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MELDUNG/105: Projekt - Eine Geschichte des Einkaufens (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 03.10.2011

Eine Geschichte des Einkaufens

Tagung zur materiellen Kultur und zum Konsumverhalten in der Frühen Neuzeit am 6./7. Oktober an der Universität Jena


Julia A. Schmidt-Funke kennt sich gut aus in den Stuben von Frankfurt am Main. Sie studiert regelmäßig Listen, auf denen verzeichnet wurde, was sich wo in einer Wohnung befand, nachdem die Bewohner gestorben waren oder aus anderen Gründen ihre Habseligkeiten zurücklassen mussten. Allerdings liegt das etwa 500 bis 200 Jahre zurück - die Stuben sind inzwischen abgerissen und zerstört.

Anhand der Reichsstadt Frankfurt erforscht die promovierte Historikerin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena die materielle Kultur und das Konsumverhalten in der Frühen Neuzeit. "Solche Inventarlisten, wie sie in Frankfurt glücklicherweise noch erhalten sind, geben Auskunft darüber, was die Bewohner der Stadt damals gekauft und besessen haben, mitunter welchen Wert die Dinge hatten und was besonders geschätzt wurde", erklärt Schmidt-Funke.

Im deutschsprachigen Raum ist sie auf ihrem Gebiet Pionierin. An angelsächsischen Universitäten geht man dagegen schon länger der Frage nach, was Menschen zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert kauften und warum. Daran will Schmidt-Funke nun anknüpfen. Am 6. und 7. Oktober treffen sich an der Universität Jena zehn Nachwuchswissenschaftler zu einem Workshop zur Konsumgeschichte. Mit der Veranstaltung möchte die Jenaer Historikerin ein Netzwerk Gleichgesinnter gründen. "Es ist für Forscher auf neuem Terrain wichtig, sich austauschen zu können", sagt Schmidt-Funke. "Zumal das Thema sehr vielschichtig ist." So könne man etwa beobachten, dass Konsumgeschichte ihre eigenen Epochen habe, die zwar vom Zeitgeschehen beeinflusst seien, sich aber auch losgelöst davon definieren ließen.

"Wir untersuchen nicht die Handelsgeschichte, das haben schon genug vor uns getan", betont Schmidt-Funke. Ihr und ihren Kolleginnen und Kollegen sei daran gelegen, herauszufiltern, in welchem Umfang Menschen Waren konsumierten, wo sie dies taten und welche Bedeutung man dadurch erzeugte. Natürlich gehe es auch darum, welche Waren dabei eine Rolle spielten. "In der von uns untersuchten Zeit verbreiteten sich beispielsweise globale Güter sehr schnell", erklärt die Geschichtsexpertin. "Kaffee, Rohrzucker oder Schokolade fanden anfangs als Luxusgüter Anklang bei den Konsumenten - nicht nur im Adel, sondern auch im Bürgertum und den darunterliegenden gesellschaftlichen Bevölkerungsschichten, die mich im Rahmen meines Habilitationsprojektes besonders interessieren." Sicherlich könne man auch die Frage stellen, ob damals schon allein des Konsumierens wegen konsumiert wurde, allerdings wollen die Forscher die Frühe Neuzeit nicht permanent mit der Moderne vergleichen.

Doch warum hat sie ausgerechnet Frankfurt am Main für ihre Forschungen ausgewählt? "Als Reichsstadt stellt die Stadt einen relativ geschlossenen Kosmos dar", fasst Schmidt-Funke zusammen. "Außerdem war Frankfurt auch schon früher eine bedeutende Handels- und Messestadt, in der auf engem Raum verschiedene Bevölkerungsgruppen vertreten waren. Es lassen sich sogar mehrere Einwanderungswellen nachvollziehen." So kamen beispielsweise im 17. Jahrhundert Italiener aus der Gegend um den Comer See als Zitronenhändler an den Main.

Handelsakten und die bereits erwähnten Inventarlisten geben der Jenaer Historikerin die meisten Informationen. Sie wertet aber auch die sogenannte Policeygesetzgebung aus, die z. B. regelte, aus welchen Materialien die Kleidung einer Bevölkerungsgruppe bestehen musste und welche Speisen bei Festlichkeiten auf dem Tisch stehen durften. Die Nachwuchswissenschaftlerin ist zuversichtlich, dass sie ihre Forschungen innerhalb der nächsten zwei Jahre zum Abschluss bringen kann.

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution23


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Sebastian Hollstein, 03.10.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Oktober 2011