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POLITIK/123: 600 Experten für Künstliche Intelligenz unterzeichnen Aufruf für europäische Initiative (idw)


Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH, DFKI - 18.06.2018

600 Experten für Künstliche Intelligenz unterzeichnen Aufruf für europäische Initiative


600 führende Experten für Künstliche Intelligenz haben heute ein Schreiben veröffentlicht, mit dem sie die europäischen und nationalen Entscheider auffordern, ihre Unterstützung für Forschungsexzellenz und Innovation in der Künstlichen Intelligenz (KI) drastisch zu erhöhen. Künstliche Intelligenz wird die Art und Weise, wie wir leben und arbeiten, grundlegend verändern, so die Argumentation der Forscher. Sie fordern die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz, die die menschliche Intelligenz ergänzt, anstatt sie zu ersetzen.

Unter den Unterzeichnern sind Spitzenforscher aus 20 europäischen Ländern, aus allen Bereichen der KI, darunter Vorsitzende nationaler KI-Gesellschaften, Leiter von Spitzenforschungsinstituten und viele Herausgeber wissenschaftlicher KI-Zeitschriften. Ab sofort können weitere Unterstützer den Brief auf claire-ai.org elektronisch unterschreiben.

In ihrer Erklärung argumentieren die Experten, dass die Forschung zur Künstlichen Intelligenz für die Zukunft Europas von entscheidender Bedeutung ist. "Wir leben in einer wissensbasierten Welt", sagt Holger Hoos, Professor für Maschinelles Lernen an der Universität Leiden und einer der Initiatoren. "Wissen und Intelligenz sind die wertvollsten Ressourcen in jeder Gesellschaft. Daher sind Investitionen in Forschung und Bildung klug. Investitionen zur Erforschung und Lehre der Künstlichen Intelligenz sind doppelt klug: Sie steigern die Intelligenz von Menschen und Maschinen."

Die USA, China und Kanada investieren kräftig. Im vergangenen Jahr kündigte die chinesische Regierung ein Programm an, das darauf abzielt, bis 2030 die Spitzenstellung in allen Bereichen der Künstlichen Intelligenz zu erlangen. Dazu Morten Irgens, Vizerektor an der Metropolitan University Oslo: "Wenn es ein anderes Thema gewesen wäre, hätte ich gesagt: Gut für sie. Wir haben eine Reihe von Bereichen, in denen wir gut sind. Aber wenn es um den Bau von intelligenten Maschinen geht, die im Grunde genommen Dominanz in allen erdenklichen Bereichen, von Konsumgütern bis hin zu Sicherheit, etablieren sollen, dürfen wir unsere Köpfe nicht in den Sand stecken."

"Künstliche Intelligenz ist ein globaler 'Game Changer'", so Irgens weiter. "Sie wird unser Leben und unsere Gesellschaften verändern. Man sagt manchmal, der beste Weg die Zukunft zu meistern, bestehe darin, sie zu schaffen. Wir werden das nicht anderen überlassen."

Am 10. April 2018 unterzeichneten 25 europäische Länder die Zusage, die Finanzierung und Koordination der KI-Forschung zu erhöhen, zwei Wochen später veröffentlichte die Europäische Kommission erste Pläne zur Finanzierung von KI-Forschung und Innovation mit rund 20 Milliarden Euro.

"Diese Investition ist für Europa enorm wichtig", sagt Prof. Philipp Slusallek, wissenschaftlicher Direktor am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), dem weltweit größten KI-Forschungszentrum. "Aber wir sollten sie smart nutzen. Die Unterzeichner dieser Erklärung halten es für notwendig, in die Forschungsexzellenz in allen Bereichen der Künstlichen Intelligenz in ganz Europa zu investieren."

Die Initiative fordert die Gründung einer Konföderation der Laboratorien für Künstliche Intelligenz-Forschung in Europa (CLAIRE). Ein großer zentraler Knotenpunkt stellt Forschungsinfrastruktur, Daten und Computing-Ressourcen zur Verfügung, die ansonsten unerreichbar wären, und macht sie regionalen Exzellenzzentren und allen anderen Partnern zugänglich.

"CERN ist ein hervorragendes Beispiel dafür, was wir mit CLAIRE erreichen wollen", so Slusallek. "Die Hauptforschung wird von vielen exzellenten Forschern und Laboren in ganz Europa und der Welt betrieben. Aber durch die Koordinierung ihrer Forschung erhalten sie in allen Bereichen eine viel größere Hebelwirkung und deutlich mehr Anerkennung."

"Europa muss nicht nur seine Forschung und Entwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz verstärken, sondern auch seine Kräfte bündeln", fügt Prof. Hoos hinzu. "Europa hat viele exzellente Forscher in der KI und viele exzellente Forschungsgruppen. Aber es ist es wichtig, dass wir auf den Stärken Europas aufbauen: Verantwortungsvolle Forschung und Innovation, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht."

