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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/318: Iran-Report Nr. 5 - Mai 2014


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 5 - Mai 2014
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand



Mit der Wahl Hassan Rohanis zum iranischen Präsidenten und dessen Amtsantritt am 3. August 2013 wurde in der iranischen Politik ein bedeutender Wandel eingeleitet. Besonders augenfällig ist dies im Kurswechsel der Atompolitik. Die Öffnung der iranischen Politik nach außen und die Ankündigung innenpolitischer Reformen werden im Land von den konservativen Kräften heftig bekämpft. Der Widerstand lässt Rohani und seiner Regierung wenig Spielraum.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Rohani: Priorität für Wirtschaft und Außenpolitik
• Chamenei: "Gesunde Familie ist wichtiger als Berufstätigkeit von Frauen"
• Dschannati warnt vor Machtzuwachs der Reformer
• Verhältnis der Militärs zur Regierung Rohani
• Prozesse gegen Dissidenten im Ausland
• Ein Ayatollah setzt sich für die Bahai in Iran ein
• Früherer Vorsitzender der jüdischen Gemeinde gestorben
• Entführte Grenzsoldaten freigelassen
• Brutale Folterung im Eviner Gefängnis
• Weniger Frauen sollen zum Medizinstudium zugelassen werden


ROHANI: PRIORITÄT FÜR WIRTSCHAFT UND AUßENPOLITIK

Bei einem Treffen mit Kabinettsmitgliedern und Staatssekretären am 29. März sagte Präsident Hassan Rohani zur Lage der Wirtschaft, seine Regierung sei immer noch dabei, "die Trümmer der vergangenen acht Jahre" aufzuräumen und "Stabilität und Ruhe" in der Wirtschaft herzustellen. Die Menschen im Land seien inzwischen zuversichtlich, dass die Regierung keine "übereilten und unlogischen Beschlüsse" fasse. Seine Regierung habe erst einmal das Schwergewicht ihrer Arbeit auf die Wirtschaft und die Außenpolitik gelegt, sagte der Präsident.

Als Rohani die Regierung übernahm, lag die Inflationsrate bei über 40 Prozent. Misswirtschaft und Korruption in der achtjährigen Regierungszeit von Mahmud Ahmadinedschad und die Folgen der konfrontativen Außenpolitik, die zu weiteren Sanktionen geführt hatte, haben das Land in eine schwere Wirtschaftskrise geführt. Rohani erklärte: "Wir versprechen, bis Ende des Jahres (März 2015) die Inflationsrate auf 25 Prozent zu senken. Die Zahl der Arbeitslosen habe bereits geringfügig abgenommen, "wir haben noch einen langen Weg vor uns; da müssen wir alle miteinander zupacken".

Zur Außenpolitik der Vorgängerregierung sagte Rohani: "Man kann mit einer Rede oder einer Erklärung eine langjährige Freundschaft zerstören, aber es braucht eine lange Zeit, um zerstörtes Vertrauen wiederzugewinnen." Dies gelte auch für die Wirtschaft. Ohne der Regierung und den Verhältnissen zu vertrauen, werde es keine Investitionen und kein Wachstum der Wirtschaft geben.

"Wir haben in der Außenpolitik große Erfolge erzielt", sagte Rohani laut der Agentur ISNA vom 5. April. "Aber da wir noch am Anfang des Weges stehen, möchte ich nicht zuviel darüber sprechen. Erst wenn wir am Ende des Weges gelangt sind, werde ich darüber berichten; dann werden wohl viele wegen ihrer Äußerungen und Handlungen beschämt dastehen."

Zugleich zeigte sich Rohani besorgt, dass das Bemühen der Regierung, die Wirtschaft anzukurbeln, nach einigen Monaten durch Intrigen zunichte gemacht werden könnte. Seine Regierung sei bemüht, bis zum Jahresende die Inflationsrate auf 25 Prozent zu senken. "Wir könnten sogar noch mehr erreichen, wenn die Wirtschaft in Gang kommt und wir ernsthaft eine Politik der Verständigung und Konsensbereitschaft mit der Außenwelt verfolgen", sagte Rohani. "Wir brauchen die Einheit, nichts ist wichtiger als die Einheit und nichts zerstörerischer als Zwietracht."

Laut der Tageszeitung Schargh vom 6. April beschwerte sich Rohani über die wiederholten Versuche, der Regierung Steine in den Weg zu legen. "Dass einige täglich von morgens bis abends unter dem Vorwand, Kritik zu üben, die Arbeit der Regierung zu torpedieren versuchen, zeigt, dass wir eine freie Atmosphäre haben. Allerdings sind Zerstörung und unmoralisches Verhalten nicht lobenswert. Freiheit ist schön. Aber wir sollten sie positiv nutzen", sagte der Präsident.


CHAMENEI: "GESUNDE FAMILIE IST WICHTIGER ALS BERUFSTÄTIGKEIT VON FRAUEN"

Vor einer Versammlung von Frauen erklärte Revolutionsführer Ali Chamenei am 19. April zum iranischen Frauentag: "Nicht die berufliche Tätigkeit ist das Hauptproblem der Frauen, die Familie hat Priorität". Es müsse ein zentrales Forschungszentrum damit beauftragt werden, um Richtlinien für Frauen auszuarbeiten. "Diese müssen frei sein vom westlichen Gedankengut über berufliche Tätigkeit und Gleichheit der Geschlechter, das Verrat im Sinn hat, aber Fürsorglichkeit vortäuscht."

Chamenei hat auch in den vergangenen Jahren immer wieder die Bedeutung der Familie hervorgehoben, für mehr Kinder geworben und zum Nachdenken über Frauen im Beruf aufgefordert. Seinem Wunsch gemäß haben Regierung und Parlament entsprechende Gesetze wie eine Verlängerung des Schwangerschaftsurlaubs, Geschlechtertrennung an manchen Universitäten oder den Ausschluss von Frauen aus bestimmten Studienfächern beschlossen.

Chamenei bezeichnete die westliche Auffassung von der Gleichheit der Geschlechter als "absoluten Fehler" und sagte: "Es ist keine Schande, wenn Frauen manche Tätigkeiten nicht übernehmen. Falsch ist es aber, von Frauen Tätigkeiten zu verlangen, die ihrer Natur widersprechen."

Indes erklärte der stellvertretender Leiter des Sozialamts, Mohammad Hassansadeh, einer Meldung der Agentur "Mehr" zufolge, dass ein Drittel der berufstätigen Frauen, die Schwangerschaftsurlaub nehmen, ihre Arbeitsstelle verlieren. Eine über 18 Monate durchgeführte Studie zeige, dass 47.000 von 145.000 Frauen, die von dem ihnen zustehenden Mutterschaftsurlaub Gebrauch machen, nach ihrer Rückkehr von den Arbeitgebern entlassen worden seien. Sollte der Mutterschaftsschutz auf neun Monate verlängert werden, sei zu befürchten, dass weit mehr Frauen ihre Arbeitsstelle verlieren werden. Das Gesetz zur Verlängerung des Sonderurlaubs aufgrund von Schwangerschaft um drei Monate wurde in den letzten Monaten der Regierung Ahmadinedschad verabschiedet. Die neue Regierung versucht, dieses Gesetz rückgängig zu machen.

Ziel der Verlängerung war die Erhöhung der Geburtenrate, die sowohl von Ahmadinedschad als auch von Chamenei forciert wurde. Beide sorgten auch dafür, dass die vor Jahren beschlossene Geburtenkontrolle wieder ausgesetzt wurde.

Mehr Rechte für Frauen forderte indes Präsident Rohani zum Frauentag im Iran am 19. April vor einer Versammlung von Elitefrauen. "Die ungleiche Behandlung und die Gewalt gegen Frauen müssen aufhören", sagte Rohani. Er beklagte Mängel bei der Verteidigung der Rechte der Frauen. Als gleichberechtigte Hälfte der Gesellschaft dürften Frauen nicht an den Rand gedrängt werden, forderte der Präsident. Es gäbe keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Kein Geschlecht sei dem anderen überlegen. Allerdings sei die westliche Sichtweise kein Vorbild für Iran.


DSCHANNATI WARNT VOR MACHTZUWACHS DER REFORMER

Der Vorsitzende des mächtigen Wächterrats, Ahmad Dschannati, warnte der Agentur IRNA vom 30. März zufolge vor einem Machtzuwachs der Reformer. Vor einer Versammlung von Wahlbeobachtern des Wächterrats in der im Nordosten liegenden Stadt Maschhad sagte der ultrakonservative Geistliche: "Heute haben einige (Reformer) bereits die erste Festung (Regierung) erobert." Ihr nächstes Ziel sei die Eroberung des Expertenrats. "Sie haben Geld und manche von ihnen sitzen im Zentrum der Macht und verfolgen ihre verderblichen Ziele. Wir müssen wachsam sein."

Die Expertenversammlung besteht ausschließlich aus Geistlichen. Sie ist die einzige Instanz, die dazu befugt ist, den Revolutionsführer abzusetzen bzw. zu wählen. Die Mitglieder werden direkt vom Volk gewählt. Die nächsten Wahlen sind erst in zwei Jahren.

In Anbetracht der drohenden Gefahr habe der Wächterrat schwere Aufgaben vor sich, sagte Dschannati. Zu den Aufgaben des Wächterrats gehört die Entscheidung über die Kompetenz der Bewerber um einen Sitz im Expertenrat oder im Parlament. Das gilt auch für die Bewerber um das Amt des Staatspräsidenten. Mit anderen Worten, der Wächterrat ist die Instanz, die eine Vorauswahl vornimmt, bevor das Volk wählt. Bei den Wahlen stellt der Wächterrat 3.000 bis 4.000 Wahlbeobachter, die neben den Beauftragten des Innenministeriums die Wahlen kontrollieren und die Stimmen zählen. Auch hierdurch nimmt der Wächterrat großen Einfluss auf die Wahlen.

"Die Wahlbeobachter müssen versuchen, die Wahlen gut über die Runden zu bringen", sagte Dschannati; dies müsse so gut geschehen, dass "mögliche Manipulationsvorwürfe unglaubwürdig werden".


VERHÄLTNIS DER MILITÄRS ZUR REGIERUNG ROHANI

Das Verhältnis der Militärs, insbesondere das der Revolutionsgarde (Pasdaran) zur jeweiligen Regierung ist in der Islamischen Republik für das Durchsetzungsvermögen der Regierenden von ausschlaggebender Bedeutung. Solange zum Beispiel die Revolutionsgarde hinter der Regierung Ahmadinedschad stand, konnte der Vorgänger Rohanis seine Ziele durchsetzen. Die Regierung begann zu schwächeln, als die Militärs zu ihr auf Distanz gingen.

Das Verhältnis von Rohani zur Revolutionsgarde scheint alles andere als einfach zu sein. Bereits bei in den ersten Wochen nach der Amtsübernahme Rohanis zeichnete sich ab, dass die ernormen Privilegien, die die Revolutionsgarde unter der Vorgängerregierung genossen, eingeschränkt werden würden. Die Pasdaran verfügten in der Zeit der Regierung Ahmadinedschad nicht nur militärisch und politisch über einen großen Einfluss, sie hatte sich auch ökonomisch zum größten Unternehmen im Land entwickelt.

