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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/372: Iran-Report Nr. 11 - November 2016


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 11 - November 2016
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Iran steht an einem Scheideweg. Nach dem Abschluss des Atomabkommens und der Aufhebung der Sanktionen erwartet das Volk einen wirtschaftlichen Aufschwung, die Öffnung nach außen und vor allem auch eine Liberalisierung der theokratischen Staatsordnung. Doch über den neuen Kurs, auch über die Rolle Irans in der Region, ist sich die Staatsführung nicht einig. Wie der Machtkampf, der schon seit geraumer Zeit zwischen Konservativen und Reformern tobt, ausgehen wird, ist ungewiss.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Drei Minister zurückgetreten
• Rohani nominiert neue Minister
• Wächterrat will Abgeordnete auch nach der Wahl kontrollieren
• Neues Gesetz diskriminiert Doppelstaatler
• Kampf gegen den Terrorismus
• Bericht der internationalen Bahai-Gemeinde
• Shahids letzter Bericht über die Lage der Menschenrechte in Iran
• Langjährige Gefängnisstrafen für US-Unternehmer


DREI MINISTER ZURÜCKGETRETEN

Seit Wochen waren bereits Gerüchte über einen möglichen Rücktritt des Ministers für Kultur und Islamische Führung, Ali Dschannati, im Umlauf. Spekuliert wurde auch über weitere Rücktritte im Kabinett. Für Präsident Rohani, der bei der Präsidentschaftswahl im Mai nächsten Jahres wiedergewählt werden möchte, sei es höchste Zeit, eine Umbildung des Kabinetts vorzunehmen, meinten viele Kommentatoren. Tatsächlich wurde am 18. Oktober offiziell bekannt gegeben, dass die Minister für Kultur, Sport und Jugend sowie für Bildung ihren Rücktritt erklärt hätten.

Seit dem Amtsantritt von Präsident Rohani 2013 gehören die Bereiche Kultur und Bildung zu den Feldern, auf denen heftige Kämpfe zwischen Hardlinern und Konservativen auf der einen und Gemäßigten und Reformern auf der anderen Seite ausgetragen werden. Vor allem Dschannati, der als Kulturminister für die Bereiche Literatur, Film, Kunst und Musik verantwortlich war, stand schon seit seiner Amtsübernahme im Visier der konservativen Geistlichkeit und der rechten Presse. Zuletzt wurde er aber auch seitens der Reformer kritisiert. Er musste sogar eine öffentliche Schelte des Präsidenten hinnehmen.

Die Auseinandersetzungen hatten sich in den letzten Monaten zugespitzt, nachdem Konzerntaufführungen außerhalb Teherans immer wieder von Behörden der Justiz oder auch von lokalen religiösen Instanzen verboten wurden, obwohl sie zuvor vom Kulturministerium die Erlaubnis zur Aufführung erhalten hatten. In der heiligen Stadt Maschad erklärte der erzkonservative Freitagsprediger Alam Alhadi, die Stadt sei kein Ort für Konzertveranstaltungen. In Maschad befindet sich das Grab von Imam Resa, den die Schiiten als 8. Nachfolger des Propheten Mohammed verehren. Jährlich pilgern Millionen Gläubige nicht nur aus Iran, sondern auch aus anderen islamischen Staaten nach Maschad. Musikdarbietungen verletzten die Heiligkeit und Würde des Imam Resa, sagte der Prediger. Wer Konzerte besuchen wolle, müsse dies an anderen Orten tun.

Dschannati wehrte sich zunächst und erklärte, der Prediger sei das einzige Hindernis für Konzertaufführungen. Es könne nicht sein, dass in Maschad andere Gesetze gelten würden als in anderen Städten. Daraufhin meldeten sich andere Prediger aus anderen Städten wie Sirdschan und Tonekabon zu Wort. Auch in ihren Städten würden sie keine Konzertveranstaltungen dulden, erklärten sie. Dieser Front gegenüber zeigte sich Dschannati dann nachgiebig. Zwar seien die geplanten Konzerte aus ethischen und religiösen Gründen keineswegs problematisch, doch aus Achtung vor der Meinung der Geistlichkeit werde in Zukunft auf weitere Konzertaufführungen in Maschad verzichtet, sagte der Minister.

Die Auseinandersetzung um die Konzertveranstaltungen erreichte schließlich ihren Höhepunkt in der heiligen Stadt Ghom, dem Zentrum des schiitischen Glaubens in Iran. Hier sah sich der Verantwortliche für Kultur und islamische Führung der Stadt, Abbas Daneschi, der selbst ein Geistlicher ist, nach Protesten religiöser Instanzen gegen eine Konzertveranstaltung zum Rücktritt gezwungen. Er hatte sich zunächst entschuldigt, doch die Entschuldigung wurde von Ayatollah Mohammad Yasdi, dem Leiter des Verbands der Theologen, abgelehnt. Dschannati nahm den Rücktritt Daneschis an. Dies sorgte in der Kunst und Kultur-Szene für viel Ärger und Verdruss. Auf diese Vorgänge reagierte dann auch Präsident Rohani. Bei einer Rede auf einer Versammlung von Ärzten am 17. Oktober sagte Rohani, offenbar an den Prediger von Maschad gerichtet: "Wir haben ein Parlament, das Gesetze beschließt. Es kann nicht sein, dass jeder, der morgens aufwacht, eigenmächtig Gesetzte und Bestimmung anordnet." Dann wandte er sich an Dschannati und sagte: "Auch ein Minister muss sich an die Gesetze und Bestimmungen halten, er darf Druck nicht nachgeben."

In seiner Rücktrittserklärung an Rohani schrieb Dschannati: "Dieses Ministerium ist von Anbeginn meiner Amtszeit mehr als andere Einrichtungen der Exekutive Ziel von Angriffen gewesen. Unsere Aktivitäten wurden in einer Atmosphäre von Lügen und Gerüchten, Unterstellungen und Beschimpfungen immer wieder torpediert."

Der zweite Minister, der sein Amt niedergelegt hat, ist Ali Asghar Fani, Minister für Lehre und Bildung. Auch er war Anfeindungen ausgesetzt. Mit seinem Rücktritt kam er dem Parlament zuvor, das eine Woche später über einen Misstrauensantrag gegen ihn beraten wollte. "Obwohl ich bereit war, mein Amt und meine Aktivitäten vor dem Parlament zu verteidigen, werde ich mein Amt niederlegen, weil ich erfahren habe, dass Sie eine Umbildung des Kabinetts für erforderlich halten", schrieb Fani an den Präsidenten.

Mahmud Gudarsi war der dritte Minister, der seinen Rücktritt einreichte. Er war bereits der vierte, von Rohani nominierte Minister für Jugend und Sport, der vom damaligen Parlament akzeptiert wurde.

Über die Gründe der Kabinettsumbildung wird viel spekuliert. Manche Kommentatoren sind der Ansicht, dass Rohani dem Druck der Hardliner weichen und damit die Anfeindungen mildern wollte, was ein Zeichen der Schwäche wäre. Andere sind der Ansicht, dass gerade die Kabinettsumbildung sieben Monate vor den Präsidentschaftswahlen ein Zeichen der Stärke sei. Rohani habe gerade mit dem Wechsel an der Spitze von drei Ministerien, die die Kultur, Bildung und Jugend betreffen, eine Hinwendung zu innenpolitischen Reformen signalisieren wollen. Welche Seite Recht hat, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.

Rohani selbst erläuterte die Umbildung mit folgenden Worten: "Manchmal ist eine Bestätigung eines Ministers notwendig, manchmal ein Wechsel". Er forderte Kritiker auf, nicht "Verwirrung zu stiften". Soviel "Unsinn" über eine Kabinettsumbildung zu reden, sei überflüssig. Auf einer Versammlung zum Tag der Bauern und Nomaden sagte er am 22. Oktober: "Wenn die Regierung keinen Ministerwechsel vornimmt, sagen boshafte Kritiker, warum gibt es keinen Wechsel, und wenn es einen Wechsel gibt, sagen sie, warum wird gewechselt. Mein lieber Bruder, das Ziel ist Entwicklung und Fortschritt des Landes, und die Regierung will dem Volk dienen."

Das drängendste Problem des Landes sei die Arbeitslosigkeit bei gebildeten Jugendlichen, vor allem bei jungen Frauen, sagte Rohani weiter. Die Arbeitslosigkeit bei jungen und ältern Frauen liege weit höher als bei jungen und älteren Männern. Auf dem Land und bei den Nomaden laste die Arbeit mehr auf den Schultern der Frauen.

Die Forderung nach mehr Arbeit für Frauen wird in konservativen Kreisen abgelehnt. Sie kritisieren, dass die Anzahl der Studentinnen und Akademikerinnen immer weiter steige und damit die Chance für Männer, eine Arbeit zu finden, eingeschränkt würde.

Der Fraktionsvorsitzende der Gemäßigten und Reformer im Parlament, Mohammad Resa Aref, begrüßte die Kabinettsumbildung. Die Umbildung sei notwendig gewesen, um die Regierung mit dem Parlament in Einklang zu bringen, sagte er. "Keiner der nachfolgenden Minister sollte seine Pläne nur für die nächsten sieben Monate festlegen, die Nachfolger müssen für die nächsten fünf Jahre planen."

Nach dem Rücktritt der drei Minister wurde ihren Stellvertretern die vorläufige Leitung der Ministerien übergeben. Nach der Verfassung kann der Staatspräsiden bei Rücktritten einen Nachfolger ernennen. Doch spätestens nach drei Monaten muss dieser oder ein anderer, der vom Präsidenten nominiert wird, die Zustimmung des Parlaments erhalten.


ROHANI NOMINIERT NEUE MINISTER

Am 31. Oktober stellte Präsident Rohani dem Parlament die drei von ihm nominierten neuen Minister vor. Zunächst lobte er die gute Zusammenarbeit zwischen der Regierung und dem Parlament. Seine Regierung habe zu einer Zeit seine Arbeit aufgenommen, in der das Land sich in einer Krise befunden habe. Die meisten Probleme, insbesondere die wirtschaftlichen, seien auf die gegen Iran verhängten Sanktionen zurückzuführen. Daher habe seine Regierung sich gezwungen gesehen, sich zunächst verstärkt der Außen- und Wirtschaftspolitik zu widmen, obwohl sie davon überzeugt gewesen sei, dass die Kultur den wichtigsten Unterbau einer Gesellschaft bilde. Durch das erfolgreich abgeschlossene Atomabkommen seien nun die Hürden für die Außenpolitik und die Wirtschaft beseitigt und der Weg für die Entwicklung geebnet.

Zu der Umbildung des Kabinetts sagte Rohani, er habe sein Kabinett zu Beginn seiner Amtszeit nicht so zusammengestellt, dass wie bei der Vorgängerregierung ständig eine Umbildung nötig gewesen wäre. Dennoch sei es nun nötig geworden, eine Veränderung des Kabinetts vorzunehmen, um das Tempo der Aktivitäten zu beschleunigen.

Rohani betonte, dass seine Regierung sich nicht vor "Druck, unredlicher Kritik oder Sabotage" fürchte. Wichtig seien "die Zufriedenheit Gottes, das Glück der Bevölkerung, Fortschritt und die Stärke und Macht der Nation".

