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MEMORIAL/138: 8. November 1970 - USA erließen das Feldhandbuch "Field Manual 30-31" (Gerhard Feldbauer)


Zur Ausschaltung ihnen "nicht freundlich gesinnter Regierungen" erließen die USA am 8. November 1970 genaue militärische Instruktionen: Das Feldhandbuch Fiel Manual 30-31

von Gerhard Feldbauer, 8. November 2015


Wenn heute durchsickert, wie Pentagon und CIA zur Beherrschung des Nahen und Mittleren Ostens den verbrecherischen Islamischen Staat (IS) aufbauten und am Leben erhalten, mit dem unter anderem der unabhängige Nationalstaat Syrien zerschlagen werden soll, dann hat das eine lange Tradition, die schon in kalten Kriegszeiten geboren wurde. Vor 45 Jahren, am 8. November 1970, setzte der damalige Generalstabschef der US-Army, General W. C. Westmoreland, in Washington D.C. ein streng geheimes Field Manual (Feldhandbuch) 30-31 des Headquarters of the Army über "Stabilisierungsoperationen und Geheimdienst-Sondereinsätze" in Kraft. Die Zahl 30 bedeutete, dass der militärischen Geheimdienst DIA (Defense Intelligence Agency) zuständig war. Die 31 war der Kodex für Spezialoperationen.

In der Einleitung hieß es: "Das FM 30-31 beinhaltet Anleitungen über Lehre, Taktiken und Vorgehensweisen zur geheimdienstlichen Unterstützung von Stabilisierungsmaßnahmen des US-Militärs im gesamten Verteidigungsbereich". Das Field Manual zielte nicht nur auf die Unterdrückung und Ausschaltung des Einflusses kommunistischer und linker Parteien und Organisationen, sondern ebenso auf die im Ergebnis des Zusammenbruchs des Kolonialsystems in Asien, Afrika und Lateinamerika entstandenen unabhängigen Nationalstaaten, die überwiegend antiimperialistische Positionen bezogen und vielerorts eine Entwicklung sozialistischer Orientierung einschlugen. Die USA waren sich dabei sehr wohl ihres illegalen Vorgehens und der Einmischung in die inneren Angelegenheiten der betreffenden Länder bewusst. Denn das FM 30-31 legte ausdrücklich fest: "Solche Spezialoperationen sind strikt geheim zu halten, da sich eine Verwicklung des US-Militärs in Angelegenheiten des Gastlandes allein auf die Kooperation bei der Niederschlagung von Aufständen oder der Androhung beschränkt. Die Tatsache, dass die Beteiligung von US-Militärs weitaus tiefer greift, darf unter keinen Umständen bekannt werden."

Um die Kommunisten von der Regierung fernzuhalten bzw. jeglichen diesbezüglichen Einfluss ihrerseits zu verhindern, schuf die CIA dazu in den westeuropäischen Ländern aus Faschisten und rechtsextremen Parteigängern die stay-behind genannte geheime NATO-Truppe. Ihr Vorgehen erfolgte entsprechend den Weisungen des Feldhandbuches 30-31, die en Detail vor allem in Italien, wo die CIA-Truppe Gladio hieß, durchgesetzt wurden, um dort die Regierungszusammenarbeit des linken Führers der Democrazia Cristiana (DC), Aldo Moro, mit der Kommunistischen Partei (PCI) zum Scheitern zu bringen. Als am 17. März 1981 die von der CIA als Führungszentrale zur Durchsetzung der Instruktionen des FM 30-31 geschaffene faschistische Putschloge Propaganda due (P2) aufgedeckt wurde, fiel den Ermittlungsbehörden auch ein Exemplar des Feldhandbuches in die Hände. In dem Dokument war nun nachzulesen, dass Aldo Moro zu den Personen gehörte, die "gegenüber dem Kommunismus oder der kommunistisch inspirierten Unterwanderung Passivität oder Unentschlossenheit" zeigen und "mit ungenügender Schlagkraft reagieren". Angesichts der "politischen Unzuverlässigkeit" Moros steuerte die CIA einen "Wechsel der Regierungsausrichtung" an und ging, da "die Interessen der USA gefährdet" waren, dazu über "gewaltsam einzugreifen" , was hieß, Moro wurde von den von ihren Agenten infiltrierten "Roten Brigaden" entführt und "physisch liquidiert".

Die ganze Operation zur Verhinderung der Regierungszusammenarbeit der PCI mit der DC, die in der Ermordung ihres linken Führers Moro gipfelte, war ausführlich in den FM-Instruktionen festgelegt. Unter dem Abschnitt "Unterwanderung der Rebellenbewegung", worunter in Italien linke und linksradikale Organisationen zu verstehen waren, wurde der Schwerpunkt auf die Einbeziehung "der Geheimdienste des Gastlandes" gelegt, die diese "durch das Einschleusen von Agenten unterwandern" sollten. Auf einem NATO-Stützpunkt Cap Marrargiu auf Sardinien wurden Geheimdienstagenten ausgebildet, die in die linksextremen Brigate Rosse (BR) eingeschleust wurden. Die Ausbildung leitete der Geheimdienstoberst Camillo Guglielmi, der später am Tatort die Entführung Moros beaufsichtigte. Der eigentliche Chef der BR war ein CIA-Agent namens Corrado Simioni. Wie der langjährige Gladio-Kommandeur, General Serravalle nach Aufdeckung der geheimen NATO-Truppe 1990 bestätigte, wurde das fünfköpfige Begleitkommando Moros von einem Militärspezialisten erschossen, was auch durch 39 am Tatort gefundene Patronenhülsen bestätigt wurde, bei denen es sich um NATO-Spezialmunition handelte. In den Hosenaufschlägen des ermordeten Moro wurde Sand gefunden, der von den Tolfa-Hügeln nördlich von Rom stammte, wo sich ein Gladio-Stützpunkt befand. Diese und weitere Erkenntnisse über die Drahtzieher des Mordkomplotts wurden von 57 entsprechend dem Field Manual über die P2 in die Sicherheitsorgane eingeschleusten CIA-Agenten unterschlagen.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2015

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