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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/291: Iran-Report Nr. 4 - April 2013


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 4 - April 2013
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand



Der Konflikt um das iranische Atomprogramm, die Wahlfälschung vom Juni 2009, die Verfolgung der Opposition und die Verletzung der Menschenrechte sind einige der wiederkehrenden Themen des Iran-Reports. Er wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus, auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter. Der Iran-Report wird einem breiten Interessentenkreis aus Politik, Wissenschaft und Medien zur Verfügung gestellt.

INNENPOLITIK

• Ahmadinedschad im Hagel der Kritik
• Unruhen bei den Wahlen befürchtet
• Schreiben der Reformer an Chamenei
• Mottaki meldet Kandidatur an
• Neuer Gesundheitsminister bestätigt
• Drogenkonsum
• 14 Journalisten freigelassen


AHMADINEDSCHAD IM HAGEL DER KRITIK

Je näher der Tag der Präsidentenwahl rückt, desto mehr vertieft sich der Graben zwischen den rivalisierenden Fraktionen und Strömungen im islamischen Lager. In den letzten Wochen stand Präsident Ahmadinedschad im Hagel der Kritik der Konservativen, die ihm und seiner Fraktion Abweichungen von der gemeinsamen Linie und vor allem Aufmüpfigkeit gegen Revolutionsführer Ali Chamenei vorwerfen.

Den aktuellen Anlass für Empörungen lieferte die Würdigung, die Ahmadinedschad für den venezolanischen Staatschef Hugo Chávez nach dessen Tod verfasste. In seinem Beileidschreiben an den venezolanischen Interimspräsidenten Nicolás Maduro formulierte er u. a.: "Die Seele eines großen, gerechten und freiheitsliebenden Mannes ist gen Himmel gefahren. Venezuela hat einen mutigen Sohn und die Welt einen weisen Führer verloren." Chávez habe den Unterdrückern eine Absage erteilt und dem propagandistischen und wirtschaftlichen Druck sowie Denunziationen und Putschversuchen Widerstand geleistet. "Chávez lebt, solange Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit leben. Ich bin davon überzeugt, dass er gemeinsam mit Jesus und Mahdi zur Erde zurückkehren und Gerechtigkeit, Freiheit und Liebe in der Welt etablieren wird", schrieb der Präsident. Zudem rief die Regierung einen landesweiten Trauertag aus. Zu guter Letzt flog Ahmadinedschad zur Beisetzung von Chávez nach Caracas, bei der er in aller Öffentlichkeit die Mutter des verstorbenen Präsidenten umarmte.

Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Der Teheraner Freitagsprediger und Mitglied des Expertenrats Ahmad Chatami sagte, der Präsident hätte wissen müssen, dass sein Verhalten eine Reaktion der Geistlichkeit nach sich ziehen würde. "Ich muss ganz offen sagen, dass er mit seinen Äußerungen weit über das Ziel hinaus geschossen ist. Er hätte eine diplomatische Botschaft senden können, ohne dabei religiöse Überzeugungen anzutasten."

"Es ist erstaunlich, nicht zu glauben", titelte die Internetseite Tabnak den Bericht über die Äußerungen des Präsidenten. Der populäre rechtsradikale Geistliche Mesbah Yazdi sagte bei einem Vortrag in der heiligen Stadt Ghom am 8. März, ohne Namen zu nennen: "Gebt acht, dass ihr keinen Unsinn redet." Der Leiter der Freitagsprediger Mohssen Gharaeni sagte, die Äußerungen zeigen, dass Ahmadinedschad sich weit von der schiitischen Geistlichkeit entfernt habe. "Jemand stirbt an einer entlegenen Ecke der Welt und jemand anders kondoliert an einer andern Ecke der Welt und sagt, er sei überzeugt, dass der Tote zu den Heiligen gehöre und gemeinsam mit Mahdi und Jesus auf die Erde zurückkehren werde. Wer sind Sie überhaupt und wie erlauben Sie sich solche Worte in den Mund zu nehmen?", sagte Yazdi und warnte: "Wer sich von der Geistlichkeit entfernt, wird auf Irrwege geraten."

Am deutlichsten fiel die Kritik von Mohammad Yazdi, dem Leiter des Lehrpersonals der theologischen Hochschule in Ghom, aus: "Ich rate ihm (dem Präsidenten) für den Rest seiner Amtszeit stillzuhalten und sich nicht in theologische Fragen einzumischen. Sie müssen zugeben, dass Sie davon keine Ahnung haben", sagte Yazdi. "Was wissen Sie schon über die Rückkehr von Mahdi?" Yazdi sagte, manche seiner Kollegen seien aufgebracht und hätten ihren Unmut über das Schweigen der Hochschule zum Ausdruck gebracht. Nach langen Diskussionen seien sie übereingekommen, den Präsidenten zu warnen und ihm zu raten, sich in theologischen Angelegenheiten, von denen er wenig Ahnung habe, nicht einzumischen.

Zu der Umarmung von Chávez' Mutter sagte der Parlamentsabgeordnete Mohammad Dehghan: "Das Verhalten dieses hohen Politikers ist mit der Würde eines gläubigen Muslim nicht vereinbar. Die 'Abweichler' zeigen allmählich ihr wahres Wesen." Der Abgeordnete Mohammad Taghi Rahbar sagte: "Jetzt müssen die religiösen Instanzen gegen das Verhalten Ahmadinedschads auftreten, ihn ernsthaft zur Rede stellen, sein Verhalten verurteilen und ihm verbieten, zu machen und zu sagen, was ihm beliebt." Und der bereits zitierte Mohammad Yazdi sagte gerichtet an Ahmadinedschad: "Sie sind Staatspräsident eines islamischen Staates. Was soll die Umarmung einer Frau bei einer offiziellen Trauerfeier bedeuten? Das ist unerträglich."

Auch dass Ahmadinedschad an der Haushaltsdebatte im Parlament nicht teilgenommen hat und stattdessen nach Caracas geflogen war, wurde von den Abgeordneten kritisiert. "Was ist wichtiger: Tränen für Venezuela zu vergießen oder für sein eigenes Land und die Menschen zu sorgen?", fragte der Abgeordnete Gholam-Ali Dschafarsadeh am 10. März.

Aber die "Sünden", die Ahmadinedschad begeht, beschränken sich nicht auf diese Vorfälle um Chávez. Seit Monaten provoziert er die Geistlichkeit und fordert sie heraus. Seine bislang letzte Provokation war die Ankündigung, zum Jahresbeginn an 2.500 historischen Stätten Feste zu veranstalten. Zwar ist das Neujahrfest Nowruz das wichtigste Fest, das zu den Meilensteinen der altiranischen Kultur gehört und seit mehr als 3.000 Jahren gefeiert wird. Doch seit der Gründung der islamischen Republik 1979 versuchen die Islamisten mit allen Mitteln, die alte Geschichte des Landes auszublenden. Für sie beginnt die iranische Zeitrechnung mit dem Einzug der islamischen Eroberer im siebten Jahrhundert.

Der Versuch Ayatollah Chomeinis und seine Anhänger, das Frühlingsfest zu verbieten, stieß aber auf massivem Widerstand der iranischen Bevölkerung, die mit großem Stolz auf die alte Kultur zurückblickt. Dass Ahmadinedschad nun das neue Jahr so massiv wie nicht einmal zu Schah-Zeiten feiern möchte, gleicht einer Kriegserklärung an die traditionelle Geistlichkeit und ist zugleich eine Anbiederung vor allem an die stark national orientierte iranische Mittelschicht.

Noch provokativer wird die Ankündigung, wenn man weiß, dass sie bei jedem Iraner die Erinnerung an die pompösen Feiern hervorruft, die 1971 vom Schah-Regime zum 2500-jährigen Bestehen des Kaiserreichs veranstaltet wurden.

Die Empörung über diese doppelte Provokation ließ nicht lange auf sich warten. Mehrere Großayatollahs griffen wutentbrannt öffentlich den Präsidenten scharf an. Hier sei der Teufel am Werk, rief ein Geistlicher in Maschhad von der Kanzel.

Ahmadinedschad, der zunächst als treuer Diener des Revolutionsführers Ali Chamenei galt, ist seit seiner Wiederwahl 2009 abtrünnig geworden. Er schert sich weder um die Beschlüsse des Parlaments noch um die Entscheidungen der Justiz, provoziert die Geistlichkeit und fällt immer offensichtlicher dem Revolutionsführer in den Rücken. Welches Staatsmodell er anstrebt, ist schwer erkennbar. Eine Islamische Republik ohne Geistlichkeit? Einen säkularen Staat? Feststeht jedenfalls: er will die Macht.

Im Gegensatz zu Chamenei plädiert er für direkte Verhandlungen mit den USA. Auch im Atomkonflikt scheint er zu weitreichenden Konzessionen bereit zu sein.

Im Iran sind im Juni Präsidentenwahlen. Ahmadinedschad kann nach zweimaliger Amtszeit nicht mehr gewählt werden. Doch ihm schwebt das Modell Putin vor. Sein engster Berater Rahim Maschai soll das Ruder übernehmen und es ihm nach vier Jahren zurückgeben. Er weiß, dass er dieses Ziel nur erreichen kann, wenn er konkurrierend mit den traditionellen Islamisten und den Reformern eine dritte Macht bildet. Gering sind seine Chancen nicht. Unter den Armen in der Provinz, unter denen er immer wieder großzügig

Almosen verteilt, hat er eine breite Basis. Seine neu entdeckte Liebe für die alte iranische Geschichte und Kultur, seine wiederholten Anweisungen an die Sittenpolizei, die Straßenkontrollen zu lockern und die Menschen in Ruhe zu lassen, auch sein Einsatz für die Zulassung der Frauen zu den Fußballstadien, sind bei der städtischen Bevölkerung nicht ohne Wirkung geblieben.

Derselbe Präsident, der 2009 durch einen eklatanten Wahlbetrug wieder gewählt wurde, plädiert nun für freie Wahlen. Sollte der Wächterrat, der für die Zulassung von Kandidaten zuständig ist, Maschais Kandidatur ablehnen, werde er die Durchführung der Wahlen verhindern, deutete Ahmadinedschad drohend an. Er reist Hand in Hand mit Maschai im ganzen Land herum und wirbt um Stimmen für ihn, der nun laut Regierungsbeschluss die höchste Auszeichnung für die Pflege der Kunst und Kultur erhalten soll! Die Fraktion, die von Ahmadinedschad geführt und von den Islamisten als "Abweichler" bezeichnet wird, hat nun auch einen eigenen Slogan: "Es lebe der Frühling". Ein Schelm, der dabei an den Arabischen Frühling denkt.


UNRUHEN BEI DEN WAHLEN BEFÜRCHTET

Mehrere konservative Politiker warnen vor Unruhen bei den Wahlen. Der Machtkampf zwischen der Gruppe um Präsident Mahmud Ahmadinedschad (offiziell als Abweichler bezeichnet) und dem Block der Konservativen unter der Führung des Revolutionsführers Ali Chamenei wird inzwischen ganz offen mit harten Bandagen ausgetragen. Die Reformer (offiziell Verschwörer genannt) halten sich im Hintergrund und diskutieren noch, ob und mit welchem Kandidaten sie auftreten sollen.