Nach dieser Einleitung stellte Rohani die drei von ihm nominierten Minister vor:

Fachreddin Ahmadi Danesch Aschtiani, der für die Leitung des Ministeriums für Lehre und Bildung vorgesehen ist, wurde bereits im November 2014 von Rohani als Minister für Wissenschaft, Forschung und Technologie nominiert, aber vom damaligen Parlament abgelehnt, mit der Begründung, er habe die Proteste von 2009 gegen die Wiederwahl des damaligen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad unterstützt. Aschtiani hat an der Technischen Universität in Teheran Bauwesen studiert und in London über Erdbebenforschung promoviert. Nach der Revolution von 1979 wurde er Mitglied der Revolutionsgarden und arbeitete dort in verschiedenen Bereichen. Später übernahm er verschiedene Aufgaben im Ministerium für Lehre und Bildung sowie im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Technologie, wo er mehrmals das Amt des Staatssekretärs innehatte. Aschtiani ist 60 Jahre alt.

Für das Kulturministerium ist Resa Salehi Amiri nominiert. Auch er wurde vor drei Jahren vom damaligen Parlament abgelehnt. Er war damals für die Leitung des Ministeriums für Jugend und Sport vorgesehen. Die Ablehnung wurde wie bei Aschtiani mit der Unterstützung der Proteste von 2009 begründet. Zudem wurde ihm unterstellt, während seiner Tätigkeit im Informationsministerium an Schmuggelgeschäften beteiligt gewesen zu sein. Außerdem soll er von der Iranischen Versicherungsgesellschaft mit einer hohen Summe bestochen worden sein. Er gehört zu dem engen Kreis um Rohani. Salehi Amiri lehrt an der Teheraner Asad-Universität. Eine zeitlang war er als Leiter der Informationsbehörde der Provinz Chusestan tätig. Vor drei Jahren ernannte ihn Rohani zum Leiter der Dokumentationsabteilung der iranischen Nationalbibliothek.

Masud Soltanifar soll das Ministerium für Jugend und Sport übernehmen. Er war vor drei Jahren für denselben Posten nominiert, aber auch er wurde vom damaligen Parlament abgelehnt. Bei seiner Vorstellung im Parlament sagte Rohani damals, er sei erstaunt über die weitreichenden Kenntnisse Soltanifars. Wie ein Computer habe er alle Informationen über den iranischen Sport und die iranischen Sportler gespeichert.

Soltanifar hat als Mitglied des Zentrums für strategische Forschung eng mit Rohani zusammengearbeitet, der eine Zeitlang die Leitung des Zentrums innehatte. Nach der Gründung der Partei Etemade Melli unter der Führung von Mehdi Karrubi, wurde er Mitglied dieser Partei. 2009 übernahm er im Zuge der damaligen Präsidentschaftswahlen die Geschäftsführung der Partei, die den Kandidaten Karrubi unterstützte. Dies war auch der Grund für die Ablehnung durch das Parlament. Karrubi, der neben Mir Hossein Mussavi gegen Ahmadinedschad auftrat, wurde später wie Mussavi und seine Frau Sahra Rahnaward in Hausarrest genommen. Alle drei befinden sich immer noch in Haft.

Alle drei von Rohani nominierten Minister haben am 1. November die Zustimmung des Parlaments erhalten.


WÄCHTERRAT WILL ABGEORDNETE AUCH NACH DER WAHL KONTROLLIEREN

Der Wächterrat, der unter anderem die Aufgabe hat, über die Eignung der Bewerber für einen Sitz im Parlament zu entscheiden und die Wahlen zu kontrollieren, möchte nun seine Kompetenzen ausweiten und auch nach der Wahl, d.h. während der gesamten Wahlperiode, die Abgeordneten kontrollieren. Der Sprecher des Wächterrats, Abbas Ali Kadchodai, sagte am 22. Oktober im staatlichen Fernsehen: "Die allgemeinen politischen Richtlinien für die Wahlen, die vom Revolutionsführer Ayatollah Chamenei bekannt gegeben worden sind, weisen darauf hin, dass die vom Wächterrat ausgeübte Kontrolle der Wahlen auch nach der Wahl über die gesamte Wahlperiode andauern wird." Grund für die neuen Richtlinien seien Veränderungen, die sich bei den Umständen der Wahlen und der gesellschaftlichen Verhältnisse vollzogen hätten. Dementsprechend seien auch die Richtlinien geändert worden.

Es sei notwendig, festzustellen, ob Abgeordnete, deren Eignung zur Teilnahme an der Wahl bestätigt worden sei, auch tatsächlich in der Lage und dazu geeignet seien, ihren Pflichten als Abgeordnete nachzukommen, sagte Kadchodai. Der Wächterrat sei zwar dazu befugt gewesen, die Abgeordneten auch während der vierjährigen Wahlperiode zu kontrollieren, aber in der Praxis sei dieses Recht bislang nicht wahrgenommen worden. Nun werde im Paragraph der Richtlinien die kontinuierliche Kontrolle der einzelnen Abgeordneten als notwendig erachtet. Über die Aufgaben des Wächterrats heißt es dort: "Schaffung aller Voraussetzungen für befriedigende Leistungen des Abgeordneten, korrekte Vereidigung, Verhinderung eines möglichen finanziellen, wirtschaftlichen und moralischen Missbrauchs, Ergreifung von angemessenen Maßnahmen in Fällen, in denen das Fehlen der Eignung des Abgeordneten zur Erfüllung seiner Pflichten festgestellt wird."

Diese neuen Richtlinien gewinnen aktuell für das Schicksal der Abgeordneten Minu Chakeghi aus Isfahan an Bedeutung. Sie war bei den letzten Parlamentswahlen im Februar diesen Jahres gewählt worden, konnte jedoch ihr Mandat nicht wahrnehmen, weil der Wächterrat sie wegen moralischen Vergehens als ungeeignet einstufte.

Dagegen protestierte Parlamentspräsident Ali Laridschani. Der Wächterrat sei nicht dazu befugt, nach der Wahl die Eignung der Abgeordneten festzustellen, sagte er. In diesem Sinne hatte auch das Parlament eine entsprechende Erklärung verabschiedet. Demnach sei nur das Parlament selbst in der Lage, einem gewählten Abgeordneten das Mandat zu entziehen.

Am 28. Oktober äußerte der Vorsitzende des Wächterrats, Ahmad Dschannati, seinen Unmut darüber, dass das Verhalten der Abgeordneten zu wenig kontrolliert werde. Die Kontrolle durch den Wächterrat dürfe nicht nur formal sein, sagte er vor einer Versammlung von Wahlbeobachtern. "Soll ein Abgeordneter, der ins Parlament kommt und bei dem sich später herausstellt, dass er als Mandatsträger unfähig ist, seine Pflichten zu erfüllen, oder der im Laufe der Legislaturperiode seine Fähigkeiten verliert und seine Position und Macht missbraucht, trotzdem seinen Sitz bis zum Ende der Legislaturperiode behalten?", fragte Dschannati. Er forderte eine strengere Kontrolle der Abgeordneten für die gesamte Legislaturperiode.

Darauf reagierte der Vizepräsident des Parlaments, Ali Mottahari, mit den Worten: "Wenn der Wächterrat das Parlament kontrolliert, muss eine andere Instanz den Wächterrat kontrollieren." In einem Interview mit der Nachrichtenagentur ISNA sagte Mottahari am 29. Oktober, eine Kontrolle des Parlaments durch den Wächterrat werde großen Schaden verursachen. Dies würde zur Einschüchterung der Abgeordneten führen.


NEUES GESETZ DISKRIMINIERT DOPPELSTAATLER

Obwohl eine ganze Reihe von hochrangigen Politikern in Iran eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen, erklärte das Informationsministerium, Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft müssten vom Staatsdienst ausgeschlossen werden. Laut Angaben des Sprechers des Ausschusses für nationale Sicherheit und Außenpolitik, Hossein Taghawi, traf sich der Ausschuss am 5. Oktober mit dem Informationsminister Mahmud Alawi, um "das Problem doppelter Staatsbürgerschaften" zu klären. Mit Hinweis auf "Gefahren, die Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft in höheren Positionen für das Land mit sich bringen", sagte er, bei dem Treffen sei über einen Entwurf gesprochen worden, der das Problem der doppelten Staatsbürgerschaften lösen solle. Dabei gehe es um ein neues Gesetzt, das die Einstellung von Doppelstaatlern als Staatsbedienstete vor allem in höheren Positionen verbiete.

Bei der gemeinsamen Sitzung habe der Minister erklärt, bei jeder Anfrage zu einer Neueinstellung an sein Ministerium, werde geprüft, ob der Betreffende die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes, eine Greencard oder eine Aufenthaltserlaubnis für ein anderes Land besitze. Bisher sei bei 79 höheren Beamten und Angestellten eine Überprüfung durchgeführt worden. 35 von ihnen seien im Besitz einer weiteren Staatsbürgerschaft oder einer Greencard und folglich für die Position ungeeignet gewesen. Aus dieser Äußerung wurde jedoch nicht klar, ob es sich bei den genannten Fällen um Neueinstellungen oder um bereits Beschäftigte handelt. Der Ausschusssprecher erklärte unter Berufung auf diese Äußerung: "Es darf keine Doppelstaatler im Staatsdienst geben."

Ein anderes Mitglied des Ausschusses, Mohammad Dschawad Dschamali, sagte der Agentur "Mehr", der Minister habe gesagt, sein Ministerium habe bei allen Staatsbediensteten mit doppelter Staatsbürgerschaft interveniert und "ihren Dienst beendet". Hiervon ausgeschlossen seien lediglich Personen gewesen, die während ihres Studiums im Ausland eine Greencard erhalten hätten.

Dem Gesetz nach wird in Iran eine weitere Staatsbürgerschaft neben der iranischen nicht anerkannt. Zugleich gibt es aber auch kein Gesetz, das eine Einschränkung für die Einstellung von Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft vorsieht. Nun soll offenbar diese Gesetzeslücke geschlossen werden.

Auffallend ist, dass in letzter Zeit zunehmend Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft, die im Ausland leben und zu Besuch nach Iran reisen, unter dem Vorwurf der Spionage und Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten in Haft genommen werden, darunter einige mit amerikanischer Staatsbürgerschaft. Dagegen protestierte das US-Außenministerium am 19. Oktober. Marc Toner, Sprecher des US-Außenministeriums, forderte internationale Menschenrechtsorganisationen auf, sich für die "Freilassung amerikanischer Staatsbürger, darunter Siamak und Bagher Namasi, die ungerechterweise in Iran verhaftet wurden, einzusetzen".

Das Teheraner Außenministerium verurteilte die Stellungnahme des US-Außenministeriums. "Jeder Versuch, zwischen den Maßnahmen der unabhängigen Justiz unseres Landes gegen Schuldige und Agenten ausländischer Geheimdiensten einerseits und dem Handel mit oder Investitionen in Iran andererseits, einen Zusammenhang herstellen zu wollen, ist abwegig, vergeblich und unsinnig." Er bezeichnete die Initiative des US-Außenministeriums als "Einmischung in die inneren Angelegenheiten Irans" und fügte hinzu: "Indirekte und unausgewogene Drohungen seien nicht nur wirkungslos und destruktiv, sie werden die Mauer des Misstrauens, die in Iran gegen die Vereinigten Staaten existiert, um ein weiteres Stück erhöhen."

