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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/393: Iran-Report Nr. 9 - September 2017


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 9 - September 2017
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Iran steht an einem Scheideweg. Nach dem Abschluss des Atomabkommens und der Aufhebung der Sanktionen erwartet das Volk einen wirtschaftlichen Aufschwung, die Öffnung nach außen und vor allem auch eine Liberalisierung der theokratischen Staatsordnung. Doch über den neuen Kurs, auch über die Rolle Irans in der Region, ist sich die Staatsführung nicht einig. Wie der Machtkampf, der schon seit geraumer Zeit zwischen Konservativen und Reformern tobt, ausgehen wird, ist ungewiss.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.

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INNENPOLITIK

• Rohani beginnt offiziell seine zweite Amtszeit
• Vereidigung Rohanis im Parlament
• Das neue Kabinett
• Bis auf einen erhalten alle Minister Zustimmung des Parlaments
• Drei Frauen im Stab von Rohani
• Chamenei ernennt neuen Armee-Chef
• Gerichtliche Verfolgung von Ahmadinedschad gefordert
• Schahrudi neuer Leiter des Schlichtungsrats
• Karrubi fordert öffentlichen Prozess
• Menschenrechtslage in Iran immer schlechter
• 27 IS-Sympathisanten festgenommen
• Iranischer Gefangener vom IS hingerichtet
• Keine Todesstrafe mehr bei kleinen Drogendelikten
• Wehrpflichtige dürfen nicht zum Studium ins Ausland
• Proteste wegen Selfies mit Mogherini


ROHANI BEGINNT OFFIZIELL SEINE ZWEITE AMTSZEIT

Am 3. August wurde Präsident Hassan Rohani in seine zweite Amtszeit eingeführt. Gemäß der Verfassung bestätigte Revolutionsführer Ali Chamenei seine Wahl und überreichte ihm die Ernennungsurkunde. Dabei forderte Chamenei einen härteren Widerstand gegen die "aggressive Politik" der USA. Er lobte das iranische Volk für seine große und enthusiastische Beteiligung an der Wahl und mahnte den Regierungschef, sich um die "Probleme der Menschen" zu kümmern.

Rohani betonte, sein Land werde "niemals die Isolation akzeptieren". Iran habe mit seiner Zustimmung zum Atomabkommen guten Willen gezeigt und sei nun bereit mit allen Ländern zusammenzuarbeiten. "Wir haben bei der Wahl die Stimme des Volkes gehört und müssen sie akzeptieren. Was die Menschen forderten sei Rechtsstaatlichkeit und das Recht auf Meinungsfreiheit und Information. Die Bezeichnung des Staates bestehe aus zwei Begriffen, Islam und Republik. Es gelte, beides gleichgewichtig zu akzeptieren.

In der Außenpolitik werde seine Regierung sich rational und sachlich verhalten. Dies sei der einzige Weg, der Iran Zugang zu den internationalen Märkten verschaffen könne. Der alte und neue Präsident erteilte jeder Radikalität eine klare Absage.


VEREIDIGUNG ROHANIS IM PARLAMENT

Am 5. August wurde Präsident Rohani in Anwesenheit von zahlreichen ausländischen Gästen im Parlament vereidigt. An sie gerichtet, erklärte Rohani: "Iran ist zur Zusammenarbeit mit Ihren Ländern in beiderseitigem Interesse bereit. Diese Zusammenarbeit richte sich gegen keinen anderen Staat." Er verteidigte die vierjährige Arbeit seiner Regierung, verwies vor allem auf den erfolgreichen Abschluss des Atomabkommens mit den Weltmächten und betonte, Iran werde das Abkommen nicht kündigen, aber auf die Maßnahmen der USA entsprechend reagieren. Offenbar nahm er damit Stellung zu der Ankündigung der USA, mehr Druck auf Iran auszuüben, was möglicherweise Iran in Gegenreaktion dazu veranlassen werde, das Abkommen zu kündigen.

Zu Beginn seiner Rede sagte Rohani sein Sieg bei der Präsidentenwahl bedeute, dass die Mehrheit des Volks sich für einen besonderen Weg entschieden habe. Er müsse daher diesem Weg treu bleiben. "Diese Regierung wird eine gemäßigte Regierung sein. Sie werde vor jedem Angriff weder zurückschrecken und kapitulieren, noch aus der Fassung geraten und zum Gegenangriff übergehen. Wir sind eine Regierung des Friedens sowohl in der Außen- wie in der Innenpolitik. Wir ziehen den Frieden dem Krieg und die Reformen der Stagnation vor."

"Wir unterstützen unsere Streitkräfte, aber unsere größte Waffe ist das Votum des Volkes, das über sein eigenes Schicksal entscheidet", fuhr Rohani fort. Wir streben eine sichere, friedliche Region an, ohne Terror und Gewalt. Dafür bieten wir unseren Nachbarstaaten die Hand der Freundschaft an und sind davon überzeugt, dass wir nur durch Dialog und Zusammenarbeit in der Region Ruhe herstellen und die Entwicklung und den Fortschritt vorantreiben können."

In Anspielung auf den von US-Präsident Donald Trump mit Stolz bekannt gegebenen Abwurf der "Mutter aller Bomben" in Afghanistan sagte Rohani: "Heute ist nicht die Zeit, um die Mutter aller Bomben zu repräsentieren, lasst uns lieber die Mutter aller Dialoge präsentieren. Heute ist nicht die Zeit, um die Mutter aller Sanktionen zu präsentieren, lasst uns lieber die Mutter aller Kooperationen präsentieren." Das Atomabkommen habe gezeigt, dass auch die aussichtslosesten Verhandlungen zum Erfolg führen könnten, sagte der Präsident.

Nach der Zeremonie führte Rohani Gespräche mit einigen Repräsentanten ausländischer Staaten. Dem Außenbeauftragten der EU, Frederico Mogherini, sagte er: "Die Beziehungen zwischen Iran und der EU haben sich in den letzten vier Jahren weiterentwickelt, aber noch nicht den Stand erreicht, den wir nach dem Atomabkommen erwarten haben. Daher sollten wir gegenseitig für mehr Bewegung sorgen."

Die Türkei und Katar wurden durch ihre Wirtschaftsminister vertreten, einige arabische Staaten hatten keinen Vertreter zu der Vereidigung geschickt. Insgesamt waren 500 ausländische Gäste anwesend.


DAS NEUE KABINETT

Drei Tage nach seiner Vereidigung legte Präsident Rohani eine Liste von 17 Ministern seines neuen Kabinetts vor. Allein für den Minister für höhere Bildung hatte er noch keinen Kandidaten. Alle Minister benötigen die Zustimmung des Parlaments. Unter den Nominierten befand sich keine Frau.

Nicht nur Frauen waren von der Ministerliste enttäuscht, sondern auch die Reformer, die im neuen Kabinett kaum vertreten sind. Offenbar wollte Rohani kein Risiko eingehen, oder der Druck der Konservativen war zu groß. Ohnehin hatte er bei bestimmten Ministerien keine freie Wahl. Denn einige Ressorts, wie Verteidigung, Außen-, Innen- und Geheimdienst-Ministerium, müssen mit Zustimmung des Revolutionsführers besetzt werden. Chamenei hatte jedoch betont, dass ihm auch die Bereiche Kultur und Bildung wichtig seien.

Einen Tag vor der Vorstellung des neuen Kabinetts hatte Ex-Staatspräsident Mohammad Chatami, der als Vater der Reformbewegung gilt, erklärt, das neue Kabinett müsse sich "neben der Rücksichtnahme auf die Meinung des Revolutionsführers und auf nationalen Interessen nach dem Votum des Volkes richten." Die Reformer verlangen keinen Anteil, aber jene, die sich für den Präsidenten eingesetzt und ihm zum Sieg verholfen haben, dürften nicht ignoriert werden.

Chatami sagte, die Reformer hätten bisher mehr um politische Freiheiten und Menschenrechte gekämpft. Aber sie sollten auch beim Kampf gegen Armut und Arbeitslosigkeit und für soziale Gerechtigkeit an vorderster Front stehen. "Jedem gerechten Menschen muss es weh tun, dass in der Islamischen Republik nach 38 Jahren trotz hoher Ansprüche immer noch Ungleichheit herrscht. Diese Ungleichheit besteht nicht nur zwischen Frauen und Männern und zwischen Ethnien, sondern auch zwischen den sozialen Schichten und Klassen."

Im neuen Kabinett wurden alle Schlüsselminister aus dem alten Kabinett übernommen. So bleibt Außenminister Mohammad Dschawad Sarif weiterhin im Amt, auch im Innen-, Öl- und Kulturministerium gab es keinen Wechsel. Unter den 17 vorgestellten Ministern gibt es lediglich sieben neue Gesichter. Einen Wechsel gab es an der Spitze des Wirtschafts-, Verteidigung und Justizministeriums.

Dass sowohl Geheimdienstminister Mahmud Alawi als auch Außenminister Sarif die Zustimmung des Revolutionsführers erhalten haben, ist bemerkenswert. Im Falle Alawi ist die Zustimmung nachvollziehbar. Denn obwohl Alawi Rohani nahesteht und er zu dem engsten Kreis um den verstorbenen Ex-Staatspräsidenten Haschemi Rafsandschani gehört, hat er in seiner vierjährigen Amtszeit keinen Schritt unternommen, der dem Willen des Revolutionsführers widersprochen hätte. Zwar gab es zwischen seinem Ministerium und dem Geheimdienst der Revolutionsgarden Konflikte. Aber er hat diese Konflikte nie in die Öffentlichkeit getragen, selbst dann nicht, als die Gegenseite provokante Maßnahmen ergriff.

