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MEMORIAL/060: 70 Jahre christdemokratische Parteigeschichte in Italien (Gerhard Feldbauer)


70 Jahre christdemokratische Parteigeschichte in Italien

Lehrreiche Erfahrungen für linke Bündnispolitik

von Gerhard Feldbauer, 26. September 2012



Die christdemokratische Partei Italiens entstand im Kampf gegen das 1922 an die Macht gebrachte Mussolini-Regime. Noch vor der Niederlage der faschistischen Wehrmacht im Januar 1943 in Stalingrad leiteten führende großbourgeoise Kreise den Bruch mit der faschistischen Achse ein, um nicht in die Niederlage Hitlerdeutschlands hineingezogen zu werden, aber auch, um einem drohenden Volksaufstand gegen das Mussoliniregime zuvorzukommen. Um einen Gegenpol zur IKP, der führenden Kraft des antifaschistischen Widerstandes zu schaffen, gründeten bekannte Katholiken mit dem späteren Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi an der Spitze am 1. Oktober 1942 die Democrazia Cristiana. Die Gründer kamen aus der 1919 entstandenen katholischen Volkspartei, einem Sammelbecken der bürgerlichen Mitte. Nach dem Machtantritt Mussolinis im Oktober 1922 setzte der Vatikan den Eintritt der Volkspartei in dessen Regierung durch, der so der Schein einer Legitimation verliehen wurde. Unter dem Druck ihrer Basis verließ die Volkspartei im März 1923 das Kabinett. 1926 setzte Pius XI. ihre Auflösung durch.


De Gasperi nahm am Sturz Mussolinis teil

De Gasperi, der wiederholt verhaftet wurde und eine Gefängnisstrafe verbüßen musste, führte die katholische Opposition an, die dann die DC gründete. De Gasperi nahm im November 1942 an der von dem Schwerindustriellen Enrico Falck organisierten Zusammenkunft von Großindustriellen teil, die den Bruch mit Hitlerdeutschland beschloss und Kontakte zu den Alliierten aufnahm, um einen Waffenstillstand zu schließen. Nach Mussolinis Sturz im Juli 1943 durch eine Palastrevolte und der Bildung einer Regierung unter Marschall Pietro Badoglio besetzte die Wehrmacht am 8. September Mittel- und Norditalien. Die DC trat einen Tag später mit den anderen bürgerlichen Oppositionsparteien dem von der IKP organisierten Nationalen Befreiungskomitee bei, das zum Befreiungskrieg gegen Hitlerdeutschland aufrief. Im April 1944 nahm sie Einfluss auf den Eintritt der Oppositionsparteien unter Einschluss der Kommunisten und Sozialisten in die Badoglio-Regierung, die damit den Charakter einer antifaschistischen Einheitsregierung erhielt.


Eine Mischung aus Partei des Großkapitals und der katholischen Volksmassen

Die DC war ein Zwitter von katholischer Volkspartei sowie Vertretern der führenden Kreise des Großkapitals und der Latifundistas und obendrein vom Vatikan abhängig. Nach dem Sieg über den Faschismus bildeten sich im Kampf um eine antifaschistisch-demokratische Umwälzungen zwischen dem Zentrum der DC ein linker und rechter Flügel heraus. Die Linken traten unter dem späteren Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden Aldo Moro für eine gesellschaftliche Erneuerung auf christlich-sozialen Grundlagen und auf dieser Basis für die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit den Kommunisten und Sozialisten ein. Die DC-Rechte, zu deren Exponenten der mehrmals die Regierung anführende Giulio Andreotti aufstieg, stürzte 1947 durch den Ausschluss der Kommunisten und Sozialisten die Einheitsregierung, setzte die kapitalistische Restauration durch und unterwarfen sich im einsetzenden Kalten Krieg der Vormachtrolle der USA. Zur Verhinderung einer Linksregierung tolerierten sie im Dezember 1946 die Wiedergründung der Mussolinipartei in Gestalt der MSI und sicherten sich die Stimmen der Neofaschisten auch für ihre Regierungen.


Im Korruptionssumpf untergegangen

Die in der DC wie in anderen bürgerlichen Parteien praktizierte Korruption führte 1992/93 zum Zerfall des alten Parteiensystems und zum Untergang der Partei, aus der mehrere Nachfolgegrüppchen hervorgingen, darunter die Zentrumspartei Margherita, die sich 2007 mit aus der IKP hervorgegangenen Linksdemokraten zur Demokratischen Partei zusammenschloss. Zu den Parlamentswahlen 2013 will sie zusammen mit der neuen Linkspartei Umwelt und Freiheit ein Mitte-Links-Bündnis bilden. Auf der rechten Seite ist die Union Demokratischer Christen (UDC) übriggeblieben. Sie gehörte jahrelang der rechtsextremen Koalition Silvio Berlusconi an und ist auch heute ein entschiedener Gegner der Kommunisten und der Linkspartei.

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Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2012