Am 31. Oktober sah sich offenbar Informationsminister Alawi dazu genötigt, vor Denunzierung von Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft zu warnen. Gelegentlich werde so argumentiert, als seien Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft "Landesverräter, Spione und Ehrlose", sagte er. Es gäbe in Iran etwa 40.000 Doppelstaatler. Die meisten von ihnen seien Bewohner im südlichen Teil des Landes, die eine zusätzliche Staatsbürgerschaft eines der Staaten am Persischen Golf erworben hätten. Andere hätten neben der iranischen auch die Staatsbürgerschaft eines europäischen Staates, Kanadas oder Amerikas. "Die meisten von ihnen leben in diesen Staaten. Sie sind fromme Menschen, sie lieben ihre Heimat. Ein Großteil von ihnen hat während des (iranisch-irakischen) Kriegs Millionen Dollar gespendet, viele von ihnen verleihen unserem Land durch ihre wissenschaftliche Tätigkeit hohes Ansehen, wie zum Beispiel Professor Madschid Samii." Professor Samii ist ein international anerkannter Chirurg. Er lebt in Deutschland, reist aber oft nach Iran und genießt auch bei der iranischen Führung hohes Ansehen.

"Dem Gesetz nach können Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft nicht hohe Ämter wie die eines Ministers, Vizeministers oder Staatssekretärs übernehmen, sie können auch nicht als Abgeordnete des Parlaments tätig sein", sagte Alawi. "Zurzeit gibt es keinen Doppelstaatler in höheren Positionen." Es habe lediglich einen Staatssekretär gegeben, der aber inzwischen zurückgetreten sei.


KAMPF GEGEN DEN TERRORISMUS

Am 4. Oktober gaben die Revolutionsgarden bekannt, vierzehn "Mitglieder einer konterrevolutionären Organisation" in den westlichen Grenzgebieten getötet zu haben. General Mohammad Pakpur, Oberkommandierender des Heeres, sagte, "Sicherheitsdienste im Militärstützpunkt Nadschaf hätten in Zusammenarbeit mit lokalen Gruppen die Terroristen ermittelt und nach einem länger andauernden Gefecht alle zwölf Mitglieder der Gruppe in der Provinz Kermanschah getötet. Auch Waffen und Munition seien beschlagnahmt worden. Dabei habe es bei den Garden drei Verletzte gegeben.

Die Provinz Kermanschah wird mehrheitlich von iranischen Kurden bewohnt. Die Kurden streben seit Jahrzehnten nach Autonomie. Unter ihnen befinden sich auch militante Separatisten und Extremisten, mit denen es immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen gibt. Kürzlich hat die Demokratische Partei des iranischen Kurdistan angekündigt, den bewaffneten Kampf gegen die Zentralregierung wieder aufnehmen zu wollen.

Pakpur bezeichnete die getöteten Mitglieder der Organisation als "terroristische Konterevolutionäre unter dem Schutz der USA und des zionistischen Regimes".

Am 11. Oktober gaben die Revolutionsgarden bekannt, Anschlagspläne einer von der Organisation PEJAK beauftragten Terrorgruppe vereitelt zu haben. Der Befehlshaber der Revolutionsgarden in Kurdistan sagte, die Gruppe, die eine ganze Reihe von Anschlägen geplant hatte, sei in der Umgebung der Kreisstadt Mariwan, unweit der irakischen Grenze entdeckt worden. Die Mitglieder der Gruppe seien mit schweren und leichten Waffen ausgerüstet gewesen. Zunächst hätten sie die Garden angreifen wollen, aber dann seien sie geflüchtet. Dabei hätten sie eine ganze Menge Waffen und Munition zurückgelassen. Die Organisation PEJAK (Partei des freien Lebens Kurdistan) ist eine paramilitärische Organisation, die mit dem Ziel, ein unabhängiges Kurdistan zu gründen, bewaffnet gegen das Regime in Teheran kämpft. Es wird vermutet, dass die Organisation ein Ableger der kurdischen Arbeiterpartei PKK ist. Sie wurde vor dreizehn Jahren gegründet.

Medienberichten zufolge wurden am 13. Oktober elf Personen unter dem Verdacht, Terroranschläge geplant zu haben, in der südlichen Provinz Fars festgenommen. Wie der Chef der Sicherheitsbehörde der Provinz, Ahamd-Ali Gudarsi, sagte, soll die Terrorgruppe unter anderem Selbstmordanschläge geplant haben. Ziel der Anschläge seien Zeremonien am Aschura-Tag gewesen, dem wichtigsten Trauertag der Schiiten. Bei der Festnahme der Verdächtigen seien hundert Kilogramm Sprengstoff sichergestellt worden. Die Agentur "Mehr" berichtete unter Berufung auf den Vize-Gouverneur der Provinz, es habe sich bei der Gruppe um Milizen des Islamischen Staates (IS) gehandelt.

Im Gegensatz zu den Nachbarstaaten ist Iran bislang von einer nennenswerten Einflussnahme der Terror-Miliz Islamischer Staat verschont geblieben. Im Juni berichteten Sicherheitskräfte von einem vereitelten Anschlag und der Festnahme mehrerer IS-Terroristen.


BERICHT DER INTERNATIONALEN BAHAI-GEMEINDE

Am 25. Oktober veröffentlichte die internationale Bahai-Gemeinde (Baha'i International Community) einen Bericht über die Lage der Bahais in Iran. Dem Bericht zufolge werden die Mitglieder dieser religiösen Minderheit nach wie vor stark unterdrückt und ausgegrenzt. Auch unter der Regierung Rohani werde, trotz des Versprechens des Präsidenten, die Rechte der religiösen Minderheiten zu schützen, die Unterdrückung in mancherlei Hinsicht sogar verstärkt fortgesetzt, wenn auch mit Methoden, die weniger spektakulär seien.

In dem 122-seitigen Bericht heißt es, die Regierung Rohani habe die "Hasskampagne" gegen die Bahais verstärkt, zum Beispiel hätten propagandistische Berichte in den Medien gegen die Bahais stark zugenommen. Seit der Amtsübernahme der Regierung seien mindestens 151 Gemeindemitglieder festgenommen worden, mindesten 288 Mitglieder seien wirtschaftlich benachteiligt worden oder hätten aus Furcht vor Attacken ihre Geschäfte geschlossen.

Weiter heißt es in dem Bericht, Tausenden jugendlichen Gemeindemitgliedern sei der Zugang zu den Universitäten verweigert und 28 Studierende seien exmatrikuliert worden.

Im Gegensatz zu anderen religiösen Minderheiten wie den Christen, Juden oder Anhängern des zaratustrischen Glaubens werden die Bahais in Iran nicht als religiöse Minderheit anerkannt. Aus der Sicht der Islamischen Republik handelt es sich bei den Bahais um Abtrünnige, um eine "böse Sekte".

Dem Bericht zufolge sind seit 2005 mehr als 860 Gemeindemitglieder festgenommen und mehr als 275 zu Gefängnisstrafen verurteilt worden.

Am 26. Oktober veröffentlichte die internationale Bahai-Gemeinde zudem eine Erklärung zum Mord an ein Mitglied in der Stadt Yasd. Demnach wurde der 63-jährige Farhang Amiri von zwei Männern mit Messern vor seinem Haus niedergestochen. Amiri erlag im Krankenhaus seien Verletzungen. Die beiden Täter wurden festgenommen. Einer von ihnen gab die Tat zu. Er habe Amiri töten wollen, weil er gewusst habe, dass er Anhänger der Bahai-Religion sei.

Die deutsche Bahai-Gemeinde zeigte sich "zutiefst betroffen über die Ermordung von Herrn Amiri", heißt es in einer Erklärung vom 28. Oktober. "Sie ist beunruhigt über die nicht nachlassende Verfolgung der Baha'i im Iran, die den Nährboden für solche Gewalttaten liefert", erklärte der Sprecher der Gemeinde, Professor Ingo Hofmann. "Wenn die Behauptung von Präsident Rohani glaubwürdig sein soll, dass unter seiner Präsidentschaft alle iranischen Bürger unabhängig von ihrem religiösen Glauben gleiche Rechte genießen, dann muss die Aufklärung dieses Falls von der Regierung Irans äußerst ernst genommen werden."


SHAHIDS LETZTER BERICHT ÜBER DIE LAGE DER MENSCHENRECHTE IN IRAN

Der UN-Sonderbeauftragte für Menschrechte in Iran Ahmad Shahid legte am 19. Oktober seinen letzten Bericht vor. Der Bericht umfasst den Zeitraum vom 1. Januar bis Mitte August 2016. Shahids Auftrag endet in diesem Jahr. Ihm folgt die pakistanische Menschenrechtaktivistin Assemeh Dschahangir nach.

Shahid erinnert in seinen aktuellen Bericht daran, dass er seit Beginn diesen Jahres 22 Mal Briefe über die Lage der Menschenrechte an die iranische Führung geschickt habe. Er kritisierte die häufigen Hinrichtungen, betont jedoch auch, dass es vom 1. Januar bis einschließlich der dritten Woche im Juli "nur" ca. 241 bis 253 Hinrichtungen gegeben habe, was im Vergleich zur selben Zeit im Vorjahr einen beachtlichen Rückgang darstellt. Dies sei ein positiver Trend. Andererseits habe die Zahl der Hinrichtungen seit Anfang Juni wieder zugenommen. Innerhalb von drei Wochen seien allein vierzig Personen hingerichtet worden, die meisten von ihnen wegen Drogenschmuggels.

Dem Bericht zufolge wurden 2015 zwischen 966 und 1.054 Personen hingerichtet. Es sei die höchste Zahl seit zwei Jahrzehnten gewesen.

Weitere Teile des Berichts beschäftigen sich mit der Lage der Journalisten, der Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft, politischen, sozialen und gewerkschaftlichen Aktivisten und mit "erbarmungslosen und erniedrigenden" Strafmaßnahmen. Schließlich setzt sich der Bericht mit der Lage der Frauen, Kinder und religiösen und ethnischen Minderheiten sowie mit der Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit und Parteienbildung kritisch auseinander.

Shahid, der aus Moldawien stammt, wurde 2011 von der UNO zum Sonderberichterstatter für die Menschenrechte in Iran ernannt. Sein mehrmaliger Antrag auf eine Reiseerlaubnis nach Iran wurde von den iranischen Behörden stets abgelehnt. Seine Berichte basieren auf Gesprächen mit betroffenen Politikern, Journalisten und Menschenrechtaktivisten.


LANGJÄHRIGE GEFÄNGNISSTRAFEN FÜR US-UNTERNEHMER

Am 18. Oktober erklärte der Teheraner Generalstaatsanwalt Abbas Dschafari Dolatabadi, dass der US-Unternehmer Siamak Namasi, sein Vater Bagher Namasi und Nesar Saka zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden seien. Ihnen sei Spionagetätigkeit und Zusammenarbeit mit der amerikanischen Regierung nachgewiesen worden. Drei weitere Angeklagte, Farhad Abd Saleh, Kamran Ghaderi und Aliresa Omidwar, hätten ähnliche Strafen bekommen.