Noch bemerkenswerter ist, dass Chamenei Außenminister Sarif bestätigte. Sarif ist der umstrittenste Minister im Kabinett gewesen. Für die Konservativen gilt er als rotes Tuch. Er wird als Verräter seines Landes und als Lakai der Amerikaner beschimpft. Zugleich gilt er für die Reformer und Gemäßigten als Held, dem es gelungen ist, das Atomabkommen durchzusetzen. Chamenei hatte immer wieder betont, dass der Preis des Atomabkommens zu hoch sei, dass man den USA nicht vertrauen könne, dass eine Annäherung an die USA nicht gestattet sei. Dass er gerade dem Mann, der genau diese Außenpolitik verfolgt, seine Zustimmung erteilt, ist vielleicht damit zu erklären, dass er im Grund mit der Außenpolitik der Regierung einverstanden ist und sich nur verbal zur Beruhigung seiner konservativen Anhänger kritisch dagegen äußert. Sarif und Rohani haben jedenfalls immer wieder betont, dass sie außenpolitisch keinen Schritt ohne die Zustimmung Chameneis unternommen hätten.

Bemerkenswert am neuen Kabinett ist auch, dass der neue Verteidigungsminister, Amir Hatami, zum ersten Mal nach 25 Jahren nicht aus den Reihen der Revolutionsgarden stammt. Hatami ist ein Oberkommandierender der regulären Streitkräfte. Seine Wahl könnte mit den Konflikten zwischen Rohani und den Revolutionsgarden zusammenhängen. Sie bedeutet für die Revolutionsgarden ein Verlust ihres Einflusses auf die Regierung. Dass Chamenei dennoch seine Zustimmung zu dem Wechsel erteilt hat, ist beachtenswert.

In den Ministerien für Kultur und Lehre und Bildung hat es einen Wechsel gegeben. Für das Ministerium für höhere Bildung ist noch kein Minister ernannt. Der neue Minister für Lehre und Bildung, Mohammad Batai, gehört zu den älteren Mitarbeitenden des Ministeriums. Im vergangenen Jahr wurde er für eine kurze Zeit zum kommissarischen Leiter des Ministeriums ernannt. Bei der Debatte im Parlament haben die Gegner seiner Wahlnicht ihn persönlich kritisiert. Sie hoben die großen Probleme des Ministeriums hervor und äußerten ihre Zweifel darüber, ob Batai in der Lage sei, diese zu bewältigen. Der Wechsel an der Spitze des Ministeriums ist eindeutig ein Rechtsruck, den die Konservativen als Erfolg für sich buchen können.

Das gilt auch für den neuen Kulturminister Abbas Salehi. Es trägt zwar keinen Turban, stammt aber aus den Kreisen der Geistlichkeit. Wie es aus den Kreisen von Rohani verlautet, hat sich Salehi in den vergangenen Jahren bemüht, die Kulturpolitik der Regierung den geistlichen Instanzen in der heiligen Stadt Ghom zu vermitteln. Manche Verleger äußerten die Ansicht, dass er in der Zensurbehörde eine gewisse Ordnung gebracht habe. Er gehört übrigens zu den aktiven Nutzern der Sozialen Medien im Internet.

Dass Rohani keinen Minister für höhere Bildung vorgeschlagen hat, ist den Gerüchten zufolge darauf zurückzuführen, dass sämtlich seiner Vorschläge von Chamenei abgelehnt wurden.

Dass Motafa Purmohammadi, der bisherige Justizminister, nicht mehr dem Kabinett angehört, ist für alle, die ihn als Schandfleck im Rohanis Stab empfanden, beruhigend. Purmohammadi war mitverantwortlich für mehrere Tausend politische Gefangene, die 1988 auf Anordnung Ayatollah Chomeinis hingerichtet wurden. Dem neuen Minister, Aliresa Awai, wird nachgesagt, dass er bürgernäher als seine Vorgänger sei. Da er jedoch vom Justizchef, der den Ultrakonservativen angehört, vorgeschlagen wurde, ist davon auszugehen, dass er diesen Kreisen nahesteht. Jedenfalls hat die EU bereits vor sechs Jahre gegen ihn und 28 weitere Personen wegen "ihrer Rolle bei der eklatanten und weit verbreiteten Verletzung der Menschenrechte" Strafen verhängt. Dazu gehört Einreiseverbot und Einfrierung seines möglichen Guthabens in Mitgliedsländern der EU.

Ein weiteres Ministerium, das mit wichtigen Sicherheitsfragen zu tun hat, ist das Kommunikationsministerium. Das Ministerium ist nicht nur für die Kontrolle des Internets zuständig, das für die Islamische Republik zu den sensiblen Bereichen gehört. Es wirkt auch bei Sicherheitskontrollen mit, also auch beim Abhören von Telefon- und Handygesprächen.

Der neue Minister für Kommunikation, Mohammad Dschawad Azari Dschahromi, ist der erste Minister, der nach der islamischen Revolution geboren ist. Er war in den Jahren 2007-2011 technischer Staatssekretär im Informationsministerium und damit auch verantwortlich für das Abhören von Oppositionellen. In den vergangenen Jahren näherte er sich dem Kreis um Rohani an. Er gehört zu den Unterstützern des Internets und fordert die Freigabe des Zugangs zu den sozialen Netzwerken.

Neuer Wirtschaftsminister ist Masud Karbasian, ein erfahrener Technokrat. Sowohl unter Chatami als auch in der ersten Amtszeit von Rohani war Karbasian Chef des Zollamts. Zugleich war er Leiter des Teams, das die Mitgliedschaft Irans bei der Welthandelsorganisation (WTO) vorantreiben sollte. Die Mitgliedschaft Irans hatten die Vertragspartner des Atomabkommen zugesichert, was bisher jedoch nicht erfolgt ist.

Alles in allem ist das Kabinett Ergebnis eines Kompromisses, bei dem Rohani, enttäuschend für seine Anhänger, zu viele Zugeständnisse gemacht hat. Ob er mit diesem Kabinett die angekündigten Ziele erreichen kann, bleibt fraglich.


BIS AUF EINEN ERHALTEN ALLE MINISTER ZUSTIMMUNG DES PARLAMENTS

Das Teheraner Parlament stimmte fast vollständig dem neuen Kabinett von Präsident Hassan Rohani zu. Wie Parlamentspräsident Ali Laridschani am 20. August bekannt gab, sprachen die Abgeordneten 16 der 17 von Rohani vorgestellten Ministern ihr Vertrauen aus. Einzig der für das Energieministerium nominierte Habibollah Bitaraf konnte nicht die Mehrheit des Parlaments für sich gewinnen. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass Bitaraf keinen plausiblen Plan vorgelegt habe, um den anhaltenden und bedrohlichen Wassermangel zu bekämpfen.

Der neue Verteidigungsminister Amir Hatami erhielt mit 261 von 288 Stimmen den größten Zuspruch. Er kündigte an, er wolle das Raketenprogramm fortsetzen. Die meisten Gegenstimmen fielen auf den neuen Kommunikationsminister Mohammad Dschawad Dschahromi. Für den Außenminister Mohammad Dschawad Sarif votierten 236 Abgeordnete, Ölminister Bijan Sangeneh erhielt 230 Stimmen.

Vor der Abstimmung sagte Rohani an die Abgeordneten gerichtet: "Sowohl dem Parlament als auch der Regierung ist bewusst, dass wir keinen leichten Weg vor uns haben. In der heutigen Weltlage ist es nicht einmal für die Länder in Europa, Amerika und Asien leicht, ihren Weg fortzusetzen, geschweige denn für uns, die wir in einer unruhigen Region leben und zudem mit Problemen der Vergangenheit zu ringen haben."

Der Präsident verwies auf die Haushaltsprobleme, auf die Hohen Ausgaben, die die Regierung sofort zu leisten und die Schulden, die sie zu begleichen habe. "Dann bleibt uns kaum etwas übrig. Sie sehen also, dass die Lage schwer und kompliziert ist. Zudem braucht das Land 200 Milliarden Dollar ausländische Investitionen, um die Öl- und Gasindustrie weiterzuentwickeln.


DREI FRAUEN IM STAB VON ROHANI

Entgegen aller Erwartungen und Aufforderungen hat Rohani keine Frau in sein neues Kabinett aufgenommen. Nur drei Frauen nahm er in seinen Stab auf. Masumeh Ebtekar, die bislang als Vizepräsidentin für den Bereich Umwelt zuständig war, wurde zu Vizepräsidentin für Frauen und Familie ernannt. Laia Dschanidi wurde Vizepräsidentin für den Justizbereich und Schahindocht Molawerdi zu Beraterin in Fragen der Bürgerrechte.

Die Ernennungen fanden einen Tag nach der Vorstellung der Minister im Kabinett am 9. August statt.

Das Fehlen von Frauen im Kabinett brachte dem Präsident viel Kritik. Faezeh Rafsandschani, Tochter der im Januar verstorbenen früheren Präsidenten Haschemi Rafsandschani, bezeichnete das Fehlen von Frauen als eine "Blamage". In einem Interview mit der Tageszeitung Ghanun am 10. August sagte sie: "Wieso kann eine Frau nicht Ministerin werden? Wie will Rohani dies vor iranischen Frauen rechtfertigen?" Rohani sollte nicht vergessen, dass Millionen Frauen ihn gewählt haben, Frauen, die "das Recht haben, ihre Forderungen durchzusetzen". "Wir können nicht behaupten, dass Frauen als Ministerin ein Novum wären. Selbst Afghanistan hat Ministerinnen, wir nicht." (Im afghanischen Kabinett werden das Frauen-Ministerium, Ministerium für den Kampf gegen Drogensucht und das Ministerium für Bergwerk von Frauen geleitet).

Im ersten Kabinett von Rohani gab es auch keine Ministerin, sondern nur drei Vizepräsidentinnen. Haschemi forderte Rohani auf, nun wenigsten so viele Frauen wie möglich als Staatssekretärinnen, Provinzgouverneurinnen und Universitätsrektorinnen zu beschäftigen.


CHAMENEI ERNENNT NEUEN ARMEE-CHEF

Nach zwölf Jahren gab es am 21. August einen Wechsel an der Spitze der Armee. Chamenei ernannte den General Abdolrahim Mussawi zum Nachfolger des Generals Ataollah Salehi. Laut Verfassung ist der Revolutionsführer Oberbefehlshaber der gesamten Streitkräfte und damit unter anderem für Ernennungen bzw. Absetzungen zuständig.

