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ARBEIT/154: Der EU-Schwindel mit der Jugendarbeitslosigkeit (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 27 vom 5. Juli 2013
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Der EU-Schwindel mit der Jugendarbeitslosigkeit
Warteschleifen und Auswanderungsförderung sind keine Lösung

von Georg Polikeit



Frohe Botschaft für alle jungen Menschen in Europa: die EU hat jetzt ein "umfassendes Konzept zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit" beschlossen. So tönte es am vergangenen Wochenende in den Berichten über den jüngsten EU-Gipfel am 27./28. Juni aus allen Kanälen.

Sechs Milliarden Euro will die EU in den nächsten zwei Jahren für diesen Zweck locker machen. Und die EU-Staaten sollen eine "Jugendgarantie" einführen. Darin soll jedem arbeitslosen jungen Menschen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren staatlich garantiert werden, dass er/sie innerhalb von vier Monaten wieder einen Job bekommt oder ihm/ihr die "Teilnahme an allgemeiner oder beruflicher Bildung" ermöglicht wird, heißt es im Schlussprotokoll der letzten EU-Ratstagung. Die Welt wird schön ...!

Wie immer ist es bei solchen Botschaften empfehlenswert, im Kleingedruckten nachzulesen. Da entpuppt sich das EU-Geschenk an die Jugend dann rasch als reiner Reklamecoup und Betrug.

Das fängt schon damit an, dass die im Schlussprotokoll genannten 6 Milliarden, die ab 1.1.2014 zur Verfügung gestellt werden sollen, bei genauerem Hinsehen eigentlich nur drei Milliarden sind. Denn im EU-Sozialfond (ESF), aus dem die "Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit" überwiegend finanziert werden soll, waren auch bisher schon 3 Milliarden für "Jugendförderungsprogramme" eingesetzt. Praktisch kommen also nur drei Milliarden mehr dazu.

Aber selbst wenn man von den genannten 6 Milliarden ausgeht, sind das rein rechnerisch bei 5,6 Millionen offiziell in den EU-Staaten registrierten arbeitslosen Jugendlichen gerade mal 1070 EUR pro Kopf für zwei Jahre oder 535 Euro pro Jahr. Experten der "Internationalen Arbeitsorganisation" (ILO), einer Unterorganisation der UNO; hatten ausgerechnet, dass mindestens 21 Milliarden, also mehr als das Dreifache nötig wären, um bei der Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit in den EU-Staaten tatsächlich eine gewisse Wirkung zu erzielen.

Verglichen mit den 160 Milliarden, die bisher allein im Rahmen der sogenannten "Griechenland-Hilfe" zur Rettung griechischer und ausländischer Banken vor Verlusten zur Verfügung gestellt worden sind, sind die beschlossenen 6 Milliarden zur "Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit" eine ausgesprochen mickrige Summe.

Es kommt hinzu, dass der EU-Sozialfonds insgesamt in den nächsten Jahren nicht erhöht werden soll. Das heißt, das Geld zur "Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit muss an anderen Stellen im gleichen Sozialfond, also auf Kosten anderer EU-Sozialmaßnahmen, wieder eingespart werden. Im ursprünglichen Finanzplan waren die 6 Milliarden für die gesamten sieben Jahre bis 2020 eingeplant. Um etwas glaubwürdiger auszusehen, haben die EU-Oberen vereinbart, die Ausgabe dieser Mittel auf die ersten zwei Jahre 2014 und 2015 vorzuziehen. Offen bleibt dabei aber, was danach geschieht. In vagen Andeutungen wird mitgeteilt, dass damit gerechnet werde, vielleicht zusätzlich noch "nicht ausgegebene Gelder" aus anderen Haushaltstiteln zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ausgeben zu können. Und dass die "Europäische Investitionsbank" (EIB) mehr Kredite an Klein- und Mittelunternehmer zur Verfügung stellen soll, damit die mehr junge Leute einstellen bzw. ausbilden. Aber das ist nicht mehr als Stochern im Nebel.

Die genannten 6 Milliarden kommen den arbeitslosen Jugendlichen natürlich nicht in irgendeiner Form direkt zugute. Verteilt werden sie vielmehr an die Regierungen der Mitgliedsstaaten. Die entscheiden dann, was konkret damit gemacht werden soll. Zunächst sollen nur Regionen, in denen die Jugendarbeitslosigkeit höher als 25 Prozent liegt, Gelder in Anspruch nehmen können. Dafür müssen die entsprechenden Staaten bis Ende dieses Jahres einen Antrag bei der EU-Kommission einreichen und einen eigenen nationalen "Plan zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit" beifügen.

Die proklamierte "Jugendgarantie" soll in der alleinigen Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedsstaaten liegen. Das heißt, sie muss auch von diesen finanziert werden. Wie die krisengeschüttelten EU-Länder das angesichts der im "Fiskalpakt" festgeschriebenen "Schuldenbremse" machen sollen, bleibt das Geheimnis der Erfinder.

In der Praxis dürfte dies bedeuten, dass die "Jugendgarantie" selbst dort, wo die Nationalstaaten sie tatsächlich per Gesetz einführen, bestenfalls dazu führen wird, dass ein Teil der arbeitslosen Jugendlichen zwar nicht einen echten Job bekommen, aber in diversen staatlich bezuschussten "Überbrückungsmaßnahmen", Weiterbildungskursen und Praktikantenstellen zwischengeparkt werden. Das schönt wenigstens die Arbeitslosenstatistik.

Zu den "Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit" sollen laut Schlussprotokoll des letzten EU-Gipfels auch "neue Anstrengungen" gehören, "um die Mobilität junger Arbeitssuchender zu fördern" Wörtlich: "Die Mitgliedsstaaten werden ermutigt, einen Teil ihrer Zuweisungen aus dem ESF (Sozialfonds) für Projekte zur Förderung der grenzüberschreitenden Mobilität zu nutzen".

Mit anderen Worten: der Transfer von jungen Arbeitskräften aus den "Krisenstaaten" Süd- und Osteuropas in die ökonomisch stärkeren "Nordstaaten" soll mit EU-Mitteln gefördert werden. Als ob es an der Arbeitslosigkeit von etwa 945 000 Jugendlichen in Spanien (53,2 Prozent, EU-Zahlen, April 2013) wirklich etwas ausmacht, wenn fünf- oder zehntausend davon nach Deutschland oder vielleicht auch nach Österreich oder anderen "Nordstaaten" auswandern.

Sicher erscheint jedenfalls schon jetzt: mit den von den EU-Oberen beschlossenen "Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit" wird das Problem damit nicht gelöst, nicht einmal ernsthaft angegangen. Die Lösung des Problems kann nicht in der Teilfinanzierung neuer "Warteschleifen" und auch nicht in der Auswanderung liegen. Jugendarbeitslosigkeit kann nicht isoliert bekämpft werden. Dazu braucht es eine grundsätzlich andere Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik, die die EU-Staaten aus der Krise herausführen könnte. Die EU-Chefs haben aber auf ihrem jüngsten Treffen unter dominantem deutschem Einfluss eisern daran festgehalten, dass der bisherige Kurs des Sparzwangs und der "Senkung der Arbeitskosten" für das Kapital fortgesetzt wird. Genau der Kurs, der in den letzten zwei Jahren viele EU-Staaten tiefer in Rezession und Krise hineingedrängt hat.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 45. Jahrgang, Nr. 27 vom 5. Juli 2013, Seite ...
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2013