Die US-Regierung protestierte gegen das Urteil. Außenamtssprecher Marc Toner forderte die sofortige Freilassung der US-Bürger.

Siamak Namasi, der neben der amerikanischen auch die iranische Staatsbürgerschaft besitzt, war vor einem Jahr, aus den USA kommend, bei seiner Einreise in Teheran festgenommen worden. Sein achtzigjähriger Vater, der sich um das Schicksal seines Sohnes kümmern wollte, wurde ebenfalls bei der Einreise im Februar diesen Jahres festgenommen. Er war zur Zeit des Schah-Regimes Gouverneur der Provinz Chusistan und eine zeitlang Staatssekretär in Innenministerium gewesen. Nach der Revolution ging er ins Ausland und arbeitete als Beauftragter der UNESCO in Ländern wie Somalia, Kenia und Ägypten.

Siamak Namasi ist Leiter der Abteilung für Planung und Strategie des Unternehmens Crescent Petroleum in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Firma befand sich vor der Reise Namasis nach Iran wegen eines gescheiterten Geschäfts mit Teheran im Rechtsstreit mit der iranischen Regierung und forderte eine Entschädigung in Höhe von mehreren Milliarden Dollar. Namasi stand ferner in Kontakt mit dem National Iranian American Council, einer von Iranern gegründeten Organisation, die sich um den Ausbau der Beziehungen zwischen den USA und der Islamischen Republik bemüht.

Am 17. Oktober wurde eine Videoaufnahme von Namasi auf der Webseite der juristischen Nachrichtenagentur gezeigt. Der Clip dauerte nur eine Minute. Die Aufnahmen waren untermalt von bewegender Musik. Neben Namasi waren kniende US-Seeleute zu sehen, die im Januar von iranischen Revolutionsgarden festgenommen worden waren und eine iranische Drohne, die einen amerikanischen Flugzeugträger überfolg.

Nesar Saka ist libanesischer Abstammung und lebt in den USA. Er arbeitete im Technologie-Bereich. Er wurde 2015, während seiner Teilnahme an einer Tagung, zu der er von der iranischen Regierung eingeladen worden war, festgenommen. Konservative Zeitungen warfen ihm vor, mit militärischen und sicherheitsdienstlichen Institutionen in den USA zusammengearbeitet zu haben. Sakas Familie bestreitet dies. Vor einem Monat hatte Sakas Anwalt erklärt, es sei ihm mündlich mitgeteilt worden, dass sein Mandant zu zehn Jahren Haft und 4 Millionen Dollar Geldstrafe verurteilt worden sei.

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KULTUR

• Farhadi: Dieses Mal werde ich nicht schweigen
• Sexualität soll enttabuisiert werden
• Wochenblatt stellt Erscheinen nach Glosse über Ahmadinedschad vorläufig ein


FARHADI: DIESES MAL WERDE ICH NICHT SCHWEIGEN

Der iranische Filmemacher Asghar Farhadi, der international zu einem der renommiertesten Regisseuren gehört und mit zahlreichen Preisen, unter anderem auch mit einem Oscar, ausgezeichnet wurde, wird in seiner Heimat Iran von Konservativen und Hardlinern immer wieder angefeindet. Zuletzt lieferte sein Film "Der Verkäufer" Anlass zu Verunglimpfungen. Rechtsorientierte Zeitungen wie Kayhan, Dschawan, Yalsarat und Webseiten wie Redscha News behaupteten, der Film propagiere "Ehrlosigkeit". Nun hat Farhadi in der Fernsehsendung "schwarz-weiß", unter dem Titel "Im Gespräch mit den Größen der Kunst und Kultur" zu den Vorwürfen Stellung genommen. Der Film propagiere nicht die Ehrlosigkeit, sondern protestiere gegen die Einmischung des Staats und der Medien in das Privatleben, sagte Farhadi. Sogar bei einer oberflächlichen Betrachtung des Films könnten die Zuschauer nachvollziehen, welche verheerenden Folgen die Einmischung des Staates in das Privatleben eines Menschen haben und wie zerstörend sie für eine Familie und eine Paarbeziehung sein könnten. Genau dies sei die Botschaft, die man dem Film Foruschandeh (Der Verkäufer) entnehmen könne.

Auch Farhadi selbst erlebte ein ähnliches Schicksal wie seine Protagonisten in dem Film. Es wurden Gerüchte verbreitet über seine Beziehungen zu zwei Mitwirkenden. "Die Gegner versuchen immer den Knäuel vom Ende aufzuwickeln", sagte Farhadi. Sie sagen, der Film (Foruschandeh) sei im Ausland erfolgreich gewesen und habe Preise bekommen. Sie nehmen an, wenn du im Ausland Preise bekommen hast, muss eine Verschwörung im Gange sein. Sie vermuten, dass du etwas gesagt oder produziert hast, was bei den Filmfestspielen Gefallen gefunden hat. Sie sagen, wenn im Ausland etwas gut gefunden wird, muss es etwas sein, das sich gegen uns richtet. Also nehmen sie den Inhalt des Films, die Technik und den Regisseur unter die Lupe, um nachweisen zu können, dass der Film sich gegen unser Land richtet. Sie setzen die Puzzleteile zusammen, finden aber nichts. Dann bleibt ihnen nichts Anderes übrig, als Unterstellungen und Denunzierungen zu erfinden. Sie verbreiten und wiederholen diese Denunzierungen solange, bis der Betreffende die Nase voll hat und das Land verlässt."

"Dieses Mal haben die Gegner mit den Denunzierungen begonnen, bevor der Film vorgeführt wurde. Sie müssen gedacht haben, ich werde auch dieses Mal ihre Kampagne schweigend hinnehmen. Was sie verbreitet haben ist unmoralisch und unehrenhaft. Dazu kann man nicht mehr schweigen. Solche Beschimpfungen, Denunzierungen und amoralischen Unterstellungen gehören nicht zur Debatte über einen Film", sagte Farhadi.


SEXUALITÄT SOLL ENTTABUISIERT WERDEN

Seit der Gründung der Islamischen Republik vor 37 Jahren ist das Thema Sex in der Öffentlichkeit tabu. Alles, was mit Sex zu tun hat oder erotisch anmutet, wurde aus der Literatur, Malerei, Musik, aus den Filmen, aus wissenschaftlichen, und ja sogar aus medizinischen Fachbüchern, verbannt. An den Universitäten beschwerten sich Professoren und Studenten schon seit Jahren, dass Themen, die die Sexualität betreffen, auch aus übersetzten Fachbüchern herauszensiert wurden. Das Absurde hieran ist, dass in den von geistlichen Instanzen verfassten Abhandlungen sexuelle Themen bis ins kleinste Detail erörtert werden.

Nun hat eine Kulturkommission beschlossen, dass mit dem Thema Sex offener umgegangen werden soll. "Der Begriff Sex sollte nicht mehr als etwas Verbotenes gelten", sagte das Kommissionsmitglied Gholam Ali Haddad Adel am 29. Oktober der Nachrichtenagentur ISNA. Die Kommission entschied auch, dass in Zukunft das Fach "Familie und sexuelle Gesundheit" an den Universitäten gelehrt wird. Dadurch solle die Familie geschützt und stabilisiert werden.

Das jahrzehntelange Verbot hat vor allem den jüngeren Teil der Bevölkerung keineswegs davon abgehalten, sich mit dem Thema Sexualität zu beschäftigen und sich über die damit zusammenhängenden Fragen zu informieren. Seitdem der Zugang zum Internet möglich ist, sind die Jugendlichen in Iran weitaus aufgeklärter als in den Zeiten davor. Gerade das Verbot hat die Menschen neugierig gemacht, so wie trotz des Verbots von alkoholischen Getränken die Anzahl an Alkohol-Konsumenten erheblich gestiegen ist.


WOCHENBLATT STELLT ERSCHEINEN NACH GLOSSE ÜBER AHMADINEDSCHAD VORLÄUFIG EIN

Das Wochenblatt "Seda" (die Stimme) hat wegen einer gesellschaftskritischen Glosse freiwillig sein Erscheinen am 16. Oktober "bis auf weiteres" eingestellt. Chefredakteur Mohammad Ghutschani begründete die Maßnahme mit der Kritik, die nach dem Erscheinen der Glosse laut geworden war. Offenbar sei die Glosse missverstanden und als Beleidigung empfunden worden, sagte er. Der Verfasser sei kein Mitglied der Redaktion und "wir werden nie mehr etwas von ihm veröffentlichen".

Die Glosse trug der Titel: "Schlaft ruhig, Robin Hood wird nicht kommen". Sie bezog sich auf den ehemaligen Präsidenten Ahmadinedschad, der vor wenigen Wochen erklärt hatte, dass er im Mai nächsten Jahres nicht für das Amt des Präsidenten kandidieren werde. Die Anhänger von Ahmadinedschad zeigten sich beleidigt. Die Webseite "Maschregh News" schrieb, "das fluchende Wochenblatt hat Ahmadinedschad mit Robin Hood verglichen und sich über seinen Entschluss, nicht für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, lustig gemacht. Das ist eine klare Beleidigung der Verantwortlichen des Staates".

In der "lustigen Geschichte" wird erzählt, dass Robin Hood nicht einschlafen konnte. Auf einer Straße, auf der niemand zu sehen ist, ruft er: "Wer ist noch am Leben?" Man hört nur die Stimmen einiger Grillen. Dann taucht Gulliver auf und sagt verärgert, er solle sich wieder hinlegen und schlafen. Aber Robin Hood weigert sich und sagt, er könne nicht schlafen, wenn die Menschen nach ihm rufen und ihn bitten, sie zu retten. "Ich glaube, dass die Leute dich nicht mögen, vor allem nachdem bekannt geworden ist, dass du Milliarden veruntreut hast", sagt Gulliver darauf.

Ghutschani sagte, er stimme mit dem Revolutionsführer überein, dass alles, was zur Polarisierung der Gesellschaft führen könnte, unterlassen werden sollte. "Wir sollten uns daher nicht über Ahmadinedschads Absage freuen und seine Anhänger ignorieren." Ghutschani rechtfertigte die Selbstzensur damit, dass er möglichen Sanktionen der Justiz zuvorkommen wolle. Die Einstellung des Blatts solle zeigen, dass es keine bösen Absichten gegeben habe und dass das Blatt sich im Rahmen der ethisch-moralischen Schranken der Islamischen Republik bewege.

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WIRTSCHAFT

• Pasdaran präsentieren neuentwickelte "Selbstmorddrohne"
• Iranische Ölindustrie braucht 200 Milliarden Dollar Investitionen
• General lehnt Joint Ventures unter Aufsicht ausländischer Ölkonzerne ab
• Erdgasförderung soll drastisch erhöht werden
• Iranische Touristen meiden die Türkei
• USA verklagen Deutsche Börse wegen Geschäften mit Iran
• Rohani: Handel setzt politischen Wandel voraus


PASDARAN PRÄSENTIEREN NEUENTWICKELTE "SELBSTMORDDROHNE"

Einer Meldung der AFP vom 26. Oktober zufolge haben die iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) eine sogenannte "Selbstmorddrohne" präsentiert, die in Iran entwickelt wurde und die in der Lage sein soll, Ziele an Land und im Wasser zu zerstören. Nach Angaben der Pasdaran soll die Drohne vor allem für die Überwachung der Gewässer eingesetzt werden. Sie kann mit großen Mengen Sprengstoff beladen und zum Zerstören von Schiffen oder Stützpunkten auf dem Festland eingesetzt werden.