General Mussavi, 57 Jahre alt, war zuvor stellvertretender Oberbefehlshaber der gesamten Streitkräfte. Für diesen Posten ernannte Chamenei General Salehi. In der Ernennung heißt es, Salehi sei auf Empfehlung des Oberbefehlshabers der Streitkräfte, Mohammad Bagheri, ernannt worden.


GERICHTLICHE VERFOLGUNG VON AHMADINEDSCHAD GEFORDERT

Die Organisation "Kämpfende Geistlichkeit", die einflussreichste Organisation von konservativen Geistlichen in der Islamischen Republik, hat die Justiz aufgefordert, den früheren Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad gerichtlich zu verfolgen. Wie die Nachrichtenagentur Fars am 7. August berichtete, erklärte der Sprecher der Organisation, Gholamresa Mesbahi Moghaddam, während der Regierungszeit von Ahmadinedschad hätten "zahlreiche strafbare Ereignisse" stattgefunden. Als Beispiel nannten sie die Veruntreuung von Staatsgeldern, die schon damals hätten gerichtlich untersucht werden müssen, "dann hätte der Revolutionsführer schon damals entscheiden können, ob Ahmadinedschad sich weiterhin für das Amt des Staatspräsidenten eignet oder nicht".

Diese Straftaten seien immer noch relevant und müssten verfolgt werden, sagte Moghaddam weiter. "Wir fordern die Justiz auf, sich die Akte von Ahmadinedschad vorzunehmen."

Indes erklärte der Staatsanwalt des Rechnungshofes, Ghias Schodschai, bisher seien sieben Urteile gegen Ahmadinedschad gefällt worden. Die Schäden, die Ahmadinedschad als Präsident dem Land zugefügt habe, seien so groß und so viel, dass die dafür vorgesehenen Strafmaßnahmen nicht vollzogen werden könnten. Zum Beispiel müsse Ahmadinedschad in einem einzigen Fall eine Geldstrafe in Höhe von sieben Milliarden Tuman zahlen. (1 Euro gleich 3000 Tuman).

Daraufhin drohte Ahmadinedsch, er fühle sich verpflichtet, endlich alles offen zu legen, "was hinter den Kulissen gespielt" werde. In einem "Offenen Brief an das iranische Volk" schrieb der Ex-Präsident, er habe sich bislang mit Blick auf das Gesamtinteresse des Staates zurückgehalten und geschwiegen. Doch nun fühle er sich verpflichtet, die "unheildrohenden und hässlichen Pläne" zu entlarven. Die Vorwürfe gegen ihn und seine Regierung bezeichnete er als "Lügen", die mit Unterstützung der "Machthaber" immer wieder vorgebracht würden. Sie richteten sich gegen die Verfassung und müssten wiederum gerichtlich verfolgt werden. Er kündigte an, demnächst "ausführlich und vollständig" dem iranischen Volk "alle unmoralischen Intrigen, Verschwörungen und Machenschaften", über die er bislang geschwiegen habe, mitzuteilen.


SCHAHRUDI NEUER LEITER DES SCHLICHTUNGSRATS

Revolutionsführer Ali Chamenei hat am 14. August den 68-jährigen Geistlichen Ayatollah Mahmud Haschemi Schahrudi zum neuen Leiter des Schlichtungsrats ernannt. Schahrud tritt die Nachfolge des im Januar verstorbenen Haschemi Rafsandschani an, der seit der Gründung des Rats bis zu seinem Tod die Leitung des Gremiums innehatte. Seitdem wurde der Rat kommissarisch von Mowaheddi Kermani geleitet.

Der Schlichtungsrat hat mit 44 Mitgliedern die Aufgabe, in Streitfällen zwischen staatlichen Institutionen zu vermitteln. Der Verfassung gemäß werden die ständigen und die wechselnden Mitglieder des Rats vom Revolutionsführer für jeweils fünf Jahre ernannt. Zu den ständigen Mitgliedern gehören die amtierenden Chefs der drei Gewalten und die geistlichen Mitglieder des Wächterrats.

Schahrudi ist zugleich Mitglied des Wächterrats und des Expertenrats. Geboren ist der Geistliche in der irakischen Stadt Nadschaf, die als Zentrum des schiitischen Glaubens gilt. Er war ein Schüler von Ayatollah Chomeini und Ayatollah Mohammad Bagher Sadr. Bei einem Angriff des Regimes von Saddam Hussein auf das religiöse Zentrum in Nadschaf 1974 wurde unter anderem auch Schahrudi in Haft genommen. Nach seiner Freilassung begab er sich im Zuge der islamischen Revolution nach Iran, wo er mit Chomeinis Zustimmung die Verantwortung für die Zusammenarbeit revolutionärer Kräfte außerhalb der Grenzen Irans sowie des schiitischen Zentrums in Nadschaf mit der neuen Führung in Iran übernahm.

Während dieser Zeit organisierte Schahrudi gemeinsam mit dem späteren Revolutionsführer Ali Chamenei die Gründung der Obersten Versammlung der islamischen Revolution im Irak. Dieses Gremium spielte nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein eine wichtige Rolle im Irak.

1999 ernannte Chamenei den alten Weggefährten Schahrudi zum Chef der Justiz. Die Ernennung war höchst umstritten, weil Schahrudi gebürtiger Iraker war. Bei seiner Amtsübernahme sagte er, er habe einen "Trümmerhaufen" übernommen. Er war der vierte Justizchef der Islamischen Republik. Die Äußerung erweckte Hoffnungen auf eine Reform des Justizapparats. Doch diese waren vergeblich. Zudem fiel das Ende seiner Amtszeit mit der brutalen Niederschlagung der Protestbewegung von 2009 gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad zusammen, an der die Justiz in hohem Maße beteiligt war. Das ist einer der Gründe, weshalb Schahrudi vor allem bei Reformern unbeliebt ist.

Schahrudi wird als möglicher Nachfolger von Chamenei gehandelt.

Chamenei ernannte auch neue Mitglieder des Schlichtungsrats, unter denen sich kaum ein Reformer befindet. Die beiden konservativen Kandidaten bei der Präsidentenwahl, Mohammad Bagher Ghalibaf und der Geistliche Ebrahim Raisi, sowie der frühere Präsident Mahmud Ahmadinedschad gehören zu den neuen Mitgliedern. Gerüchte besagen, dass Ahmadinedschad, der gedroht hatte Geheimnisse auszupacken, durch diese Ernennung zum Schweigen gebracht werden soll.


KARRUBI FORDERT ÖFFENTLICHEN PROZESS

Der Oppositionspolitiker Mehdi Karrubi, der neben Mir Hossein Mussavi und dessen Frau Sahra Rahnaward bei den Protesten von 2009 gegen die umstrittene Wiederwahl von Mahmud Ahmadinedschad eine führende Rolle spielte, begann am 17. August einen trockenen Hungerstreik. Sowohl er als auch Mussavi und Rahnaward befinden sich seit nun fast sieben Jahren ohne einen Prozess und ohne ein offizielles Urteil in Hausarrest. Mit dem Hungerstreik wolle Karrubi, laut seiner Frau Fatemeh Karrubi, seinen Forderungen Nachdruck verleihen: Rückzug von Geheimdienstmitarbeitern aus seiner Privatsphäre, Entfernung von Überwachungskameras und einen öffentlichen Prozess. Der Gesundheitszustand des 79-jährigen hatte sich in letzter Zeit zunehmend verschlechtert. Neulich musste er wegen Herzbeschwerden ins Krankenhaus gebracht werden. Karrubi glaube zwar nicht an einen fairen Prozess, werde aber das Urteil auf jeden Fall akzeptieren, sagte seine Frau dem Nachrichtendienst Saham News. Es müsse allerdings gewährleistet sein, dass er gemeinsam mit seinen Anwälten auf die Anklage hin Stellung nehmen könne. Ihr Mann sei als ehemaliger Parlamentspräsident der Meinung, dass eine willkürliche Strafe illegal sei. Jede Strafe könne einzig durch Gerichte verordnet werden. Die Fortsetzung des Hausarrests bedeute, dass die Arrestierten irgendwann sterben werden, ohne sich verteidigen zu können.

"Stellen Sie sich das Leben in einem Haus vor, das mit Abhörgeräten und Beobachtungskameras vollgestopft und von Dutzenden Geheimdienstlern bewacht wird", sagte Frau Karrubi.

Präsident Rohani hatte während seiner Wahlkämpfe, sowohl 2013 als auch 2017, die Haft der Politiker kritisiert und ihre Entlassung in Aussicht gestellt. Allerdings betonte er, dass die Entscheidung nicht bei ihm liege.

Der Gesundheitszustand Karrubis verschlechterte sich mit dem Hungerstreik. Er wurde ins Krankenhaus gebracht. Viele Politiker der Reformfraktion äußerten sich besorgt. Der Enkel von Ayatollah Chomeini, der den Reformern nahesteht, erklärte, er hoffe auf ein baldiges Ende des Hausarrests. Eine Welle von Protestschreiben ging durch die sozialen Medien. Einige Reformpolitiker und Vertreter der Regierung besuchten Karrubi im Krankenhaus.

Am 18. August brach Karrubi nach einem Besuch des Gesundheitsministers, Hossein Ghasisadeh Haschemi, seinen Hungerstreik ab. Der Minister hatte ihm gegenüber, laut Saham News, zugesichert, man werde die Geheimdienstler aus dem Haus abziehen.

Haschemi sagte der Agentur Irna, er habe von Präsident Rohani den Auftrag erhalten, sich um Karrubi zu kümmern. Der Sohn Karrubis, Mohammad Taghi Karrubi, sagte, die Regierungsvertreter hätten erklärt, dass die Einberufung eines Gerichts, außerhalb der Grenzen ihrer Macht und Möglichkeiten liege. Sie hätten jedoch versichert, dass sie sich, sollte der Hausarrest weiter bestehen bleiben, dafür einsetzen werden.

Demgegenüber erklärte der Sprecher der Justiz, Ejehi,"das Gerede vom Abzug der Sicherheitskräfte" sei eine "Lüge". Er lehnte auch die Forderung Karrubis nach einem öffentlichen Prozess indirekt ab.