"Wir brauchen eine KI, die die menschliche Intelligenz ergänzt und nicht ersetzt", so Hoos weiter. "KI hilft uns, unsere Grenzen und Vorurteile zu überwinden. Dies ist ein Schlüsselaspekt des menschzentrierten Ansatzes von Künstlicher Intelligenz, die von der CLAIRE-Initiative gefordert wird."

"Die Industrie in vielen europäischen Ländern ist sehr gut positioniert, um die KI-Technologie einzusetzen", sagt Irgens. "Die Frage ist, ob das eine anderswo entwickelte Technologie oder eine KI 'Made in Europe' sein soll, die auf europäischen Werten wie Transparenz, Fairness und Sozialverträglichkeit basiert."


Über die Initiative:

CLAIRE ist die Abkürzung für "Confederation of Laboratories for Artificial Intelligence Research in Europa".

Die Initiative wurde von Dr. Holger Hoos, Professor für Maschinelles Lernen am Institute of Advanced Computer Science (LIACS) an der Universität Leiden, Niederlande, ins Leben gerufen. Dr. Morten Irgens, Vizerektor an der Oslo Metropolitan University, Norwegen, und Prof. Dr. Philipp Slusallek, Wissenschaftlicher Direktor am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), Deutschland. Das DFKI ist weltweit eines der größten gemeinnützigen Forschungszentren für innovative Softwaretechnologien auf der Basis von Methoden der Künstlichen Intelligenz. Die Oslo Metropolitan University (OsloMet) ist eine der jüngsten Universitäten Europas mit Fokus auf den technologischen Wandel der Lebens- und Arbeitswelten. Die Universität Leiden ist die älteste Universität der Niederlande und gehört zu den 100 forschungsintensivsten Universitäten weltweit.

Unterstützung durch KI-Spitzenforscher:

Unter den Unterzeichnern sind Vorsitzende nationaler KI-Gesellschaften, Leiter von KI- Spitzenforschungsinstituten und andere renommierte Wissenschaftler sowie viele Herausgeber von wissenschaftlichen KI-Zeitschriften.

• 102 Fellows der European Association for Artificial Intelligence (EurAI), der wichtigsten europäischen Vereinigung für KI-Forscher

• 20 Fellows der Association for the Advancement of Artificial Intelligence (AAAI), der wichtigsten internationalen Vereinigung für KI-Forscherinnen und -Forscher

• 9 Präsidenten (ehemalige und aktuelle) der European Association for Artificial Intelligence (EurAI)

• 5 ehemalige Präsidenten der IJCAI (International Joint Conferences on Artificial Intelligence)

• 22 Fellows des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) und der Association for Computing Machinery (ACM)

• 13 Mitglieder verschiedener Nationaler Akademien der Wissenschaften (z.B. Royal Society und Leopoldina)

Um die Publikationswirkung einzelner Forscher zu messen, wird der "Google Scholar h-index" in vielen wissenschaftlichen Disziplinen eingesetzt. In der Künstlichen Intelligenz gilt ein h-Index von 40 und mehr als ausgezeichnet. Der durchschnittliche h-Index der ersten 150 Unterstützer liegt über 45. Von allen KI-Experten, die bis heute unterzeichnet haben, haben 108 einen h-Index von über 40, 57 einen h-Index von über 50 und 24 einen h-Index von über 60.

Die große Unterstützung der Initiative zeigt sich auch in den Reaktionen führender Mitglieder der Europäischen KI-Gemeinschaft:

"KI wird einen enormen Einfluss auf unsere Gesellschaft haben und wird derzeit anderswo entwickelt, angetrieben durch kommerzielle und militärische Vorhaben. Im Rahmen der CLAIRE-Initiative arbeiten wir an der Verlagerung der KI-Forschungsagenda zur Betonung unserer europäischen Werte Fairness, Wahrhaftigkeit und Privatsphäre. Eine solche Technologie wird uns einen Vorsprung bei neuen Anwendungen in der Medizin, in der digitalen Verwaltung und Legal Services verschaffen, um nur einige Beispiele zu nennen."
Prof. Dr. Boi Faltings, AAAI und EurAI Fellow, Eidgenössische Technische Hochschule, Schweiz

"Wir begrüßen das Entstehen einer vereinten Gemeinschaft europäischer Forscher unter dem breiten Banner der KI (beginnend mit, aber nicht beschränkt auf Maschinelles Lernen), die humane Werte in den Vordergrund stellt, und unterstützen daher die Gründung einer Konföderation der Laboratorien für Künstliche Intelligenz in Europa (CLAIRE) nachdrücklich".
Prof. Dr. Michèle Sebag und Prof. Dr. Marc Schoenauer sind Co-Leiter des INRIA/CNRS/Université Paris-Sud TAU-Teams (TAckling the Underspecified), das sich dem Maschinellen Lernen widmet. Michèle Sebag ist EurAI Fellow, Mitglied der Französischen Akademie der Technologien, und ehemalige Präsidentin der AFIA, der französischen KI-Gesellschaft. Marc Schoenauer war Mitglied der jüngsten Villani-Mission zur französischen KI-Strategie, ist Vorsitzender der ACM-SIGEVO und ehemaliger AFIA-Präsident.