Die Drohne soll mit einer Geschwindigkeit von 250 Kilometern in der Stunde einen halben Meter über der Wasseroberfläche fliegen und eine maximale Höhe von 900 Metern erreichen können.


IRANISCHE ÖLINDUSTRIE BRAUCHT 200 MILLIARDEN DOLLAR INVESTITIONEN

Bijan Sangeneh, Irans Ölminister, sagte am 18. Oktober den Medien zufolge, Iran benötige für die Entwicklung seiner Ölindustrie Investitionen in Höhe von 200 Milliarden Dollar. Seiner Einschätzung nach "müssen mindestens 134 Milliarden Dollar im Bereich Forschung und Produktion und 52 Milliarden Dollar in die petrochemische Industrie investiert werden".

200 Milliarden Dollar sind das Vierzehnfache der Einnahmen, die Iran in den ersten zehn Monaten des vergangenen Jahres aus dem Ölexport eingenommen hat. Teheran versucht, durch Vergünstigungen und lukrativere Verträge ausländische Investoren ins Land zu locken.

Laut Sangeneh hat Iran im ersten Halbjahr diesen Jahres täglich 3,8 Millionen Barrel Öl produziert. Bis zum Jahresende soll eine Steigerung von bis zu 4,3 Millionen Barrel pro Tag erreicht werden.

Zugleich gab Ali Kar, Generalsekretär der nationalen iranischen Ölgesellschaft, bekannt, dass die Gesellschaft ab dem 19. Oktober in der aus- und inländischen Presse die Ausschreibung für die Teilnahme ausländischer Unternehmen an Projekten in Iran veröffentlichen werde. Bewerber müssten innerhalb eines Monats die erforderlichen Unterlagen einreichen. Die zum Zug kommenden Gebote würden am 7. Dezember bekannt gegeben.

Den Angaben der Ölindustrie zufolge seien derzeit 88 Pläne, 515 Projekte und 2.000 Subprojekte vorgesehen. Die Ziele, die die iranische Ölindustrie anstrebe, seien nur in Kooperation mit aus- und inländischen Unternehmen zu erreichen, sagte Kar. "Wir hoffen, dass es uns mit der geplanten Strategie gelingen wird, die Schäden, die durch die Sanktionen entstanden sind, beheben zu können."


GENERAL LEHNT JOINT VENTURES UNTER AUFSICHT AUSLÄNDISCHER ÖLKONZERNE AB

Generals Abdollah Abdollahi, Befehlshaber der Aufbauorganisation Chatam al Anbia, die den Revolutionsgarden untersteht, äußerte seinen Unmut über Wirtschaftsprojekte, die unter der Aufsicht ausländischer Ölkonzerne durchgeführt werden sollen. Bei einem Vortrag an der Universität Imam Sadegh sagte er: "Für die Islamische Republik ist es eine Schande, begabte und fähige junge Menschen, die wir seit der Revolution in den vergangenen Jahren ausgebildet haben, unter die Führung ausländischer Ölkonzerne zu stellen."

Anlass der Kritik war ein Beschluss der National Iranischen Ölgesellschaft (NIOC), welcher der Organisation Chatam al Anbia erlaubt, "auf der Basis der neuen Vertragsmodelle einen erstklassigen ausländischen Partner zu finden, um an der Durchführung von Großprojekten in der Ölindustrie teilnehmen zu können". Die Zusammenarbeit mit ausländischen Konzernen wird damit begründet, dass iranische Unternehmen noch nicht über das nötige Knowhow verfügten, um sowohl auf dem Festland als auch unter Wasser Forschung zu betreiben, um die Ölförderung weiterzuentwickeln. Die gegen Iran verhängten Sanktionen hätten die Möglichkeiten der Forschung stark eingeschränkt und die Aneignung moderner Technologie erschwert. Die neuesten Vertragsmodelle erlauben zehn iranischen Großunternehmen wie Chatam al Anbia, entweder selbständig Projekt durchzuführen oder als Partner ausländischer Konzerne an gemeinsamen Projekten, sogenannten Joint Ventures, teilzunehmen. Dieses Model hatte die Regierung Rohani schon zu Beginn ihrer Amtszeit in Aussicht gestellt, doch erst jetzt, sieben Monate vor der Präsidentschaftswahl soll es realisiert werden. Gegner dieses Modell üben seit einem Jahr heftige Kritik an der Regierung. Daher sah sich Revolutionsführer Chamenei gezwungen, einzuschreiten. Er ordnete eine Überprüfung der neuen Reglung an.

General Abdollahi sagte: "Niemand lehnt eine Zusammenarbeit mit ausländischen Konzernen ab. Doch die Art der Beziehung zu diesen Konzernen muss klar definiert werden. Und es muss sichergestellt werden, dass die Initiative bei einheimischen Unternehmen liegt." Im Falle von Chatam al Anbia dürfe es keinen Zweifel darüber geben, dass die Führung des Projekts bei ihr liegen müsse.

Auch die den Revolutionsgarden nahestehende Agentur Tasnim übte scharfe Kritik an dem neuen Model und warf der Ölgesellschaft vor, dass sie die Übernahme der Projekte durch ausländische Konzerne bevorzuge.


ERDGASFÖRDERUNG SOLL DRASTISCH ERHÖHT WERDEN

Vizeölminister Hamid Resa Araghi sagte am 16. Oktober den Medien zufolge, Iran plane, seinen Anteil auf dem Erdgas-Weltmarkt, insbesondere auf dem europäischen Markt, zu erhöhen. Demnach soll die Erdgasproduktion von derzeit 600 Millionen auf 1 Milliarde Kubikmeter pro Tag gesteigert werden. Dann könnte Iran den europäischen Markt mit bis zu 30 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr versorgen. Ziel sei es keineswegs mit Russland auf dem Weltmarkt zu konkurrieren. Es gehe nur darum, den iranischen Anteil am Weltmarkt von derzeit ein auf zehn Prozent zu erhöhen. Iran werde sich aber in erster Linie auf den regionalen Markt konzentrieren, sagte Araghi.

Hauptgaslieferant der EU-Staaten ist Russland mit einem Marktanteil von rund 40 Prozent. Da jedoch die EU bestrebt ist, die Abhängigkeit von Russland zu verringern, rechnet sich Iran Chancen aus, auch in Europa mit seinen Gasexporten neue Abnehmer zu finden.


IRANISCHE TOURISTEN MEIDEN DIE TÜRKEI

Resa Hakan Takin, Botschafter der Türkei in Teheran, zeigte sich besorgt über die drastische Abnahme der Zahl iranischer Touristen, die die Türkei besuchten. Seinen Angaben zufolge ist die Zahl iranischer Touristen in der Türkei in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr um dreißig Prozent gesunken.

"Wir verfügen zwar nicht über genaue Statistiken", sagte er der Nachrichtenagentur ISNA. "Aber unserer Einschätzung nach ist die Zahl der Besucher um dreißig Prozent zurückgegangen, was uns Sorgen macht."

Nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei hatte Iran ein einmonatiges Verbot von Reisen in die Türkei angeordnet. Mehrere Passagiermaschinen flogen daraufhin iranische Touristen aus der Türkei zurück in ihre Heimat. Das Verbot wurde jedoch nach einem Besuch des iranischen Außenministers Mohammad Dschawad Sarif in der Türkei aufgehoben.

Nun verlangen iranische Reisegesellschaften Entschädigung von der Türkei. Dazu sagte der türkische Botschafter, seine Regierung sei bereit, für den Tag des Putsches und den Tag danach Entschädigung zu zahlen. Doch der Hauptteil der Verluste der iranischen Gesellschaften sei auf das von Teheran angeordnete Reiseverbot zurückzuführen. Es sei also abwegig, von der türkischen Regierung Entschädigung zu verlangen, für eine Anordnung, die die iranische Regierung getroffen habe. Russland habe, obwohl seine Beziehung zu der Türkei nicht zufriedenstellend gewesen sei, wenige Tage nach dem Putsch das verordnete Reiseverbot für die Türkei wieder aufgehoben, sagte der Botschafter.

Die Türkei gehört zu den bevorzugten Urlaubsländern von iranischen Touristen. Daher spielen iranische Besucher für die türkische Tourismusindustrie eine wichtige Rolle. Den offiziellen türkischen Statistiken zufolge haben 2015 rund 1,7 Millionen iranische Touristen die Türkei besucht. Im Vergleich zu 2014 war das eine Zunahme von rund 100.000 Touristen. Iran gehört neben Deutschland, Russland und Großbritannien zu jenen Ländern, aus denen die meisten Touristen in die Türkei kommen. Die meisten iranischen Touristen halten sich in Istanbul oder Antalya auf.

Zurzeit versuchen iranische Reisegesellschaften mit günstigen Angeboten Touristen für eine Türkeireise zu gewinnen. Doch die unsicheren Verhältnisse und die Häufung von Terroranschlägen halten viele Iraner weiterhin von einer Reise in die Türkei ab. Seite 15 Iran-Report 11/16


USA VERKLAGEN DEUTSCHE BÖRSE WEGEN GESCHÄFTEN MIT IRAN

Laut einem Bericht der Agentur Reuters hat die Deutsche Börse in Frankfurt mitgeteilt, dass ihr eine Klage aus den USA wegen ihrer Iran-Geschäfte drohe. "Die Wertpapierverwahr-Tochter Clearstream werde bei einer Sammelklage, die sich in erster Linie gegen den Iran richtet, ebenfalls als Beklagte aufgeführt", schreibt die Agentur. Die Börse bestreitet die Vorwürfe und teilte mit: "Clearstream werde alle notwendigen und geeigneten Maßnahmen ergreifen, um sich entschieden gegen die Klage zu verteidigen."

Laut einem Gerichtsurteil von 2012 fordert die Kläger-Gruppe Havlish 6,6 Milliarden Dollar von der iranischen Zentralbank (Bank-e Markazi). Nun versuchen die Kläger diese Summen von Konten der Zentralbank bei der Deutsche Börsen-Tochter Clearstream zu bekommen. Dabei verweisen sie auch auf die traditionell engen Beziehungen Clearstreams zu der iranischen Zentralbank.

Bereits 2013 hatte die Deutsche Börse mit einer Klage zu tun, bei der es um die Entschädigung von Hinterbliebenen von Opfern eines 1983 verübten Anschlags auf US-Soldaten in Beirut ging. Die Familien der Opfer machten Iran für den Anschlag verantwortlich. Ein US-Gericht verhängte daraufhin eine Geldstrafe in Höhe von einer Milliarde Dollar gegen Iran. Die Deutsche Börse gab nach zähen Verhandlungen schließlich eine Milliarde Dollar aus iranischen Guthaben frei, die auf einem Clearstream-Konto in den USA lagen.