Auf diese Äußerungen reagierte der konservative Abgeordnete Ali Mottahari, Vizepräsident des Parlaments. Er könne nicht nachvollziehen, warum die Forderung Karrubis nach einem öffentlichen Prozess abgelehnt werde, schrieb er in einem veröffentlichten Brief an Ejehi. "Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass der Beschluss, die Politiker mit Hausarrest zu bestrafen, sollte er tatsächlich stattgefunden haben, in einem Ausnahmezustand erfolgt ist. Ein Hausarrest kann nur von einem ordentlichen Gericht beschlossen werden, andernfalls ist er illegal und gegen die Verfassung. Der Nationale Sicherheitsrat, der die Strafe verhängt haben soll, kann niemals die Justiz ersetzen und eine lebenslange Haftstrafe verhängen."

Der frühere Staatspräsident Mohammad Chatami schrieb in einem Brief an Revolutionsführer Chamenei: "Bitte veranlassen Sie, dass das Problem des Hausarrests gelöst wird. Die Aufhebung des Arrests (der drei Politiker) ist eine allgemeine Forderung, sie ist im Interesse des Staates und ein Signal für die Sicherheit und das Selbstbewusstsein der Islamischen Republik."

Indes erklärte den neue Justizminister, Aliresa Awai, falls die Regierung es wünsche, sei

er bereit, Karrubis Forderungen zu überprüfen. Denn seine Aufgabe bestehe darin, zwischen der Regierung und der Justiz zu vermitteln. Doch "bis zu diesem Augenblick haben weder die Regierung noch die Justiz in diese Richtung Anweisungen erteilt".


MENSCHENRECHTSLAGE IN IRAN IMMER SCHLECHTER

In einem am 2. August veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International heißt es, die Lage der Menschenrechte in Iran habe sich im Vergleich zu den Vorjahren weiterhin verschlechtert. Justiz und Sicherheitsdienste gingen verstärkt gegen die Verteidigerinnen und Verteidiger der Menschenrechte vor. Die Hoffnung auf eine Besserung der Lage, die nach der Wahl des gemäßigten Präsidenten Hassan Rohani entstanden war, sei nicht erfüllt worden.

Die Justiz übe unter dem Vorwand, Gefährdung der nationalen Sicherheit abwenden zu wollen, gegen Menschenrechtsverteidiger/innen, Gewerkschaftler/innen, Aktivisten/innen für Frauenrechte, gegen die Todesstrafe und Rechte religiöser und ethnischer Minderheiten, Anklagen mit fragwürdigen Argumenten vor. Journalisten/innen, Künstler/innen, Schriftsteller/innen und Menschenrechtaktivisten/innen, die zu ausländischen Medien oder Organisationen, ja sogar zur EU und UNO Kontakt aufnehmen, würden als "ausländische Agenten/innen" oder "Landesverräter" angeklagt, und hinter verschlossenen Türen zum Teil zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Es gebe zahlreiche dokumentierte Fälle, in denen die Gefangenen durch Folter und Misshandlungen zu Geständnissen gezwungen worden seien, sagte der Iran-Experte bei Amnesty International in Deutschland, Dieter Karg, laut einem Bericht des epd. Vom 2. August.

Der Amnesty-Bericht enthält 45 Einzelfälle, davon 21 Fälle detailliert.


27 IS-SYMPATHISANTEN FESTGENOMMEN

Laut Angaben des Informationsministeriums vom 7. August wurden 27 Sympathisanten des Islamischen Staates (IS), die Anschläge in heiligen Städten Irans geplant hatte, festgenommen. In der Erklärung, die das Ministerium veröffentlichte, heißt es, die Personen seien in Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst eines Staates in der Region verhaftet worden. Dabei seien auch Waffen und Munition sichergestellt worden. Der Name des Staates wird in der Erklärung nicht genannt.

Die Gruppe hätte geplant, die Waffen unter Haushaltgeräten zu verstecken und sie über die Grenze zu bringen. Zehn Personen der Gruppe seien jenseits und 17 Personen diesseits der Grenze gewesen. Laut dieses angeblichen Plans sollten fünf Personen die Anschläge ausführen, der Rest sollte sie dabei unterstützen.


IRANISCHER GEFANGENER VOM IS HINGERICHTET

Der ermordete Gefangene wurde in den iranischen Medien als Angehöriger der Revolutionsgarden mit dem Namen Mohsen Hodschadschi identifiziert. Er wurde an der Grenze zwischen Irak und Syrien gefangen genommen. Hier war es am 9. August zu Gefechten gekommen, bei denen mindestens 26 Milizen, die das syrische Regime unterstützten, getötet wurden. Mindestens zwei Iraner waren unter den Toten.


KEINE TODESSTRAFE MEHR BEI KLEINEN DROGENDELIKTEN

Das Teheraner Parlament hat laut Medien am 13. August die Abschaffung der Todesstrafe bei kleineren Drogendelikten beschlossen. Das Gesetz kann nun dazu führen, dass rund 5000 zum Tode verurteilte Straftäter von der Vollstreckung der Strafe befreit werden.

Es bedurfte monatelangen Diskussionen im Parlament, bis die Mehrheit dem Gesetz zustimmte. Nun fehlt nur noch die Zustimmung des Wächterrats.

Dem neuen Gesetz zufolge darf die Todesstrafe für Rauschgiftproduzenten oder Drogenhändler nur noch bei Mengen von mehr als zwei Kilo verhängt werden. Bisher reichte eine Menge von mehr als 30 Gramm Heroin, Kokain und Amphetaminen für die Todesstrafe aus. Auch der Grenzwert für Opium und Marihuana wurde von fünf auf 50 Kilo erhöht.

Iran gehört den Berichten von Amnesty International zufolge zu den fünf Ländern mit den meisten Hinrichtungen. Dabei geht es in den meisten Fällen um Drogendelikte. Das Gesetz gilt nun auch rückwirkend, sodass Tausende Verurteilte eine mildere Strafe bekommen werden. Der Sprecher des Rechtsausschusses, Hassan Nowrusi, sprach von 5300 zum Tode Verurteilten.

Das Gesetz schließt Führer von Schmugglerbanden und die, die Jugendliche unter 18 Jahren für Drogenschmuggel einsetzen, aus.

Iran gehört zu den wichtigsten Transitländern für Drogen, die in Afghanistan produziert werden. "In unserem Land sind die aggressivsten Schmugglernetzwerke der gesamten Region aktiv", sagte Ali Moajedi, stellvertretender Leiter des Stabs zur Drogenbekämpfung.


WEHRPFLICHTIGE DÜRFEN NICHT ZUM STUDIUM INS AUSLAND

Das Teheraner Parlament hat am 8. August beschlossen, das Gesetz zu streichen, das Wehrpflichtigen erlaubte, zwecks Studiums ins Ausland zu reisen. Demnach haben junge Männer nach dem Abitur höchstens ein Jahr Zeit, um sich an einer vom Kulturministerium anerkannten Universitäten oder Hochschulen des Landes einzuschreiben, um vom Militärdienst freigestellt zu werden. Bisher galt diese Möglichkeit auch für das Studium im Ausland. Allerdings mussten die Wehrpflichtigen zum Studium im Ausland eine Kaution hinterlegen. Das neue Gesetz bedarf noch der Zustimmung des Wächterrats. Von 224 anwesenden Abgeordneten stimmten 160 für und 44 gegen die Änderung des Gesetzes. Nach dem neuen Gesetz können junge Männer nur noch nach Leistung des Militärdienstes zum Studium ins Ausland reisen.

Der Militärdienst dauert 21 Monate.


PROTESTE WEGEN SELFIES MIT MOGHERINI

Während der Vereidigung vom Präsident Rohani rissen sich Parlamentsabgeordnete um Selfies mit der EU-Beauftragten Federica Mogherini, die an der Zeremonie teilgenommen hatte. Dafür wurden sie sowohl von der Presse als auch von Politikern und Geistlichen gescholten. Es sei beschämend und unwürdig, wegen eines Fotos mit Mogherini so ein Aufruhr zu veranstalten, hieß es. Auch in den sozialen Medien wurde tagelang über das Verhalten der Volksvertreter gespottet. Der Abgeordnete Faradschallah Radschabi entschuldigte sich für sein Verhalten.

Der Abgeordnete Aliresa Salimi sagte, das Verhalten zeige die blinde Begeisterung mancher Abgeordneter für den Westen. Sadegh Kharrasi, früherer Berater von Präsident Chatami sagte: "Schade, dass es im Parlament keine Einrichtung gibt, die den Abgeordneten das protokollarische Verhalten beibringen könnte. Sonst hätten die Abgeordneten ihre Ehre nicht so leicht verkauft."

Der Abgeordnete Ahmad Samani versuchte die Gemüter zu beruhigen. Frau Mogherini habe als Außenbeauftragte der EU an der Zeremonie teilgenommen und die Abgeordneten hätten die tiefen Beziehungen zwischen Iran und Europa gewürdigt.

Die Konservativen, aus deren Reihen die meisten Kritiker stammen, bezeichneten den Vorfall als "erbärmliche Erniedrigung". Ein Kritiker twitterte: "Radschabi habe sich entschuldigt, was ist aber mit den anderen?" Ein anderer schrieb: "Jeder Vertreter eines jeden Volkes muss ein Vorbild für die Würde seines Landes sein. So ein Fehler ist eine Erniedrigung, die nicht wieder gut gemacht werden kann." Bei einem dritten Kritiker heißt es, an die Abgeordneten gerichtet: "Wenn ihr vor hunderten Kameras nicht in der Lage seid, eure Gier und Unmoral zu beherrschen, wie verhaltet ihr euch dann privat?"

Eine Schauspielerin schrieb: "Was wäre geschehen, wenn statt Mogherini Ivanka Trump an der Zeremonie teilgenommen hätte?" Die ultrarechte Tageszeitung Kayhan notierte: "Ausgerechnet diejenigen, die die Rechte der Nation gegen die Feinde verteidigen sollen, stehen Schlange, um sich auf erniedrigende Weise mit den Gegnern (Irans) ablichten zu lassen."