"Die Verschwörer schmieden mit finanzieller Unterstützung aus dem Ausland und dem Inland für die Wahlen Pläne", sagte Geheimdienstminister Haidar Moslehi am 2. März. "Ich betone, dass wir als Kontrollorgane, insbesondere im Hinblick der zwei bevorstehenden Wahlen in diesem Jahr (Präsidentenwahl und Kommunalwahlen) tätig werden müssen, um mögliche wirtschaftliche Missbräuche zu verhindern." Die Sanktionen zeigten ernsthafte Wirkung, wobei ausländische Geheimdienste bei deren Durchsetzung eine Rolle spielen. Früher habe es bei Sanktionen nur eine Resolution der UNO gegeben, während heute Geheimdienste sich einmischten und auch zu bestimmten Personen im Land Kontakt aufnähmen, sagte Moslehi.

Vor einer Versammlung der geistlichen Beauftragten bei den Revolutionswächtern sagte Moslehi am 7. März: "Eine Person, deren Kandidatur von konterrevolutionären Kräften im In- und Ausland unterstütz wird, hat beim iranischen Volk viele Schulden zu begleichen. Man kann nicht seine Taten ignorieren, nur weil er früher für verschiedene Ämter verantwortlich war." Wen Moslehi mit der Person meinte, sagte er nicht. Er fügte nur hinzu, bei dem gegenwärtigen Wahlkampf gäbe es neu erfundene Ansichten, die sich mit konterrevolutionären Plänen vermischen und ein gemeinsames Ziel anstreben. Politische Beobachter vermuten, dass Moslehi bei diesen Äußerungen den früheren Staatspräsidenten Mohammad Chatami im Sinn hatte.

Auch Awaz Haidarpur, Mitglied des Ausschusses für Sicherheit und Außenpolitik im iranischen Parlament, zeigte sich besorgt über "Unruhe stiftende Gruppen". Es gäbe Erkenntnisse über Pläne für Aktivitäten von Gruppen, die dem Ausschuss große Sorgen bereiten. Er verwies auf die Störmanöver gegen einen Auftritt des Parlamentspräsidenten Ali Laridschani im Februar, in deren Folge Laridschani seine Rede abbrechen und das Rednerpult verlassen musste. Die Störgruppe, deren Aktivsten inzwischen bekannt seien, habe nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden bereits weitere Aktionen geplant, die sich nicht nur gegen einzelne Personen, sondern gegen die gesamte Staatsordnung richteten, sagte der Abgeordnete.

Noch deutlicher äußerte sich der Sprecher der Justiz Gholamhossein Mohseni Ejehi. Vor einer Versammlung von Staatsanwälten in der Stadt Schiras am 7. März sagte Ejehi, "Wir rechnen mit einer neuen Verschwörung, die bereits im Gange ist". Diese neue Verschwörung unterscheide sich von der von 2009 (landesweite Proteste gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads) und den früheren Verschwörungen. Sie werde mit dem Ruf nach Gerechtigkeit, Kampf gegen Korruption und Parteinahme für "Barfüßige" auftreten. "Wir müssen schauen, wo der Feind ansetzen wird, wo wir hart durchgreifen und wann wir Kompromissbereitschaft zeigen müssen."

Der populäre Abgeordnete Ahmad Tawakoli sagte am 2. März vor einer Versammlung von Studenten in der Stadt Urumieh, die Kandidaten für das Amt des Präsidenten dürften zwar eigene Standpunkte haben, sie müssten jedoch unbedingt dem Revolutionsführer Gefolgschaft leisten, sonst könnten sie nicht arbeiten. Es sei möglich, dass manche Politiker in Iran dieser Ansicht nicht zustimmen würden. "Aber letztendlich muss in einem Land einer das letzte Wort haben. Es ist vernünftig, dass einer die politischen Entscheidungen fällt. Das ist keine Diktatur."

Bei den vergangenen Wahlen 2009 hätte keiner der beiden Hauptkandidaten Mahmud Ahmadinedschad und Mir Hossein Mussavi diese Devise befolgt. Er, Tawakoli, habe damals nur für Ahmadinedschad gestimmt, weil Mussavi in der Lage gewesen sei, eine Bewegung gegen den Revolutionsführer auf die Beine zu stellen. Selbst wenn Mussavi es nicht gewollt hätte, wären die Kräfte, die ihn unterstützen, dazu fähig gewesen. Demgegenüber hätten Ahmadinedschad und seine Anhänger nicht genügend Kraft, dem Revolutionsführer Widerstand zu leisten, selbst, wenn sie es gewollt hätten.

Auf die Frage, warum der Revolutionsführer eine Absetzung Ahmadinedschads ablehne, sagte Tawakoli: "Wenn der äußere Druck stark ist, erweckt ein Wechsel des Regierungschefs den Eindruck der politischen Instabilität." Tawakoli schloss aber nicht aus, dass der Revolutionsführer im Falle der Fortsetzung der Provokationen durch Ahmadinedschad konkrete Maßnahmen gegen ihn einleiten würde. "Wir müssen die paar Monate Geduld aufbringen und es so organisieren, dass diese Leute sich möglichst geräuschlos von der Macht verabschieden", sagte Tawakoli. Sollten die Reformer sich auf einen Kandidaten einigen, werde es schwer sein, mit ihnen zu konkurrieren, gab Tawakoli zu.

Der Stadtkommandant für die Hauptstadt Teheran, Isa Farhadi, sagte am 13. März der Nachrichtenagentur ISNA zufolge, er sei sich sicher, dass man wie 2009 bei den kommenden Wahlen den Behörden Wahlbetrug vorwerfen werde. "Ich sage, das sind von null bis hundert nichts als Lügen", sagte er. Es wäre gut, wenn es für solche Fälle Gesetze gäbe, damit man die Unterstellungen bestrafen könnte. Farhadi gab bekannt, dass er für die Wahlen massive Polizeieinheiten und Einheiten der Milizorganisation Basidsch einsetzen werde. Dies sei im Hinblick auf die besondere Lage der Hauptstadt erforderlich. Die Wahlen würden "gläsern" sein, fügte er hinzu. Die Stimmen würden manuell gezählt.


SCHREIBEN DER REFORMER AN CHAMENEI

Mohammad Dschawad Haghschenas, Vizepräsident des "Wahllagers der Reformer-Koalition" erklärte am 3. März nach einem Bericht der Nachrichtenagentur ISNA, seine Organisation habe gemeinsam mit der "Front der Gemäßigten" zwei Wochen zuvor in einem Schreiben Revolutionsführer Chamenei um ein Gespräch gebeten. Das Schreiben sei ein "Ausdruck der Sorge der Reformer über die bevorstehenden Wahlen, über die politische Atomsphäre des Landes, über den Wahlkampf und die Teilnahme der Reformer an der Wahl".

Bei dem Gespräch sollen dem Revolutionsführer die Ansichten der Reformer erläutert werden. Ferner wolle man die Meinung Chameneis über anstehende Fragen erfahren.

Wie die Zeitung Etemad am 18. Februar berichtete, seien bereits drei Vertreter der Reformbewegung von Chamenei zu einem Gespräch empfangen worden. Wann dieses Gespräch stattgefunden haben soll, schreibt die Zeitung nicht, betont aber, dass dies nach Jahren das erste Gespräch zwischen dem Revolutionsführer und Vertretern der Reformbewegung gewesen sei. Seit 2009 werden die Reformer von der Staatsführung ausgegrenzt. Zwei führende Politiker, Mir Hossein Mussavi und Mehdi Karrubi, stehen unter Hausarrest, zahlreiche namhafte Reformer sind zu langjährigen Haftstrafen verurteilt und sitzen im Gefängnis. Die beiden wichtigsten Parteien, Moscharekat und die Modjahedin der islamischen Revolution, sind verboten. Viele Reformer lehnen im Hinblick auf diese Zustände die Teilnahme an der Wahl ab, es sei denn, das Regime würde ihre wichtigsten Forderungen akzeptieren, das heißt, die politischen Gefangenen freilassen, die Freiheit der Presse und der Parteien garantieren. Andere sehen trotz allem in den Wahlen eine Chance zu politischen Veränderungen. Fraglich bleibt, ob Kandidaten der Reformer überhaupt vom Wächterrat zugelassen werden. Haghschenas sagte, die Reformer hätten sich auf Chatami als Spitzenkandidaten geeinigt und ihm die Kandidatur angetragen. "Das haben wir beschlossen und warten nun auf Chatamis Antwort." Neben Chatami ist auch sein damaliger Chefunterhändler bei den Atomverhandlungen, Hassan Rohani, als Spitzenkandidat im Gespräch.

Bisher haben der ehemalige Geheimdienstchef Ali Fallahian und der ehemalige Außenminister Manutschehr Mottaki (s. nachfolgenden Bericht) ihre Kandidatur angemeldet. Fallahian gehört laut einem Urteil des Berliner Landgerichts zu den Drahtziehern des Attentats im Berliner Mykonos-Restaurant, bei dem im September 1992 vier iranische Oppositionelle getötet wurden.

Als aussichtsreiche Kandidaten gelten der ehemalige Außenminister Ali Akbar Welayati, der zurzeit als außenpolitischer Berater des Revolutionsführers tätig ist, Parlamentspräsident Ali Laridschani, einer der entschiedendsten Widersacher Mahmud Ahmadinedschads und Bagher Ghalibaf, Bürgermeister von Teheran. Es wird erwartet, dass Ahmadinedschad und seine Gruppe den engsten Vertrauten des Präsidenten, Ali Maschai, zum Kandidaten küren wird.

Der Webseite "Kalameh" vom 12. März zufolge sagte Chatami bei einem Treffen mit Mitgliedern des Vereins Islamischer Studenten, Wahlen seien ohne bestimmte Voraussetzungen und ohne die Akzeptierung der Herrschaft des Volkes "sinnlos". Die Wähler müssten "frei von Angst, Zwang, Drohungen und List" sich entscheiden können. Auch müsse man sich zu demokratischen Prinzipien bekennen. "Man kann nicht die Demokratie ablehnen und trotzdem Zustimmung zu den Wahlen erwarten", betonte der Ex-Präsident.

Chatami wies auf die dringenden Probleme in der Wirtschaft hin und sagte: "Unsere Kunst muss darin bestehen, die wirtschaftlichen Forderungen mit unseren politischen Forderungen zu verknüpfen." Er forderte die Reformer auf, Lösungsvorschläge für die Probleme des Landes auszuarbeiten. "Wir sollten uns statt auf Personen auf Programme konzentrieren."

Es sei nicht hinnehmbar, dass man die Meinung derer, die sich für die Belange des Landes eingesetzen und dafür in Haft und Hausarrest gehalten werden, ignoriert. "In unserem Land kann man nicht politisch und gesellschaftlich aktiv sein, wenn man nicht auf der Seite der Macht steht." Chatami nahm zwar nicht direkt zu seiner möglichen Kandidatur Stellung, sagte aber: "Ich bin einer unter den zahlreichern Reformern. Ich vertrete meine eigene Meinung. Zugleich habe ich eine große Achtung vor den Beschlüssen, die wie ich hoffe, einheitlich sein werden."