ROHANI: HANDEL SETZT POLITISCHEN WANDEL VORAUS

"Wir hatten in den letzten Jahren weltweit eine Iran-Phobie, die wir zunächst ausräumen mussten, um Geschäfte mit dem Ausland überhaupt zu ermöglichen", sagte Präsident Rohani vor einer Versammlung von iranischen Im- und Exporteuren am 20. Oktober. Ohne konstruktive Beziehungen und ohne Kooperation werde es keinem Land gelingen, mit dem Ausland Geschäfte zu machen.

Den Konservativen und Hardlinern, die das Atomabkommen kritisieren, warf der Präsident vor, in der Vergangenheit zu leben. "Man kann ja nicht in der gegenwärtigen Zeit mit der Welt andauernd im Streit sein und dann lukrative Geschäfte erwarten", sagte er. Es sei leicht, wie in der Ära Ahmadinedschad geschehen, alle Beziehungen zunichtezumachen. Umso schwerer und zeitraubender sei es, die Trümmer wieder zu aufzusammeln und alles wiederaufzubauen.

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AUSSENPOLITIK

• Der Konflikt in Syrien
• Eklat bei Gabriels Besuch in Iran
• US-Republikaner wollen Sanktionen gegen Iran verlängern
• Scharfe Reaktion Chameneis auf Kerrys Äußerungen
• Maduro zu Besuch in Teheran
• Rohani bezeichnet US-Wahlen als "Wahl zwischen kleinerem und größerem Übel"
• US-General gesteht Falschaussage zu Stuxnet-Informationen
• Iran soll den Huthis in Jemen Raketen geliefert haben
• EU und Iran wollen Menschenrechtsdialog wiederaufnehmen


DER KONFLIKT IN SYRIEN

Die den Revolutionsgarden unterstehende Zeitung Dschawan schrieb in ihrer Ausgabe vom 4. Oktober, die Syrien-Gespräche zwischen Washington und Moskau hätten keine Fortschritte gebracht und seien wegen unüberbrückbarer Differenzen in die Sackgasse geraten. Gleichzeitig würden die vom Westen unterstützten, bewaffneten Gruppen im Osten von Aleppo unter dem Feuer russischer Kampfflieger und dem Sturm der Widerstandskräfte (gemeint sind alle Kräfte, die das syrische Regime unterstützen, also vor allem Russland, Iran und die Hisbollah) allmählich zunichte gemacht. "Die Wahrscheinlichkeit des Sieges der Zentralmacht hat europäische Diplomaten dazu veranlasst, zu versuchen, mit Teheran zu verhandeln, um die von der EU unterstützten Truppen in Syrien zu retten. Der frühere schwedische Ministerpräsident und Außenminister Carl Bildt, der zurzeit mit einer Delegation des Europarats in Teheran weilt, hat diesbezüglich mit Außenminister Sarif Gespräche geführt", schrieb Dschawan.

Am 13. Oktober erklärte der politische Vizebefehlshaber der Revolutionsgarden, General Rasul Senai, im Gespräch mit Journalisten, die Zahl der Freiwilligen, die am Krieg in Syrien teilnehmen wollten, sei so hoch, dass sie die Kapazität der Garden, sie nach Syrien zu schicken, übersteige. Einige Tage zuvor hatte der saudische Sender Al Arabia behauptet, ein Kader der Revolutionsgarden sei gefoltert und getötet worden, weil er sich geweigert hätte, nach Syrien zu gehen. Senai bezeichnete diese Behauptung als "Witz" und sagte, Saudi-Arabien wolle durch solche Gerüchte von dem Massenmord an Zivilisten in Jemen ablenken.

Sämtliche Einsätze in Syrien erfolgten mit Freiwilligen, sagte der General weiter. Es seien nicht nur Soldaten der Revolutionsgarden, die den Wunsch hätten, nach Syrien zu gehen, auch bei den Basidsch-Milizen setzten Unzählige alles daran, an die Front geschickt zu werden.

In Syrien sind bereits hunderte Iraner ums Leben gekommen, die meisten von ihnen in Aleppo. Es ist bekannt, dass Iran auch Flüchtlinge aus Afghanistan und Pakistan an die Front schickt. Unter den Toten sind auch zahlreiche ranghohe Offiziere der Revolutionsgarden. Zuletzt wurde, laut Berichten der iranischen Medien, General Gholamresa Samei getötet, der nach offizieller Darstellung lediglich zur Beratung in Syrien weilte. Über die Umstände und den Ort seines Todes wurde nichts berichtet.

Am 26. Oktober erklärte der iranische Verteidigungsminister Hossein Dehghan, jede Waffenruhe nutze den Terroristen des Islamischen Staates (IS). "Der IS würde den Menschen auch bei einer Waffenruhe nicht erlauben, sich in Sicherheit zu bringen, sondern sie weiterhin als Schutzschilder benutzen." Auch die humanitäre Hilfe der USA hätte den gleichen Effekt - sie käme ebenfalls dem IS zugute.

Nach Ansicht des Ministers sollte der Westen stattdessen das Regime in Damaskus anerkennen und die syrische Armee im Kampf gegen die Terroristen unterstützen. Nur so ließe sich eine Einigung zwischen den Parteien und der Frieden in Syrien erreichen, meinte Dehghan.

Am 27. Oktober trafen sich die Außenminister Syriens, Walid al-Mualem, Russlands, Sergej Lawrow, und Irans, Mohammad Dschawa Sarif, in Moskau, um die Lage in Aleppo zu besprechen. Sie bekräftigten ihren Willen, die Stadt aus der Hand der Terroristen zu befreien. Ihrer Lesart nach sind alle verbliebenen Rebellengruppen in Aleppo Terroristen. Parallel sollen die Versorgung der Bevölkerung und der Friedenprozess vorangetrieben werden.

"Terroristen müssen erledigt werden. Während unsere westlichen Partner nur in Worten gegen den Terror kämpfen, werden wir die Sache in der Praxis zu Ende führen", sagte Russlands Außenminister Lawrow. Auch der syrische Außenminister al Muallem zeigte sich kämpferisch. "Wir werden unsere Anstrengungen im Kampf gegen den Terrorismus nicht verringern, wir werden Aleppo von Terroristen befreien und die Einheit der Stadt wiederherstellen."

Irans Außenminister Sarif stimmte bei seiner Ankunft in Moskau einer Waffenruhe zur Versorgung der Bevölkerung zu. Solche Vereinbarungen müssten jedoch zu einem dauerhaften Frieden führen. "Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine genauere Koordination nötig, und deswegen führen wir diese Verhandlungen in Moskau."

Lawrow wies die Kritik an dem Einsatz der russischen Luftwaffe in Aleppo zurück. Die Lage sei ähnlich wie in Mossul im Irak. Er sehe keinen Unterschied, sagte er. Dort werde versucht, mit militärischer Unterstützung des Westens, den IS zu vertreiben. Dies könne zu einer Massenflucht führen. Dasselbe gelte für Aleppo. Er wisse nicht, wie man hier die radikalen islamischen Gruppen von sogenannten moderaten trennen könne.

Al-Muallem meinte, der Westen habe nicht die Absicht, den IS in Mossul zu vernichten. "Sie wollen, dass IS-Milizen von Mossul nach Rakka (Syrien) gehen." Seine Regierung sei sofort bereit, den innersyrischen Dialog aufzunehmen, sagte der Minister. Sie stimme auch einer weiteren Feuerpause zu, vorausgesetzt, es werde garantiert, dass die Zivilbevölkerung die Stadt verlassen könne.


EKLAT BEI GABRIELS BESUCH IN IRAN

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der sich Anfang Oktober zu einem zweitägigen Besuch in Teheran aufhielt, musste in Teheran eine diplomatische Schmähung hinnehmen: sowohl Parlamentspräsident Ali Laridschani als auch Außenminister Mohammad Dschawad Sarif sagten ein zuvor vereinbartes Gespräch mit dem Vizekanzler kurzfristig ab. Für den Affront gab es offiziell keine Begründung. Zudem war ein Treffen mit Präsident Rohani, wie bei hochrangigen Gästen aus dem Ausland normalerweise üblich, von vornherein nicht vereinbart worden.

Bereits vor der Absagte hatte Laridschanis Bruder, Justizchef Sadegh Laridschani, den Besuch Gabriels ungewöhnlich scharf kritisiert. "Wenn ich an Stelle der ehrenwerten Regierung oder des Außenministers wäre, hätte ich solch einer Person nicht erlaubt, ins Land zu kommen", sagte er dem Nachrichtendienst Mizan online. "Leute, deren Länder jahrelang unser Land unter absurden Vorwänden, wie z.B. dem Atomprogramm, boykottiert und mit Sanktionen belegt haben, betreten nun unsere Märkte und statt sich zu entschuldigen, treten sie als Gläubige auf."

Offenbar waren diese Reaktionen sowie die Absagen auf Äußerung Gabriels vor seiner Reise nach Teheran zurückzuführen. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte er gesagt: "Ein normales, freundschaftliches Verhältnis zu Deutschland wird erst dann möglich sein, wenn Iran das Existenzrecht Israels akzeptiert." Zudem müsste Iran seine spalterischen Aktivitäten in Syrien einstellen. Außerdem hatte Gabriel angekündigt, bei seinem Besuch über die Lage der Menschenrechte in Iran zu sprechen.

Vizepräsident und Regierungssprecher Mohammad Bagher Nobacht sagte der Presse, er habe Gabriel angesprochen und gefragt, warum er solche Themen aufgebracht habe, obwohl Deutschland bei den Bemühungen um ein Atomabkommen mit Iran eine Vorreiterrolle gespielt habe. Gabriel habe geantwortet, seine Äußerungen seien, "missdeutet" worden. "Ich kann die iranische Position vollkommen nachvollziehen. Ich habe doch auch für meinen Besuch keinerlei Vorbedingungen gestellt", zitierte ihn Nobacht laut BBC.

Gabriel war mit einer großen deutschen Wirtschaftsdelegation nach Iran gereist, um nach der Aufhebung der Sanktionen gegen Iran die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Iran neu zu beleben. Er führte unter anderem Gespräche mit den Ministern für Wirtschaft und Energie und mit Vertretern der Privatwirtschaft und nahm an Foren mit deutschen und iranischen Unternehmen teil.

Nach der Absage der Gespräche mit Laridschani und Sarif, wurde Gabriel überraschend von Vizepräsident Mohammad Bagher Nobacht empfangen. Bei seinem Besuch bekam Gabriel die Enttäuschung seiner iranischen Gesprächspartner zu spüren, die nach dem Atomabkommen einen stärkeren wirtschaftlichen Aufschwung erwartet hatten. "Was der Iran jetzt braucht, ist, dass durch den Schritt, den er gemacht hat, den Abschluss des Nuklearvertrages, jetzt auch das Leben der Menschen im Land besser wird", sagte Gabriel beim Gespräch mit Nobacht.

Nobacht wurde in der Presse mit folgenden Worten zitiert: "Herr Gabriel respektiert sowohl das iranische Volk als auch die Regierung und das Ziel seiner Reise war der Ausbau der bilateralen Beziehungen." Die Stellungnahmen Gabriels vor seinem Iran-Besuch deutete Nobacht als Äußerungen, die an das deutsche Publikum gerichtet waren.

