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MEMORIAL/022: So wurde die Gewerkschaftseinheit in Italien zerschlagen (Gerhard Feldbauer)


So wurde die Gewerkschaftseinheit in Italien zerschlagen

von Gerhard Feldbauer, September 2011


Im antifaschistischen Widerstand gegen das Besatzungsregime der Hitlerwehrmacht und seine italienischen Vasallen entstand auf Initiative der PCI am 3. Juni 1944 der einheitliche Gewerkschaftsbund Italiens, Confederazione Generale Italiano del Lavoro (CGIL). Damit wurde der Versuch der angloamerikanischen Besatzungsmacht vereitelt, die faschistischen Pseudo-Gewerkschaften in "Freie Gewerkschaften" umzuwandeln. In den besetzten Gebieten leistete die CGIL einen bedeutenden Beitrag in der illegalen Betriebsarbeit zur Sabotage der Kriegsproduktion und im Frühjahr 1945 bei der Vorbereitung des Generalstreiks zum bewaffneten Aufstand.

Im Mai 1947 vertrieb Ministerpräsident Alcide De Gasperi auf Geheiß der Amerikaner Kommunisten und Sozialisten aus der faschistischen Einheitsregierung und leitete damit eine restaurative reaktionäre Wende ein. In diesem Prozess war die CGIL als stärkste Arbeiterorganisation ein entscheidendes Hindernis. Gehörten doch 55,8 Prozent ihrer Mitglieder der PCI an oder sympathisierten mit ihr. 22,6 Prozent standen der PSI nahe. Lediglich 13,4 Prozent orientierten sich auf die führende Regierungspartei Democrazia Cristiana (DC). Mit der Gründung der Unione Italiana del Lavoro (UIL) am 5. März 1950, der am 1. Mai die Bildung der Confederazione Italiana Sindacati Lavoratori (CISL) folgte, wurde die Gewerkschaftseinheit zerschlagen. Wie der "Corriere della Sera" 15 Jahre später, am 8. März 1975, enthüllte, hatte die CIA die Operation eingefädelt. Die Spaltung leitete ihr Agent, der Chef der AFL-CIO, Irving Brown, persönlich.

Die UIL entwickelte sich zu einer katholisch beeinflussten Organisation, die CISL dominierten die Sozialdemokraten und später vor allem die Sozialisten, heute die aus der Fusion der exkommunistischen Linksdemokraten mit dem katholischen Zentrum hervorgegangene Demokratische Partei, in geringerem Maß die Linkspartei Umwelt und Freiheit. Die CGIL blieb mit annähernd fünf Millionen Mitgliedern nicht nur die zahlenmäßig stärkste, sondern auch die politisch einflussreichste Gewerkschaft. Sie stand der IKP nahe, so lange diese existierte. Heute kommen ihre Mitglieder und Anhänger aus der PRC und der PdCI, den Linksdemokraten, aber auch aus der DP. Dabei entwickelten sich diese ursprünglichen Grenzen im Laufe der Zeit zunehmend fließend.

Lange Zeit gelang es über einen gemeinsamen Dachverband das einheitliche Wirken der drei großen Gewerkschaften zu gestalten. Im Sog des revisionistischen Kurses der PCI und ihres gescheiterten "Historischen Kompromisses", der Klassenzusammenarbeit mit der DC, setzten sich seit den 1980er Jahren auch Elemente der Sozialpaktstrategie in der CGIL durch. Das ermöglichte den Unternehmern Anfang der 1990er Jahre, die gleitende Lohnskala, mit der bis dahin die Löhne halbjährlich an die Inflationsrate angepasst werden mussten, zu beseitigen. Die Gewerkschaften, die CGIL eingeschlossen, nahmen die Liquidierung dieser größten sozialen Errungenschaft ohne nennenswerten Widerstand hin.

Beteiligten sich noch im Herbst 1994 an den Kampfaktionen, darunter ein Generalstreik, die im Dezember zum Sturz der ersten Regierung Berlusconi führten, die drei großen Arbeiterverbände gemeinsam, so ruft heute die CGIL allein zum Ausstand gegen den ungeheueren Sozialabbau des faschistoiden Berlusconi-Regime auf.

Mit rund 12 Millionen Mitgliedern weist Italien einen hohen Grad gewerkschaftlicher Organisation auf, wobei allerdings fast die Hälfte (47 Prozent) Rentner sind. Die CGIL nennt 5,7, die CISL 4,5 und die UIL 2,1 Millionen Mitglieder. Innerhalb der drei Dachverbände existieren Branchengewerkschaften, deren stärkste und am meisten links ausgerichtete mit der Metallarbeitergewerkschaft FIOM (Federazione Impiegati Operai Metallurgici) in der CGIL besteht. Ferner gibt es einige autonome Gewerkschaften, so in Südtirol und im Bankensektor die Federazione autonoma Bancari Italiani (BAFI). Im Widerstand gegen den Sozialpaktkurs, der durch die Klassenzusammenarbeit der PCI mit der DC Auftrieb erhielt, entstanden in den 1960/70er Jahren die links aisgerichteten Comitati Unitari di Base (COBAS).


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Quelle:
© 2011 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2011