MOTTAKI MELDET KANDIDATUR AN

Der frühere Außenminister Manutschehr Mottaki hat am 26. Februar offiziell seine Kandidatur für die kommende Präsidentenwahl im Juni angemeldet. In einer Erklärung, die die Nachrichtenagentur "Mehr" veröffentlichte, schrieb er: "Ich will die Wahlen, die einen Weg bilden und nicht das Ziel sind, nicht zum Vorwand nehmen, um mich selbst zu preisen. Es war der Satan, der als erster sagte 'ich bin der Beste', und ich sage auch nicht, dass ich alles weiß, denn der, der dies von sich behauptet, weiß nichts." Er sei sich aber sicher, führt Mottaki fort, einen Plan vorlegen zu können, der den Vorstellungen des Revolutionsführers und den Forderungen des Volkes entspricht. Damit solle zumindest gewährleistet werden, dass der Präsident einer Regierung der Islamischen Republik "mehr ist als Leidgenosse und etwas mehr anbietet als Versprechungen für die Zukunft".

Weiter schreibt Mottaki, nach den wiederholten Ermahnungen des Revolutionsführers habe man erwartet, dass die Regierung die Lebenslage der Menschen verbessern würde statt "einem übertriebenen Optimismus vermischt mit unverzeihlicher Ahnungslosigkeit zu verfallen und die Nöte der Menschen mit den verhängten Sanktionen zu rechtfertigen".

Er habe seine Strategie in einem Entwurf auf zwölf Seiten niedergeschrieben und sie der "Versammlung der kämpfenden Geistlichkeit" und den Gelehrten der theologischen Hochschule in der heiligen Stadt Ghom zugeschickt, sagte Mottaki.

Mottaki war von 2005 bis 2010 Außenminister in der Regierung Ahmadinedschad. Er wurde während er auf Staatsbesuch in Senegal weilte in einer ungewöhnlich brüskierenden Art vom Präsidenten entlassen. Er gehört zum konservativen Flügel und gilt als Verbündeter des Parlamentspräsidenten Ali Laridschani und als treuer Gefolgsmann des Revolutionsführers Ali Chamenei. Im März kritisierte er auf seiner Internetseite die "undurchdachten" Vorstellungen der iranischen Unterhändler im Atomstreit.


NEUER GESUNDHEITSMINISTER BESTÄTIGT

Mit knappem Ergebnis wurde am 17. März Mohammad Hassan Tarighat Monfared als neuer Gesundheitsminister vom Parlament bestätigt. Wie IRNA berichtete, erhielt er bei der Abstimmung 113 von 224 möglichen Stimmen. Das enge Ergebnis wird als ein Zeichen für das angespannte Verhältnis zwischen dem aus dem Amt scheidenden iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und den konservativen Kräften im Parlament gewertet.

Monfared übernahm das Gesundheitsministerium übergangsweise im Dezember. Seine Vorgängerin, Marsieh Wahidi, die einzige Frau im Kabinett, wurde von Ahmadinedschad entlassen, weil sie sich über den Mangel an Devisen für die Einfuhr von Medikamenten beschwert hatte.


DROGENKONSUM

Der Befehlshaber der "Streitkräfte gegen Drogensucht", Taha Taheri, sagte, man könne sich in der Hauptstadt Teheran innerhalb von fünf Minuten die Droge Glass (Crystal) beschaffen. Dies bestritt Ali Moayedi, Leiter der "Polizeiabteilung zur Bekämpfung der Drogensucht". Er sagte am 1. März den Medien zufolge, die Polizei habe Maßnahmen gegen Drogenverkäufer erfolgreich durchgeführt. Dadurch seien Kauf und Verkauf von Drogen zurzeit wesentlich schwerer als früher.

Demgegenüber hatte zuvor der Oberkommandierende der Polizei, Esmail Ahmadi Moghaddam, erklärt, gleichzeitig mit der Zunahme der industriellen Produktion von Drogen seien auch die Einschränkungen von Drogenanbau aufgehoben worden. In Iran habe sich die Herstellung von Drogen, die früher in privaten Laboratorien in Teheran und Eslamschahr erfolgte, inzwischen auf das ganze Land verbreitet, sagte Moghaddam. Er hatte am 16. Februar erklärt, in Iran gäbe es bis zu 1,3 Millionen "offizielle Drogensüchtige", rund 700.000 "gelegentlich Süchtige" und 200.000 Alkoholiker.

Nach Schätzung der "Streitkräfte gegen Drogensucht" werden in Iran jährlich 600 Tonnen Drogen konsumiert. Jährlich sterben rund 4.200 Personen an ihrer Drogensucht. Opium, Crack, Glass (Crystal) und Heroin werden in Iran am häufigsten konsumiert.


14 JOURNALISTEN FREIGELASSEN

Wie die Zeitung Schargh am 3. März berichtete, haben die Behörden in Iran 14 reformorientierte Journalisten, die Ende Januar in Haft genommen worden waren, wieder frei gelassen. Vier weitere Journalisten blieben weiterhin in Haft. Den Journalisten war vorgeworfen worden, mit ausländischen Medien zusammengearbeitet und ihnen auch geheime Informationen geliefert zu haben. Sämtliche Inhaftierten waren Mitarbeiter von Zeitungen, die der Reformbewegung nahe stehen, darunter Mitarbeiter von Schargh, Etemad, Bahar und Arman.

In Iran ist offiziell jede Zusammenarbeit mit ausländischen Sendern, die in persischer Sprache senden, wie die BBC, Deutsche Welle, Radio Farda und Voice of America untersagt. Diese Sender haben einen großen Einfluss auf die Meinungsbildung in der iranischen Bevölkerung. Sie haben weit mehr Zuschauer bzw. Hörer als die staatlichen Sender. Das Regime wirft diesen Sendern vor, eine "sanfte Revolution" in Iran initiieren zu wollen.

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WIRTSCHAFT

• Atomkonflikt
• Neue Maßnahmen der iranischen Zentralbank
• Aktionen gegen Wassermangel münden in Gewalt
• Streik der Stahlarbeiter
• Zardari zu Besuch in Teheran - Bau von Pipeline begonnen
• Erneute Panne im Kraftwerk Bushehr
• Zerstörer auf das Kaspische Meer geschickt
• Zunahme des Waffenschmuggels aus Deutschland


ATOMKONFLIKT

Präsident Ahmadinedschad zeigte sich am 26. Februar nach den ergebnislosen Verhandlungen in Almaty recht skeptisch. Als er wenige Stunden nach dem Ende der Gespräche um eine Stellungnahme gebeten wurde, sagte er laut IRNA, er wolle erst einmal auf die Rückkehr der Verhandlungsdelegation und deren Bericht warten. Auf die Frage, was er von den von der iranischen Delegation vorgelegten Vorschläge halte, sagte er: "Schreiben Sie, er lacht, Punkt, er lacht, Punkt, er lacht."

Seit einigen Monaten zeigt sich der Präsident mit der iranischen Verhandlungsführung, die ihre Anweisung vom Revolutionsführer Ali Chamenei erhält, unzufrieden. Offensichtlich ist er inzwischen von seiner harten Linie abgewichen und zeigt mehr Kompromissbereitschaft. "Früher haben sie (die Leute um Chamenei) uns zur Mäßigung gedrängt und nun verhalten sie sich superrevolutionär", sagte er einmal, als er für den Vorschlag gestimmt hatte, angereichertes Uran aus Iran gegen Brennstoff aus Russland zu tauschen. Die Differenzen zwischen dem Präsidenten und dem Revolutionsführer traten deutlich zutage, als Ahmadinedschad bei seinem letzten Besuch in New York zur Teilnahme an der UN-Vollversammlung mehrmals betonte, dass Iran zur Aufnahme direkter Verhandlungen mit den USA bereit sei, unter anderem mit der Begründung, nur so ließe sich auch der Atomkonflikt beilegen. Wörtlich sagte er: "Ich denke, dass diese Verhandlungen (die Verhandlungen mit der 5+1-Gruppe) nicht unbedingt zu einer Lösung des Atomkonflikts führen werden. Einige Mitglieder dieser Gruppe haben mir deutlich gesagt, wenn wir eine Lösung haben wollten, müssten wir direkt mit den USA verhandeln."

Der Kurswechsel des Präsidenten hängt wahrscheinlich mit der bevorstehenden Präsidentenwahl im Juni zusammen. Offenbar will Ahmadinedschad mit seiner gemäßigten Haltung nicht nur Wähler aus der Mittelschicht gewinnen, sondern auch das im Ausland vom ihm geprägte Bild korrigieren. Er selbst kann zwar nach zweimaliger Amtszeit nicht mehr kandidieren, aber sein engster Berater, Rahim Maschai, soll seine Nachfolge antreten. (s. Seiten 3/4)

Laut einer Meldung der dpa sagte ein ranghoher europäischer Diplomat am 28. Februar in Wien, die fünf UN-Vetomächte und Deutschland hätten bei den Verhandlungen in Almaty weder die Schließung der Urananreicherungsanlage Fordo verlangt noch ein Ende der Sanktionen im Finanzbereich versprochen. Verlangt wurde lediglich, die "Verfügbarkeit" der Anlage in Fordo zu verringern. Diese Formulierung sei absichtlich vage, um Verhandlungen zu ermöglichen, sagte der Diplomat. Außerdem solle Iran gründliche Inspektionen der unterirdischen Anlage durch die Internationale Atombehörde IAEA erlauben. Zugleich habe man Iran angeboten, ein Lager von 20 Prozent angereichertem Uran für einen Forschungsreaktor zu behalten. Außerdem seien die Vertreter der internationalen Gemeinschaft bereit, auf weitere Atom-Sanktionen zu verzichten und einige der bestehenden Sanktionen zu lockern. Das Einfuhrverbot für Öl aus Iran und die Sanktionen gegen den Finanzsektor - unter anderem das Verbot der meisten Überweisungen nach und aus Iran - blieben jedoch bestehen.

Am 3. März gab Iran den Bau von 3000 modernen Uran-Zentrifugen bekannt. Bald werde die erste, ineffektive Generation der Geräte ausgemustert, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Fars den Chef der iranischen Atombehörde Fereidun Abbasi-Davani. Iran hatte einige Wochen zuvor die Installation von neuen Zentrifugen in Natans angekündigt, ohne die genaue Zahl der Maschinen zu nennen. Die IAEA berichtete im Februar von 180 so genannten IR-2m-Modellen, die dort installiert seien. Die Anlage ist für Zehntausend solcher Maschinen angelegt.

Am 3. März machte der Vizechef der IAEA, Olli Heinonen, Iran einen schweren Vorwurf. In einem Interview mit dem Wall Street Journal sagte er, Iran sei möglicherweise dabei, in der Wüste mit Plutonium eine Atombombe zu bauen. Diese Information habe er aus derselben Quelle erhalten, die 2003 die Existenz der Atomanlage Fordo bekannt gegeben habe. Erst sechs Jahre später machte Heinonen die Information öffentlich. Genauere Angaben über die Quelle machte er nicht. In den letzten Monaten gäbe es Anzeichen für zusätzliche Aktivitäten in der Anlage Arak, wo Plutonium verarbeitet werde, sagte der finnische Atomexperte. Seit 18 Monaten haben Inspektoren die Anlage nicht untersuchen dürfen.

