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MEMORIAL/140: 17. Januar 1991 - Todestag des Bildhauers Giacomo Manzù (Gerhard Feldbauer)


Giacomo Manzù

Das zwölfte von 14 Kindern eines armen Schusters wurde einer der international bedeutendsten Bildhauer

von Gerhard Feldbauer, 16. Januar 2016


Dem am 22. Dezember 1908 als zwölftes von 14 Kindern eines Schusters geborenen Giacomo Manzù war es nicht in die Wiege gelegt, einst einer der bedeutendsten Bildhauer Italiens und der Welt zu werden. Manzù ist die im bergamaskischen Dialekt übliche Verkürzung des Namens Manzoni. Schon mit elf Jahren musste er in einer Schnitzerei arbeiten, um zum Unterhalt der in ärmlichsten Verhältnissen lebenden Familie beizutragen. Dabei zeigte sich jedoch schon bald sein handwerkliches Talent, sodass er 1921 neben der Arbeit in einer Abendschule einen Bildhauerkurs besuchte und in der Werkstatt seines Lehrers arbeiten konnte. Als der wissbegierige Junge in einem Buch die Skulpturen von Aristide Maillol entdeckt, beeindruckt ihn das derartig, dass er fortan das Ziel verfolgt, auch Bildhauer zu werden.


By Gerardus (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Spielende Frau (1956), Skulpturenmuseum Glaskasten in Marl
By Gerardus (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Bei einem Besuch der Galerien der großen Meister in Paris entdeckt er in den Skulpturen von Auguste Rodin und Edgar Degas die impressionistische Oberflächenbehandlung. 1930 lässt er sich in Mailand nieder und stellt in den folgenden Jahren in der Galleria del Milione der Brüder Ghiringhelli erste Werke aus. Bei einem Aufenthalt in Rom 1934 gewinnt er in Sankt Peter Eindrücke des Lebens und Wirkens der katholischen Kirche und des Papstes, was zu einem beherrschenden Thema seiner Arbeiten wird. 1937 stellt er in der Galeria della Cometa in der Hauptstadt aus. Einer eigenen Ausstellung 1938 auf der 21. Biennale von Venedig folgen Präsentationen in Paris und New York. 1940 erhält er einen Lehrauftrag an der Accademia di Brera in Mailand, wo auch Marino Marini und Carlo Carrà Vorlesungen halten.

Während des gemeinsamen Kampfes zur Verteidigung der Spanischen Republik näherten sich die italienischen Kommunisten und Sozialisten weiter an und vertieften im Juli 1937 das bereits 1934 geschlossene Aktionseinheitsabkommen. Das einheitliche Handeln der Arbeiterparteien zog erhebliche kleinbürgerliche Schichten und Angehörige der Intelligenz auf ihre Seite. Studenten, Wissenschaftler, Schriftsteller und Künstler, wie Alberto Moravia, Cesare Pavesi, Elio Vitorino oder Renato Guttuso schlossen sich der antifaschistischen Bewegung an. Zu ihnen gehörte auch Giacomo Manzù, der dem Mailänder Kreis antifaschistischer Künstler beitrat und in der 1937 von dem Maler Ernesto Treccani gegründeten Zeitschrift Corrente di Vita giovanile mitarbeitete.

Den Traditionen der Resistenza verpflichtet leistete Giacomo Manzù zu der von der Kommunistischen Partei (PCI) nach 1945 initiierten Gestaltung von Formen und Inhalten einer demokratischen und revolutionären Kunst einen bedeutenden Beitrag. Ausdruck dafür ist sein späteres plastisches Schaffen, das durch die italienische Romanik und Frührenaissance und auch durch diese geprägt wurde. Seine Herkunft aus dem Volke war, wie er selbst wiederholt sagte, die entscheidende Quelle seines Schaffens. 1947 ist im Palazzo Reale in Mailand eine große Retrospektive seiner Werke zu sehen. Wichtigste Themen seiner Arbeit werden Darstellungen der Kraft des Menschen und sein Drang nach Befreiung, die Sehnsucht nach Frieden, die Jugend und die Liebe. Weltbekannt wurden seine Skulpturen von Liebenden, seine Frauen- und Kinderdarstellungen und seine Tänzerinnen. 1956 nahm er wiederum mit einer eigenen Ausstellung an der 28. Biennale von Venedig teil. Unvergängliche zeitkritische Werke humanistischer Tradition schuf er mit seinen Domportalen in Salzburg (1955-1958), Rom (1964) und Rotterdam (1968), sowie dem Denkmal des antifaschistischen Widerstandskampfes in seiner Geburtsstadt. Seine Schöpferkraft zeigte sich darin, dass es ihm gelang, "das Licht aufzufangen, um die Form der Bronze darin Leben zu lassen", schrieb die Unita. Seine Werke verkörperten Hoffnung, Mut und Liebe, den Sieg des Fortschritts über Grausamkeit, Verzweiflung, Lüge und Resignation. Mit Recht hat man ihn oft mit Matisse, Picasso, Brâncusi und Modigliani verglichen.


By Gerardus (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Taube am Portal der Laurenskerk in Rotterdam (1998)
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1954 wurde Manzù als Lehrer für Bildhauerei an die Internationale Sommerakademie in Salzburg berufen, wo er mit Oskar Kokoschka zusammentraf. Hier lernte er auch die Tänzerin Inge Schabel kennen, die er schon bald heiratete.

Obwohl öffentlich bekannt war, dass Manzù als Katholik mit den Kommunisten sympathisierte, war der als "Papst des Friedens" bekannt gewordene Johannes XXIII. von seinem Schaffen tief beeindruckt. Er pflegte freundschaftliche Beziehungen zu ihm und beauftragte den Schöpfer zahlreicher Christusstatuen, ein amtliches Porträt in Büstenform von sich zu schaffen. Manzù nahm Johannes auch die Totenmaske ab, als dieser am 3. Juni 1963 verstarb.

Giacomo Manzù starb am 17. Januar 1991 in Ardea bei Rom.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2016

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