Nach der Wahl Rohanis nahmen die Pasdaran zunächst eine abwartende Stellung ein und bekundeten ihre uneingeschränkte Loyalität gegenüber dem Revolutionsführer. Dieselbe Position nahm auch die Regierung ein. Sie machte jedoch keinen Hehl daraus, dass sie eine Konzentration der Pasdaran auf militärische Aufgaben wünscht, was bedeutet, dass sie eine politische Einmischung oder ein zu starkes wirtschaftliches Engagement der Pasdaran ablehnt.

Nach nunmehr knapp einem Jahr des gegenseitigen Abtastens, versuchen beide Seiten ihre Bedingungen für die Art ihrer Zusammenarbeit zu formulieren. Dazu lieferte Revolutionsführer Ali Chamenei den Pasdaran ein willkommenes Stichwort. Er sagte vor kurzem, Iran müsse wirtschaftlich unabhängiger werden, auch unabhängiger von den Öleinnahmen, und dazu brauche man eine "Wirtschaft des Widerstands".

Nun sagte der Oberkommandierende der Pasdaran, General Mohammad Ali Dschafari, laut Medien am 28. März, die Pasdaran seien bereit, bei dem Aufbau einer Wirtschaft des Widerstands der Regierung zu helfen. "Aber die Regierung muss uns dazu auffordern." Die Pasdaran hätten "ein großes Potential", um in verschiedenen Wirtschaftsbereichen eine entscheidende Rolle zu spielen und dabei eine "Kultur der Widerstandswirtschaft" zu etablieren. Im Bereich der Kultur seien die Pasdaran seit Jahren aktiv. Diese müssten nun planmäßig "vertieft" werden, sagte Dschafari.

Bei einem Vortrag in Teheran am 14. April beklagte sich der General über die Wirtschafts-und Kulturpolitik der Regierung Rohani. "Bedauerlicherweise hat die Regierung auf die Vorschläge und Angebote der Pasdaran und der Milizenorganisation Basidsch nicht positiv reagiert", sagte Dschafari. Zudem warnte er vor drohenden Gefahren eines "samtenen Kulturkriegs", die seiner Ansicht nach manche Verantwortliche der Regierung übersehen. "Die kulturellen Angriffe unserer Feinde und die damit verbundenen Gefahren und Bedrohungen werden von Verantwortlichen der Exekutive sowie von der Gesellschaft insgesamt ignoriert. Es gehört zu den Pflichten der Pasdaran und der Basidschies, die Sensibilität für diese Gefahren zu wecken", sagte der General. Gerade jetzt, wo Iran bei den Atomverhandlungen seine nationale Macht stärken müsse, sei das Engagement für diese Fragen besonders notwendig.

Am Vortag, dem 13. April, hatte sich auch der Vizeoberkommandierende der iranischen Streitkräfte, General Masud Dschasajeri, laut Medien im Rahmen eines Vortrags in Teheran an die USA gerichtet: "Die iranische Streitkräfte werden keine Vereinbarung (im Atomkonflikt) akzeptieren, die von unseren Grundsätzen abweicht." Die USA versuchten, die Islamische Republik als eine "müde und niedergekniete Macht" darzustellen, fuhr Dschasajeri fort und betonte die Notwendigkeit des "Kampfes gegen die USA". Bei diesem Kampf gehe es um einen "Kampf zwischen der Gerechtigkeit und dem Teufel".

Dschafari hatte vor zwei Monaten gesagt, er wolle in der sensiblen Lage, in der Iran an der Fortsetzung der Atomverhandlungen interessiert sei, mit seiner Kritik keinen Vorwand liefern und ziehe es daher vor, "mit einem Kloß im Hals" zu schweigen.

Am 19. April erklärte der Oberkommandierende für die Landstreitkräfte der Pasdaran, General Mohammad Pakpur, die Pasdaran fühlten sich verpflichtet, sich in die Front gegen Feinde der Revolution und der islamischen Staatsordnung einzureihen. Dies bedeute, dass die "Pasdaran zu hundert Prozent politisch sind, aber keiner Partei angehören". Die Pasdaran werden gegen alle, die "von der Linie Imam Chomeini und des Revolutionsführers abweichen", Stellung nehmen. Sie werden "niemals gegenüber Angelegenheiten, die die Revolution und das Schicksal der Menschen betreffen, neutral bleiben".

Damit bestätigte der General eindeutig jene Kritiker, die der Pasdaran Einmischung in die Politik vorwerfen und eine Neutralität der Militärs bei politischen Auseinandersetzungen verlangen. Diese Kritik wurde bei den Vorgängen um die Präsidentenwahl 2009 besonders laut. Damals haben die Pasdaran bei der brutalen Niederschlagung der Opposition eine entscheidende Rolle gespielt.

Paragraph 2 der Satzung der Pasdaran zählt zu den Aufgaben der Organisation den "legalen Kampf gegen Elemente und Gruppen, die das Ziel haben, die Islamische Republik zu unterhöhlen oder sie zu stürzen." Ausgehend von dieser Satzung fühlen sich die Pasdaran verpflichtet, sich in die Politik einzumischen. Sie verfügen über eigene Geheim-und Informationsdienste sowie über eigene Gefängnisse. Auch die Ausbildung der Mitglieder der Milizenorganisation der Basidschi, die der Pasdaran untersteht, gehört zu den Aufgaben der Garden.

Am 21. April nahm General Dschafari noch einmal zum Verhältnis der Pasdaran zu der Regierung Stellung und sagte auf einer Pressekonferenz in Teheran: "Wenn die Regierungen die Werte der Islamischen Republik achten, wird es zwischen ihnen und den Pasdaran keine Konflikte geben." Für die Pasdaran gäbe es keinen Grund, die Zusammenarbeit mit der Regierung abzulehnen. "Doch die Sichtweise der Regierungen sind unterschiedlich. Es ist möglich, dass Widersprüche zwischen ihnen und der Bevölkerung entstehen, in der Politik, in der Kultur und den Dienstleistungen." Bei solchen Gelegenheiten würden sich die Pasdaran einmischen, um ihrer Pflicht nachzukommen und die Revolution und ihre Werte zu verteidigen." Dabei könne der Eindruck entstehen, dass die Pasdaran sich der Regierung widersetzen wollten. "So ist es aber nicht", sagte Dschafari.

Neben den Pasdaran meldeten sich auch die regulären Streitkräfte zu Wort. Am 21. April warnte der Kommandant der Bodenstreitkräfte, General Ahmad Resa Purdastan, vor einer Versammlung ausländischer Militärattaches, sollten die Mitgliederstaaten der Gruppe 5+1 (ständige Vertreter des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland, die im Atomkonflikt mit Iran verhandeln), die in Genf beschlossenen Vereinbarungen nicht einhalten, werde Iran nicht auf die Fortsetzung der Verhandlungen drängen und so rasch wie möglich die Entwicklung seines Atomprogramms vorantreiben. Iran werde die im Genfer Vertrag festgelegten Verpflichtungen aus religiösen und nationalen Gründen einhalten und damit beweisen, dass es "eine Welt ohne Gewalt" anstrebt. "Die iranischen Streitkräfte sind davon überzeugt, dass sie mit ihren modernen und selbst produzierten Waffen in der Lage sind, jeden Angriff zurückzuschlagen. Dafür brauchen sie keine Atomwaffen", sagte General Purdastan.

Am 19. April forderte Präsident Rohani bei einer Rede vor Polizeioffizieren, die Polizei auf, bei der Durchsetzung der auf Anordnung des Revolutionsführers geplanten "Wirtschaft des Widerstands" aktiv mitzuhelfen, berichtete die Agentur IRNA. "Die Wirtschaft des Widerstands und die damit verbundene Kultur des Widerstands benötigt die Hilfe der Ordnungskräfte", sagte Rohani. "Denn solange die Schmuggelwirtschaf t existiert, lässt sich die Widerstandswirtschaft nicht durchsetzen. Sie müsse die Regierung unterstützen, damit die Politik, die der Revolutionsführer angeordnet hat, durchgesetzt werden kann."

Es war das erste Mal, dass Rohani Teile der bewaffneten Ordnungskräfte um Hilfe bat. Ob diese Aufforderung, die nicht an die Pasdaran, sondern an die Ordnungskräfte gerichtet war, als Reaktion auf die Äußerungen General Dschafaris gemeint war, bleibt offen.


PROZESSE GEGEN DISSIDENTEN IM AUSLAND

Justizsprecher Gholamhossein Ejehi sagte auf einer Pressekonferenz am 14. April: "Manche Personen, die an der Verschwörung von 2009 (Proteste gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads) beteiligt waren und danach ins Ausland geflüchtet sind, wurden im Januar in Abwesenheit verurteilt." Sollten diese Personen oder ihre Anwälte nicht erreichbar sein, werde man ihnen das Urteil "auf anderen Wegen" mitteilen.

Die Äußerung der Justizsprecher wirft einige Rätsel auf. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die angeblichen Prozesse erst nach mehr als vier Jahren stattgefunden haben. Zweitens ist es nicht klar, um welche Personen es sich handelt. Denn es gibt mehrere zehntausend Personen, die an den Protesten teilgenommen hatten und danach geflüchtet sind. Schließlich entsteht die Frage, wie diese Äußerung mit den Aussagen des Informationsministers, Mahmud Alawi, in Einklang zu bringen ist, der vor kurzem im Bezug auf die Rückkehr von Oppositionellen aus dem Ausland erklärt hatte, niemand, der bei den Ereignissen von 2009 keine Straftat begangen habe, solle sich vor der Rückkehr in die Heimat fürchten. "Wir garantieren, dass keiner der Geflüchteten Schwierigkeiten bekommen wird", sagte Alawi.

Im selben Zusammenhang erklärte der parlamentarische Staatssekretär im Außenministerium, Hassan Ghaschghawi, auf Anordnung des Präsidenten Rohani sei ein Komitee für die Rückkehr politisch aktiver Iraner im Ausland gebildet worden. In diesem Komitee seien einige Ministerien, darunter das Informationsministerium vertreten.


EIN AYATOLLAH SETZT SICH FÜR DIE BAHAI IN IRAN EIN

Einem Bericht der Berliner Bahai-Vertretung vom 25. April zufolge teilte der iranische Geistliche Ayatollah Abdol-HamidMasoumi-Tehrani seine Wertschätzung für die Bahai in und außerhalb Irans mit. Der auch als Kalligraph bekannte Geistliche machte Anfang April auf seiner Webseite öffentlich, dass er allen Bahai der Welt, besonders aber den Bahai in der Islamischen Republik Iran, die "auf so vielfältige Weise unter blinden religiösen Vorurteilen gelitten haben", von ihm illustrierte Verse aus den Schriften des Religionsstifters Baha u llah übergeben habe.