Zurückgekehrt nach Deutschland, versuchte Gabriel die Bedeutung des Absage-Affronts herunterzuspielen. "Das ist der Teil des iranischen Wahlkampfs." Er sei sehr freundlich empfangen worden und habe sich wohl gefühlt, insbesondere bei dem Gespräch mit Nobacht.

Gabriel hatte bei Gesprächen mit seinen iranischen Partnern auch über den Krieg in Syrien gesprochen. Dazu sagte er laut einem dpa-Bericht vom 4. Oktober: "Wir sind alle miteinander darauf angewiesen, dass wir die Konfliktparteien in Syrien dazu bewegen, diesen mörderischen Konflikt zu beenden. Das gilt für Russland, das gilt aber auch für den Iran, die das Regime dort unterstützen, und darunter leiden viele, viele Menschen." Iran sei ein großes Kulturvolk, sagte er. Daher glaube er, "dass man auch an das Verantwortungsbewusstsein dieses wichtigen Landes appellieren muss. (...) Die Weltgemeinschaft erwartet von allen Beteiligten, dass dieser Krieg ein Ende hat."

Das Teheraner Außenministerium warb um Verständnis für Gabriels Äußerungen. "Wir sollten auch die innenpolitische Stimmung in Deutschland in Betracht ziehen", sagte der Sprecher Bahram Ghassemi. Man müsse auch die besondere Beziehung Deutschlands zu Israel berücksichtigen. Allerdings gehöre es nicht zu den diplomatischen Prinzipien, dass Vertreter eines Landes einem anderen Land vorschreiben, wie dieses sich außenpolitisch verhalten sollte. Darüber hinaus sei die Position Irans gegenüber Israel hinlänglich bekannt.

In der iranischen Presse waren unterschiedliche Kommentare zu Gabriels Besuch zu lesen. Die rechts orientierten Blätter forderten die Regierung auf, dem deutschen Minister die Einreise zu verweigern. Demgegenüber lobten die reformorientierten Zeitungen die während Gabriels Besuch vereinbarten Wirtschaftsabkommen und hoben hervor, dass die Regierung Angela Merkels die Absicht habe, die entstandene Lücke in den wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland durch den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu Iran zu füllen. Die ultrakonservative Tageszeitung Kayhan forderte Außenminister Sarif auf, Gabriel "anzuschreien", weil er die Lage der Menschenrechte in Iran kritisiert habe. Noch schlimmer seien die Äußerungen des deutschen Vizekanzlers auf dem Forum deutscher und iranischer Unternehmer gewesen. Er habe angekündigt, mit der iranischen Führung über Syrien und Israel zu sprechen und habe gemeint, die Beteiligten am Krieg in Syrien, zu denen er auch Russland und Iran zählte, sollten ihr brutales Verhalten beenden. Der Minister ignoriere die Tatsache, dass Iran und seine Verbündeten den Kampf gegen jene terroristischen Gruppen führten, die von den USA und einigen europäischen Staaten unterstützt würden.

Positiv über den Besuch Gabriels äußerte sich die Zeitung "Iran". "Die Präsenz der Deutschen in der iranischen Wirtschaft ist eng mit dem Begriff Technologie verknüpft. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Iran blicken auf eine lange Geschichte zurück, die bis in die Zeit von vor der Revolution zurückreicht, in der Deutschland nach den USA der größte Partner Irans war. Schon damals spielte die Technologie beim Handel mit Deutschland eine zentrale Rolle. Die Iraner haben immer noch gute Erinnerungen an die leichten und schweren Maschinen aus Deutschland. Die Rückkehr Deutschlands an die Spitze der Handelspartner Irans, rechtfertigt die Hoffnung auf eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen Teheran und Berlin."


US-REPUBLIKANER WOLLEN SANKTIONEN GEGEN IRAN VERLÄNGERN

Einem Bericht der Agentur Reuters vom 25. Oktober zufolge wollen die US-Republikaner im November im Abgeordnetenhaus eine Abstimmung über die Verlängerung der gegen Iran bestehenden Sanktionen beantragen. Das Sanktionsgesetz besteht seit 1996 und ist auf zehn Jahre befristet. Am 31. Dezember läuft diese Frist aus. Die Sanktionen betreffen Bereiche wie Handel, Energie, Rüstungsindustrie und das Bankwesen.

Die Zustimmung zur Verlängerung werde im Repräsentantenhaus wohl leicht erfolgen, meinten Abgeordnete, auf die sich Reuters beruft. Aber wie der Senat sich anschließend entscheiden werde, sei noch unklar. Manche Senatoren seien bestrebt, die Sanktionen gegen Iran zu verschärfen, und zwar wegen des iranischen Raketenprogramms und wegen der Unterstützung, die Iran terroristischen Organisation gewährt.

Präsident Barack Obama hatte den Kongress aufgefordert, von einer Verlängerung abzusehen, weil dadurch das Atomabkommen mit Iran gefährdet würde. Sollte Iran seine im Abkommen eingegangenen Pflichten nicht erfüllen, gäbe es ausreichend Mittel, um das Land wieder unter Druck zu setzen.


SCHARFE REAKTION CHAMENEIS AUF KERRYS ÄUßERUNGEN

Irans Revolutionsführer Ali Chamenei reagierte mit einer scharfen Stellungnahme auf Äußerungen des US-Außenministers John Kerry zu der Rolle Irans in der Region. Bei einer Rede vor einer Versammlung von Wissenschaftlern sagte Chamenei am 19. Oktober: "Vor einigen Tagen sagte ein amerikanischer Politiker, solange Iran den Widerstand in der Region unterstützt, werde es keine grundsätzlichen Veränderungen an bestehenden Sanktionen geben. Das ist genau das, wovor ich die Verantwortlichen in unserem Land immer wieder gewarnt habe. Ich habe sowohl öffentlich, als auch privat betont, dass wir nicht nachgeben dürfen, denn, wenn wir bei den Atomverhandlungen nachgeben, werden sie (die USA) die Raketen zum Problem machen, und wenn wir wieder nachgeben, werden sie die Unterstützung des Widerstands bemängeln, und wenn wir auch da nachgeben, werden sie die Lage der Menschenrechte zur Diskussion stellen, und wenn wir auch da ihre Ansichten übernehmen, werden sie die Rolle der Religion im Staat kritisieren."

Kerry hatte in einem Interview mit Foreign Affairs erklärt, dass alle Sanktionen, die das Atomprogramm beträfen aufgehoben seien, "aber es gibt noch andere Probleme". "Wir müssen Iran begreiflich machen, dass das Land in seinem Banksystem, im Handel und in anderen Bereichen Probleme hat, die beseitigt werden müssen. (...) Wir können Iran im Bereich der Technologie und anderen Bereichen helfen. Aber solange Iran in Jemen engagiert ist, Assad und Hisbollah unterstützt, Raketen abschießt, die andere als Bedrohung empfinden, und ähnliches unternimmt, wird es schwierig. Solche Verhaltensweisen komplizieren die Lage und bilden ein Hindernis bei der Umsetzung des Abkommens."

Chamenei nahm auch Bezug auf Äußerungen anderer US-Politiker, die gegenüber ihren iranischen Gesprächspartnern bedauert hätten, dass er (Chamenei) pessimistisch sei. "Wie können wir bei solch einem Verhalten (der Amerikaner) optimistisch sein", sagte er.


MADURO ZU BESUCH IN TEHERAN

Bei seinem Staatsbesuch in Teheran führte der venezolanische Staatspräsident Nicolas Maduro unter anderem auch ein Gespräch mit Revolutionsführer Ali Chamenei. Dabei übten beide scharfe Kritik an der Außenpolitik der Vereinigten Staaten. Maduro, dessen Land infolge der niedrigen Ölpreise mit einer schweren Wirtschaftskrise zu kämpfen hat, sagte bei dem Treffen, "amerikanische Imperialisten" hätten durch Einmischungen und Feindseligkeiten einen Wirtschaftskrieg gegen Venezuela geführt. "Doch unser Land hat Widerstand geleistet und wir kommen langsam aus der Krise heraus." Chamenei sagte: "Einige vermuten, dass die USA unschlagbar seien, aber das ist ein großer Fehler." Die Amerikaner hätten in den vergangenen fünfzehn Jahren große Fehler gemacht und jetzt "liegen sie am Boden und finden keinen Ausweg".

Venezuela hat im vergangenen Monat die turnusmäßige Leitung der blockfreien Staaten von Iran übernommen. Beide Staaten sind Mitglieder der Organisation Erdölproduzierender Staaten (OPEC), die Wirtschaft beider Staaten ist stark vom Ölexport abhängig. Daher hat der drastische Fall der Ölpreise in beiden Staaten eine Wirtschaftskrise ausgelöst, was in Venezuela zu Unruhen geführt hat. Im September standen sich Hunderttausende Gegner und Befürworter der Regierung feindlich gegenüber.

Maduro traf sich auch mit Präsident Rohani. Dabei sprachen die Präsidenten über die Lage auf dem internationalen Ölmarkt. Rohani sagte laut dpa vom 22. Oktober, sein Land wolle zur Verbesserung der Verhältnisse auf dem Ölmarkt beitragen. "Iran wird jede Initiative, die zu gerechten Fördermengen und fairen Ölpreisen führen würde, unterstützen." Voraussetzung dazu sei jedoch die Kooperation der OPEC-Länder und Nicht-OPEC-Länder. Auch in diesem Rahmen wolle Iran mit Venezuela zusammenarbeiten und seine Beziehungen zu dem Land intensivieren.

Iran und Venezuela pflegen schon seit Jahren enge Beziehungen zu einander. Maduros Vorgänger Hugo Chavez war mehrmals zu Besuch in Iran, auch der Vorgänger Rohanis, Präsident Mahmud Ahmadinedschad besuchte Venezuela. Die Beziehung nicht nur Venezuela, sondern zu den lateinamerikanischen Staaten insgesamt wird aus iranischer Sicht als "dynamische Außenpolitik im Hinterhof des Erzfeindes USA" betrachtet.


ROHANI BEZEICHNET US-WAHLEN ALS "WAHL ZWISCHEN KLEINEREM UND GRÖßEREM ÜBEL"

Die Wähler in den USA hätten bei den Präsidentschaftswahlen "die Wahl zwischen übel und noch übeler", sagte Präsident Hassan Rohani. Zudem äußerte er sich abschätzig über die Fernsehduelle zwischen den Bewerbern Trump und Clinton. Bei einer Rede in der Stadt Arak am 23. Oktober sagte er laut Medien, der Wahlkampf zeige wieder einmal, dass es in den USA "keine Moral" gebe. Auf der UN-Vollversammlung habe ihn ein führender Politiker gefragt, welchen Kandidaten er bevorzugen würde, sagte Rohani weiter. Er habe geantwortet: "Soll ich das kleinere Übel, dem größeren, oder das größere Übel dem kleineren Übel vorziehen?"

"Schaut, wie sie (die Kandidaten) reden, wie sie sich beschimpfen, wie sie sich gegenseitig verspotten. Nein, eine solche Demokratie und solche Wahlen wollen wir nicht haben", betonte Rohani. Die Debatten zeigten das wahre Gesicht der USA, "die behaupten seit 200 Jahren Demokratie zu haben". "Schaut auf das Land, wie die Lage ist, wo Moral keinen Platz hat."

