bestätigten am 17. Mai, dass Paragraph 17 aus der Vorlage: "Reaktionen auf feindliche Aktivitäten des zionistischen Regimes" herausgenommen worden sei. Taghawi Hosseini sagte der Agentur Isna, der Paragraph sei aufgrund eines Vorschlags des Ministeriums für Sport und Jugend gestrichen worden. Auch Solnuri, der zu den Initiatoren der Vorlage gehörte, sprach von einer Übereinkunft der Mitglieder des Ausschusses und den Vertretern des Sportministeriums.

Zwar gibt es bislang kein Gesetz, das die Teilnahme an Wettkämpfen gegen israelische Sportler verbietet, aber es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, das die Teilnahme untersagt. Nicht selten hat diese Praxis zu Strafmaßnahmen seitens internationaler Gremien gegen iranische Sportler geführt.

Das Gesetz über Reaktionen auf feindliche Aktivitäten Israels wurde im Eilverfahren in der ersten und zweiten Lesung mit einer überwältigenden Mehrheit ohne Gegenstimmen verabschiedet. Die Islamische Republik erkennt den Staat Israel nicht an. Beide Staaten betrachten sich als größte Feinde. Das Gesetz enthält Vorschriften, die bisher ohnehin praktizier wurden. Dazu gehören ein Verbot der israelischen Flagge, die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Palästinas, das Verbot von Informationsaustausch zugunsten Israels, das Verbot von Reisen nach Israel für iranische Staatsbürger und Verbot von Verhandlungen mit Institutionen, die in irgendeiner Weise in Verbindung zu Israel stehen.

Der nun gestrichene Paragraph untersagte jede Art von Teilnahme an Wettkämpfen gegen israelische Sportler. Zudem wurden iranische Sportföderationen und Vereine verpflichtet, alle ihre Möglichkeiten und Beziehungen einzusetzen, um eine mögliche Bestrafung iranischer Sportler oder Vereine zu verhindern. Schließlich sollten iranische Sportler, die sich weigern, gegen israelische Sportler aufzutreten, besonders unterstützt und belohnt werden.

Dazu sagte der Abgeordnete Mohammad Asisi am 14. Mai der Zeitung Etemad: "Wir haben ideologische Grundsätze und demnach wird das zionistische Regime nicht als souveräner Staat anerkannt und dementsprechend wird es gegen die (israelische Sportler) keinen sportlichen Wettbewerb geben." Dafür sei Iran bereit, auch Disqualifizierungen der Sportler und Mannschaften in Kauf nehmen. "Für uns sind ideologische Prinzipien wichtiger."

Über die Gründe, die zu der Streichung des Paragraphen geführt haben, kann nur spekuliert werden. Solnuri sagte, es sei überflüssig, Gesetze über Vorschriften zu verabschieden, die ohnehin seit Jahren praktiziert würden. Doch die Äußerungen einiger Abgeordneter deuten darauf hin, dass die Streichung aus Furcht vor Sanktionen erfolgt ist. Der Abgeordnete Ghassen Mirsai Niku sagte, "jene, die ein solches Gesetz verabschieden, wollen möglicherweise den gesamten iranischen Sport zu den Akten legen." Auch sportliche Institutionen äußerten die Befürchtung, ein solches Gesetzt könnte zum Ausschluss Irans aus internationalen Wettkämpfen führen.


DURCH IRANISCHE ANGRIFFE VERLETZTE US-SOLDATEN MIT ORDEN AUSGEZEICHNET

Einem Bericht der dpa vom 4. Mai zufolge werden US-Soldaten, die im Irak durch iranische Angriffe verwundet wurden, mit dem Verwundetenabzeichen der amerikanischen Streitkräfte, dem "Purple Heart," ausgezeichnet. Diese Maßnahme sei vom US-Kommandeur im Irak, Generalleutnant Pat White, angeordnet worden, sagte Militärsprecher Bill Urban. Demnach würden 29 Soldaten die Auszeichnung bekommen, sechs von ihnen seien bereits ausgezeichnet worden.

Der iranische Angriff erfolgte am 8. Januar als Vergeltung für den Anschlag auf den iranischen General Ghassem Soleimani, Chef der iranischen A-Kuds Brigade in der Nähe des Bagdader Flughafens. Nach dem Angriff auf den irakischen Luftwaffenstützpunkt Al-Assad litten 110 US-Militärangehörige, wie nachträglich festgestellt wurde, unter Schädel-Hirn-Traumen. Doch laut Urban bekamen nicht alle die Auszeichnung, 80 von ihnen hätten zur Auswahl gestanden, aus denen letztendlich 29 ausgewählt worden seien.


IRAN ZUM GEFANGENENAUSTAUSCH MIT DEN USA BEREIT

Irans Regierungssprecher Ali Rabii erklärte am 10. Mai, Teheran sei ohne Vorbedingungen bereit, amerikanische Gefangene gegen Iraner, die sich in amerikanischer Haft befinden, auszutauschen. Doch bislang hätte sich Washington geweigert, auf das Angebot zu reagieren. "Da der Ausbruch der Covid-19-Krankheit die Leben iranischer Bürger in US-Gefängnissen bedroht, hoffen wir, dass die US-Regierung Leben letztendlich der Politik vorzieht," sagte er.

Das Time Magazin hatte über die Bereitschaft Irans zu einem Gefangenenaustausch berichtet. Teheran habe keine Vorbedingungen gestellt, sei bereit, ohne Vermittler durch die iranische Vertretung bei der UNO über den Austausch zu verhandeln. Doch ein ranghoher US-Politiker, dessen Name nicht genannt wird, habe dem Magazin mitgeteilt, dass Iran den Austausch noch nicht offiziell beantragt habe. Der Bericht war erschienen, nachdem bekannt worden war, dass der iranische Wissenschaftler Sirus Asgari in einem US-Gefängnis an Corona erkrankt sei. Es gab auch Berichte darüber, dass der amerikanische Navy-Veteran Michael White aus gesundheitlichen Gründen Hafturlaub bekommen habe und sich derzeit unter der Aufsicht der Schweizer Botschaft in Teheran befindet, die die Interessen der USA in Iran vertritt.

Es gibt eine ganze Reihe iranischer Staatsbürger, die sich wegen Verstoß gegen die Sanktionen in amerikanischer Haft befinden und eine ganze Reihe Amerikaner oder Doppelstaatler, die wegen Spionage und Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten in iranischen Gefängnissen sitzen.

US-Präsident Donald Trump hat den Bericht des Time Magazins in einem Tweet wiedergegeben, ihn jedoch nicht kommentiert. Laut dpa vom 10. Mai hatten Regierungsmitarbeiter in Washington von Fortschritten im Fall von Michael White gesprochen.

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Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Anja Hoffmann
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
19. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 6/2020 - Juni 2020 / 19. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juni 2020

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