Die Herstellung und Überreichung des Geschenkes von Ayatollah Tehrani erfolgt unter großem persönlichem Risiko. In einer persönlichen Stellungnahme zeichnet er ein düsteres Bild der iranischen Gesellschaft und ruft zu religiöser Toleranz auf. Mit seinem Aufruf, "diejenigen zurückzuweisen, die durch ihren Wohlstand, ihre Macht und ihre Täuschung darauf abzielen", die Menschen in Iran "auf verschiedene Weise zu Feinden zu machen und sie dazu verleiten, das Eigentum, Leben und die Würde des anderen zu verletzen", mahnt er seine Mitbürger, alte Denkmuster zu durchbrechen.


FRÜHERER VORSITZENDER DER JÜDISCHEN GEMEINDE GESTORBEN

Jussef Hamedani Kohan, langjähriger Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Iran, starb am 29. März im Alter von 100 Jahren, meldeten iranische Medien. Am 30. März wurde er in Teheran beigesetzt. 1994 hatte er den Vorsitz der Gemeinde übernommen, musste jedoch 2007 wegen seines hohen Alters und seines Alzheimerleidens sein Amt aufgeben.

Kohan gehörte zu den Kritikern der israelischen Politik und hatte gute Beziehungen zur iranischen Führung. Wie die Agentur Fars berichtet, wurde er 2003 vom damaligen Staatspräsidenten Mohammad Chatami zu einem längeren Gespräch empfangen.

2006 überreichte ihm der damalige Präsident Mahmud Ahmadinedschad bei einer Feier zur Würdigung der iranischen Gottesgläubigen (Muslime, Christen und Juden), die als Märtyrer gestorben sind, eine Auszeichnung.

Nach dem Rücktritt Kohans wurde die jüdische Gemeinde von Mschallah Golestaninejad geführt.


ENTFÜHRTE GRENZSOLDATEN FREIGELASSEN

Der Agentur Fars zufolge wurden vier der nach Pakistan entführten Grenzbeamten am 4. April wieder freigelassen. Der fünfte Beamte war eine Woche zuvor von den Kidnappern ermordet worden. Die Entführer gehören einer Terrorgruppe an, die sich "Jaish-ul-Adl-Bewegung" nennt. Ihr Ziel ist nach eigenen Angaben, die Verteidigung der Rechte der sunnitischen Minderheit in Iran. Die Gruppe hatte bereits mehrmals Anschläge verübt und Menschen entführt. Im vergangenen Oktober übernahm sie die Verantwortung für den Tod von zehn Grenzpolizisten.

Die fünf Grenzbeamten waren am 5. Februar über die Grenze nach Pakistan verschleppt worden. Am 23. März gaben die Entführer bekannt, dass sie einen der Beamten mit Namen Dschamschid Danaifar getötet hätten. Sie stellten ein Ultimatum, am 2. April einen weiteren Beamten zu töten, sollten ihre Forderungen bis dahin nicht erfüllt werden. Sie verlangten die Freilassung 50 ihrer Mitglieder und die Freilassung von 200 Sunniten, die sich in iranischer Haft befinden. Ferner sollten 50 sunnitische Frauen freigelassen werden, die angeblich in Syrien von iranischen Revolutionsgarden in Haft genommen worden waren.

Indes bemühten sich sowohl die iranische als auch die pakistanische Regierung um die Freilassung der Geiseln. Am 2. April erklärten die Entführer, sie würden keine weiteren Hinrichtungen vornehmen, so lange wie die Verhandlungen andauerten.

Widersprüchliche Nachrichten machten die Runde, bis schließlich am 4. April die Agentur Fars unter Berufung auf einen ranghohen Politiker meldete, dass die Beamten freigelassen worden seien. Am 6. April berichteten iranische Medien, dass die vier entführten Beamten in Iran angekommen sind.

Die Frau des getöteten Beamten ersuchte bei internationalen Institutionen Hilfe. Sie wolle endlich Klarheit darüber haben, ob ihr Mann tot oder lebendig sei und wo er sich befinde. Zwar hatten die Entführer seinen Tod bekannt gegeben, sie waren jedoch nicht bereit, den iranischen Verhandlungsführern seinen Leichnam zu übergeben. Offiziell erklärte die iranische Regierung, sie könne den Tod noch nicht bestätigen. Präsident Rohani forderte alle Beteiligten auf, das Schicksal des 37-Jährigen Beamten aufzuklären. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte in einer Stellungnahme sein "Entsetzen" über den Mord und bekundete seine Anteilnahme am Leid des iranischen Volkes.

Die Grenze zwischen Iran und Pakistan sowie die zwischen Iran und Afghanistan ist durchlässig und damit günstig für Drogenschmuggler und Terrorbanden. Ahmad Gerawand, Vizekommandant der Grenzpolizei der Provinz Sistan-Belutschistan sagte der Agentur "Mehr" am 31. März, dass 300 Kilometer der 1.600 Kilometer langen Grenze nicht unter Kontrolle seien. Er forderte die Regierung auf, mehr Mittel für die Grenzüberwachung bereitzustellen. "Unser Problem besteht darin, dass weder Pakistan noch Afghanistan ihre Grenzen unter Kontrolle haben. Daher werden die Grenzen nur von uns, auf iranischer Seite kontrolliert", sagte der General. Damit hätten Terroristen die Möglichkeit, von jenseits der Grenzen auf iranische Grenzbeamte zu schießen.


BRUTALE FOLTERUNG IM EVINER GEFÄNGNIS

In einem Interview mit dem persischsprachigen Programm der BBC sagte Masumeh Dehghan, die Ehefrau des populären Anwalts Abdolfattah Soltani, der sich im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis befindet: "Wir haben Kenntnis darüber, dass Sicherheitsbeamte am Abend des 17. April den Trakt 350 im Eviner Gefängnis gestürmt und die Gefangenen brutal zusammengeschlagen haben."

Berichte, die unabhängige Internetdienste am 18. April veröffentlichten, besagen, dass mindestens 30 Gefangene Verletzungen erlitten haben. Vier der Gefangen sollen schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert worden sein.

Der Direktor iranischer Gefängnisse, Gholamhossein Esmaili sowie Sohrab Soleimani, Direktor der Teheraner Gefängnisse, dementierten übereinstimmend die Berichte. Niemand sei misshandelt worden, erklärten sie. Es habe sich nur um eine normale Kontrolle gehandelt.

Angehörige der Gefangenen zeigten sich "äußerst besorgt" über das Befinden der Häftlinge. Atefeh Kholfi, Frau des bekannten Reformers Hassan Assadi Seidabadi, sagte der BBC, Angehörige seien sehr beunruhigt. Die Ungewissheit über den Zustand der Gefangenen sei unerträglich. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zeigte sich ebenfalls besorgt. Sie forderte eine rasche Aufklärung über den Vorfall.

Am 21. April sagte Esmaili der Agentur "Mehr", der "Initiator zur Weitergabe der Nachrichten an feindliche Medien", sei ermittelt worden. Diese Berichte seien nichts als Lügen. Es habe keinen Vorfall gegeben. Dies könnten auch die Angehörigen bestätigen, die die Gefangenen besucht hätten.

Der Sprecher des Ausschusses für nationale Sicherheit, Hossein Taghawi Hosseini, gab bekannt, dass Esmaili zur Berichterstattung in den Ausschuss eingeladen worden sei. Dieser habe ihm gegenüber erklärt, an dem besagten Tag hätten andere Personen als die regulären Sicherheitsbeamten des Gefängnisses den Trakt kontrolliert.

Doch am nächsten Tag dementierte Esmaili im Gespräch mit der Agentur Tasnim: "Allmählich wissen wir nicht mehr, welche Lügen wir wieder dementieren müssen", sagte er.

Justizminister Mostafa Purmohammdi bestätigte, dass tatsächlich eine Kontrolle stattgefunden habe, fügte jedoch hinzu: "Dabei haben ein oder zwei Gefangene leichte Verletzungen erlitten." Tägliche Kontrollen in den Gefängnissen seien üblich. Bei einer dieser Kontrollen hätten die Gefangenen Widerstand geleistet, zu Auseinandersetzungen geführt habe.

28 Gefangene schickten am 20. April ein Schreiben an Präsident Rohani, in dem sie ihm mitteilten, dass Sicherheitsbeamte Kameras und andere Ausrüstungen dabei gehabt hätten. Es seien auch zivile Beamte dabei gewesen. Diese hätten besonders brutal zugeschlagen.

Am 21. April wurde jeweils einem Angehörigen ein fünfminütiger Familienbesuch erlaubt. Sie teilten nach dem Besuch mit, dass einige Gefangene sich im Hungerstreik befänden. Alle bestätigten, dass sie Spuren beobachtet haben, die eindeutig brutale Misshandlungen bestätigen. Die Schwester von Mohammad Schodjai berichtete der BBC, das Gesicht ihres Bruders sei stark geschwollen gewesen. "Er wurde in Ketten gelegt, seine Augen wurden zugebunden, dann wurde er mit Knüppeln zusammenges chlagen." Ähnlich berichteten andere Verwandte. "So werden nicht einmal Kriegsgefangene behandelt", sagte die Mutter eines Gefangenen.

Am 22. April versammelten sich rund 150 Angehörige zu einer Protestkundgebung vor dem Amtssitz des Staatspräsidenten. Aus ihren Reihen wurden fünf Personen delegiert, um die Forderungen der Versammelten schriftlich dem Amt zu überreichen. Am 23. April erklärte Regierungssprecher Mohammad Bagher Nobacht vor der Presse in Teheran, die Regierung habe eine "Expertengruppe" beauftragt, die Vorgänge im Gefängnis zu untersuchen. Die Ergebnisse der Untersuchung würden öffentlich bekannt gegeben. Nobacht betonte die "Pflicht" des Präsidenten und seiner Regierung, "die Rechte der Bürger" zu schützen.

Am selben Tag wurde auf Anordnung des Justizchefs, Sadegh Laridschani, der für die Gefängnisse verantwortliche Esmaili versetzt. Seinen Posten übernahm Ali Asghar Dschahangir, einer der Berater des Justizchefs. Esmaili sagte der Presse, die Versetzung sei bereits vor vier Monaten beschlossen worden. Sie habe mit dem Vorfall im Gefängnis nichts zu tun. Auch Justizsprecher Gholamhossein Ejehi erklärte, bereits vor "40, 50 Tagen" sei über die Versetzung Esmailis entschieden worden. Er warf "manchen inländischen Medien" vor, im Einklang mit ausländischen Medien die Stimmung gegen die Islamische Republik anzuheizen und damit den "Verschwörern" in die Hände zu Spielen.


WENIGER FRAUEN SOLLEN ZUM MEDIZINSTUDIUM ZUGELASSEN WERDEN

Für Konservative ist es bereits seit Jahren ein Problem, dass an iranischen Universitäten mehr Frauen studieren als Männer. Kritiker meinen, dass viele graduierte Frauen in vielen Bereichen nicht eingesetzt werden können. Zudem bilde die hohe Zahl von Akademikerinnen ein Problem für die Familiengründung. Die meisten Männer seien nicht bereit, Frauen zu heiraten, die eine höhere Ausbildung haben als sie. Vorschläge wie etwa die Einführung einer Männerquote wurden heiß diskutiert. Im vergangenen Jahr wurde an 36 Universitäten beschlossen, keine Frauen mehr aufzunehmen. Ferner wurde das Studium für Frauen in bestimmten technischen Fächern ausgeschlossen.