Parlamentspräsident Ali Laridschani sagte auf der Plenarsitzung am 8. August, zwar sei das Verhalten einiger Abgeordneter "leichtfertig" gewesen, aber den Vorfall zu einem Hauptproblem zu machen und die Folgen nicht zu sehen, zeuge von einem irrigen Denken, das einer national orientierten Sichtweise entbehre. Zu der Zeremonie selbst sagte er, der Umstand, dass rund 500 ausländische Gäste an der Zeremonie teilgenommen hätten, habe dazu geführt, dass nicht alle Persönlichkeiten des Landes zu der Veranstaltung eingeladen werden konnten. Dafür bitte er um Nachsicht. Allerdings müsse er den Vorwurf zurückweisen, die Auswahl der Gäste sei aufgrund ethnischer und religiöser Erwägungen getroffen worden.

Die große Anzahl ausländischer Teilnehmenden zeige, dass die Maßnahmen der USA, Irans Wirtschaft Einschränkung aufzuerlegen und das Land zu isolieren, zu keinem Ergebnis geführt haben.

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KULTUR

• Journalisten zum Tag der Presse
• Twitter-Verbot bleibt bestehen
• Eigentum von 152 Mitarbeitern der BBC eingefroren
• Verhaftungen bei Tanzunterricht und Pool-Party


JOURNALISTEN ZUM TAG DER PRESSE

Zahlreich Journalistinnen und Journalisten haben den "Tag der Presse" am 8. August zum Anlass genommen, um sich über die Stellung der Presse in der Gesellschaft sowie über die Lage des Journalismus zu äußern. Abbas Abdi schreibt in einem Leitartikel der Zeitung "Iran": "Die erste Pflicht eines Journalisten ist es, die Leser zu informieren. Doch diese Pflicht ist nur dann zu leisten, wenn es ein Mindestmaß an journalistischer Freiheit gibt." Zum Zweiten habe ein Journalist die Pflicht zu beobachten, schreibt Abdi weiter. Journalisten seien "sehende Augen der Gesellschaft", "sie sehen und beschreiben die Mängel und die Fehler." Jede Gesellschaft sei auf "innere und äußere Beobachter" angewiesen. Die Lenker des Staates seien wie Autofahrer, die sich an Verkehrsregeln halten, sobald sie wissen, dass sie durch Kameras beobachtet und kontrolliert werden. Wenn die Fahrer aber sicher seien, dass es keine Kontrolle gibt, beschleunigen sie das Tempo und missachten die Regeln."

Der Autor fragt: "Wie kann ein Journalist in Iran diese Pflichten erfüllen, wenn er für die Feststellung und Veröffentlichung eines Machtmissbrauchs nicht etwa gelobt, sondern bestraft wird?"

Der Journalist Hassan Assadi schreibt in der Zeitung "Ghanun": "Was in unseren Blättern berichtet wird, sind keine Nachrichten, sondern Pseudonachrichten. Demzufolge sind auch unsere Journalisten Pseudojournalisten. Statt den Lesern Nachrichten, Analysen, neue Gedanken mitzuteilen, wiederholen sie die Stellungnahmen und Positionen der Parteien und Organisationen.

Kambis Noruzi schreibt in der Zeitung Schargh, der iranischen Presse gehe es nicht gut. Auch dem iranischen Journalisten gehe es nicht gut. Selbst erfahrene Journalisten, die seit Jahrzehnten in diesem Bereich beschäftigt seien, müssten "bescheidene Derwische" sein, wenn sie allein mit den Einnahmen durch ihre journalistische Arbeit auskommen müssten. Es gebe kaum eine Zeitung, die für alle ihrer Beschäftigten eine Kranken und Sozialversicherung abgeschlossen hätte. Die Entlassung eines Journalisten sei das Einfachste, was in einer Zeitung vorkommen könne. Kaum eine Zeitung biete Journalisten eine Weiterbildung an. Journalisten hätten keine freie Gewerkschaft, die ihre Interessen und Berufssicherheit sichern könnte.

Mostafa Malakuti schreibt in der Zeitung Schargh: "Wenn eine Agentur wie ein Wirtschaftsunternehmen geführt werden soll, muss gewährleistet sein, dass Nachrichten auf dem freien Markt verkauft und frei veröffentlicht werden können. Unsere Agenturen sind entweder direkt vom Staat abhängig oder sie stehen unter dem Einfluss politischer Institutionen. Deshalb gibt es in unserem Land keine Agenturen, die frei auf dem Nachrichtenmarkt tätig sein können." Zum Glück gebe es die modernen Kommunikationsmittel, die jenseits der Kontrolle des Staates Nachrichten verbreiten und die Menschen über die Vorgänge im Land und in der Welt informieren.

Auch Präsident Rohani gratulierte den Journalisten und twitterte: "Wir sollten Journalisten nicht auf der Basis absurder und irrelevanter Vorwürfe (...) den Mund verbieten." Er plädierte für mehr Freiheit für die Presse. Die Journalisten brauchen mehr Freiheit, um objektiv berichten zu können. Allerdings müsste man dann einen vertrauensvolleren Umgang mit dieser gewährten Freiheit erwarten können.


TWITTER-VERBOT BLEIBT BESTEHEN

Vizestaatsanwalt Abdolsamad Choramabadi erklärte am 14. August laut Medienberichten, die Justiz habe sich für das Weiterbestehen des Verbots des Kurznachrichtendienstes Twitter entschieden. Demzufolge sei die Mitgliedschaft in dem Dienst illegal. Von dieser Entscheidung seien alle betroffen, auch offizielle Stellen und Amtsinhaber.

Mit Hinblick darauf, dass es in Iran Millionen Nutzer dieses Dienstes gibt und dass er von offiziellen Stellen, Medien und auch hochrangige Politik benutzt wird, mutet diese Verordnung absurd an. Selbst Präsident Rohani und Außenminister Sarif gehören zu den Nutzern, gelegentlich sogar Revolutionsführer Ali Chamenei, der ein eigenes Twitter-Konto hat.

Rohani und auch sein Kommunikationsminister haben immer wieder die Aufhebung des Verbots sozialer Netwerke gefordert. Es sei doch kein Geheimnis, dass mehr als die Hälfte der rund 80 Millionen Iraner einen oder mehrere dieser Netzwerke nutze, hatte Rohani einmal gesagt. Doch die Justiz bleibt hart, auch wenn sie sich damit dem Spott der Bevölkerung aussetzt.

Der Kurzmitteilungsdienst spielte bei den Protesten von 2009 gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad eine wichtige Rolle. Daher wurde er damals verboten.

Indes hat der neue Kommunikationsminister, Mohammad Dschawad Asari Dschahromi, in der Tageszeitung "Iran" am 22. August erklärt, Twitter sei "keine unmoralische Umgebung, die blockiert werden muss." Der Konzern habe sich bereit erklärt, über bestehende Probleme zu sprechen. Dem Willen des Ministers nach sollen auch andere soziale Netzwerke wie Youtube und Facebook, die blockiert sind, freigegeben werden. Allerdings liege die letzte Entscheidung beim Obersten Rat für den Cyberspace, sagte der Minister. In dem Rat, indem auch die Vertreter der Justiz sitzen, dominieren die Konservativen, die immer wieder vor einer kulturellen Unterwanderung warnen.


EIGENTUM VON 152 MITARBEITERN DER BBC EINGEFROREN

Nach Angaben des britischen Senders BBC wurde das Eigentum von 151 früheren und gegenwärtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des persischsprachigen Programms des Senders in Iran eingefroren. Demnach ist ihnen untersagt, Immobilien oder Wertgegenstände zu verkaufen oder ihr Guthaben auf Banken für Geschäft zu nutzen.

Die Auslandsabteilung der BBC verurteilte die Maßnahme. Sie sei ein direkter Angriff gegen die verbrieften Rechte der früheren und jetzigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Senders. Es sei höchst verwerflich, dass die Mitarbeit bei einem Sender für die Betroffenen solche rechtlichen und finanziellen Folgen haben solle, hieß es. Der Sender forderte die iranische Justiz auf, die Maßnahme sofort zurückzunehmen und den Mitarbeitenden ihre Rechte zurückzugeben.

Das persischsprachige Programm der BBC (Radio und Fernsehen) spielt in Iran eine wichtige Rolle. Es ist das von iranischen Zuhörern und Zuschauerinnen bei weitem bevorzugte Programm. Alle Versuche des Regimes, die Sendungen der BBC zu stören, waren bislang vergeblich.

Die Leitung des Programms erklärte, die Maßnahme sei ein weiterer Versuch der iranischen Justiz, freie und unabhängige Journalisten zum Schweigen zu bringen. Chefredakteur Amir Azimi sagte, das Programm werde weiterhin unabhängig und zuversichtlich iranische Zuschauer und Zuhörer in der ganzen Welt informieren.


VERHAFTUNGEN BEI TANZUNTERRICHT UND POOL-PARTY

Iranischen Medien zufolge wurden am 9. August zwei Frauen und vier Männer in der im Norden des Landes gelegene Stadt Schahrud festgenommen. Ihnen wurde vorgeworfen, jungen Frauen und Männern westliche Tänze unterrichtet und sie dabei gefilmt zu haben. Die Aufnahmen sollten in den sozialen Medien Telegram und Instagram veröffentlicht werden.

Dabei hätten Frauen kein Kopftuch getragen. Ein Kommandeur der Revolutionswächter (Pasdaran) meinte, Ziel des ganzen Unternehmens sei gewesen, den Lebensstil der jungen Menschen zu verändern und dem des Westens anzupassen.

Am selben Tag haben Ordnungskräfte, nach offizieller Angabe, in der im Zentrum Irans gelegenen Stadt Isfahan Jugendliche bei einer Pool-Party erwischt. Offenbar hatten die Nachbarn die Polizei informiert. Die Polizei berichtete, sie habe bei ihrem Eintreffen "halbnackte, im Pool tanzende Gäste" angetroffen. Alle 64 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden in Haft genommen.