Heinonen warf auch dem früheren IAEA-Generaldirektor El Baradei vor, die atomaren Aktivitäten Irans verharmlost zu haben. Dass Iran sein Atomprogramm bis zur Fähigkeit zum Bau einer Bombe entwickeln konnte, liege auch an der Naivität der Diplomatie. Iran zeige bei den Verhandlungen stets einen "Schimmer von Hoffnung" und die Diplomaten verbuchten dies als Erfolg, sagte Heinonen. Sollte Iran tatsächlich die Bombe bauen, werde es in der Region ein Wettrennen geben, allen voran durch Ägypten und Saudi-Arabien, warnte er.

Indes verlangte der IAEA-Generaldirektor Yukiya Amano für die Inspektoren Zugang zur iranischen Militäranlage Parchin. Die Erlaubnis solle "ohne weitere Verzögerung" erteilt werden, sagte Amano am 4. März zu Beginn der Beratungen des IAEA-Gouverneursrats in Wien.

Der Zugang zu der Anlage Parchin wäre "ein positiver Schritt". Iran könne so seine Bereitschaft zeigen, mit der IAEA zusammenzuarbeiten und über deren Sorgen zu sprechen. Die Erlaubnis solle unabhängig von den Gesprächen über den so genannten strukturellen Ansatz erteilt werden, sagte Amano. Damit ist eine umfassendere Vereinbarung zwischen der IAEA und Iran über den Zugang zu Anlagen und Dokumenten in Zusammenhang mit dem Atomprogramm des Landes gemeint. Die Gespräche darüber brachten bislang jedoch keine Einigung. Amano verlangt nun, dass die Verhandlungen "mit einem Gefühl der Dringlichkeit" fortgesetzt werden.

Demgegenüber machte Irans Botschafter bei der IAEA Amano schwere Vorwürfe. Am 7. März veröffentlichte er drei Schreiben, die er in den vergangenen Wochen an Amano gerichtet hatte. In dem ersten Schreiben weist Ali Asghar Soltanieh den Vorwurf zurück, das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag nicht eingehalten zu haben. Das Protokoll, das den Inspekteuren der Atombehörde unangemeldete Kontrollen der Atomanlagen erlaubt, sei nicht Teil des NPT-Vertrags und werde nur auf freiwilliger Basis akzeptiert. Iran habe sich zweieinhalb Jahre lang freiwillig daran gehalten. "Mit Ihrer unhaltbaren Behauptung versuchen Sie, den Gouverneursrat in die Irre zu führen", sagte Soltanieh gerichtet an Amano. Im zweiten Schreiben beklagt sich der Botschafter über die Weitergabe von Geheiminformationen, die Iran der Behörde über sein Atomprogramm zur Verfügung gestellt habe. Diese seien zum Teil in den Medien aufgetaucht. Im dritten Schreiben schließlich forderte Soltanieh Amano auf, die Atommächte wegen ihrer Verpflichtung zur Abrüstung unter Druck zu setzen und in diesem Zusammenhang den UN-Sicherheitsrat einzuschalten. Der Grund für die erfolgslosen Verhandlungen mit der IAEA liege nicht bei Iran, sondern bei der IAEA, die ihre Pflichten nicht wahrnehme, betonte Soltanieh.

US-Außenminister Kerry drang auf baldige Fortschritte. Das Fenster für eine diplomatische Lösung "kann nicht unendlich lange offen bleiben", sagte er bei einem Besuch in der saudischen Hauptstadt Riad am 4. März: "Die Verhandlungen können nicht nur um des Verhandelns willen fortgesetzt werden." Kerry bekräftigte die Entschlossenheit der USA, eine atomare Bewaffnung Irans zu verhindern. "Wir sind tief besorgt darüber, dass sich Iran weiter widersetzt, betrügt und verzögert", sagte Joseph Macmanus, US-Botschafter bei der IAEA. Auch die EU sprach von einem "nicht akzeptablen Vorgehen". Iran müsse seine Anreicherung unterbrechen.

Noch schärfer drückte sich der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu aus. Die Regierung in Teheran komme der "roten Linie" immer näher, sagte er in einer Rede vor der pro-israelischen US- Lobbyorganisation AIPAC in Washington am 4. März. Die Zeit für eine diplomatische Lösung laufe ab.

"Iran reichert immer mehr Uran an und installiert immer schnellere Zentrifugen", sagte der aus Israel per Video zugeschaltete Präsident. Für den Fall des Scheiterns von Verhandlungen und Sanktionen müsse an Teheran eine "klare und glaubwürdige Drohung" gesendet werden. US-Präsident Joe Biden sagte Israel die volle Unterstützung Washingtons zu. Die Rückendeckung für Israel im Atomstreit stehe "nicht zur Debatte", erklärte er auf der AIPAC-Konferenz vor rund 13000 Zuhörern. Präsident Obama bluffe nicht, wenn er sich einen Angriff auf Iran als letztes Mittel vorbehalte.

Der Kommandeur des US-Zentralkommandos, General James Mattis, äußerte sich skeptisch zu den Sanktionen gegen Iran. Er sei nicht der Meinung, dass die diplomatischen und wirtschaftlichen Strafmaßnahmen Teheran davon abhalten würden, in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen, sagte der für den Nahen Osten zuständige Offizier am 6. März in einer Anhörung des Streitkräfteausschusses des Kongresses in Washington. Teherans aggressives Verhalten "erhöht das Risiko einer iranischen Fehlkalkulation, die einen katastrophalen Konflikt auslösen könnte". Mattis bezeichnete den Streit um das iranische Atomprogramm als eindeutig größte "Bedrohung für Stabilität und Wohlstand der Region". Er unterstütze dennoch die Politik von US-Präsident Barack Obama: "Ich glaube, wir müssen die Sanktionen fortsetzen, aber andere Optionen bereit halten", sagte Mattis. Die Pläne für einen militärischen Einsatz seien bereits "vollständig entwickelt".

Indes nahm Irans Revolutionsführer Ali Chamenei zu den jüngsten Verhandlungen in Almaty Stellung. Bei einem Treffen mit Mitgliedern der Expertenversammlung am 7. März sagte er, die westlichen Verhandlungspartner hätten Iran keine nennenswerten Kompromisse gemacht, sondern lediglich einen Teil der legitimen Rechte Irans akzeptiert. Um die Ehrlichkeit der westlichen Regierungen zu beurteilen, müsse erst die nächste Verhandlungsrunde abgewartet werden. Das Atomprogramm sei nur ein Vorwand für Sanktionen. Der eigentliche Grund seien langfristige Ziele, die der Westen verfolge, sagte Chamenei laut der Agentur "Mehr". Das Atomprogramm sei zwar ein Problem, aber ein Problem, das "uns nicht geschadet hat und auch nicht schaden wird". Ziel der Sanktionen sei, das Volk gegen die Staatsführung aufzuwiegeln.

Am 15. März nahm auch Präsident Obama vor seiner Reise nach Israel zum iranischen Atomprogramm Stellung. In einem Interview mit dem israelischen Fernsehsender Chanal 2 sagte er, wenn der Konflikt diplomatisch aus der Welt geschafft werden könne, wäre dies zwar langfristig eine Lösung. Aber falls nicht, lägen weiterhin alle Optionen auf dem Tisch. Vermutlich werde es mehr als ein Jahr dauern, bis Iran eine Atombombe entwickelt haben werde. "Aber natürlich wollen wir nicht, dass es knapp wird." Am 20. März betonte Obama bei einem Treffen mit Netanjahu in Jerusalem noch einmal die wiederholt erklärte Position. Sein Land werde "alles Notwendige" tun, um eine atomare Bewaffnung Irans zu verhindern. Netanjahu sagte, er sei von der Entschlossenheit der amerikanischen Regierung "absolut überzeugt".

Revolutionsführer Ali Chamenei drohte im Falle eines israelischen Angriffs mit der vollständigen Vernichtung der Städte Tel Aviv und Haifa. Bei seiner im Radio übertragenen Neujahrsansprache zum Beginn des iranischen Kalenders sagte er am 21. März, Israel sei zu klein, um als Feind Irans bezeichnet zu werden. Das "Zentrum der Feindseligkeit" seien die USA.

Auch ein ranghoher iranischer Militär wies die Drohung des US-Präsidenten, Iran bei einem Scheitern der Verhandlungen anzugreifen, scharf zurück. Die Internetseite der Revolutionsgarden, sepahnews.com, zitierte den Vize-Chefkommandeur der Streitkräfte, Massud Dschasajeri, mit den Worten: "Herr Obama, täuschen Sie sich nicht, auch wir haben alle Optionen auf dem Tisch. Gehen Sie nach Hause, bevor Sie noch tiefer im Sumpf der Region versinken!" Er fügte hinzu: "Unsere Führer haben uns erlaubt, auf jeden feindlichen Akt zu reagieren."


NEUE MAßNAHMEN DER IRANISCHEN ZENTRALBANK

Die iranische Zentralbank versucht, Sanktionen entgegen zu wirken, die zur Reduzierung des Exports und zur Senkung der Deviseneinnahmen geführt haben. Der Nachrichtenagentur IRNA vom 1. März zufolge bestätigte der Direktor der Zentralbank, Mahmud Bahmani, dass Iran beim Transfer von Devisen aus bestimmten Ländern "Probleme" habe. Die Einnahmen aus dem Verkauf von Erdöl dürften den Sanktionen zufolge nicht aus diesen Ländern ins Ausland transferiert und könnten lediglich auf ein Konto im selben Lande angelegt werden. Dies bedeute, dass Iran nicht mehr über diese Einnahmen frei verfügen könne, sagte Bahmani. Dieses Problem müsse durch neue Maßnahmen bewältigt werden. "Wir müssen also unsere Exportpolitik mit unserer Devisenpolitik in Einklang bringen."

Bahmani sagte nicht, wie er sich die Lösung des Problems vorstellt. Denkbar wäre nur, dass Iran die Einnahmen aus dem Ölgeschäft für den Kauf von Waren aus dem betreffenden Land ausgibt. Dieser Ausweg wird bereits praktiziert. Dennoch bildet die Blockade der Öleinnahmen nach wie vor ein großes Problem für die iranische Wirtschaft. Im Haushaltsplan, den die Regierung unter Berücksichtigung der neuen Umstände nur für die nächste drei Monate dem Parlament vorgelegt hat, sind die vorausberechneten Deviseneinnahmen weitaus geringer als im laufenden Jahr. (Das iranische Jahr beginnt am 21. März)

Diese neue Situation ist entstanden, weil die USA ihre Strafmaßnahmen gegen Iran im Februar verschärft haben: Sie haben den Hauptabnehmerländern des iranischen Öls zwar erlaubt, weiterhin in geringeren Mengen Öl aus Iran einzuführen, Iran aber nicht erlaubt, die Einnahmen zu transferieren. Das bedeutet letztendlich, dass Iran nicht selbständig über eigene Einnahmen verfügen und mit den Devisen in jedem beliebigen Land die preisgünstigsten Waren einkaufen kann. Experten haben diese Maßnahmen mit den Sanktionen verglichen, die die UNO in den neunziger Jahren gegen den Irak verhängt hatte. Diese Sanktionen, die als "Öl gegen Lebensmittel" bezeichnet wurden, haben im Irak Zehntausende, vor allem Kinder, das Leben gekostet.