Nach offiziellen Angaben liegt das Verhältnis zwischen studierenden Frauen und Männern bei 60 zu 40 Prozent. Nun hat die Zahl der Medizinstudentinnen weiter zugenommen. Gegenwärtig sind über 70 Prozent der Studierenden in diesem Fachbereich Frauen.

Gleichzeitig gibt es einen Mangel an männlichen Ärzten. Nun will das Gesundheitsministerium aus diesem Umstand Konsequenzen ziehen. Vizeminister Amir Hossein Siai sagte der Tageszeitung Schargh, das Ministerium wolle die Quote der Frauen senken. Denn in abgelegenen Dörfern, wo keine Frauen arbeiten würden, herrsche ein akuter Ärztemangel.

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KULTUR

• Warnung vor Filmen und Büchern • Verlegerin Lahidschi: "Nichts hat sich geändert"
• Die erste Übersetzung des Buchs der Könige in Paschtu


WARNUNG VOR FILMEN UND BÜCHERN

Reza Moghaddam, der für Kulturangelegenheiten zuständige Vizekommandant der Revolutionsgarde, warnte der Agentur "Mehr" vom 30. März zufolge vor drohenden Gefahren durch Filme und Bücher, die seiner Meinung nach "am besten geeignet sind zur Einflussnahme durch Feinde". "Wenn wir nicht aufpassen, werden die Feinde alle Schlupflöcher nutzen, die Filme; Bücher und Medien bieten, um Einfluss zu nehmen", sagte Moghaddam. "Wir müssen alle Schlupflöcher stopfen." Weiter sagte er: "Genau so wie wir Maßnahmen treffen, um zu verhindern, dass Viren in den menschlichen Körper gelangen und die Gesundheit gefährden, genauso müssen wir verhindern, dass Geist und Seele der Menschen infiziert werden."

Es sei jetzt dringend nötig, den Verantwortlichen, die solche Gefahren ignorieren, "einen gründlichen Ruck" zu geben, sagte Moghaddam. Er kritisierte die Verantwortlichen für Kulturfragen, dass sie sich anstatt "einen islamisch-iranischen Lebensstil durchzusetzen", mit der Aufhebung der Filterung von Facebook beschäftigen.


VERLEGERIN LAHIDSCHI: "NICHTS HAT SICH GEÄNDERT"

Die Leiterin des Frauenverlags "Roschangaran", Schahla Lahidschi, erklärte laut der Agentur ISNA am 13. April: "Da sich an den dem Verlagswesen auferlegten Einschränkungen nichts geändert hat, wird unser Verlag auch in diesem Jahr an der Teheraner Buchmesse nicht teilnehmen." Sie habe vor mehr als einem Jahr der Zensurbehörde 34 Bücher vorgelegt. Die Behörde habe ohne jede Begründung alle Manuskripte abgelehnt. "Auch unter der neuen Regierung hat sich die Lage nicht geändert", sagte die Verlegerin, Autorin und Frauenrechtlerin.

Lahidschi verwies auf die Versprechungen der neuen Verantwortlichen des Kulturministeriums und fuhr fort, sie habe mit dem Leiter der Buchabteilung im Kulturministerium, Schojai Sain, ein längeres Gespräch geführt. "Er versprach mir, noch vor dem neuen Jahr (21. März) eine Stellungnahme zu schicken. Doch bis heute habe ich nichts bekommen."

In einem Gespräch mit dem persischsprachigen Programm der BBC sagte Lahidschi, es gehe nicht allein um ihre Verlagsinteressen, ihr Protest richte sich gegen die Zensur im Allgemeinen, die das gesamte Verlagswesen in Iran betreffe. Sie protestiere auch dagegen, dass selbst Bücher, die von der Zensurbehörde freigegeben wurden, teilweise nicht auf der Messe präsentiert werden dürfen. "Bei diesen rigorosen Einschränkungen habe ich ohnehin nicht viele Bücher, die ich auf der Messe präsentieren könnte", sagte Lahidschi.

In dem Interview mit ISNA sagte Lahidschi: "Ich bin seit mehr als 30 Jahren Verlegerin und kenne sehr wohl die roten Linien der Zensurbehörde. Daher sehe ich keinen Anlass, problematische Bücher zu veröffentlichen. Aber die Verantwortlichen merken anscheinend nicht, welchen Schaden sie der Kultur mit den Einschränkungen zufügen. Wenn sie keine Maßnahmen treffen, um die Atmosphäre zu ändern, werden wir eine große kulturelle Niederlage erleben. Wir sind bereits auf dem Weg dahin, denn bis jetzt hat sich nichts geändert."

Die Teheraner Buchmesse verzeichnete in den letzten Jahren der Regierung Ahmadinedschad einen kontinuierlichen Rückgang der Besucherzahl. Auch der Verkauf der Bücher auf der Messe wurde geringer. Grund dafür ist zum einen die schlechte wirtschaftliche Lage und der damit verbundene Rückgang der Kaufkraft, zum anderen die Teuerung von Papier und folglich der Bücher. Die geringere Besucherzahl lässt sich auch damit erklären, dass einige wichtige Verlage wie Naschr-e Tscheschmeh, Kawir, Rosaneh und Wistar nicht zur Messe zugelassen wurden. Einige Verleger, wie Lahidschi hatten von sich aus auf die Teilnahme verzichtet. Auch in diesem Jahr haben einige Verlage bereits ihre Teilnahme abgesagt. Neben den iranischen haben auch einige ausländische, vor allem westliche Verlage, bereits vor Beginn der Messe (30. April) erklärt, dass sie daran nicht teilnehmen werden. Die Messe dauert bis zum 10. Mai.

Lahidschi nahm auch zu dem Vorschlag des Kulturministers Stellung, die Zensur der Bücher den Verlegern und Autoren zu überlassen: "Ich erkläre als Verlegerin, dass ic h bereit bin, für meine Bücher die Verantwortung zu übernehmen und jedem Gericht gegenüber Rede und Antwort zu stehen, vorausgesetzt, alles wird gesetzlich geregelt und Willkürentscheidungen werden ausgeschlossen. Doch leider erleben wir immer noch, dass die Bücher, die bereits zugelassen sind, zur Teilnahme an der Messe erneut überprüft werden. Das ist ein eindeutiger Bruch der Gesetze."

Lahidschi, die sich nun seit fünf Jahren weigert, an der Messe teilzunehmen, begründete dies damit, dass keiner der Verantwortlichen der Zensurbehörde, die mit demselben Personal unter der alten Regierung arbeite, von der neuen Regierung versetzt wurde. "Es ist also alles beim Alten geblieben", sagte sie. "Manche Zensoren wurden sogar auf ihrem Posten aufgewertet. Ich weiß, dass meine Bücher völlig unproblematisch sind. Sollten die Zensoren anderer Meinung sein, müssen sie mir nachweisen, wo bzw. welche Gesetze ich missachtet habe. Nachdem eine ganze Reihe von Büchern nicht zugelassen wurde, schlugen einige Kollegen vor, die Bücher im Ausland drucken zu lassen und sie dann online anzubieten. Das werden wir nicht tun, weil wir gegen die bestehenden Verhältnisse Widerstand leisten wollen."


DIE ERSTE ÜBERSETZUNG DES BUCHS DER KÖNIGE IN PASCHTU

Nach mehr als tausend Jahren ist das epische Wunderwerk des Epikers Abolghassem Ferdowsi (940/41-1020): "Das Buch der Könige" (Schahnameh) in Paschtu erschienen. Das Werk ist international bekannt, es gehört zu den herausragenden Schriften der Weltliteratur und ist in viele Sprachen wie Arabisch, Französisch, Italienisch, Russisch, Dänisch, Schwedisch, Polnisch, Türkisch, Indisch übersetzt worden. Auf Deutsch gibt es mehrere Übersetzungen.

Die engen kulturellen und geografischen Beziehungen zwischen Iran und Afghanistan machten die Übersetzung in Paschtu notwendiger als in jede andere Sprache. Die bewundernswerte und in jeder Hinsicht schwere Leistung vollbrachte der ehemalige Gesundheitsminister und einer der wichtigsten Politiker Afghanistans, Saleh Mohammad Wasiri. Er übersetzte das Werk in Prosa.

Wasiri schreibt: "Schon vor etlichen Jahren wollte ich mich an die Arbeit machen. Meine Freunde sagten, Schahnameh sei nicht nur wegen seines Inhalts wichtig, mindestens genauso wichtig sei die epische Form der Dichtung. Sie haben mich überzeugt, und ich gab den Plan auf. Vor einigen Jahren sah ich eine Ausgabe von Schahnameh in Prosa, die Mahbubeh Kaschani veröffentlicht hatte. Am selben Tag begann ich mit der Übersetzung und konnte nach achtzehn Monaten die Arbeit abschließen."

Schahnameh ist das Nationalepos der persischsprachigen Welt. Firdusi brauchte für das Mammutwerk nach eigenen Angaben 35 Jahre. Es sind nahezu 60.000 Verse in Form von Distichen, demnach mehr als doppelt so umfangreich wie Homers Epen und sechsmal so lang wie das Nibelungenlied. Ferdowsi erzählt chronologisch die Geschichte Irans von den Anfängen bis zur Eroberung durch die Araber. Das Werk leistet zur Größe der alten iranischen Kultur einen wichtigen Beitrag. Es vermittelt nicht nur die Geschichte, sondern es hielt auch die persische Sprache, die durch die arabische Invasion in den Hintergrund gedrängt wurde, lebendig und entwickelte sie weiter. Das Werk gehört zum nationalen Stolz der Iraner.

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WIRTSCHAFT

• Atomverhandlungen
• Chamenei: Die Atomverhandlungen müssen fortgesetzt werden
• Boeing und General Electric dürfen Flugzeugteile nach Iran exportieren
• Neues Abkommen mit Russland
• Benzinpreis erhöht
• Fahrzeugproduktion um ein Fünftel gesunken
• 30.000 Tonnen Nahrung für Syrien
• Von Wassermangel bedroht
• Iran bietet Europa Gas an


ATOMVERHANDLUNGEN

Die neue Runde der Atomgespräche fand am 8. und 9. April in Wien statt. Im Vorfeld äußerte sich der iranische Außenminister Mohammad Dschawad Sarif optimistisch. "Wir wollen in dieser Verhandlungsrunde alle Streitpunkte diskutieren und ausräumen, damit wir in der nächsten Runde, voraussichtlich Ende April oder Anfang Mai , den Entwurf für eine endgültige und umfassende Einigung vorbereiten können, sagte Sarif am 7. bei einem Gespräch mit iranischen Journalisten in Wien. "Wir sind bereit, alle Sorgen der internationalen Gemeinschaft auszuräumen und zu beweisen, dass unser Programm friedlich und zivil ist." Sarif äußerte sich zuversichtlich, dass es gelingen wird, bis zum geplanten Termin am 20. Juli zu einer Einigung zu kommen und das endgültige Abkommen zu unterzeichnen.