"Europa hat immer eine wichtige Rolle in der KI gespielt, aber jetzt besteht die Gefahr, dass Europa ohne eine entschlossene Reaktion auf allen Ebenen (Wissenschaft, Regierungen und Privatsektor) hinter China und den USA zurückbleiben könnte. Daher unterstütze ich nachdrücklich diese dringend benötigte Initiative zur Förderung der Künstlichen Intelligenz in Europa durch qualitativ hochwertige, auf den Menschen ausgerichtete Forschung in allen KI-Bereichen und in ganz Europa."
Prof. Dr. Ramon Lopez de Mantaras, EurAI Fellow, ehemaliger IJCAI Präsident und Trustee, Direktor Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz (IIIA-CSIC), Spanien.

"Ziel ist es nicht, die USA und China in Bezug auf eng definierte Publikationsstatistiken zu schlagen, sondern sicherzustellen, dass wir in Europa die ersten sind, die Forschungsergebnisse in der KI erfolgreich in Produkte, Dienstleistungen und soziale Innovationen umsetzen, die den europäischen Bürgern klare Vorteile bringen und unsere Wirtschaft weiter stärken."
Prof. Dr. Wolfgang Wahlster, EurAI Fellow, AAAI Fellow und GI Fellow, CEO des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) und Professor für Informatik an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken.

"Das ist eine spannende Initiative. Ich hoffe, dass das Vereinigte Königreich trotz Brexit dabei eine wichtige Rolle spielen kann. Das statistische maschinelle Lernen hat einige erstaunliche Fortschritte gemacht, aber wir beginnen jetzt, seine Grenzen zu erkennen, vor allem in Bezug auf die Erklärbarkeit, oder besser gesagt, das Fehlen einer solchen. Die nächste Stufe der KI erfordert eine Kombination von logischen und statistischen Techniken."
Prof. Dr. Alan Bundy, Eur AI Fellow, AAAI Fellow, ACM Fellow, Royal Society Fellow, Königliche Akademie of Engineering Fellow, Commander of the British Empire, Universität Edinburgh, UK.

"Die jüngsten Durchbrüche bei Deep Learning haben die Hoffnung hervorgerufen, dass Deep Learning alle KI-Probleme lösen wird. Dies ist eine Illusion, denn wirklich intelligente Maschinen sollten nicht nur lernen, sondern auch schlussfolgern, wie dies auch Menschen tun. Selbstfahrende Autos zum Beispiel müssen sich an die Verkehrsregeln halten und sie nachvollziehen. Das langfristige Versprechen der KI kann nur durch die Förderung aller KI-Technologien realisiert werden. Ein zu enger Fokus ist wie die Behauptung, dass die wichtige Erfindung der Gummireifen in der Automobilindustrie auch zu besseren Motoren geführt hätte."
Prof. Dr. Luc De Raedt, EurAI Fellow und Stipendiat des ERC Advanced Grant, KU Leuven, Belgien.

"KI-Technologien müssen auf den Menschen ausgerichtet sein, und Europa kann genau dies in die gegenwärtige KI-Revolution einbringen. KI-Maschinen, die mit Menschen zusammenarbeiten anstatt sie zu ersetzen, und KI-Programme, die ihre Schlussfolgerungen erklären können, und wichtige Werte wie Transparenz und Fairness beachten, sind von entscheidender Bedeutung für eine zuträgliche Nutzung dieser Technologie für die Gesellschaft."
Prof. Dr. Frank van Harmelen, Mitglied der Königlich Niederländischen Akademie der Künste und Wissenschaften, und Mitglied der Academia Europaea, Vrije Universiteit Amsterdam, Niederlande.

"KI in Europa braucht eine breite Basis. Viele und vielfältige Talente werden benötigt, um KI-Forschung und Innovation zum Nutzen unseres Kontinents zu fördern. Jetzt ist es an der Zeit, in Europas weltweit anerkannte KI-Exzellenz-Zentren zu investieren, um die Entwicklung der KI mit einem europäischen Esprit anzuführen."
Prof. Dr. Maarten de Rijke, Universität Amsterdam, Direktor Innovationszentrum für KI, Mitglied der Königlichen Akademie der Künste und Wissenschaften der Niederlande.


Zusätzliche Informationen und die aktuelle Liste von Unterstützern:
https://claire-ai.org

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution32

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH, DFKI, 18.06.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2018

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