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WIRTSCHAFT

• Atomabkommen
• Vertrag mit Renault unterzeichnet


ATOMABKOMMEN

Parlamentspräsident Ali Laridschani gab am 1. August laut Medien bekannt, dass Iran bei der Kommission für die Einhaltung des Atomabkommens gegen die USA, wegen Verstoß gegen das Abkommen, Beschwerde einlegen werde. Die Kommission wurde von den sechs Staaten (UN-Vetomächte plus Deutschland und Iran) zur Überwachung der Umsetzung des Abkommens eingerichtet.

Grund der Beschwerde waren die neuen Sanktionen, die die USA im Juli gegen Iran verhängt hatten. Auch Abbas Araghtschi, Vizeaußenminister, der bei den Atomverhandlungen eine führende Rolle gespielt hatte, warnte: "Nach unserer Ansicht wurde das Abkommen verletzt und wir werden eine angemessene und proportionale Antwort darauf geben." Iran werde klug handeln und sich hüten, in die von den USA gestellte Falle zu geraten. Teheran habe 16 Maßnahmen vorbereitet, die gegen die USA eingesetzt werden könnten, sagte er im staatlichen Fernsehen, machte aber keine konkreten Angaben.

Indes räumte US-Außenminister Rex Tillerson auf einer Pressekonferenz am 1. August Differenzen in der Außenpolitik, und insbesondere in Bezug auf das Atomabkommen, mit Präsident Trump ein. Es war das erste Mal, dass Tillerson über die Differenzen mit dem Regierungschef sprach. Es gehe um die Frage, wie man mit dem Abkommen umgehen solle, sagte der Minister. Man könne es wegwerfen oder Iran zwingen, seine Verpflichtungen einzuhalten. Er selbst würde es vorziehen, gemeinsam mit anderen Vertragspartnern auf Iran Druck auszuüben, dass das Land seine Pflichten erfüllt.

Am 2. August forderten die USA und drei EU-Staaten den UN-Sicherheitsrat auf, zu den iranischen Raketentests Stellung zu beziehen. Die USA, Deutschland, Großbritannien und Frankreich bezeichneten in dem Schreiben an den Sicherheitsrat die Tests als "bedrohlich und provokativ". Zudem stellten die Tests einen Verstoß gegen die UN-Resolution, die das Atomabkommen bestätigt habe, hieß es. In der Resolution wird Iran aufgefordert, auf den Bau und Tests von ballistischen Raketen zu verzichten, die mit Atomsprengstoffen bestückt werden könnten.

Am 11. August äußerte sich Präsident Trump abermals zum Atomabkommen mit Iran. Es sei ein "schlechtes" Abkommen, sagte er. "Ich denke nicht, dass sie (die Iraner) nach dem Geist des Abkommen gehandelt haben. Sollten sie ihre Pflichten nicht erfüllen, glaube ich, dass sie Schlimmes erleben werden."

Demgegenüber erklärte der russische Außenminister Sergey Lawrow: "Es ist bedauerlich, dass unsere amerikanischen Partner das Atomabkommen infrage stellen. In der Regierung von Trump wird das Abkommen immer wieder als falsch und fehlerhaft bezeichnet. Das ist bedauerlich."

Am 15. August griff Präsident Rohani während einer Rede im Parlament die amerikanische Position scharf an. "Jene, die versuchen, zu der Sprache von Sanktionen zurückzukehren, sind Gefangene ihrer Wahnvorstellungen. Sie verlieren mit dem Aufbau von Feindbildern und Verbreitung von Angst die Vorteile vom Frieden." Zunächst hätten die Gegner vom Zerreißen des Abkommens gesprochen. Nachdem nun ihre Berater gewarnt hätten, dass dies zur Isolation der USA führen würde, beschuldigen sie Iran das Abkommen nicht eingehalten zu haben, obwohl die Internationale Atombehörde bereits sieben Mal bestätigt habe, dass Iran seine Verpflichtungen erfüllt habe.

"Die neue Führung der USA sollte wissen, dass es die Erfahrung mit den gescheiterten Sanktionen war, die ihre Vorgängerregierung zum Verhandlungstisch gezwungen hat", sagte Rohani. "Sollten die USA diese Erfahrung wiederholen wollen, werden wir gewiss, nicht innerhalb von Monaten oder Wochen, sondern innerhalb von Stunden, zu der weiter als vor den Verhandlungen fortgeschrittenen Stufe (unseres Atomprogramms) zurückkehren."

Am 13. August verabschiedete das iranische Parlament ohne Gegenstimmen eine Schlussvorlage unter dem Titel: "Reaktion auf terroristische und abenteuerliche Maßnahmen der USA" in der Region. Demnach soll der Etat der Revolutionsgarden um Tausend Milliarden Tuman (umgerechnet 500 Millionen Euro) für den Kampf gegen den Terrorismus in der Region erhöht werden. Das Geld soll der Al-Kuds-Brigade, einer Abteilung der Revolutionsgarden für Auslandseinsätze, zur Verfügung gestellt werden.

Am 16. August reagierte das US-Außenministerium auf die Äußerungen Rohanis. Sprecherin Heather Nauert sagte vor der Presse, sie wolle zu den Drohungen Rohanis nicht Stellung nehmen. Aber die US-Regierung fühle sich verpflichtet, gegen Drohungen aus Iran vorzugehen, die sich nicht nur gegen die Region, sondern gegen die ganze Welt richten, zum Beispiel gegen das Raketenprogramm. Die US-Regierung sei dabei das Atomabkommen zu überprüfen, daher wolle sie dem Ergebnis nicht vorgreifen. "Wie auch immer. Wir sind davon überzeugt, dass Irans Aktivitäten die Region destabilisieren und das Atomabkommen hat diese nicht verhindert", sagte Nauert. Auf die Frage, ob die USA mit den Hürden, die sie für Geschäfte mit Iran aufgebaut hätten, nicht gegen den Geist des Abkommens verstießen, sagte sie, "auch andere Staaten teilten die Sorgen der Vereinigten Staaten und diese Sorgen betreffen die destabilisierende Rolle Irans".

Bereits am 15. August erklärte die UN-Botschafterin der USA, Nikki Haley, ihr Land werde unter keinen Umständen zulassen, dass Iran "mit dem Atomabkommen die internationale Staatengemeinschaft in Geiselhaft nimmt." Iran müsse wegen "Unterstützung des Terrorismus, Raketentests, Missachtung der Menschenrechte und Verstoß gegen UN-Resolutionen" zur Verantwortung gezogen werden. Am 23. August traf Haley den Chef der Internationalen Atombehörde, Yukia Amano, in Wien. Dabei sprach sie von möglichen Überwachungsmängeln bei der Kontrolle des iranischen Atomprogramms. Zudem dürfe Iran wage Formulierungen des Abkommens nicht zu seinen Gunsten auslegen. Haley war nach Wien gereist, um genauere Informationen über die Umsetzung des Abkommens durch Iran zu erhalten. Sie lobte zwar die Arbeit der Atombehörde, diese könne jedoch nur so genau sein, wie Iran den Inspektoren den Zugang zu den sensiblen Orten gestatte.

Am 25. August reagierte Iran auf die Äußerungen von Haley. Die iranische Botschaft bei der UNO veröffentlichte eine Erklärung, in der der Versuch der USA, die Atombehörde

unter Druck setzen zu wollen, scharf kritisiert wurde. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass die Atombehörde immer wieder bestätigt habe, dass Iran das Abkommen vollkommen korrekt umsetze. Die Äußerungen Haleys zeugten von "totaler Unkenntnis" der Fakten.

Iran hat stets darauf hingewiesen, dass sein Raketenprogramm kein Verstoß gegen das Abkommen und die UN-Resolutionen bilde. Das Programm diene ausschließlich der Verteidigung des Landes.


VERTRAG MIT RENAULT UNTERZEICHNET

Iran und der französische Autohersteller Renault haben am 7. August einen Vertrag zum Bau von jährlich 150.000 Fahrzeugen unterzeichnet. Der Vertrag gilt als größtes Abkommen zur Produktion von Fahrzeugen in der Islamischen Republik.

Der Wert des Vertrags liegt bei 660 Millionen Euro, er konnte nach sechsmonatigen Verhandlungen zum Abschluss gebracht werden. Vertragspartner sind Renault, die staatlich-iranische Autofirma "Negin Khodro" und die Organisation zur Weiterentwicklung und Erneuerung der iranischen Industrie. Das Gemeinschaftsunternehmen soll ab nächstem Jahr die neuesten Modelle von Renault Duster und Renault Symbol auf den Markt bringen.

Mansur Moassami, Leiter der Organisation zur Entwicklung und Erneuerung der Industrie, sagte der Presse, der Anteil der iranischen Seite an dem Joint Venture beträge 40 Prozent.

Vereinbart ist auch, dass Renault ein Technik- und Verkaufszentrum in Iran gründet und 20 Prozent der in Iran produzierten Autos und Ersatzteile exportiert. Die zweite Phase des Vertrags soll nach iranischen Angaben 2019 vereinbart werden.

Die Firma Renault gab in ihrem letzten Jahresbericht bekannt, dass der Verkauf ihrer Produkte in Iran im Vergleich zum Vorjahr um 110 Prozent zugenommen habe. Demnach verkaufte Renault im Jahr 2016 mehr als 108.000 Fahrzeuge in Iran.

Seit dem Atomabkommen und der Teilaufhebung der Sanktionen gegen Iran, versuchen ausländische Autofirmen wieder zum iranischen Markt zurückzukehren. Auch die französische Firma PSA, die die Marken Peugeot, Opel, Citroen und Vauxhall herstellt, zeigt großes Interesse an dem iranischen Automarkt. Geplant ist die Produktion von jährlich 300.000 Fahrzeugen. Vor den Sanktionen gegen Iran beherrschte Peugeot ein Drittel des gesamten iranischen Automarkts.