Die strittigen Punkte bei den Verhandlungen sind nach wie vor der Schwerwasserreaktor in Arak, die Nutzung von schnelleren und moderneren Zentrifugen bei der Urananreicherung, die unterirdische Atomanlage in Fordo, der militärische Stützpunkt Parchin in der Nähe von Teheran und das iranische Raketenprogramm. Es geht aber auch darum, ob alle Sanktionen, sowohl die von der UNO als auch von den USA und Europa zusätzlich verhängten Strafmaßnahmen aufgehoben werden oder nur jene Sanktionen, die das iranische Atomprogramm betreffen. Denn es gibt auch Sanktionen, die wegen Verletzung der Menschenrechte verhängt wurden. Iran verlangt die gänzliche Aufhebung. Schließlich gehört auch das Ausmaß an Kontrollen durch die Internationale Atombehörde (IAEA) zu den strittigen Fragen. Wäre Iran, nicht nur die Regierung, sondern auch das Parlament, bereit, das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen und damit Inspektoren der IAEA erlauben, zu jeder Zeit und an jedem Ort ohne Voranmeldung Kontrollen zu durchführen?

Die Gesprächsteilnehmer äußerten sich nach dem ersten Tag der Verhandlungen zwar optimistisch, betonten jedoch, dass es noch einige ungelöste Probleme gäbe. Am 9. April sagte Irans Vizeaußenminister Abbas Araghtschi: "Die Atmosphäre war gut, einige Streitpunkte wurden ausgeräumt, aber Differenzen gibt es weiterhin. "Wir versuchen alles, um den Verhandlungsprozess voranzutreiben", sagte Michael Mann, Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. "Es gibt sehr detaillierte und eingehende Diskussionen."

In einem gemeinsamen Statement erklärten Ashton und Sarif am Ende der zweitägigen Verhandlung: "Es ist noch eine Menge harter Arbeit nötig, um die Differenzen zu überwinden." Das nächste Treffen soll am 13. Mai in Wien stattfinden, kündigten sie an.

"Wir haben beschlossen, in der nächsten Verhandlungsrunde den Entwurf der endgültigen Einigung vorzubereiten, sagte Sarif laut dpa. Demgegenüber sagte ein ranghoher US-Regierungsbeamter der Agentur: "Ich kann nur davor warnen, zu glauben, eine endgültige Lösung sei nahe oder werde einfach sein."

Die Agentur Reuters berichtete am 9. April, dass die Verhandlungsteilnehmer am Schluss von einer "tiefen Kluft" zwischen den Positionen gesprochen hätten, von einer "sehr schwierigen Phase", die noch "sehr viel Arbeit" verlange. "Es ist schwer, Fortschritte zu erzielen", zitiert Reuters einen Insider. Dennoch habe Sarif gesagt, man sei sich über "bis zu 60 Prozent" eines endgültigen Abkommens einig. "Wenn das Problem darin liegen sollte, die Möglichkeit einer nuklearen Bewaffnung Irans auszuschließen, dann ist aus unserer Sicht das Problem längst gelöst. Denn Iran hat seit langem den Verzicht auf Atomwaffen beschlossen", schrieb Sarif in Facebook.

Um bestehende Zweifel bezüglich des Schwerwasserreaktors in Arak auszuräumen, sagte der Chef der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salehi, in einem Interview mit der Tageszeitung Ettelaat am 14. April, dass Iran die Anlage in der Stadt Arak umbauen wolle. Die iranische Atombehörde sei dabei, die Vorschläge der USA, Russlands und Chinas zum gemeinsamen Umbau der Teile des Reaktors, die noch nicht fertig gebaut seien, zu überprüfen.

Am 16. April sagte Irans Verteidigungsminister Hossein Dehghan laut der Agentur Fars, Iran werde auf keinen Fall über sein Raketenprogramm verhandeln. Das Raketenprogramm habe mit dem Atomprogramm nichts zu tun. Zuvor hatte die Verhandlungsführerin der USA, Wendy Sherman gesagt, Irans Raketenressourcen sollten Teil eines überprüfbaren Abkommens mit Iran sein.


CHAMENEI: DIE ATOMVERHANDLUNGEN MÜSSEN FORTGESETZT WERDEN

Revolutionsführer Ali Chamenei sagte bei einem Treffen mit Mitarbeitern der iranischen Atombehörde am "Tag der nationalen Nukleartechnologie": "Wir haben den Verhandlungen zugestimmt, um die feindliche Atmosphäre, die die Front der Unterdrücker gegen unser Land erzeugt hatte, zu durchbrechen. Nun müssen die Verhandlungen fortgesetzt werden." Zugleich betonte Chamenei laut IRNA am 9. April, "unsere Unterhändler dürfen sich unter keinen Umständen etwas aufzwingen lassen". Auch müsse das Verhältnis zwischen der Internationalen Behörde und Iran ganz normal und frei für Sonderregelungen sein.

Chamenei fuhr fort, keine der "atomaren Errungenschaften und Einrichtungen Irans" dürften übergangen bzw. stillgelegt werden. Niemand dürfe über diese Errungenschaften verhandeln, und das werde auch niemand tun. Darüber sollten sich alle im Klaren sein. Die Verhandlungen werden niemals die atomare Forschung und Entwicklung Irans stoppen können.


BOEING UND GENERAL ELECTRIC DÜRFEN FLUGZEUGTEILE NACH IRAN EXPORTIEREN

Einem Bericht der BBC vom 4. April zufolge hat das US-Finanzministerium dem größten Flugzeugbauer der Vereinigten Staaten erlaubt, Ersatzteile für Flugzeuge nach Iran zu exportieren. Die Erlaubnis ist Folge des Genfer Abkommens bei den Verhandlungen zwischen Iran und der Gruppe 5+1.

Ein Sprecher von Boeing sagte in einem Interview mit der Agentur Reuters, das Unternehmen habe vom Finanzamt Grünes Licht bekommen und werde nun mit der iranischen Seite Kontakt aufnehmen, um festzustellen, was für Ersatzteile Iran benötige. Marc Birtel betonte, dass die Erlaubnis lediglich für die Lieferung von Ersatzteilen für Passagierflugzeuge, die vor 1979 gekauft wurden, erteilt worden sei. Dem Unternehmen sei es nicht erlaubt, für Flugzeuge, die nach diesem Datum gekauft wurden, Ersatzteile zu liefern. Zudem gehe es nur um Ersatzteile, die die Sicherheit der Maschinen betreffen. Die letzte Maschine, die Boeing an Iran lieferte, sei ein Jumbojet vom Typ 747-100 gewesen, der im August 1979 geliefert wurde, sagte Birtel.

Es ist das erste Mal nach 1979, dass die US-Regierung die Lieferung von Flugzeugersatzteilen nach Iran erlaubt. Die USA hatten damals nach der Besetzung ihrer Botschaft in Teheran und der Geiselnahme der Botschaftsangehörigen Boykottmaßnahmen gegen Iran angeordnet, wozu auch die Lieferung von Flugzeugersatzteilen gehörte.

Das Fehlen von Ersatzteilen ha dem iranischen Lufttransport erhebliche Schäden zugefügt. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA gab es seit 1990 mehr als 200 Flugzeugabstürze mit mehr als 2.000 Toten.

Der Chef der iranischen Zivilluftfahrt, Resa Dschahangiri, erklärte am 13. April laut iranischen Medien, trotz des Genfer Abkommens und der Kontaktnahme zu ausländischen Unternehmen, sei bisher bezüglich der Ersatzteillieferungen nichts Positives erreicht worden. Zwar habe die US-Regierung die Erlaubnis erteilt, aber bislang gäbe es keine konkreten Schritte.


NEUES ABKOMMEN MIT RUSSLAND

Wie die Agentur Reuters am 3. April meldete, scheint ein geplantes Abkommen zwischen Teheran und Moskau bald unter Dach und Fach zu sein. Auf russischer Seite seien "alle Dokumente" für ein Handelsabkommen mit einem Volumen von 20 Milliarden Dollar berei ts fertig.

Bei dem Abkommen geht es um Tausch von Erdöl gegen Ausrüstung und Waren. Verhandelt werde nur noch über den Preis des iranischen Erdöls. Sollte das Abkommen tatsächlich zustande kommen, würde dies zu einer erheblichen Steigerung des iranischen Erdölexports führen.

Irans Erdölexport ist in Folge von Sanktionen in den letzten Jahren um die Hälfte, das bedeutet von zwei Millionen Barrel täglich auf eine Million Barrel zurückgegangen, was der iranischen Wirtschaft große Schäden zugefügt hat. Mit dem Abkommen könnte Iran zumindest teilweise die Folgen der Sanktionen kompensieren. Kein Wunder, dass der Westen, insbesondere die USA versuchen, das Abkommen zu verhindern. Marie Harf, Sprecherin des US-Außenministeriums sagte laut Reuters: "Wir haben beiden Seiten unsere Bedenken kristallklar gemacht. Sollte das Tauschgeschäft vorankommen, würde das ernste Besorgnis auslösen." Die USA könnten auf das Abkommen mit Sanktionen reagieren. Auch David Cohen, Staatssekretär im US-Finanzministerium, drohte, auch gegen russische Unternehmen und Personen mit Sanktionen vorzugehen.

US-Finanzminister Jack Lew warnte bei einem Treffen mit seinem russischen Kollegen Anton Siluanow am 10. April, dass jeder, der sich an solchen Geschäften beteilige, mit Sanktionen rechnen sollte.

Iranische Medien berichteten, dass es bei dem Abkommen um den Export von täglich einer halben Million Barrel Öl gehe, was teilweise am Kaspischen Meer und teilweise am Persischen Golf geliefert werden solle. Der Preis des iranischen Öls liegt zurzeit bei 100 Dollar pro Barrel. Das Öl an Russland soll einige Dollar günstiger verkauft werden.

Irans Ölminister Bijan Namdar Sangeneh sagte auf Anfrage von Journalisten, er wolle Berichte über ein mögliches Abkommen zwischen Iran und Russland "weder bestätigen noch dementieren".

Russland nahm am 11. April zu dem Abkommen Stellung. Finanzminister Anton Silunanow sagte der Presse, jeder mögliche Vertrag zwischen Russland und Iran werde auf Grundlage von internationalem Recht geschlossen. Dabei würden die von der UNO verhängten Sanktionen gegen Iran berücksichtigt, nicht die Sanktionen, die die USA verhängt haben.


BENZINPREIS ERHÖHT

Am 24. April kündigte die nationale Gesellschaft für Energieversorgung im staatlichen Fernsehen an, dass der Benzinpreis ab sofort von bisher 4.000 Rial (11 Cent) auf 7.000 Rial (knapp 20 Cents) pro Liter erhöht worden sei. Dies gelte allerdings nur für das rationierte Benzin, das auf 60 Liter pro Monat für jeden Autofahrer beschränkt ist. Taxifahrer stehen 500 Liter pro Monat zu. Der Benzinpreis auf dem freien Markt liegt bei 10.000 Rial pro Liter. Das Superbenzin kostet auf dem freien Markt pro Liter 11.000 Rial.