AKTIONEN GEGEN WASSERMANGEL MÜNDEN IN GEWALT

Wie das persischsprachige Programm des britischen Senders BBC am 28. Februar berichtete, mündete der Protest der Bauern und Landarbeiter in Warsaneh in der Provinz Isfahan in gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei und den Sicherheitskräften. Dabei gab es zahlreiche Verletzte. Bereits seit vierzig Tagen dauerten die Proteste der Bauern und der Landbevölkerung gegen den Wassermangel an. Die Polizei und Sicherheitskräfte, die zum Schutz der Wasserleitung nach Yazd angetreten waren, versuchten die Streikenden mit Tränengas und Plastikgeschossen zu vertreiben. Über die Zahl der Verletzten gab es keine genauen Angaben.

Zuvor hatten die Medien berichtet, dass eine Gruppe von Bauern und Landarbeiter gegen die Sperrung des Wassers, das ihnen rechtlich zustand, protestiert und versucht hätte, die Einrichtungen, die das Wasser aus dem Fluss Sajandehrud in die Stadt Yazd leiten, zu zerstören. Das Wasser in Yazd habe rationiert werden müssen.

Die Internetseite "Kalameh", die der Opposition nahe steht, berichtete, dass bei den Auseinandersetzungen auch Busse in Brand gesteckt worden seien. Es seien einige Protestierende festgenommen, aber nach heftigen Protesten wieder freigelassen worden.

Die Verteilung des Wassers sorgt in der recht trockenen Provinz Isfahan immer wieder für Proteste und Unruhen.


STREIK DER STAHLARBEITER

Arbeiter der Stahlfabrik Zarrin in der Nähe der Hauptstadt Teheran haben am 5. März zum zweiten Mal in wenigen Tagen vor dem Fabrikgelände wegen monatelangem Lohnausfall gestreikt. Nachdem sie von der Fabrikleitung keine positive Antwort erhielten, beschlossen sie zum Provinzgouverneur zu ziehen, wurden aber davon abgehalten, weil sich ein Verantwortlicher ankündigte, mit ihnen zu verhandeln. Erst am späten Nachmittag traf der Beamte ein. Er machte den Streikenden das Angebot, 40 Prozent ihres Lohns für Dezember und Januar auszuzahlen. Den Rest müssten sie auf juristischem Weg einfordern, sagte er.

Doch die Arbeiter verlangen nicht nur den vollen Lohn. Bereits Monate zuvor hatten sie in einem Schreiben an den Arbeitsminister, das von über Tausend Werktätigen unterzeichnet wurde, Lohnerhöhungen gefordert und sich über Lohnausfall, Zeitverträge, Entlassungen und den Mangel an Berufssicherheit beklagt. Die Lohnerhöhung begründeten sie mit dem rapiden Anstieg der Preise für Lebensmittel und Konsumgüter.

Da ihr Streik zu keinem positiven Ergebnis führte, zogen die Arbeiter am 11. März zum Teheraner Provinzgouvernement, sperrten eine der Hauptverkehrsstraßen für mehrere Stunden. Es wurde ihnen versprochen, sie würden bis zum Wochenende den vollen Lohn für zwei Monaten plus das Neujahrsgeld bekommen. Ein Sprecher der Demonstranten erklärte daraufhin, sollte das Versprechen nicht eingehalten werden, würden sie erneut in Streik treten.

Mit der Streichung von Subventionen für Nahrungsmittel und Energie vor zwei Jahren sowie infolge von Wirtschaftssanktionen haben zahlreiche Fabriken in Iran schließen müssen. Viele sind nicht mehr in der Lage, ihre Arbeiter zu bezahlen. In ihrem Schreiben an den Provinzgouverneur schrieben die Arbeiter: "Das Missverhältnis zwischen Lohn und Lebenskosten hat bereits die Grenze einer Katastrophe erreicht und viele Arbeiterfamilien an den Rand des Abgrunds gebracht."


ZARDARI ZU BESUCH IN TEHERAN - BAU VON PIPELINE BEGONNEN

Am 27. Februar traf der pakistanische Ministerpräsident Asif Ali Zardari zu einem zweitägigen Besuch in Teheran ein. Wichtigster Punkt der Gespräche war der Bau einer Gaspipeline von Iran nach Pakistan, die den Namen "Pipeline des Friedens" trägt. Revolutionsführer Ali Chamenei bezeichnete die Pipeline als "ein herausragendes Vorbild der Zusammenarbeit" zwischen zwei Staaten und betonte, Teheran und Islamabad müssten unbedingt "die bestehenden Widerstände" gegen diese Pipeline überwinden. Die Islamische Republik sei in dieser Region das einzige Land mit gesicherten Energiequellen und "wir sind bereit, den Bedarf Pakistans an Energie zu sichern".

Auch Präsident Ahmadinedschad sagte beim Treffen mit Zardari, der Bau der Pipeline sei ein "wichtiges Ereignis", das zum Nutzen beider Staaten Iran und Pakistan" gebaut werde. Davor hatte bereits Parlamentspräsident Ali Laridschani die rasche Umsetzung des Projekts gefordert. Über das Pipelineprojekt wird bereits seit einigen Jahren verhandelt. Eigentlich sollte die Pipeline von Iran über Pakistan nach Indien führen. Doch das Projekt scheint an den Differenzen zwischen Indien und Pakistan vorerst gescheitert zu sein.

Einem Bericht der Agentur "Mehr" zufolge habe der iranische Öl-Minister Rostam Ghassemi den Antrag Pakistans, den Gaspreis zu reduzieren, abgelehnt. Dasselbe gilt für die Türkei, die ebenfalls aus Iran Gas importiert.

Am 11. März reiste Zardari abermals nach Iran, um gemeinsam mit Ahmadinedschad an einer Zeremonie zum Weiterbau der Pipeline auf pakistanischer Seite teilzunehmen. Auf iranischer Seite ist die 900 Kilometer lange Pipeline so gut wie fertig gebaut. Die 780 lange Pipeline auf pakistanischer Seite soll spätestens in zwei Jahren fertig gestellt werden. Ahmadinedschad sprach von einem historischen Tag, der Westen habe kein Recht, das Projekt zu verhindern. "Ich frage auch, was ein Gasprojekt, das den Menschen nur Wohlergehen bringt, mit dem Atomstreit und mit Sanktionen zu tun hat", sagte er. Auch Zardari verteidigte das Projekt. "Der Weltfrieden ist mit Frieden in Pakistan und mit dem Fortschritt in Pakistan und in Iran verbunden. Wir sind nicht gegen irgendein Land, sondern wollen Unterstützung von allen, um auf unseren eigenen Füßen zu stehen."

Die USA kritisierten das Projekt. Es gäbe Iran die Gelegenheit, mehr Gas zu verkaufen, was die Wirkung von Sanktionen schwächen würde, hieß es aus Washington. Man könne den Energiebedarf Pakistans auch aus anderen Quellen decken. Pakistan will jedoch dem Druck aus Washington nicht nachgeben. Die Pipeline schaffe viele Vorteile für Pakistan, sagte die pakistanische Außenministerin Hina Rabbani Khar.

Die Kosten für den Bau auf pakistanischer Seite werden nach Angaben des Staatssenders des Landes PTV auf 1,5 Milliarden Dollar geschätzt. Davon will Iran ein Drittel tragen. Insgesamt schätzt PTV die Kosten auf 7,5 Milliarden Dollar. Laut einem Bericht des ARD-Hörfunkstudios Südasien ist an dem Projekt auch eine deutsche Firma namens "ILF Beratende Ingenieure" beteiligt. Das Unternehmen teilte mit, laut Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) verstoße man zwar nicht gegen EU-Recht. "Trotzdem überprüfen wir unsere Aktivitäten für dieses Projekt in Pakistan erneut. Insbesondere wollen wir klären, ob sie auch mit den US- und den UN-Sanktionen vereinbar sind."

Bedenken auf pakistanischer Seite gegen die Pipeline werden damit begründet, dass die Pipeline durch die Gebiete der Provinz Belutschistan laufen. Daher müsse mit erheblichen Sicherheitsproblemen gerechnet werden.


ERNEUTE PANNE IM KRAFTWERK BUSHEHR

Alle paar Monate erlebt das Atomkraftwerk in Bushehr eine Panne. So auch am 13. März. Es musste vom Netz genommen werden. Als Grund gab Vizepräsident Fereidun Abbasi IRNA zufolge ein mechanisches Problem mit dem Generator an. Obwohl das Kraftwerk 2011 in Betrieb genommen wurde, sagte Abbasi rechtfertigend, es befinde sich noch in einer Experimentierphase, in der solche Fehler durchaus üblich seien. Russische Zulieferer hätten Ersatzteile für die Reparatur geliefert, so dass die Anlage in den nächsten Tagen wieder einsatzfähig sein werde.

Das Kraftwerk in Bushehr ist das einzige Atomkraftwerk Irans, mit seinem Bau wurde bereits zu Schahs Zeiten unter deutscher Beteiligung begonnen. Die Revolution von 1979 brachte den Bau zunächst für einige Jahre ins Stocken. Später übernahmen die Russen den Weiterbau. Es dauerte jedoch Jahre und immer wieder wurde die angekündigte Inbetriebnahme verschoben. Der Meiler ist das kostspieligste Projekt, das bislang in Iran durchgeführt wurde.


ZERSTÖRER AUF DAS KASPISCHE MEER GESCHICKT

Iran hat seine militärische Präsenz im Kaspischen Meer ausgebaut. Wie das Staatsfernsehen am 17. März berichtete, stach in der Hafenstadt Ansali, rund 250 Kilometer nordwestlich von Teheran, der Zerstörer "Dschamaran-2" in See. Das Kriegsschiff wurde in Iran produziert, es ist das erste der iranischen Marine im Kaspischen Meer.

Aufgabe des Zerstörers ist nach Darstellung der Regierung "der Schutz iranischer Grenzen und der Kampf gegen Schmuggel von Menschen, Waren und Drogen im Norden des Landes. Die Präsenz der iranischen Marine im Kaspischen Meer dient dem Frieden, der Freundschaft, Brüderlichkeit und Sicherheit für alle Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres", sagte Präsident Ahmadinedschad bei der Einweihung.

Iran und die übrigen Anrainerstaaten des Binnenmeers, Russland, Kasachstan, Turkmenistan und Aserbaidschan, streiten seit Jahren über die Seegrenzen und die damit verbundene Ausbeutung der umfangreichen Öl- und Gasquellen im Kaspischen Meer. Iran will eine gleichberechtigte Aufteilung des Meeres durchsetzen. Die anderen Länder haben sich bereits untereinander in gegenseitigen Abkommen geeinigt. Demnach würde der Anteil Irans am Kaspischen Meer nur zwölf Prozent betragen.