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AUSSENPOLITIK

• Europa solle sich von den USA distanzieren
• Bau der Grenzmauer zwischen Türkei und Iran begonnen
• Militärische Zusammenarbeit zwischen Iran und Türkei vereinbart
• Pasdaran: "Wir haben keinen Plan für Aktivitäten jenseits iranischer Grenzen"
• Iraks Vermittlungsversuch zwischen Teheran und Riad gescheitert
• Netanjahu will Irans militärische Präsenz im Irak und Syrien verhindern
• Anschlag in Barcelona verurteilt
• Katars Botschafter kehrt nach Teheran zurück


EUROPA SOLLE SICH VON DEN USA DISTANZIEREN

Während einer Rede bei seiner Vereidigung im Parlament am 6. August forderte Rohani die Staaten der Europäischen Union auf, sich von der Iran-Politik der USA zu distanzieren. Den Vereinigten Staaten warf er vor, durch neue Sanktionen gegen Iran, das Atomabkommen zu unterhöhlen. Damit stellten sich die USA nicht nur gegen Iran, sondern auch gegen die EU, die das Abkommen mit vereinbart habe. "Dass die USA sich der Umsetzung des Abkommens nicht verpflichtet fühlen, ... beweist, dass sie kein zuverlässiger Partner für die Welt und selbst für ihre langjährigen Verbündeten sind", zitierte Reuters den iranischen Präsidenten in einem Bericht vom 6. August. "Diejenigen, die das Abkommen aufkündigen wollen, sollten wissen, dass sie ihre eigene politische Zukunft zerstören." Iran werde nicht als erstes Land das Abkommen kündigen, fuhr Rohani fort. Zugleich werde sein Land nicht zu den US-Maßnahmen schweigen.

Bei einem Gespräch mit der EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, die an der Vereidigungszeremonie im Teheraner Parlament teilnahm, warnte Rohani davor, dass neue Sanktionen gegen Iran die Umsetzung des Atomabkommens innenpolitisch erschweren könnten. "Die wiederholten Verstöße der USA gegen ihre Verpflichtungen und ihre neuen Sanktionen haben einen negativen Einfluss auf die öffentliche Meinung in Iran." Die Teilnahme ranghoher Vertreter/innen aus den EU-Staaten an der Vereidigungszeremonie sei ein Indiz dafür, dass die EU-Staaten trotz des Drucks aus Washington an dem Ausbau ihrer Beziehungen zu Iran interessiert seien. Teilgenommen hatten, neben Mogherini, unter anderem der französische Staatsminister Jean-Baptiste Lemoye und der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth.


BAU DER GRENZMAUER ZWISCHEN TÜRKEI UND IRAN BEGONNEN

Den türkischen Medien zufolge hat Ankara mit dem Bau einer "Sicherheitsmauer" an der Grenze zwischen Iran und der Türkei begonnen. Am 8. Mai gab der Gouverneur der im Osten des Landes gelegene Provinz Aghri, Süleyman Elban, den Start für den Bau frei. Wie die türkischen Zeitungen berichteten, soll die Mauer aus Betonelementen 144 Kilometer lang, drei Meter hoch und zwei Meter bereit sein. Ziel des Mauerbaus ist, die Grenze vor Schmugglern und kurdischen Kämpfern aus dem Nachbarland zu sichern. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte bereits Anfang Juni den Bau der Grenzmauer angekündigt. Die Mauer richtet sich in erster Linie gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK und die mit ihr verbundene Gruppe PJAK.

Iran hatte damals auf das Vorhaben positiv reagiert. Aus dem Außenministerium in Teheran hieß es, Teheran sei über den Plan informiert worden. Das Vorhaben sei zu begrüßen, denn es werde den Warenschmuggel aus der Türkei nach Iran erheblich erschweren. Positiv für die Islamische Republik ist der Bau wohl auch insofern, als dass er die Aktivitäten der PJAK in den westlichen Grenzgebieten Irans erheblich einschränken wird. Hier hat die Organisation in letzter Zeit mehrere Terroranschläge verübt.

Die Mauer an der Grenze zu Iran ist nicht die erste Mauer, die die Türkei baut. Ankara hat bereits entlang der Grenze zu Syrien eine Mauer gebaut, die die illegale Einreise von Flüchtenden und Terroristen aus Syrien verhindern soll.


MILITÄRISCHE ZUSAMMENARBEIT ZWISCHEN IRAN UND TÜRKEI VEREINBART

Die Türkei und Iran vereinbarten außerdem bei einem Besuch des Oberbefehlshabers der iranischen Streitkräfte, General Mohammad Bagheri, in der Türkei am 17. August, ihre militärische Zusammenarbeit zur Kontrolle der gemeinsamen Grenze zu verstärken. Der Besuch des Generals im Nachbarland war überraschend. Bagheri war der erste Stabschef, der seit der Gründung der Islamischen Republik offiziell die Türkei besuchte. Während seines dreitägigen Aufenthalts traf er sich mit ranghohen Politikern und Militärs. Er wurde auch von Präsident Recep Tayyip Erdogan empfangen.

Bei seiner Ankunft in Ankara sagte Bagheri, solche Besuche hätten seit langem nicht stattgefunden. Sie seien aber angesichts der jüngsten Entwicklung in der Region, der Sicherheit beider Staaten und ihrer Grenzen und im Hinblick auf den gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus notwendig geworden. Demgegenüber meinten einige Medien in der Türkei, der Besuch des Generals stehe im Zusammenhang mit der von den irakischen Kurden angekündigten Volksbefragung über die Gründung eines kurdischen Staates. Das Referendum soll laut Angaben der autonomen kurdischen Regierung im Irak am 25. September durchgeführt werden. Sowohl die Türkei als auch Iran haben sich gegen die Befragung ausgesprochen. Auch die USA lehnten das Vorhaben ab. Bagheri hatte bereits vor einem Monat erklärt, kein Nachbarland Iraks werde das Referendum akzeptieren. Gerade nach der Niederlage des Islamischen Staates (IS) sei ein solches Vorhaben "äußerst verdächtig", sagte der General.

Auch nach seinem Gespräch mit Erdogan sagte Bagheri der Presse, Iran und die Türkei stimmten darin überein, dass ein Referendum neue Konflikt sowohl im Irak als auch in der Region entfachen und sämtliche Staaten der Region in Mitleidenschaft ziehen würde. Daher seien beide Staaten der Ansicht, dass eine Volksbefragung nicht möglich sei und unter keinen Umständen durchgeführt werden dürfte.

Sollte das Referendum doch stattfinden, gehen politische Beobachter davon aus, dass die Mehrheit der Wähler/innen für einen selbständigen Kurdenstaat stimmen werden.

Bei dem Besuch von Bagheri wurde auch über Syrien gesprochen. Es ist bekannt, dass die beiden Staaten in Bezug auf das Land gegensätzliche Positionen vertreten. Während Ankara den Sturz des syrischen Regimes fordert und die Gegner von Präsident Bashar al-Assad unterstützt, kämpft Iran für das Fortbestehen des Regimes. Ob die Gespräche in Ankara an dieser gegensätzlichen Position etwas geändert haben, ist nicht bekannt.

Bagheri betonte, dass beide Seiten gemeinsam für den Schutz ihrer Grenzen sorgen und gegen die Aktivitäten der Schmuggler und bewaffnete Gruppen vorgehen werden. Die militärische Zusammenarbeit solle intensiviert werden. Er fügte hinzu, Präsident Erdogan werde demnächst Iran besuchen.

Indes deutete Präsident Erdogan einen militärischen Einsatz der türkischen und iranischen Streitkräfte gegen bewaffnete kurdische Gruppen an. Vor seiner Abreise nach Jordanien am 21. August sagte der Präsident laut AFP: Eine gemeinsame Aktion mit Iran gegen Terrororganisationen ist immer auf der Agenda. Die Äußerung war überraschend. Denn während die Islamische Republik gegen die Kurden im eigenen Land, die nach Autonomie streben, hart vorgeht, versuchte sie sich aus dem Konflikt zwischen den PKK-Milizen und der Türkei rauszuhalten. Das brachte ihr seitens der Türkei sogar den Vorwurf, die PKK zu unterstützen, indem sie ihr erlaubt die Grenzregion als Rückzugsgebiet zu nutzen.


PASDARAN: "WIR HABEN KEINEN PLAN FÜR AKTIVITÄTEN JENSEITS IRANISCHER GRENZEN"

Iranischen Medien zufolge erklärte die Militärbasis "Hamseh", die zu den Bodentruppen der Revolutionsgarden (Pasdaran) gehört, am 22. August, die Pasdaran hätten keinerlei Pläne für Aktivitäten jenseits iranischer Grenzen. "Wir haben keine Aktivitäten außerhalb iranischer Grenzen geplant", hieß es in der Erklärung. "Wir werden aber wie bisher auf jede Gruppe oder Person, die auf iranischem Territorium terroristische Aktivitäten planen, oder die Sicherheit des Landes gefährden, mit aller Härte reagieren."

Offenbar war die Erklärung eine Reaktion auf die oben zitierte Äußerung des türkischen Präsidenten Erdogan. In der Erklärung wird nicht direkt, aber eindeutig genug, zu den Aktivitäten der PKK Stellung genommen: "Obwohl die Islamische Republik keine großen Aktivitäten außerhalb der iranischen Grenzen plant, wird sie auf terroristische Gruppen, die sich seit Jahren im Norden Iraks in Camps verkrochen haben, mit vernichtenden Schläge reagieren, sollten diese Gruppen die Sicherheit der Grenzen gefährden", hieß es.


IRAKS VERMITTLUNGSVERSUCH ZWISCHEN TEHERAN UND RIAD GESCHEITERT

Während Iran immer wieder Versöhnungssignale nach Saudi-Arabien sendet, blocken die Saudis weiterhin ab. Am 1. August haben sich die Außenminister Irans und Saudi-Arabiens am Rande der Organisation der Zusammenarbeit islamischer Staaten in Istanbul per Handschlag begrüßt. Zurzeit bestehen zwischen Teheran und Riad keine diplomatischen Beziehungen und die Konflikte zwischen den beiden Staaten haben sich seit dem Atomabkommen mit Iran zunehmend verschärft.

Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif bezeichnete den Vorgang als "normal im Rahmen diplomatischer Verkehrsformen". "Zudem beruhe er auf gegenseitigem Respekt und der Freundschaft, die zwischen mir und Adel al-Dschubeir seit langem besteht."