Die Preiserhöhung steht im Zusammenhang mit dem Abbau von staatlichen Subventionen. Jahrzehntelang wurden in Iran Energie und wichtige Lebensmittel vom Staat subventioniert. Unter Präsident Ahmadinedschad begann 2010 die erste Phase des Subventionsabbaus mit drastischen Folgen vor allem für die unteren Schichten der Bevölkerung. Um diese zu mildern, sah sich der Staat gezwungen, mit direkter finanzieller Unterstützung für alle Bürger einen Ausgleich herzustellen.

Die zweite Phase des Subventionsabbaus sollte 2012 beginnen, sie wurde jedoch aus Furcht vor einer Verschärfung der ohnehin hohen Inflationsrate verschoben. Experten gehen davon aus, dass in den nächsten Monaten eine weitere Preiserhöhung folgen wird. Die Preiserhöhung am 24. April führte bislang nicht zu Unruhen, mit denen manche in Iran gerechnet hatten.


FAHRZEUGPRODUKTION UM EIN FÜNFTEL GESUNKEN

Einem Bericht der Agentur ISNA zufolge ist die Fahrzeugproduktion im vergangenen Jahr (das iranische Jahr beginnt jeweils mit dem Frühling am 20. oder 21. März) im Vergleich zum Vorjahr um ein Fünftel zurückgegangen. Demnach sank die Produktion von 924.000 Fahrzeugen (2012-2013) auf 737.000 (2013-2014) Fahrzeuge. Die Zahl der PKW ging im selben Zeitraum um 20 Prozent und die der Kleintransporter um 11,4 Prozent zurück. Demgegenüber sank die Produktion von LKW und Bussen um 50 Prozent.

Die iranische Fahrzeugindustrie ist seit Jahren mit großen Problemen konfrontiert.-Erleichterungen des Imports ausländischer Fahrzeuge, der kontinuierliche Wertverlust der Landeswährung sowie die Wirtschaftssanktionen sind die wichtigsten Gründe für den Produktionsrückgang. Das vorläufige Genfer Abkommen im iranischen Atomkonflikt sieht vor, dass die iranische Fahrzeugindustrie aus dem Bereich der Sanktionen herausgenommen wird. Dadurch zeigen sich einige wichtige ausländische Unternehmen zu Investitionen in Iran interessiert. Bislang ist jedoch keine Besserung der Lage festzustellen.


30.000 TONNEN NAHRUNG FÜR SYRIEN

Einer Meldung der AP vom 8. April zufolge hat Iran 30.000 Tonnen Nahrungsmittel an Syrien geliefert. Das staatliche Fernsehen habe gemeldet, dass die Lieferung in einem Hafen am Mittelmeer angelandet sei.

Iran gehört zu den wenigen Ländern, die das herrschende Regime in Damaskus unterstützen, nicht nur finanziell, sondern auch militärisch. Im Mai letzten Jahres gewährte Iran Syrien einen Kredit über 3,6 Milliarden Dollar. Umstritten ist, ob auch iranische Militärs an den Kämpfen gegen die Rebellen beteiligt sind. Teheran bestreitet dies.


VON WASSERMANGEL BEDROHT

In einem Interview mit der Agentur "Mehr" vom 12. April warnte Vizeenergieminister Rahim Meydani vor einer sich abzeichnenden Wasserkatastrophe. "Die Hälfte der Bevölkerung, 37 Millionen Iraner, sind von Wassermangel bedroht", sagte Meydani. "Wenn wir nicht Wasser sparen, werden wir im nächsten Sommer große Wasserprobleme haben."

Meydani appellierte an die Bürger, ihren Wasserverbrauch in diesem Sommer um zehn Prozent zu reduzieren, "damit wir im Sommer mit möglichst geringen Problemen über die Runden kommen".

Zuvor war bekannt geworden, dass die Wasserreserven der Staudämme, durch die die Teheraner Bevölkerung mit Trinkwasser versorgt wird, stark abgenommen haben. Vor einem Monat sagte der Teheraner Provinzgouverneur, "wenn die Teheraner 20 Prozent weniger Wasser verbrauchen würden, hätten wir keine Probleme mehr Andernfalls sind wir gezwungen, das Wasser zu rationieren."

Einem Bericht des Energieministeriums zufolge ist die Lage der Wasserversorgung in 24 Provinzen des Landes alarmierend, nur in sieben Provinzen ist die Lage normal. Auch ein Bericht der Forschungsabteilung des iranischen Parlaments spricht von einer alarmierenden Wasserkrise. Zahlreiche Feuchtgebiete, Biotope, Seen und Flüsse seien entweder schon ausgetrocknet oder beginnen auszutrocknen.

Indes berichtete der Leiter des Umweltamtes der Provinz West-Aserbaidschan, Hassan Abbasnejad laut Medienberichten vom 20. April, dass 93 Prozent des Urumiehsees bereits ausgetrocknet seien und der Salzgehalt des verbliebenen Wassers doppelt so hoch sei wie der Standard. "Täglich wird das Wasser weniger. Der See hat zurzeit nur noch 203 Milliarden Kubikmeter Wasser." Sollten nicht bis zum Sommer drastische Maßnahmen getroffen werden, um das Austrocknen aufzuhalten, werde auch noch der südliche Teil des Sees austrocknen.

Regierungsmitglieder begründen das Austrocknen des Urumieh-Sees mit der allgemein zunehmenden Trockenheit. Doch Experten, werfen den Regierungen schon seit Jahren vor, Probleme der Umwelt gänzlich zu vernachlässigen. Der unkontrollierte Wasserverbrauch und die Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzflächen, die zunehmend ihren Wasserbedarf mit Grundwasser deckt, werden als Gründe genannt. Auch der Bau von elf Staudämmen an Süßwasserflüssen, die in den Urumiehsee münden, hätte zu der Katastrophe beigetragen. Schließlich habe die Autobahn, die durch den See führt, zusätzlich zu dessen Zerstörung beigetragen. Sie verhindere nach Meinung von Experten den Wasserfluss vom Norden nach Süden mit der Folge, dass im südlichen Teil der Salzgehalt erheblich zunahm. Zudem hätten sich die umliegenden Felder in Salzgebiete verwandelt. Sie liegen nun brach und sind landwirtschaftlich nicht mehr nutzbar. Zahlreiche Dörfer wurden von den Bewohnern verlassen. Der Parlamentsabgeordnete aus Urumieh, Dschawad Dschahangirsadeh, hatte kürzlich gewarnt, sollte der See austrocknen, werde es in einigen Provinzen Salzwasser regnen und diese für rund 13 Millionen Menschen unbewohnbar machen.


IRAN BIETET EUROPA GAS AN

Industrieminister Mohammad Reza Nematzadeh offerierte in einem Interview mit dem Handelsblatt vom 14. April Iran als neuen Gaslieferant für Europa. "Iran kann ein zuverlässiger Partner Europas werden", sagte der Minister. Iran habe ausreichend Reserven und günstige Pläne für eine Zusammenarbeit. "Wir wollen auf dem internationalen Gasmarkt künftig eine große Rolle spielen." Iran besitze inzwischen die größten Erdgasreserven der Welt. Geplant sei eine Pipeline, die von Süden nach Nordwesten an die türkische Grenze führt. Über diese Gaspipeline könne der Brennstoff über die Türkei nach Westen transportiert werden. Noch lägen Verträge, die mit schweizerischen und spanischen Unternehmen geschlossen wurden, wegen den Sanktionen auf Eis. Doch mit der Aufhebung der Sanktionen, die Iran durch die laufenden Atomverhandlungen zu erreichen hoffe, könne die Kooperation mit Europa voll in Gang gesetzt werden.

Den Verdacht, Iran wolle Russland Konkurrenz machen, der besonders wegen der Krise in der Ukraine aufkommen könnte, wies Nematzadeh zurück.

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AUSSENPOLITIK

• Scharfe Reaktionen auf EU-Resolution
• Iranische Parlamentarier sagen Europa-Besuch ab
• Geheime Verhandlungen mit den USA bereits in der Regierungszeit von Ahmadinedschad
• Jemen wirft Iran Einmischung vor
• Neue Missstimmung zwischen Teheran und Washington
• Rafsandschani nach Saudi-Arabien eingeladen
• Neuer israelischer Spionagesatellit überwacht Iran
• Menschenrechtsbericht Großbritanniens kritisiert


SCHARFE REAKTIONEN AUF EU-RESOLUTION

Eine am 3. April verabschiedete Iran-Resolution des EU-Parlaments löste in Iran scharfe Reaktionen aus.

Die Resolution richtete sich gegen die "permanente und systematische Missachtung der Menschenrechte" in Iran. Zwar werden in der Resolution die Vereinbarungen im Atomkonflikt sowie die von Präsident Hassan Rohani vorgelegte Konvention der Bürgerrechte begrüßt, doch gleichzeitig verurteilt das EU-Parlament die Verletzung der Menschenrechte und prangert "Folter und ungerechte Urteile, insbesondere gegen Anwälte und Menschenrechtsaktivisten" an. Das EU-Parlament zeigt sich besorgt über die Zunahme der Hinrichtungen in den Jahren 2013 und 2014 und über Hinrichtungen von Minderjährigen. Die EU-Parlamentarier unterstützen die Forderung von 772 iranischen Journalisten an Präsident Rohani, den seit 2009 verbotenen Verein der Journalisten wieder zuzulassen. Das EU-Parlament fordert ferner, spätestens bis Ende 2014 ein EU-Büro in Teheran einzurichten. EU-Delegationen, die nach Iran reisen, sollen auch Regimekritiker und Dissidenten treffen können. Auch wurde Iran aufgefordert, dem UN-Menschenrechtsbeauftragten Ahmad Schahid "rasch und ohne Vorbedingungen" Einreiseerlaubnis zu erteilen. Das Europaparlament begrüßte die Freilassung von einigen Gefangenen wie die Menschenrechtsaktivistin Nassrin Sotoudeh, forderte aber zugleich, alle politischen Gefangenen, Menschenrechtsaktivisten, Gewerkschaftler und alle Häftlinge, die im Zusammenhang mit den Protesten von 2009 inhaftiert wurden, freizulassen.

Die Resolution wurde von Teheran als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes aufgefasst. Rechtsorientierte Agenturen wie Fars, Tasnim und Nassim, die den Revolutionsgarden nahe stehen, übten scharfe Kritik an der EU. Der Parlamentsabgeordnete Hossein Ali Deligani sagte in einem Gespräch mit der Agentur Fars, das Parlament habe eine Resolution gegen EU vorbereitet. "Heute wird der Begriff Menschenrechte von jenen verwendet, die offenbar vergessen haben, dass die innereuropäischen Auseinandersetzungen zu einem Krieg geführt haben, der sich über mehrere Kontinente ausgeweitet und zu mehreren zehn Millionen Opfern geführt habe. Heute werden Drogenschmuggler von Europa unterstützt und die Terroristen in Syrien militärisch und politisch protegiert", heißt es in dem Resolutionsentwurf. Darin verpflicht et das Parlament die Regierung, die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu allen Staaten der Europäischen Union, die der EU-Resolution zugestimmt hätten, zu überprüfen. Daneben wird EU-Delegationen, die künftig Iran besuchen, untersagt, ohne Erlaubnis der Regierung über das festgelegte Programm hinaus Einheimische zu treffen und mit ihnen Gespräche zu führen.