ZUNAHME DES WAFFENSCHMUGGELS AUS DEUTSCHLAND

Nach Darstellung des Zollkriminalamtes hat der Rüstungs- und Waffenschmuggel aus Deutschland in Krisenländer wie Iran im vergangenen Jahr zugenommen. Laut dem Nachrichtenmagazin Focus vom 23. März, das sich auf den aktuellen Report der Behörde bezieht, führen die Fahnder 136 Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontroll- und das Außenwirtschaftsgesetz. Das seien 35 mehr als im Jahr zuvor.

Der Präsident des Zollkriminalamts, Norbert Drude, zeigte sich laut Focus besonders besorgt "über die aggressiven Beschaffungsbemühungen Irans". Dreiviertel der Fälle beträfen das Regime in Teheran. Der illegale Rüstungstransfer umfasse Schlüsseltechnik für die Produktion atomarer, biologischer, chemischer Waffen und Raketen als Trägersysteme. Andererseits beschaffen iranische Tarnfirmen handelsübliche "Dual-Use-Güter", die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke einsetzbar sind.

Aktuell ermitteln dem Bericht zufolge Hamburger Zollfahnder gegen die Verantwortlichen einer hanseatischen Handelsgesellschaft, die in 26 Fällen gegen das Iran-Embargo verstoßen habe. Das Unternehmen habe über die Schweiz Aluminiumstangen und Stahlplatten an ein iranisches Unternehmen geliefert, das als getarnter Einkäufer für das umstrittene Atomprogramm Teherans gelte.

Einen Anstieg melden die Zollfahnder laut Focus auch beim Waffenschmuggel. Der wäre fast doppelt so hoch wie im Vorjahr. Der Großteil der Munition sei im Hamburger Hafen beschlagnahmt worden.

Auch die Deutsche Bank könnte wegen Geschäften mit Iran ernste Probleme bekommen. Ihr droht eine harte Strafe. Die Ermittlungen der US-Behörden seien offenbar weiter fortgeschritten als bislang bekannt. Die Bank habe mehr als 300 Millionen Euro für drohende Strafzahlungen wegen möglicher Verstöße gegen Iran-Sanktionen der USA zurückgestellt, berichtete das Nachrichtenmagazin der Spiegel am 24. März ohne Angaben von Quellen. Die Deutsche Bank wollte den Bericht nicht kommentieren.

Neben der Deutschen Bank stehen auch die Commerzbank und die UniCredit-Tochter Hypo Vereinsbank im Visier der US-Ermittler. Für Schlagzeilen hatte vor allem die Auseinandersetzung der Ermittler mit der britischen Bank Standard Chartered gesorgt, die sich Mitte Dezember mit den US-Behörden auf einen Vergleich einigte und insgesamt 667 Millionen Dollar zahlte.

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AUSSENPOLITIK

• Salehi bewertet US-Vorschlag zu direkten Verhandlungen positiv
• Umstrittenes Abkommen zwischen Iran und Argentinien
• Salehi: Assad wird wieder als Präsident kandidieren
• Iraner wegen Spionage in Saudi-Arabien festgenommen
• 4. Bericht des UN-Menschenrechtsbeauftragten für Iran
• EU: Strafmaßnahmen wegen Verletzung der Menschenrechte
• Sympathieverlust Irans in der arabisch-islamischen Welt
• Klage gegen "Argo"-Produzenten geplant
• Selbstmord eines iranischen Flüchtlings


SALEHI BEWERTET US-VORSCHLAG ZU DIREKTEN VERHANDLUNGEN POSITIV

Irans Außenminister erklärte am 2. März, der jüngste Vorschlag der USA zu direkten Verhandlungen mit Iran unterscheide sich von ähnlichen Vorschlägen in der Vergangenheit. "Sollte es sich tatsächlich herausstellen, dass sie (die USA) es ehrlich meinen, wird Iran den Vorschlag ernsthaft prüfen", sagte Salehi in einem Fernsehgespräch in Teheran. Dabei berief sich der Minister auf eine Äußerung des Revolutionsführers Ali Chamenei, der gesagt hatte, "sobald wir feststellen, dass sie (die Amerikaner) ehrlich sind und das Vergangene nicht mehr wiederholen wollen, werden wir uns mit dem Vorschlag auseinandersetzen." Chamenei gilt als höchste Instanz, die über solche Fragen zu entscheiden hat.

Sollte es in der Beziehung zu den Vereinigten Staaten eine Wandlung geben, werde dies "sicherlich keine Wirkung auf den Standpunkt Irans zu dem zionistischen Regime (Israel) haben", sagte Salehi. Das Verhältnis Irans zu den USA sei aus historischen Gründen ein Sonderfall. Die Geschichte gehe zurück auf den CIA-Putsch von August 1953, der zum Sturz der Regierung von Mohammad Mossadegh führte. "Wenn Sie die Zeitung von damals lesen, werden Sie sehen, dass damals die Verstaatlichung der iranischen Ölindustrie genauso wie heute die iranische Atompolitik in der Kritik stand." Der Minister betonte, dass die Beherrschung der Nukleartechnologie ein verbrieftes Recht Irans sei. "Wir verlangen nichts, was darüber hinausgeht", fügte er hinzu.

Zu den jüngsten Atomverhandlungen in Almaty sagte der Minister, beide Seiten hätten den Eindruck, dass sich ein Ausweg aus dem Konflikt abzeichnet. "Ich hatte bereits in meinem ersten Interview vor zehn Jahren gesagt, dass wir eine Lösung finden werden. Der Konflikt mit Iran ist sicherlich nicht so wie der mit Libyen oder mit Nordkorea. Und ich sage auch jetzt, dass der Konflikt sich lösen lässt, denn wir können mit Sicherheit sagen, dass unser Atomprogramm ausschließlich friedlich genutzt wird."


UMSTRITTENES ABKOMMEN ZWISCHEN IRAN UND ARGENTINIEN

Das argentinische Parlament hat am 28. Februar mit 131 gegen 113 Stimmen einem Abkommen zugestimmt, das eine gemeinsame Untersuchung des Bombenanschlags von 1994 in Buenos Aires vorsieht. Bei dem Anschlag auf den jüdischen Wohlfahrtsverband Amia kamen 85 Personen ums Leben. Die argentinische Justiz verdächtigt fünf Iraner der Täterschaft. Sie werden von der internationalen Polizeiorganisation Interpol gesucht. Zu den fünf Verdächtigen zählt auch der amtierende iranische Verteidigungsminister Ahmad Vahidi. Auch die anderen mutmaßlichen Täter halten sich in Iran auf. Sie sollen nun gemäß der Vereinbarung zwischen Teheran und Buenos Aires in Teheran von einer internationalen fünfköpfigen Wahrheitskommission in Anwesenheit von Vertretern der argentinischen Justiz vernommen werden. Die Verdächtigen haben das Recht, die Aussage zu verweigern.

Das iranische Parlament hat dem Abkommen bislang nicht zugestimmt. Die Opposition in Argentinien sowie die jüdische Gemeinde kritisierten das Abkommen, weil ihrer Ansicht nach dieses Vorgehen die Unabhängigkeit der argentinischen Justiz beeinträchtigt und weil nach der Vernehmung Interpol den internationalen Haftbefehl gegen die Angeklagten aufheben könnte.


SALEHI: ASSAD WIRD WIEDER ALS PRÄSIDENT KANDIDIEREN

Nach iranischen Regierungsangaben ist der syrische Staatschef Baschar al-Assad entschlossen, sich bei den nächsten Wahlen im kommenden Jahr um das Amt des Präsidenten zu bewerben. "Präsident Assad und andere Kandidaten werden an der nächsten Wahl teilnehmen und das syrische Volk kann wählen, wen es will", sagte Irans Außenminister Ali Akbar Salehi am 2. März nach einem Treffen mit seinem syrischen Kollegen Wahid al-Muallim in Teheran. Bis dahin sei Assad rechtmüßiger Präsident Syriens.

Partei ergreifend für den syrischen Staatschef sagte Salehi, die Regierung Assads habe gegenwärtig "keine andere Wahl" als die "Terroristen" zu bekämpfen. Iran stehe im engen Bündnis mit Syrien und werde das Land niemals im Stich lassen.

Salehi plädierte abermals für eine diplomatische und friedliche Lösung der Konflikte und forderte die Opposition auf, dem Aufruf der Regierung zu Verhandlungen zu folgen und mit der Regierung gemeinsam eine Lösung anzustreben. "Wir glauben, dass es für die Krise keine militärische Lösung gibt", sagte der Minister.

"Die Krise in Syrien wird von Tag zu Tag schärfer", sagte Salehi weiter. "Wir wissen warum. Fremde reisen nach Syrien ein und werden durch andere Staaten bewaffnet. Das führt zu schlimmen Verbrechen. Das ist kein Geheimnis, das haben auch westliche Geheimdienste bereits zugegeben."

Zu dem Vorwurf, auch Iran gewähre Syrien militärische und personelle Unterstützung, nahm Salehi keine Stellung. Iran hat dies stets bestritten, aber zugleich immer wieder erklärt, dass das Bündnis zwischen Iran und Syrien von strategischer Bedeutung sei.

Al-Muallim verurteilte die Ankündigung von US-Außenminister John Kerry, die syrische Opposition mit 60 Millionen Dollar für "nicht tödliche" Ausrüstung zu unterstützen. "Gibt es irgendwelche Waffen, die keine Menschen töten?", fragte er. Die USA hatten bei einer kürzlich in Rom stattgefundenen "Konferenz der Freunde Syriens" zugesagt, den Aufständischen in Syrien erstmals militärische Hilfe zu leisten. Den Medien zufolge sollen den Rebellen zwar keine Angriffswaffen, aber Kampfausrüstung wie etwa Fahrzeuge, Kommunikations- und Nachtsichtgeräte zur Verfügung gestellt werden.

Al-Muallim sagte weiter: Um den Aktivitäten der "Terroristen" in Syrien Einhalt zu gebieten, müsse man auf Katar und die Türkei Druck ausüben. "Die Terroristen töten die Menschen und zerstören die Infrastruktur und die Kultur unseres Landes."

Indes meldete die Nachrichtenagentur Reuters am 14. März, Iran liefere Diplomaten zufolge verstärkt Waffen an die syrische Führung." Die Iraner unterstützen das Regime wirklich massiv", sagte laut Agentur ein hochrangiger westlicher Diplomat. "In den vergangenen drei, vier Monaten haben sie ihre Unterstützung erhöht, sie kommen über den irakischen Luftraum und jetzt mit LKW. Und die Iraker schauen weg." Auch über andere Routen wie über die Türkei oder über den Libanon gelangten iranische Waffen nach Syrien, sagten mehrere namentlich nicht genannte Diplomaten. Die Behauptung wurde von Vertretern der Türkei und des Irak zurückgewiesen.

Die Waffen würden an die libanesisch-schiitische Hisbollah geleitet, die das syrische Regime zunehmend unterstützt, sagten die Diplomaten. Dies zeige, dass der syrische Bürgerkrieg längst die nationalen Grenzen überschritten und sich zu einem Konflikt zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen verwandelt habe.

