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MELDUNG/144: Antikenhehlerei darf sich nicht lohnen (idw)


Römisch-Germanisches Zentralmuseum (RGZM) - Forschungsinstitut für Archäologie - 12.07.2012

Antikenhehlerei darf sich nicht lohnen

Sonderausstellung zum Thema "Kriminalarchäologie" im Münchener Flughafen informiert über die Problematik der Antikenhehlerei



Das Römisch-Germanische Zentralmuseum (RGZM) setzt sich seit Jahren für eine wirksame Bekämpfung des illegalen Handels mit archäologischem Kulturgut zweifelhafter Herkunft ein. Die Preise, die die antiken Stücke auf dem Markt erzielen, bieten einen hohen finanziellen Anreiz und sind Motor für Plünderung und Zerstörung archäologischer Stätten. Die Ausstellung im Terminal 2 des Münchener Flughafens ist noch bis 12. August 2012 zu sehen.

Archäologen und Kriminalisten nutzen nicht nur ähnliche Methoden um Ereignisse der Vergangenheit aus erhaltenen Spuren zu rekonstruieren. Sie arbeiten auch eng zusammen, wenn es darum geht, zum Schutz der archäologischen Stätten, Raubgräbern und Antikenhehlern das Handwerk zu legen.

Anhand spektakulärer Kriminalfälle der jüngsten Vergangenheit gewährt das RGZM erstmalig Einblick in einen Bereich seiner Aktivitäten, der bereits auf einiges mediales Interesse gestoßen ist.

Auf mehreren großen Informationswürfeln wird u. a. die spannende Suche nach dem offenbar erst vor wenigen Jahren von Plünderern im Irak entdeckten Grab einer sumerischen Prinzessin aus der Mitte des dritten Jahrtausends v. Chr. thematisiert. Berichtet wird auch von fünf türkischen Bronzegefäßen, die kürzlich die diplomatischen Drähte zwischen Ankara, Berlin, Wiesbaden und Mainz zum glühen brachten.

Prof. Dr. Egon Johannes Greipl, Generalkonservator des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege erklärte im Zuge der Ausstellungseröffnung: "Raubgräber und Leute, die mit Kulturgut illegalen Handel treiben tun etwas ganz Schlimmes: Sie stehlen den Menschen, überall auf der Welt, Identität und Geschichte."

"Viele Museen sind von dem Thema Raubgrabungen und Handel mit illegal geborgenen archäologischen Funden unmittelbar betroffen und reagieren daher mit absoluter Zurückhaltung", erklärte Prof. Dr. Rupert Gebhard, Direktor der Archäologischen Staatssammlung in München. "Dies halte ich für falsch. Ich bin der Überzeugung, dass das Problem nicht durch Verschweigen, sondern nur durch Offenlegung gelöst werden kann. Allein eine breit sensibilisierte Öffentlichkeit kann die notwendige Sicherung des globalen und zugleich eigenen Erbes gewährleisten."

Petra Sandles, Polizeivizepräsidentin des Bayerischen Landeskriminalamts, erläuterte, dass auch in Deutschland Raubgrabungen vorgenommen werden. "Nach einer Schätzung des Landesamtes für Denkmalpflege gehen allein in Bayern jedes Jahr 1,2 Millionen archäologischer Objekte durch diese Grabungen verloren. Ausgegraben werden alte Waffen, Münzen und Gefäße. Diese wandern in die privaten Sammlungen der Täter oder werden in Sammlerkreisen angeboten. Damit geht unschätzbares historisches Wissen verloren. Umso mehr freut es mich, dass es uns in den letzten Jahren mehrfach gelungen ist, in vorbildlicher Kooperation mit den Ermittlern des BKA, den Staatsanwaltschaften und den Sachverständigen des Römisch-Germanischen Zentralmuseums historisch wertvolle Kulturgüter an die Ursprungsländer zurückzugeben."

Christine Erhart-Parzefall, stellvertretende Behördenleiterin des Hauptzollamtes München, wies darauf hin, dass das das Auffinden von solchen »geschmuggelten« Gegenständen von unschätzbarem kulturellem Wert in Anbetracht der ca. 1,15 Mio Ausfuhren und 280.000 Einfuhren an beiden Münchner Zollämtern, leider dem berühmten Vergleich mit dem Auffinden einer Nadel im Heuhaufen standhält.

"Durch die Ausstellung »Kriminalarchäologie« erhält die Bevölkerung die eher seltene Gelegenheit, sich in zeitgemäßer Kürze ein Bild über die Auswirkungen der Raubgrabungen und das Vorgehen des illegalen Handels mit dem archäologischen Erbe zu machen. Anschließend in Ruhe darüber nachzudenken, liegt im Interesse der Kriminalprävention", erklärte Eckhard Laufer, Koordinator Kulturgüterschutz der Zentralstelle Kriminal- und Verkehrsprävention des Hessischen Landeskriminalamtes.

Dr. Michael Müller-Karpe, Archäologe am RGZM, Initiator und Spiritus rector der Ausstellung, erläuterte deren Konzeption. Er betonte die Bedeutung, die der Bewahrung des archäologischen Erbes zukommt. "Die im Fundkontext gespeicherten Informationen über Menschen, von denen wir durch die Zeit getrennt sind, werden durch Raubgrabungen zur Versorgung eines nimmersatten Antikenmarktes mit Hehlerware undokumentiert und unwiederbringlich zerstört. Wir dürfen nicht zulassen, dass das Bodenarchiv, der Quell aus dem sich das kulturelle Gedächtnis der Menschheit speist, geplündert und den kurzsichtigen Gewinninteressen Einzelner geopfert wird!"

Zur Ausstellung
Die Präsentation wurde 2011 vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Landeskriminalamt, der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, der Botschaft der Republik Irak und der Fachhochschule Mainz konzipiert. Nachdem die Ausstellung im Mainzer Hauptbahnhof, in der Hessischen Polizeiakademie Wiesbaden und im Badischen Landesmuseum Karlsruhe gezeigt wurde, wird sie nun im Münchner Flughafen präsentiert.
Das gestalterische Grundkonzept wurde von Studierenden der FH Mainz unter der Leitung von Prof. Susanne Maier-Staufen entwickelt.

Weitere Informationen unter:
http://web.rgzm.de/?id=1192

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1371

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Römisch-Germanisches Zentralmuseum (RGZM) - Forschungsinstitut für
Archäologie, Christina Nitzsche, 12.07.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2012