Der Agentur "Mehr" zufolge sagte Sarif später der Presse: "Zwar gibt es Konflikte zwischen uns. Doch unsere Politik war stets darauf ausgerichtet, gute Beziehungen zu den Nachbarn zu haben." Auch Außenamtssprecher Bahram Ghassemi erklärte am 7. August laut der Agentur ISNA: "Wir würden es begrüßen, wenn die Saudis ihre Iran-Politik revidieren und einen neuen Kurs einschlagen würden." Präsident Rohani bot bei seiner Vereidigung im Parlament am 5. August allen Nachbarn Freundschaft an. Er wünsche sich einen dauerhaften Frieden in der Region, ohne Gewalt und Terror. "Dafür reichen wir allen Nachbarn die Hand und laden sie ein, zusammen mit uns diese Ziele zu realisieren."

Den Angaben des Teheraner Innenministeriums zufolge erklärte der irakische Innenminister, der sich zu einem Besuch in Teheran aufhielt, er sei offiziell von der saudischen Regierung gebeten worden, zwischen Teheran und Riad zu vermitteln. Zuvor hatten sich China, Pakistan und die Türkei als Vermittler angeboten.

In den letzten Wochen hatte es einige Signale gegeben, die möglicherweise als eine Kursänderung der Saudis gegenüber Iran gedeutet werden könnten. Die Einigung über die Pilgerfahrten iranischer Pilger nach Saudi-Arabien, der Besuch des irakischen Geistlichen Moghtads al-Sadr in Riad, der als schiitischer Milizenführer jahrelang gegen die amerikanische Besatzung kämpfte und Iran sehr nahesteht sowie die oben erwähnte Begrüßung von Sarif und al-Dschubeir in Istanbul, ließen eine leise Hoffnung auf eine Versöhnung aufkommen. Doch am 16. August kam ein Dementi aus Riad. Niemand habe Irak um Vermittlung gebeten, hieß es laut der staatlich-saudischen Agentur. Die saudische Regierung halte nach wie vor an ihrer Position fest und lehne jede Annäherung an Teheran ab.

Ein Sprecher des saudischen Außenministeriums wiederholte die bekannten Vorwürfe gegen Iran. Es warf Teheran vor, den Terrorismus und Extremismus in der Region und in der ganzen Welt zu fördern und sich in Angelegenheiten anderer Länder einzumischen. "Ein Dialog mit diesem Staat ist unmöglich, die lange Erfahrung zeigt, dass dieser Staat die Regeln und Umgangsformen der Diplomatie und die Grundsätze staatlicher Beziehungen missachtet, Lügen verbreitet und die Realitäten entstellt."

Indes erweckten die Äußerungen des iranischen Außenministers Sarif vom 23. August wiederum neue Hoffnungen. Er sprach in einem Interview mit der Agentur ISNA vom Austausch von Diplomaten zwischen Iran und Saudi-Arabien. "Die Visa seien bereits von beiden Seiten ausgestellt und wir warten nur noch auf letzte Entscheidungen, damit die Diplomaten ihre Botschaften und Konsulate besichtigen können." Die Besichtigung werde wahrscheinlich nach dem Ende der Pilgerzeremonien stattfinden.

Sarif äußerte sein Bedauern über die Angriffe auf die saudische Botschaft und das saudische Konsulat. Die Angriffe hätten den Beziehungen Irans zu Staaten der Region und dem internationalen Ansehen des Landes "großen Schaden" zugefügt.


NETANJAHU WILL IRANS MILITÄRISCHE PRÄSENZ IM IRAK UND SYRIEN VERHINDERN

Vor seinem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Stadt Sotschi am Schwarzen Meer erklärte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am 22. August in einer Videobotschaft, er werde mit Putin über die militärische Präsenz Irans in Syrien und im Irak sprechen. Die Aggressivität Irans bestehe auch nach dem Atomabkommen, was nicht nur für Israel, sondern für alle Staaten der Region ein Problem bildet.

Israel befürchtet, dass Syrien zu einer Militärbasis Irans wird und iranische Militärs versuchen werden, gemeinsam mit der libanesischen Hisbollah auf den Golanhöhen, die zum größten Teil von Israel beansprucht werden, eine neue Front zu bilden. Die auflagenstärkste Zeitung Israels, Jedi ot Acharonot, veröffentlichte am 20. August einen Sonderbericht, in dem es hieß, der iranische General Ghassem Soleimani habe an der Mittelmeerküste in Syrien, in der Stadt Tartus, mit dem Bau eines neuen Terminals für die iranischen Revolutionsgarden und die libanesische Hisbollah begonnen. (Soleimani ist Befehlshaber der al-Kuds-Brigade, einer Abteilung der Revolutionsgarden, die für Auslandseinsätze zuständig ist.) Auch Russland verfügt in Tartus über eine Marine-Basis.

Russland und die USA haben vor zwei Monaten einen Waffenstillstand in vier Regionen im Süden und Westen Syriens vereinbart. Kritiker sind der Meinung, dass diese Feuerpause, die auch von der Türkei und der Islamischen Republik begrüßt wurde, die Lage in den Gebieten beruhigt, aber die Position Assads gestärkt habe.

Laut israelischen Medien hatte die Regierung Netanjahu hinter den Kulissen versucht, die Vereinbarung zu verhindern. Sie drängte vergeblich darauf, dass in der Vereinbarung zumindest unmissverständlich Iran und die Hisbollah aufgefordert werden, Syrien zu verlassen.

Netanjahu hatte auch immer wieder betont, dass Israel die Ausrüstung der Hisbollah mit modernen Waffen durch Iran genau beobachten, und unter keinen Umständen die militärische Präsenz Irans im Norden Israels erlauben werde.

Bei dem Gespräch mit Putin am 23. August begrüßte Netanjahu zunächst Russlands Kampf gegen den IS, äußerte aber auch seine Bedenken darüber, dass Russland diesen Kampf gemeinsam mit Iran und der libanesischen Hisbollah führt. "Wir können nicht einmal für einen Augenblick vergessen, dass Iran täglich droht, Israel zu vernichten, Terrororganisationen mit Waffen versorgt und Terroranschläge unterstützt", sagte Netanjahu auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin. Iran sei dabei, den Irak und Jemen zu übernehmen und sei diesem Ziel bereits sehr nahegekommen. Auch der Libanon, so Netanjahu weiter, werde praktisch von Iran kontrolliert.

Nach dem Gespräch mit Putin, das drei Stunden dauerte, sagte Netanjahu den Journalisten, der Einzug von Schiiten in Gebiete, die von Sunniten bewohnt seien, werde das Problem von Flüchtenden und terroristischen Aktivitäten erheblich verschärfen. "Unser Ziel ist, einen neuen Krieg zu verhindern. Es wäre daher besser, vor Ausbruch der Katastrophe, Vorbeugemaßnahmen zu treffen."

Putin begrüßte den Ausbau der Beziehungen zu Israel, nahm aber zu Äußerungen Netanjahus über Iran keine Stellung. Wenige Stunden später erklärte Russlands Botschafter bei der UNO, Wassili Bensia, gegenüber Journalisten, die neue Vereinbarung mit den USA über einen Waffenstillstand in einigen Gebieten Syriens sei zu begrüßen. Auch Iran gehöre, wie Russland und die Türkei, zu den Garanten der Waffenruhe in den "Schutzzonen". "Uns ist die Position Israels gegenüber Iran bekannt, wir sind aber der Meinung, dass Iran eine sehr konstruktive Rolle in Syrien spielt", fügte der Botschafter hinzu.


ANSCHLAG IN BARCELONA VERURTEILT

Das Teheraner Außenministerium hat den Terroranschlag in Barcelona als "entsetzliches Verbrechen" bezeichnet und scharf verurteilt. Längst habe der Terror nationale Grenzen überschritten und ist zu einem globalen Phänomen geworden, sagte Außenamtssprecher Bahran Ghassemi am 18. August. Daher könne er auch nur global bekämpft werden. Alle Länder sollten sich fernab ihrer Konflikte gegen den Terror zusammenschließen und sich auf den Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) konzentrieren. Iran gehöre selbst zu den Opfern des Terrorismus und sei daher bereit, jede Initiative in diesem Rahmen aktiv zu unterstützen.


KATARS BOTSCHAFTER KEHRT NACH TEHERAN ZURÜCK

Das Außenministerium in Katar erklärte am 24. August, der Botschafter des Landes in Iran werde seine Arbeit wiederaufnehmen. Demnach habe Katar die Absicht die Beziehungen zu Teheran "auf allen Ebenen" zu intensivieren. Dies hatte auch der katarische Außenminister in einem Telefongespräch mit seinem iranischen Amtskollegen betont.

Katar hatte Anfang 2016 seinen Botschafter aus Teheran zurückberufen. Anlass war die Hinrichtung eines bekannten schiitischen Geistlichen in Saudi-Arabien, auf die ein Sturm auf die saudische Botschaft in Teheran und das saudische Konsulat in Maschad folgte. Daraufhin brachen eine ganze Reihe von arabischen Staaten die diplomatischen Beziehungen zu Teheran ab. Katar hatte damals zwar die Beziehungen zu Teheran nicht abgebrochen, sie aber auf ein Minimum reduziert.

Die Entscheidung Katars, die vollen diplomatischen Beziehungen mit Iran wiederaufzunehmen, gewinnt umso mehr an Bedeutung, als dass das Land seit 5. Juni von einigen arabischen Staaten boykottiert wird. Ägypten, Saudi-Arabien, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate warfen Katar unter anderem vor, Terrorgruppen zu finanzieren und Iran nahe zu stehen. Sie stellten 13 Forderungen, zu denen auch die Schließung des Senders Al Jazeera gehörte. Katar leistete dem Druck Widerstand und weigerte sich die Forderungen zu akzeptieren. Die Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zu Iran, dem Erzfeind Saudi-Arabiens, und die Intensivierung der Beziehungen zu Teheran könnten die gesamte Machtkonstellation in der Region verändern.

Der Iran-Report kann kostenfrei auf der Website der Heinrich Böll Stiftung abonniert werden unter
https://themen.boell.de.

Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Bauke Baumann/Birgit Arnhold
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
16. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 9/2017 - September 2017 / 16. Jahrgang
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Schumannstr. 8, 10117 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2017

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