Es sind hauptsächlich Sunniten, die den Aufstand gegen das Assad-Regime organisieren. Demgegenüber unterstützen die Alewiten, eine Strömung innerhalb der Schiiten, die eine Minderheit der syrischen Bevölkerung bilden, das Regime in Damaskus. Insofern kann der Bürgerkrieg in Syrien auch als eine Frontbildung zwischen Schiiten und Sunniten betrachtet werden. So gesehen ist es plausibel, dass der schiitische Iran das Assad-Regime unterstützt, während die Aufständischen von den mehrheitlich von Sunniten bewohnten arabischen Staaten, allen voran von Saudi-Arabien und dem Emirat Katar, aber auch von der Türkei, mit Waffen beliefert und finanziell unterstützt werden. Auch die extrem islamistischen und terroristischen Gruppen und Organisationen, wie al Kaida oder Salafiden und Wahabiten, die sich aus dem Ausland der Rebellion angeschlossen haben und mittlerweile eine führende Rolle spielen, gehören der sunnitischen Glaubensrichtung an.

Der Westen, geführt von den USA, hat sich auf die Seite der Sunniten gestellt. Bei seinem Antrittsbesuch in Riad am 4. März hat der neue US-Außenminister John Kerry die gemeinsame Haltung seiner Regierung mit Saudi-Arabien in Bezug auf Syrien betont. Beide Länder warnten den syrischen Machthaber Baschar al-Assad, dass sie die Rebellentruppen unterstützen würden, um ihn des Amtes zu entheben, sollte er nicht zurücktreten. Iran warnten Kerry und sein saudische Amtskollege davor, die Chance einer diplomatischen Lösung im Atomkonflikt verstreichen zu lassen.

Assad müsse begreifen, dass die jüngsten Raketenangriffe auf Regimegegner in Aleppo von der internationalen Gemeinschaft nicht toleriert würden und dass er seinen Anspruch, Syriens legitimer Herrscher zu sein, verloren habe, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von John Kerry und Prinz Saud al-Faisal. Saudi-Arabien könne Assads Brutalität seinem Volk gegenüber nicht ignorieren, sagte al-Faisal.

In Bezug auf Iran sagte Kerry, das Fenster für eine diplomatische Lösung im iranischen Atomkonflikt "könne per Definition nicht unbegrenzt offen bleiben". Die Zeit sei da, um diese Angelegenheit zu lösen, "vorausgesetzt, die Iraner sind darauf vorbereitet, sich ernsthaft zu beteiligen". Gespräche gingen aber nicht nur um des Gesprächs willen immer weiter. Sie dürften nicht zum Verzögerungsinstrument werden, welches die Situation "noch gefährlicher" mache. Außenminister al-Faisal sagte, er hoffe, dass die Verhandlungen das Problem beenden - "unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Uhr tickt und die Verhandlungen nicht ewig weitergehen können".

Kerry traf auch mit den Außenministern von Kuwait, Bahrain und Oman sowie mit dem saudischen Kronprinzen zusammen. Saudi-Arabien gehörte zu den neun Ländern, die Kerry zu seinem Antritt als US-Außenminister in Europa und dem Nahen Osten besuchte.


IRANER WEGEN SPIONAGE IN SAUDI-ARABIEN FESTGENOMMEN

Das Innenministerium in Riad hat am 20. März einen Iraner wegen Spionagetätigkeiten festgenommen. Offiziell hieß es, festgenommen seien sechzehn saudische Bürger, ein Iraner und ein Libanese. Sie seien an verschiedenen Orten bei vier Aktionen zugunsten eines fremden Staats gleichzeitig in Haft genommen worden. Wie ein Regierungssprecher im staatlichen Fernsehen mitteilte fanden die Festnahmen in den Städten Mekka, Medina, Riad und in der östlichen Provinz statt. Die Beschuldigten hätten Informationen über "sensible Objekte" gesammelt und hätten in direkter Verbindung zu dem Geheimdienst des betreffenden Staates gestanden, sagte der Sprecher. Zurzeit würden sie von der Polizei verhört, danach werde man sie der Justiz übergeben. Der Name des Auftrag gebenden Staates ist nicht genannt worden. Dennoch löste der Vorfall eine indirekte Reaktion aus. Ein Sprecher des iranischen Außenamts in Teheran erklärte, die Justiz ermittele wegen eines Autounfalls, bei dem ein saudischer Diplomat in der Umgebung von Teheran mit seinem Wagen gegen ein anderes Fahrzeug gestoßen sei, wobei es einen Toten und einen Verletzten gegeben habe. Nach Darstellung der Behörde sei der saudische Fahrer schuld an dem Unfall gewesen.

Die Beziehungen zwischen Iran und Saudi-Arabien sind vor allem seit dem Ausbruch des so genannten Arabischen Frühlings stark getrübt. Seitdem kommt es in der Ost-Provinz Saudi-Arabiens, in der die großen Öl-Vorkommen des Landes liegen, immer wieder zu Protesten von Schiiten gegen das sunnitische Königshaus. Die saudischen Behörden haben mehrfach behauptet, diese Proteste würden von der Führung in Iran gesteuert.

Irans Außenamtssprecher Ramin Mehmanparast wies die Behauptung der Spionagetätigkeit des inhaftierten Iraners entschieden zurück. Dies sei "ein sich wiederholendes haltloses Szenario", sagte er am 24. März in Teheran. Die Verbreitung solcher Anschuldigungen durch die Medien sei für das Inland bestimmt.

Am 26. März berichtete die amtliche Nachrichtenagentur in Riad unter Berufung auf eine Mitteilung des Innenministeriums, die Ermittlungen hätten ergeben, dass die Mitglieder des Spionagerings für Iran arbeiteten. Beweise und Geständnisse der Verhafteten zeigten, dass diese von Iran Geld für Informationen erhalten hätten.

Am 29. März wurde der Geschäftsträger Saudi-Arabiens in das Teheraner Außenministerium einbestellt. Der Nachrichtenagentur "Mehr" zufolge wurde von dem diplomatischen Vertreter eine Erklärung für die jüngsten Anschuldigungen gegen Iran verlangt.


4. BERICHT DES UN-MENSCHENRECHTSBEAUFTRAGTEN FÜR IRAN

Der Menschenrechtsbeauftragte der UNO für Iran, Ahmad Shaheed, veröffentlichte seinen vierten Bericht über die Lage der Menschenrechte in Iran. Im dem bisher umfassendsten 77 Seiten langen Bericht wird Iran "systematische Verletzung der Menschenrechte" vorgeworfen. Demnach seien in Iran 2012 mindestens 497 Personen hingerichtet worden. Dabei seien die meisten Angeklagten ohne Inanspruchnahme eines Anwalts und ohne Geschworene zum Tode verurteilt worden. Urteile wurden aufgrund erzwungener Geständnisse innerhalb weniger Minuten ausgesprochen. 200 Menschen seien exekutiert worden, ohne dass deren Familien davon in Kenntnis gesetzt worden seien. Empörend sei auch, dass 58 Menschen öffentlich hingerichtet worden seien.

Bezüglich der Folterung von Oppositionellen in den iranischen Gefängnissen schreibt Shaheed, er habe mehrmals den Verantwortlichen in Iran seine Sorge mitgeteilt. Diese hätten jedoch die Vorwürfe als grundlos bezeichnet und behauptet, nach iranischen Gesetzen seien Folterungen nicht erlaubt. "Ich betone aber, dass der bloße Hinweis auf die Gesetze den Vorwurf nicht entkräften kann", schreibt Shaheed und verweist auf den Gefangenen Sattar Beheschti, bei dem vor seinem Tod im Gesicht und auf der Brust Spuren von Knüppelschlägen festgestellt worden seien. Zudem hätten 77 Prozent der ehemaligen Gefangenen, mit denen er gesprochen habe, systematische Folterungen bestätigt. Erwähnt werden in dem Bericht auch die seit zwei Jahren unter Hausarrest stehenden Oppositionsführer Mir Hossein Mussavi und seine Frau Sahra Rahnaward sowie Mehdi Karrubi.

Shaheed zeigte sich auch besorgt über die Wahlen, bei denen unabhängige Kandidaten durch den Wächterrat zurückgewiesen würden. Auch die herrschende politische Atmosphäre erlaube keine gerechten freien Wahlen. Parteien und Gruppen seien nicht frei, zahlreiche Journalisten befänden sich in Haft. Angehörige von Journalisten, die im Ausland mit ausländischen Sendern wie der BBC zusammenarbeiten, würden Repressalien ausgesetzt. Anwälte und Menschenrechtsaktivisten würden zu Gefängnisstrafen verurteilt, heißt es in dem Bericht.

Auch religiöse und ethnische Minderheiten, wie die Bahais, Christen und Angehörige des Derwischordens bzw. Belutschen, Kurden, und arabisch sprechende Minderheiten hätten Sanktionen zu erleiden, schreibt Shaheed. Homosexuelle würden zum Tode verurteilt.

Zum ersten Mal verweist der Bericht auch auf Verletzungen der wirtschaftlichen Rechte als Folge von Sanktionen und geht ausführlich auf die Folgen der Strafmaßnahmen für die Bevölkerung ein. Obwohl die Nahrungsmittel und Medikamente von den Sanktionen ausgenommen worden seien, gäbe es gerade in diesen Bereichen spürbare Mängel.

Shaheed warf der iranischen Regierung vor, ihm eine Einreise verwehrt und Gespräche mit Verantwortlichen stets abgelehnt zu haben. So habe er seinen Bericht aus Interviews mit Dissidenten und Exilanten erstellt. Am 22. März wurde Shaheeds Mandat vom UN-Menschenrechtsrat in Genf um ein weiteres Jahr verlängert. Dafür stimmten 26 Mitglieder des Rats, darunter Deutschland, die USA, Österreich und die Schweiz. Mit Nein votierten Venezuela und Pakistan. 17 Länder enthielten sich der Stimme. Zwei Staaten nahmen an der Abstimmung nicht teil.

Das iranische Außenministerium bezeichnete den Bericht als "parteiisch" und die Vorwürfe als "unbegründet". Die Quellen, auf die sich der Bericht stütze, seien "feindliche Medien und terroristische Organisationen", sagte der Außenamtssprecher Ramin Mehmanparast. Der Bericht und die darin enthaltenen Vorwürfe hätten dem Ansehen der UNO einen großen Schaden zugefügt. Iran werde ungeachtet der "negativen politischen Atmosphäre und tendenziösen Berichte" seinen international vereinbarten Verpflichtungen nachkommen, erklärte Mehmanparast am 3. März in Teheran.


EU: STRAFMAßNAHMEN WEGEN VERLETZUNG DER MENSCHENRECHTE

Die EU beschloss am 11. März bei einem Treffen der Außenminister neue Strafmaßnahmen gegen Iran wegen der Verletzung der Menschenrechte. Neun Personen erhielten Einreiseverbot für 27 EU-Staaten, darunter Vertreter des staatlichen Medienapparats und Richter des Landes. Zudem sollen, falls vorhanden, ihre Konten eingefroren werden. Damit wurde die Zahl der Personen, die von Sanktionen betroffen sind, auf 87 erhöht. Außerdem wurden die bereits bestehenden Sanktionen für weitere 12 Monate verlängert. Der Außenminister Irlands, Eamon Gilmore, dessen Land den turnusmäßigen Vorsitz der EU zurzeit innehat, sagte, Europa dürfe zu der "Unterdrückung der Opposition und Hinrichtungen ohne ordentliche Gerichte in Iran" nicht schweigen. Er verurteilte auch die "ungleiche Behandlung der Frauen, der religiösen und ethnischen Minderheiten und die Bestrafung von Menschenrechtsaktivisten und Anwälten".