Angesichts der Rolle, die die "Höhle der Spione" (US-Botschaft in Teheran) vor der Revolution gespielt habe, werde die Regierung verpflichtet, jeden Antrag des EU-Parlaments oder der Menschenrechtsorganisationen, ein Büro in Iran einzurichten, abzulehnen. Auch solle die Regierung die Zusammenarbeit mit der UN-Menschenrechtskommission überdenken, solange der Westen die islamische Kultur und Rechtsauffassung ignoriere.

Der Geistliche Hossein Ebrahimi, Mitglied des Zentralrats der kämpfenden Geistlichkeit, sagte in einem Gespräch mit der Agentur Tasnim: "Wir brauchen kein europäisches Büro, das sich in eine "Höhle der Spione" verwandeln würde. Das dürfen wir niemals zulassen. Die EU-Delegationen, die in Iran waren, haben sich als Spione betätigt und danach Unwahrheiten verbreitet", sagte Ebrahimi.

Einige Abgeordnete hätten vorgeschlagen, die Teilnahme an Atomverhandlungen abzusagen, berichtete Mohammad Hassan Asferi, Mitglied des Ausschusses für Nationale Sicherheit und Außenpolitik. Das Parlament erwäge eine entsprechende Entschließung. Ausschussvorsitzender Alaeddin Borudscherdi erklärte, die EU-Resolution stehe im Einklang mit dem Ziel der Zionisten, die den Aufbau der Beziehungen zwischen Iran und der EU zu torpedieren versuchen.

Die Organisation der Hochschullehrer, die der Milizorganisation Basidsch angehört, veröffentlichte laut Kayhan vom 6. April eine Erklärung, in der die Regierung und insbesondere die iranische Diplomatie aufgefordert werden, ihren Optimismus bei den Atomverhandlungen zu überdenken. Sie sollten die Gewissheit haben, dass der Westen Iran, der sowohl materiell als auch kulturell unter den Staaten der Region eine dominierende Rolle spielt, weit mehr braucht, als Iran den Westen."

Einer Meldung der Agentur Fars vom 6. April zufolge bestellte das Teheraner Außenministerium am 3. April den griechischen Botschafter ein. Die EU-Resolution stehe im Widerspruch zu den Interessen sowohl Irans als auch der EU, wurde ihm mitgeteilt. Am 6. April erklärte Außenminister Dschawad Sarif laut IRNA, Iran werde künftig EU-Parlamentariern, die der Resolution zustimmen, nicht mehr die Einreise erlauben.


IRANISCHE PARLAMENTARIER SAGEN EUROPA-BESUCH AB

Am 8. April veröffentlichte laut IRNA das Teheraner Parlament eine Erklärung, in der ein zuvor geplanter Besuch der Abgeordneten im Europaparlament abgesagt wurde. Kazem Dschalali, Leiter der Europa-Parlamentarier-Gruppe, sagte, der Grund der Absage sei die "unerwartete Iran-Resolution" des Europaparlaments (s. Bericht oben). In der Erklärung wurde erwähnt, dass das EU-Parlament bislang mehr als sechzig Resolutionen über Iran veröffentlicht und zudem die Wahlen in Iran als "undemokratisch" bezeichnet habe.

Im Vergangenen Dezember hatte eine EU-Parlamentariergruppe auf Einladung des iranischen Parlaments Iran besucht und bei der Gelegenheit auch Oppositionelle getroffen. Am Ende des Besuchs wurden iranische Parlamentarier zu einem Gegenbesuch eingeladen.

Auch eine erneute Einladung des EU-Parlaments, die die Vorsitzende der Iran-Gruppe im Europaparlament, Taria Kronberg, am 10. April in einem Telefonat mit Dschalali aussprach, lehnte das Teheraner Parlament am 11. April laut Medienberichten ab . "Ein Besuch iranischer Parlamentarier in Europa ist nicht möglich. Ich hoffe, dass die Reise nach Europa in Zukunft unter günstigeren Umständen und einer anderen Sichtweise des EU-Parlaments gegenüber Iran stattfinden kann", sagte Dschalali laut Agenturen.

Auch Außenminister Mohammad Dschawad Sarif äußerte die Hoffnung, nach der Beilegung des Atomkonflikts die Beziehungen zu der EU intensivieren zu können. Bei einem Treffen mit dem Außenminister Lettlands, Edgars Rinkevics, in Teheran am 23. April sagte Sarif, Lettland werde Anfang nächsten Jahres die Ratspräsidentschaft der EU übernehmen. Der Besuch des Außenministers sei eine willkommene Vorbereitung zum Ausbau der Beziehungen Teherans zur EU.


GEHEIME VERHANDLUNGEN MIT DEN USA BEREITS IN DER REGIERUNGSZEIT VON AHMADINEDSCHAD

Der Leiter der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salehi, der in der Regierungszeit von Präsident Ahmadinedschad Außenminister war, sagte der BBC zufolge am 19. April, bereits vor mehr als zwei Jahren hätten geheime und direkte Verhandlungen zwischen Teheran und Washington begonnen. Er habe vor etwa drei Jahren als Außenminister den Revolutionsführer Ali Chamenei gebeten, direkte Verhandlungen mit den USA aufzunehmen. Chamenei sei skeptisch gewesen. Mit Blick auf die Kriege in Irak und Afghanistan habe Chamenei gesagt, die USA seien nicht vertrauenswürdig. Aber schließlich habe er doch zugestimmt und erklärt: "Wir werden verhandeln, damit sie (die Amerikaner) keinen Vorwand mehr haben und wir werden unserem Volk gegenüber erklären, dass wir jede Gelegenheit wahrnehmen werden, um die Konflikte friedlich zu lösen."

Weiter sagte Salehi, der Revolutionsführer habe vier Bedingungen für die Verhandlungen gestellt, die erste war, dass ausschließlich über Atomfragen verhandelt werde. Die weiteren Bedingungen nannte Salehi nicht.


JEMEN WIRFT IRAN EINMISCHUNG VOR

Einem Bericht der dpa vom 31. März zufolge hat Jemens Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi Iran vorgeworfen, bewaffnete Rebellen in Jemen mit Waffen zu unterstützen. "Unglücklicherweise besteht die iranische Einmischung weiter fort", zitiert dpa aus einem Interview des Präsidenten mit der arabischsprachigen Tageszeitung AL Hayat vom 31. März. Sowohl die im Norden kämpfenden Houthi-Rebellen als auch Separatisten im Süden erhielten militärische Hilfe aus Iran, sagte Hadi.

Vergeblich sei Iran immer wieder aufgefordert worden, seine "falsche Politik" zu ändern, sagte Hadi. "Wir wollen im Umgang mit Teheran zu keiner Eskalation beitragen, aber wir erwarten auch, dass Iran seine Hände vom Jemen nimmt."


NEUE MISSSTIMMUNG ZWISCHEN TEHERAN UND WASHINGTON

Die Ernennung des neuen UN-Botschafter Irans mit dem Sitz in New York sorgt seit Anfang April für Missstimmung zwischen Teheran und Washington. Der langjährige Diplomat Hamid Abutalebi hatte bereits im Februar ein Visum für die Vereinigten Staaten beantragt, doch das US-Außenministerium zögerte mit der Entscheidung, mit der Begründung, der Diplomat sei an der 1979 erfolgten Besetzung der US-Botschaft in Teheran und der Geiselnahme der US-Diplomaten aktiv beteiligt gewesen. Die 52 Diplomaten mussten 444 Tage lang ausharren, bis sie freigelassen wurden.

Abutalebi war bereits iranischer Botschafter in Italien und Australien und vertrat Iran bei der Europäischen Union. Am 1. April nahm das US-Außenministerium auf die Frage, ob Abutalebi ein Visum für die USA beantragt habe, keine Stellung. Eine Sprecherin sagte der Presse, sie sei über Abutalebis Vergangenheit nicht informiert. Zudem sei die Visa-Vergabe eine geheime Angelegenheit. Daher könne das Ministerium der Presse keine Auskunft über Visa-Fragen erteilen.

Rechtlich betrachtet, sind die USA dazu verpflichtet, Diplomaten ausländischer Staaten, die in der UNO arbeiten, Visa zu erteilen.

Seit der Botschaftsbesetzung sind mehr als 30 Jahre vergangen. Viele von denen, die damals daran beteiligt waren, haben die Aktion inzwischen als Fehler bezeichnet. Die Kritiker gehören meist der Reformfraktion an und plädieren für die Wiederaufnahme der Beziehungen zu den USA. Der heute 57-jährige Abutalebi, der seit dreißig Jahren im Außenministerium tätig ist, ist zurzeit politischere Berater von Präsident Rohani.

Am 2. April teilte das US-Außenministerium mit, die Bedenken der US-Regierung der Regierung in Teheran mitgeteilt zu haben. Eine endgültige Entscheidung habe das Ministerium noch nicht getroffen. Ein Sprecher sagte laut BBC, bis auf wenige Ausnahmefälle, werde ausländischen Diplomaten der Aufenthalt in den USA erlaubt.

Der republikanische US-Senator Lindsey Graham veröffentlichte am 2. April eine Erklärung, in der er entschieden gegen eine Reiseerlaubnis für Abutalebi Stellung nahm. Die Erlaubnis wäre wie "eine Ohrfeige ins Gesicht der damaligen Geiseln und eine Beleidigung der gesamten amerikanischen Nation", hieß es. Graham äußerte die Hoffnung, dass der US-Senat in Kürze Iran mitteilen werde, dass sein Botschafter das Territorium der USA nicht betreten dürfe. Ähnlich äußerten sich auch einige demokratische Senatoren.

Am 7. April stimmte der US-Senat einer Gesetzesvorlage zu, wonach Personen, bei denen es sich herausstellt, dass sie "an terroristischen Aktivitäten oder an Spionagetätigkeiten teilgenommen oder die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten bedroht haben", kein Visum für die Vereinigten Staaten erhalten. Das Gesetz wurde am 11. April auch vom Kongress verabschiedet. Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, sagte laut einer Meldung der dpa vom 11. April, die Regierung habe Teheran gegenüber bereits vor einiger Zeit erklärt, dass die Botschafterwahl für die USA nicht akzeptabel sei.

Die Sprecherin des iranischen Außenministeriums, Marsieh Afkham sagte am 8. April, der von Iran ernannte UN-Botschafter sei "für den Posten geeignet".

Indes erklärte Abutalebi laut iranischen Medien, er habe zwar mit den Studenten, die die Besetzung durchgeführt hätten, zusammengearbeitet, sei jedoch an der Botschaftsbesetzung nicht direkt beteiligt gewesen. Er habe als Dolmetscher mitgewirkt. Diese Aussage wurde auch von einigen, die bei der Besetzung eine führende Rolle innehatten, bestätigt. Er habe nicht zu der Kerngruppe gehört und sei nicht einmal Mitglied der Gruppe gewesen, hieß es.