Es war das erste Mal, dass Rohani zu den Präsidentschaftswahlen in den USA Stellung nahm. Bereits zuvor hatte Revolutionsführer Ali Chamenei die US-Wahlen als ein "deutliches Zeichen des Mangels an Geist und Glauben bei Inhabern der Macht" bezeichnet. In wenigen Wochen werde einer der Kandidaten, deren Reden ihr gehört und deren Verhalten ihr gesehen habt, Präsident eines Landes werden, das die größte Macht, den größten Reichtum und die meisten Atomwaffen in der Welt besitzt", sagte der Revolutionsführer.


US-GENERAL GESTEHT FALSCHAUSSAGE ZU STUXNET-INFORMATIONEN

Der pensionierte US-General James Cartwright, dem vorgeworfen wurde, Informationen über Stuxnet-Cyberangriff gegen iranische Atomanlagen an die Presse weitergegeben zu haben, hat am 18. Oktober durch seinen Anwalt erklärt, er habe 2012 den Ermittlern der US-Bundespolizei FBI gegenüber falsch ausgesagt. Damals hatte er bestritten, diesbezüglich mit der Presse Kontakt aufgenommen zu haben.

Die Staatsanwaltschaft hat am 17. Oktober eine Klage gegen den General bei einem Gericht in Maryland eingereicht. Es scheint, dass die Anklage unter Berücksichtigung des Geständnisses formuliert worden ist, so dass der General ein mildes Urteil von höchstens sechs Monaten zu erwarten hat. Der Anklageschrift zufolgt, soll der General der Zeitung New York Times alle Einzelheiten des Cyberangriffs zur Verfügung gestellt haben. Die Zeitung hatte über den Angriff, der zur Zerstörung von mehr als tausend Zentrifugen in Iran geführt hatte, einen Sonderbericht veröffentlicht. Später veröffentlichte der Journalist David Sanger ein Buch über die Details des Angriffs. Demnach soll die Operation, die unter dem Namen "Olympische Wettkämpfe" durchgeführt wurde, gemeinsam von den USA und Israel geplant gewesen sein.

Nach jahrelangen Ermittlungen warf das FBI dem General vor, falsche Aussagen gemacht und Staatsgeheimnisse verraten zu haben. Cartwright akzeptierte den ersten Vorwurf, bestritt jedoch, Staatsgeheimnisse verraten und für die Enthüllungen von Geheimnissen verantwortlich zu sein. "Ich wusste, dass ich nicht die eigentliche Quelle des Berichts war und wollte nicht als Verräter beschuldigt werden", sagte er am 17. Oktober dem Richter. "Mein einziges Ziel bei dem Gespräch mit den Journalisten war es, die Interessen und das Leben amerikanischer Staatsbürger zu schützen."

Der 67-jährige General gehörte vor seiner Pensionierung zu den ranghöchsten Beratern von Präsident Barack Obama. Er ist gleichzeitig der ranghöchste Amtsträger, der unter Präsident Obama wegen Geheimnisverrat vor Gericht steht.


IRAN SOLL DEN HUTHIS IN JEMEN RAKETEN GELIEFERT HABEN

US-General Joseph Votel, ranghöchster Offizier der US-Streitkräfte im Nahen Osten, erklärte am 19. Oktober in Washington, er halte es für möglich, dass Iran den Huthi-Rebellen in Jemen Boden-Wasser-Raketen zur Verfügung gestellt habe. Eine Woche zuvor hatte das Pentagon von gescheiterten Raketenangriffen seitens der Huthis auf amerikanische Kriegsschiffe im Roten Meer und in der Nähe der jemenitischen Küste gesprochen und erklärt, dass die Streitkräfte darauf mit der Bombardierung der Radarstationen in Jemen reagiert hätten.

Votel sagte, einige Teile der Raketen deuteten auf eine Herstellung in Iran hin. Allerdings seien solche Teile nicht allein bei iranischen Raketen vorzufinden. "Aber ich denke, dass Iran bei den Raketenangriffen eine Rolle spielt. Iran steht mit den Huthis in Verbindung. Daher habe ich den Verdacht, dass Iran doch eine Rolle spielt."

Weiter sagte der General, das Atomabkommen mit Iran habe keine positive Wirkung auf das Verhalten der Führung in Teheran gehabt und die Islamische Republik sei nach wie vor "eine Quelle der Instabilität" in der Region.

Iran bestreitet nicht, die Huthis oder die Gruppe von Ansarallah, die an dem Bürgerkrieg in Jemen beteiligt ist, zu unterstützen, betont jedoch, dass diese Unterstützung nicht militärischer Natur sei.

Bislang hatte Washington nur von Raketenangriffen gesprochen, die aus den von Huthis kontrollierten Gebieten abgefeuert worden sein, nicht jedoch davon, dass die Raketen aus Iran stammten.

Einen Tag nach den Äußerungen des Generals kam ein Dementi aus Teheran. Der Sprecher des Außenministeriums Bahram Ghassemi bezeichnete die Äußerungen des Generals als "verdächtige und unbegründete Phantasiemärchen" und sagte, "die widersprüchlichen Stellungnahmen aus den USA in den letzten Tagen sind Unwahrheiten, vermischt mit unbegründeten Verdächtigungen, die auf völlige Verwirrung hindeuten". Ghassemi forderte die USA auf, statt Iran zu beschuldigen, "auf jene zu achten, die seit geraumer Zeit mit ihren bestialischen Angriffen im Sumpf des Krieges in Jemen gelandet sind". Gemeint ist die von Saudi-Arabien geführte Koalition, die seit 18 Monaten gegen die Huthis in Jemen Krieg führt. Dabei sind immer wieder zahlreiche Opfer von Zivilisten zu beklagen, was zu weltweiten Protesten gegen Saudi-Arabien und seine Verbündeten geführt hat. Den Angaben des UNO-Sondergesandten Ismail Ould zufolge wurden bei den Gefechten bislang 6.900 Menschen getötet - davon mehr als die Hälfte Zivilisten. Die Zahl der Verletzten liegt bei 35.000.

Am 27. Oktober gab US-Vizeadmiral Kevin Donegan auf einer Militärbasis in Südwestasien bekannt, dass die USA und ihre Verbündeten seit April 2015 vier Schiffe mit iranischen Waffenladungen auf dem Weg nach Jemen gestoppt hätten. "Wir wissen, dass sie aus Iran kamen, und wir kennen ihr Fahrtziel." Bei den Landungen habe es sich um Maschinengewehre, Panzerabwehrraketen, Schützengewehre und andere Ausrüstungsteile gehandelt. Die Angaben beruhten auf GPS-Daten aufgebrachter Schiffe und Befragungen der Besatzungsmitglieder.

Gegen Donegans Äußerung nahm abermals Ghassemi Stellung. "Solche unbegründeten Behauptungen werden vorgebracht, obwohl weltweit Menschenrechtsorganisationen die Waffenproduzenten kritisieren, die mit Leben und Tod Geschäfte machen und ihre mörderischen Waffen an Saudi-Arabien verkaufen." Weiter sagte er: "Täglich werden die aus den USA stammenden mörderischen Waffen durch Saudi-Arabien und seine Verbündeten gegen wehrlose Zivilisten, Schulen, Krankenhäuser, Gefängnisse und Wohnhäuser eingesetzt. Dafür gibt es keine andere Bezeichnung als Kriegsverbrechen."


EU UND IRAN WOLLEN MENSCHENRECHTSDIALOG WIEDERAUFNEHMEN

Vizeaußenminister Madschid Tachtrawantschi sagte am 24. Oktober, in zwei, drei Wochen werde eine Delegation, bestehend aus Vertretern des Außenministeriums und der Justiz, zu Gesprächen mit der Europäischen Union über Menschenrechte nach Brüssel reisen. Die Teilnehmer hätten den Rang von Staatssekretären. Ziel der Gespräche sei "die schrittweise Aufhebung der Sanktionen, die die EU gegen Iran wegen der Verletzung von Menschenrechten verhängt haben".

Bereits vor wenigen Monaten hatte der Beauftragte der Justiz für Menschenrechte, Mohammad Dschawad Laridschani, gesagt, er habe dem Außenministerium und dem Nationalen Sicherheitsrat empfohlen, die Gespräche mit der EU wiederaufzunehmen.

Die Gespräche zwischen Iran und der EU hatten während der Präsidentschaft von Mohammad Chatami begonnen. Es hat seither vier Gespräche gegeben, bei denen die Europäer die Lage der Menschenrechte in Iran, und umgekehrt die Iraner die Lage der Menschenrechte in der EU kritisierten. Mit der Amtsübernahme seines Nachfolgers, Mahmud Ahmadinedschad, wurden die Gespräche eingestellt. Erst nach der Beilegung des Atomkonflikts und dem erfolgreichen Abkommen äußerten beide Seiten nun wieder den Wunsch nach Wiederaufnahme der Gespräche.

Tachtrawantschi bezeichnete die geplanten Gespräche als "hochrangige politische Dialoge", bei denen neben den regionalen, politischen und wirtschaftlichen Problemen, und Fragen der Umwelt, auch über Menschenrechte diskutiert werde.

Am 29. Oktober erklärte Präsident Rohani bei einem Treffen mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini in Teheran: "Iran ist bereit, bei dem Bemühen um die Entwicklung der Menschenrechte in den Staaten der Region mit Europa eng zusammenzuarbeiten." Während Rohani die Zusammenarbeit mit der EU begrüßte, ist die Kritik an der Menschenrechtslage in Iran in Europa weit verbreitet.

Bei ihrem eintägigen Besuch in Iran tauschte sich Mogherini mit Rohani auch über Probleme der Region wie dem Syrien-Konflikt sowie über den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Iran und der EU aus. Sie betonte, dass die EU die schrittweise Umsetzung des Atomabkommens sehr ernst nehme und verwies darauf, dass der Handel zwischen der EU und der Islamischen Republik seit dem Abkommen um 42 Prozent zugenommen habe.

Über die Lage der Menschenrechte in der Region sagte Rohani, es gebe Länder, denen noch die Erfahrungen einer Zivilgesellschaft und Wahlen fehlten und die im Namen des Islam ihren Völkern Einschränkungen aufzwingen würden, die zu den Menschen- und Bürgerrechten im Widerspruch stünden. Zum Konflikt in Syrien sagte Rohani, falls die EU nicht gewillt sei, durch militärische Präsenz zur Lösung der syrischen Krise beizutragen, sollte sie wenigsten politisch auf jene Druck auszuüben, die terroristische Organisationen unterstützten. Aus der Sicht der Islamischen Republik lasse sich die Krise in Syrien durch "Sicherheit, den Kampf gegen Terrorismus, die Bewahrung der Einheit des Landes und den Aufbau der Zukunft aufgrund der Entscheidung des syrischen Volkes" bewältigen.

Mogherini traf sich auch mit Außenminister Mohammad Dschawad Sarif.

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Autor: Bahman Nirumand
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15. Jahrgang

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Iran-Report Nr. 11/2016 - November 2016 / 15. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. November 2016

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