Die EU-Außenminister machten die iranische Internet-Polizei etwa für die Festnahme des Bloggers Sattar Beheshti ohne Haftbefehl verantwortlich. Dem am 12. März veröffentlichten Amtsblatt zufolge wurde Beheshti im November 2012 von der Internet-Polizei im Gefängnis zu Tode gefoltert. Zum Jahresbeginn 2012 hatte die Internet-Polizei neue Bestimmungen für Internetcafés verhängt: Demnach müssen die Nutzer persönliche Daten angeben, die von den Betreibern ebenso wie das Protokoll der besuchten Seiten im Netz und Videoaufzeichnungen aufgehoben werden müssen.

Der Leiter dieser Behörde stand bereits auf der EU-Liste. Nun wurde auch der Chef der "Kommission für die Ermittlung krimineller Inhalte", Abdolsamad Khorramabadi, in die Liste aufgenommen. Auch er und seine Behörde wurden für den Tod Beheshtis mitverantwortlich gemacht. Der EU zufolge wurden von der Regierungskommission, deren Aufgabe Internetzensur und Ermittlungen gegen "Cyberkriminalität" ist, unter Khorramabadi "eine Reihe vager Kriterien" aufgestellt, nach denen auch die Veröffentlichung von Inhalten als Straftat zählt, "die vom Regime für unangemessen gehalten werden". Er soll dafür verantwortlich sein, dass im vergangenen September zahlreiche Internetseiten der Opposition und von Menschenrechtsorganisationen sowie Zeitungen im Netz, den Blogs und der Suchmaschine Google blockiert wurden.

Auf der neuen EU-Liste stehen auch drei Richter und zwei Staatsanwälte. Außerdem wird der Chef des berüchtigten Gefängnisses Evin in Teheran, Ali Ashraf Rashidi Aghdam, mit Sanktionen belegt. Unter seiner Leitung haben sich den Angaben zufolge die Haftbedingungen verschlechtert und die Berichte über die Misshandlungen von Häftlingen gehäuft.

Schließlich nimmt die EU zwei Vertreter des staatlichen Medienapparats ins Visier, die zusammen mit den staatlichen Sicherheitsbehörden dafür verantwortlich gemacht werden, dass erzwungene Geständnisse von Häftlingen im Fernsehen ausgestrahlt wurden.


SYMPATHIEVERLUST IRANS IN DER ARABISCH-ISLAMISCHEN WELT

Eine Umfrage, die im November vergangenen Jahres in siebzehn arabischen und drei nicht arabische islamische Staaten durchgeführt wurde, zeigt, dass die Sympathie für Iran im Vergleich zu den vergangenen Jahren stark gesunken ist. Die Umfrage, bei der 20.000 Personen befragt wurden, wurde vom US-Forschungsinstitut Zogby (Zogby research services) durchgeführt. Ähnliche Umfragen hatte das Institut bereits in den Jahren 2002, 2006, 2008 und 2011 durchgeführt. Demnach genoss Iran 2006 am meisten Sympathie. Begründet wurde dies damals damit, dass die Islamische Republik als Bollwerk im Kampf gegen die USA und Israel betrachtet wurde. Zugleich hatte der Hass auf die USA wegen der Folgen des Irak-Kriegs und auf Israel wegen des Libanon-Kriegs stark zugenommen. Die Umfrage wurde in Algerien, Libyen, Tunesien, Ägypten, Sudan, Palästina, Libanon, Jordanien, Irak, Kuwait, Katar, Bahrain, Arabische Emirate, Oman, Jemen und Saudi-Arabien und in den nicht arabischen Staaten Türkei, Aserbaidschan und Pakistan durchgeführt.

Nun haben in den vergangenen sechs Jahren die USA ihre Truppen aus dem Irak abgezogen und dem gegenüber hat der Einfluss Irans im Irak, Libanon und in Bahrain und Syrien stark zugenommen, was von den Befragten als spalterische Einmischung in innere Angelegenheit dieser Ländern verurteilt wird.

Institutsdirektor James Zogby sagte der BBC, zurzeit sei die öffentliche Meinung in den arabisch-islamischen Ländern nicht mehr auf Israel, sondern mehr auf Iran konzentriert. Irans Rolle in der Region werde als "sehr negativ" betrachtet, vor allem die Rolle Irans in Syrien, die bei den Arabern viel Wut erzeugt habe. "Gerade diese Rolle war der letzte Sargnagel auf die Sympathie für Iran", sagte Zogby.

Die Umfrage zeigt auch, dass sich die Meinung zum iranischen Atomprogramm in der arabischen Welt gewandelt hat. 2006 stimmten die meisten Befragten für das iranische Atomprogramm und hielten es für friedlich. Die Mehrheit sprach sich auch gegen Sanktionen oder einen militärischen Angriff aus, unabhängig davon, welche Ziele Iran mit dem Programm verfolgt. Demgegenüber stimmte in der jüngsten Umfrage der überwiegend größere Teil der Befragten Sanktionen zu. Allerdings sprach sich die Mehrheit gegen eine militärische Intervention aus, aber auch die Befürworter haben inzwischen zugenommen.

"Sollte Israel eine Dummheit begehen, könnte sich die öffentliche Meinung rasch ändern", sagte Zogby. "Wenn Iran und Israel gegeneinander Krieg führen, wird Iran sicherlich die Sympathie auf seiner Seite haben."

Über ihre Meinung zu der "Grünen Bewegung" und den Protesten von 2009 in Iran gefragt, bekundeten die meisten Befragten ihre Sympathie für den Widerstand. Nur in fünf Ländern ergriffen die Befragten mehrheitlich Partei für das Regime.


KLAGE GEGEN "ARGO"-PRODUZENTEN GEPLANT

Iran hat der Nachrichtenagentur ISNA zufolge die bekannte französische Anwältin Isabel Coutant-Peyre beauftragt, juristisch gegen die Produzenten des Polit-Thrillers "Argo", Grant Heslov, Ben Affleck und George Clooney, vorzugehen. Nach einem Treffen mit dem Staatssekretär im Ministerium für Kultur und Islamische Führung, Akbar Masudpur, sagte die Anwältin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Teheran: "Der Film ist im Geiste Hollywoods und unter dem Einfluss der Zionisten entstanden." Die Anklage sei eine "gezielte Maßnahme", die Iran durchdacht und geplant habe. Iran werde bei diesem Schritt sicherlich nicht alleine sein.

Der Film handelt von der abenteuerlichen Rettung von sechs Menschen, die zusammen mit anderen Angehörigen der US-Botschaft 1979 in Teheran in Geiselhaft genommen worden waren. Dem Polit-Thriller wurde bester Film und bekam je einen Oscar für das beste adaptierte Drehbuch und den besten Schnitt.

Die Verantwortlichen in Iran betrachten den Film als ein antiiranisches Machwerk und halten die Oscar-Verleihung für einen politischen Akt im Rahmen der allgemeinen Feindseligkeiten gegen die Islamische Republik.

"Wichtig für sie (die USA) ist ein Angriff gegen die Islamische Republik und wir sind wie immer die Opfer", sagte Masudpur an die Anwältin gerichtet. "Ich freue mich, dass Sie mit uns fühlen und unser Recht erkämpfen wollen."

Coutant-Peyre will Verbreitung des Films verbieten lassen und fordert von den Produzenten eine Entschuldigung. Die Klage gegen Hollywood sei eine Kampagne gegen die Propaganda-Kampagne, die die USA gegen Iran initiiert hätten, sagte sie. "Es geht nicht um Entschädigung, wir wollen sie herausfordern und zwingen, sich für die Lügen, die sie über ein Land in die Welt gesetzt haben, zu entschuldigen."

Coutant-Peyre ist die Frau von Ilich Ramirez Sánchez, bekannt als Carlos, der in den siebziger Jahren für eine Reihe von Terroranschlägen verantwortlich gemacht wird. Seit 1994 befindet sich Carlos in französischer Haft. 2001 wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt. Seine Verteidigung übernahm Coutant-Peyre.

Wie hoch ihr Honorar sein wird, könne sie nicht sagen, erklärte die Anwältin, "aber sicherlich nicht so hoch wie die Produktion von Argo gekostet hat." Aus Hollywood liegt noch keine Reaktion auf Irans Anklageabsichten vor.

Am 29. März meldete die Nachrichtenagentur Fars, die Milizorganisation Basidsch wolle am Ende ihrer diesjährigen Kunstspiele Michelle Obama den ironischen Preis "Nasses Schießpulver" verleihen. Obama hatte in der Oscar-Nacht live den Oscar für den besten Film verkündet, für Argo.


SELBSTMORD EINES IRANISCHEN FLÜCHTLINGS

Ein 28-jähriger iranischer Flüchtling, der in der bayerischen Stadt Hof untergebracht war, beging am 10. März Selbstmord. Nach Aussage seiner Freunde litt Hamed Samii, der vor zwanzig Monaten nach Deutschland geflüchtet war, unter starken Depressionen. Die Ungewissheit seiner Zukunft, der lange Aufenthalt in einem Heim für Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Umständen müssen ihn in den Tod getrieben haben. Er schluckte mehr als 70 Tabletten, fünf Stunden nach seinem Tod wurde er von Mitbewohnern entdeckt. Ali Salmani, ein Freund Samiis, der im selben Heim untergebracht ist, berichtete der Deutschen Welle, er habe die Familie von Samii in Iran benachrichtigt. Denen fehle aber das Geld, um den Leichnam nach Iran bringen zu lassen. Die Stadtverwaltung habe einen Antrag auf Übernahme der Kosten abgelehnt, sagte Salmani. "Wir haben damit nicht zu tun", hieß es.

Alireza Ghalami, ein anderer Landsmann Samiis, sagte: "Wir saßen mit einigen Freunden und Hamid vor ein paar Tagen zusammen. Hamid sagte, er sei erschöpft und stark betrübt. Wir rieten ihm, nach Iran zurückzukehren. Aber er sagte, jetzt sei er seit zwanzig Monaten hier, er könne nicht mit leeren Händen zurückkehren."

Samii ist der zweite iranische Flüchtling in Bayern, der Selbstmord beging. Vor etwa einem Jahr hatte sich Mohammad Rahsepar, der in einem Flüchtlingsheim in Würzburg untergebracht war, das Leben genommen. Damit gab er Flüchtlingen den Anstoß, gegen ihre schwer zu ertragenden Lebensumstände in Deutschland zu protestieren. Mehr als 50 Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern nahmen im Herbst 2012 an einem Marsch nach Berlin teil. Sie fordern vor allem die Aufhebung der Residenzpflicht und die Vergabe einer Arbeitserlaubnis. Seitdem dauern die Proteste an.

Der Iran-Report kann kostenfrei auf der Website der Heinrich Böll Stiftung abonniert werden unter
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Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Vera Lorenz
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
12. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 4/2013 - April 2013 / 12. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2013