Zwei Mitglieder der Regierung Rohani waren damals Mitglieder der Gruppe gewesen. Masumeh Ebtekar, Vizepräsidentin für Fragen der Umwelt, war damals die Sprecherin der Gruppe gewesen. Wirtschaftsminister Ali Tayebnia war ebenfalls Mitglied der Gruppe. Er war im vergangenen Herbst zu Gesprächen mit der Weltbank nach Washington gereist.

Am 12. April sagte Vizeaußenminister Abbas Araghtschi der Agentur "Mehr", "wi r werden der Angelegenheit über die für die UNO vereinbarten Rechtswege nachgehen". Er betonte, dass Teheran "keine andere Auswahl eines Botschafters" vorgesehen habe. Zuvor hatte bereits die iranische Vertretung bei der UNO erklärt, dass die Entscheidung der USA, Abutalebi die Einreiseerlaubnis zu verweigern, nicht mit der Satzung der UNO zu vereinbaren sei.

Am 14. April erklärte Araghtschi khami, Iran werde gegen die Entscheidung der US-Regierung klagen. Die Weigerung der Visavergabe sei ein eindeutiger Bruch des internationalen Rechts. Iran wandte sich auch an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und bat ihn um Hilfe. "Wir fordern ihn auf, das nötige zu tun, um diese Affäre beizulegen", erklärte Vize-Außenminister Madschid Tacht-Rawantschi. Iran habe nicht die Absicht, einen neuen Kandidaten zu bestimmen, sagte er. Am 15. April übergab der Geschäftsträger der iranischen Vertretung bei der UNO, Hossein Dehghani, dem Komitee für Beziehungen zum Gastgeberland ein Schreiben, mit der Bitte, dieses bei der 68. Vollversammlung den Mitgliedern vorzulegen. Darin heißt es, Iran sei "ernsthaft besorgt" über den Bruch des internationalen Rechts durch die Vereinigten Staaten. Die Entscheidung der US-Regierung werde sich "auf die laufenden multilateralen Beziehungen negativ auswirken". Demgegenüber sagte US-Präsidentensprecher Jay Carney am 13. April, er sehe nicht, warum der Streit um Abutalebi die Atomverhandlungen mit Iran belasten sollte.

Am 19. April unterzeichnete Barack Obama das vom Senat und Kongress verabschiedete Gesetz. Zusätzlich erklärte er, er teile die Besorgnis des Kongresses, dass Personen, die früher in Terroraktivitäten verwickelt gewesen seien, sich unter dem Deckmantel der Diplomatie Zugang zu den USA verschaffen könnten. Er werde jedoch das Gesetz im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Befugnis, Botschafter zuzulassen oder abzulehnen, als "Richtschnur" betrachten.

Außenamtssprecherin Jen Psaki erklärte am 15. April, Abutalebi habe selbst gesagt, dass er in die Botschaftsbesetzung verwickelt gewesen sei. "Wie wir alle wissen, war das eine schmerzhafte Erfahrung für 52 amerikanische Staatsangehörige, die als Geiseln genommen wurden. Und aus diesem Grund können wir dieses Visum nicht gewähren."

Am 19. April forderte Mohammad Baghersadeh, einer der Befehlshaber der iranischen Streitkräfte, das Außenministerium auf, die Kandidatur Abutalebis zurückzunehmen und einen neuen Botschafter vorzuschlagen, berichtete die Agentur Fars. Abutalebi sollte in der Nähe seiner Mutter bleiben, die zwei Söhne im Krieg gegen den Irak verloren habe.

Am 22. April erklärte der zyprische Vorsitzende des Komitees für Beziehungen zum Gastgeberland, Nikolaus Emilio, das Komitee habe sich mit der iranischen Klage auseinandergesetzt, aber keine Entscheidung getroffen. Nötigenfalls werde man noch einmal darauf zurückkommen. An der Sitzung hatten sowohl ein Vertreter Irans, Ghlamhossein Dehghani, als auch eine Vertreterin der USA, Rosemarie Dicarto, teilgenommen.

Dicarto sagte in der Sitzung, ihr Land stehe zu den Vereinbarungen, könne jedoch die Bedenken über ein Visum für Abutalebi nicht ignorieren. Für die USA sei es unerträglich, jemandem die diplomatische Immunität zu gewähren, der die Immunität der amerikanischen Diplomaten missachtet habe und an der Geiselnahme beteiligt gewesen sei.

Dehghani beklagte sich, dass iranische Diplomaten generell Probleme hätten, eine Einreiseerlaubnis in die USA zu bekommen. Die Ablehnung eines Visums für Abutalebi sei ein Bruch der Vereinbarungen. Zudem missachte Washington mit der Ablehnung das Recht eines jeden Landes, seine Vertretung bei der UNO zu ernennen.


RAFSANDSCHANI NACH SAUDI-ARABIEN EINGELADEN

Der neue Botschafter Saudi-Arabiens in Iran, Abolrahman Ben Ghaman Schahri, überbrachte bei einem Treffen mit Haschemi Rafsandschani am 22. April laut Rafsandschanis Webseite dem Ex-Staatspräsidenten eine Einladung König Abdullahs zu einem Besuch in Saudi-Arabien. "Sie genießen aus der Sicht der saudischen Führung und der saudischen Bevölkerung eine besondere Achtung. Und ich wiederhole hiermit die Einladung zu einem Besuch in Saudi-Arabien", wird Schahri auf der Webseite zitiert.

Rafsandschani sagte: "Solange wir leben, müssen wir uns bemühen, gemeinsame Kriterien für die Zusammenarbeit der gesamten islamischen Welt festzulegen. Konflikte verbreiten Unsicherheiten in der Region und verringern die potenziellen Entwicklungsmöglichkeiten der islamischen Länder." Wenn sich Iran und Saudi -Arabien über die Probleme der Region einigen würden, hätten "Verschwörer" keine Gelegenheit mehr, unter den Gläubigen Zwietracht zu säen, sagte Rafsandschani weiter. Er wies auf seinen letzten Besuch in Saudi-Arabien hin und äußerte sein Bedauern darüber, dass sein Vorschlag zur Bildung eines Gremiums bestehend aus sunnitischen und schiitischen Gelehrten nicht realisiert wurde. "Wenn dieser Vorschlag von beiden Staaten ernst genommen worden wäre und das Gremium bei Konflikten als eine Schlichtungsinstanz gewirkt hätte, hätten Radikale und Fundamentalisten nicht durch Selbstmordattentate die Konflikte verschärfen können."

Rafsandschani setzt sich bereits seit Jahren für den Ausbau der Beziehungen zwischen Teheran und Riad ein. Das iranische Atomprogramm, der Militärputsch in Ägypten, die Krise in Syrien haben die Beziehungen zwischen den beiden Staaten stark belastet. Die Regierung Rohani ist bestrebt, die Beziehungen zu den Staaten am Persischen Golf, allen voran zu Saudi-Arabien, zu bessern.


NEUER ISRAELISCHER SPIONAGESATELLIT ÜBERWACHT IRAN

Einer Meldung der AFP vom 10. April zufolge hat Israel zur Überwachung der iranischen Atomanlagen einen neuen Spionagesatelliten gestartet. Das israelische Verteidigungsministerium gab bekannt, der Satellit habe am frühen Morgen mit Übermittlung von Daten und Bildern begonnen. Der Trabant sei mit einer Schavit-Rakete vom Luftwaffenstützpunkt Palmachim in die geostationäre Umlaufbahn geschossen worden.

Laut AFP erläuterte das Ministerium, der Satellit 'Ofek 10' sei wesentlich leistungsfähiger als seine bisherigen Vorgänger. Ob bei Nacht oder bei schlechtem Wetter, er sei immer in der Lage, zuverlässige Daten liefern. "'Ofek 10' erlaubt dem Sicherheitsapparat, nahe und ferne Bedrohungen zu jeder Tagezeit und bei jedem Wetter besser zu beobachten", sagte Verteidigungsminister Mosche Jaalon.

Indes hat der israelische Minister für strategische Angelegenheiten, Juval Steinitz, die Haltung Washingtons bei den Atomverhandlungen mit Iran scharf kritisiert. "Wir werden nicht bereit sein, ein Abkommen zu übernehmen und zu akzeptieren, das Iran die Fähigkeit belässt, binnen Monaten oder innerhalb eines Jahres Atomwaffen zu entwickeln", zitierte AFP den Minister in einem Bericht vom 14. April. Die Äußerungen des US-Außenministers John Kerry im Kongress seien "besorgniserregend, überraschend und nicht hinnehmbar", sagte Steinitz, der auch Geheimdienstminister ist.

Kerry hatte dem Kongress gegenüber erklärt, dass Iran in der Lage sei, innerhalb von zwei Jahren waffenfähiges Uran zur Herstellung einer Bombe zu produzieren, wenn es die nun gestoppte Anreichung wieder aufnehmen würde. Ziel seiner Regierung bei den Atomverhandlungen sei, die Möglichkeit einer nuklearen Bewaffnung Irans gänzlich auszuschließen. "Wenn sie sechs bis zwölf Monate brauchen - auch wenn wir darauf nicht aus sind - ist das aber deutlich länger als heute", zitiert AFP den Minister.

"Wir beobachten diese Verhandlungen mit Sorge", sagte Steinitz laut AFP. "Wir stellen uns nicht gegen eine diplomatische Lösung. Aber wir sind gegen eine Lösung, der sich Iran gänzlich ergibt und ihn zu einem atomaren Schwellenland macht."


MENSCHENRECHTSBERICHT GROßBRITANNIENS KRITISIERT

Iran hat den am 10. April veröffentlichten Jahresbericht des britischen Außenministeriums über die Menschenrechte und Demokratie kritisiert. Die Sprecherin des Teheraner Außenministeriums, Marsieh Afkham, bezeichnete am 11. April laut iranischen Agenturen den Teil des Berichts, der Iran betrifft, als "feindlich". Der Bericht zeuge von einem "gänzlich einseitigen Blick" auf die Islamische Republik, sagte sie.

In einigen Teilen des Berichts über Iran werden "positive Maßnahmen" nach der Wahl von Präsident Rohani begrüßt, aber betont, dass diese ersten Schritte noch nicht den Weg zu größeren Veränderungen ebnen und die Versprechungen Rohanis vor seiner Wahl nicht zu realisieren vermocht hätten. Kritisiert werden vor allem die hohe Zahl an Hinrichtungen, die Missachtung der Rechte religiöser Minderheiten sowie die Einschränkung der Pressefreiheit.

Afkham kritisierte das Anlegen von unterschiedlichen Maßstäben und die Politisierung der Menschenrechte. Mit einem Hinweis auf den Mord an einem Iraner in Bristol sagte sie: "Die tägliche Missachtung der Rechte von Minderheiten und muslimischen Migranten in Großbritannien sind reale Indizien, die dem Land nicht erlauben, die Verteidigung der Menschenrechte für sich zu beanspruchen und anderen Ländern, darunter Iran, den Weg zu weisen."

Die Beziehungen zwischen Teheran und London lagen fast zwei Jahre auf Eis. Erst nach Rohanis Wahl bahnte sich eine Besserung der Beziehungen an Anfang dieses Jahres nahmen die Botschaften beider Länder ihre Arbeiten wieder auf.

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Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Bernd Asbach
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13. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 05/2014 - Mai 2014 / 13. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2014