Schattenblick → INFOPOOL → EUROPOOL → WIRTSCHAFT


AGRAR/1680: Plattform für eine neue EU-Agrarpolitik (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 410 - Mai 2017
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Plattform für eine EU-Agrarpolitik
Breite Verbände-Plattform sucht gemeinsamen Weg für gesellschaftliche Anforderungen

von Ulrich Jasper


Dreißig Organisationen aus Landwirtschaft (u.a. AbL), Umwelt- und Naturschutz, Tierschutz und Entwicklungspolitik rufen in einem neuen Plattform-Papier zu einer grundlegenden Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU und ihrer Umsetzung in Deutschland auf. Anders als alle anderen bisherigen Papiere zur GAP nach 2020 behandelt die Plattform nicht nur das Geldverteilen, sondern alle Instrumente der GAP. Sie wollen sowohl die umfangreichen Fördergelder der EU wie auch die europäische Marktordnung und das Fachrecht dafür einsetzen, den landwirtschaftlichen Betrieben durch die strikte Berücksichtigung von Umwelt- und Tierschutz wirtschaftliche Perspektiven zu eröffnen. Konkret schlagen die Verbände vor, sämtliche Zahlungen der Agrarpolitik gezielt und ausschließlich für die gesellschaftlichen Leistungen der Landbewirtschafter einzusetzen. Kleinere und mittlere Betriebe sollten gestärkt werden. Änderungen an der Marktordnung sollen schwere Marktkrisen vermeiden und die Selbstregulierung der Erzeuger stärken. Die Störung lokaler Märkte in Entwicklungsländern durch EU-Exporte mit Dumpingeffekten soll verhindert werden. Durch eine "einfache, abgestufte und verpflichtende Kennzeichnung" der Tierhaltungsverfahren sollen die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage versetzt werden, den "Umbau der Tierhaltung" aktiv mitzutragen. Zudem fordern die Verbände eine EU-weite Anhebung und "Durchsetzung der Umwelt- und Tierschutzstandards. Mit wichtigen Änderungen wollen die Verbände aber nicht auf die von der EU-Kommission angekündigte Reform der EU-Agrarpolitik für die Zeit nach dem Jahr 2020 warten. Sie rufen Bund und Länder dazu auf, noch im Jahr 2017 Umschichtungen von EU-Agrargeldern in Deutschland in Fördermaßnahmen für Tierschutz- und Agrarumweltmaßnahmen sowie zur Stärkung kleinerer und mittlerer Betriebe zu beschließen.

Aus Krisen lernen

Bedeutende Teile unserer europäischen Land- und Ernährungswirtschaft seien gleich mehrfach mit grundlegenden Krisen konfrontiert, auf die die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU noch keine überzeugend wirksame Antwort gebe, heißt es im Papier. Das besonders schwere und lang anhaltende Preistief für Milch und Schweinefleisch von 2014 bis 2016 habe in den Betrieben zu Verlusten in zweistelligem Milliardenumfang und einem Strukturbruch geführt. Gleichzeitig fehle weit verbreiteten Formen der Tierhaltung und des Pflanzenbaus aus mehreren Gründen die gesellschaftliche Akzeptanz, ohne die ein Wirtschaftszweig keine Perspektive habe. Ein Großteil der Bevölkerung sehe bestimmte Tierhaltungsformen derart im Widerspruch zu ethischen Grundsätze, dass ein Umbau in der Tierhaltung schon deshalb geboten sei. Notwendig sei der Umbau zudem, weil - besonders auch in Deutschland - wichtige Umwelt- und Tierschutzziele und geltende Richtlinien der EU nicht eingehalten bzw. umgesetzt würden, was sich in mehreren Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen die Bundesrepublik zeige. Die bisherige verfehlte Agrarpolitik stelle die landwirtschaftlichen Betriebe vor große Herausforderungen. Sie müssten zum Teil erhebliche und kostenträchtige Änderungen vollziehen, um die rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Zielvorgaben erreichen zu können. Doch die EU-Agrarpolitik und deren Umsetzung in Deutschland ließen die Betriebe damit bisher ganz überwiegend allein, schreiben die Verbände. Als Ausweg schlagen die Verbände vor, mit einer Qualitätsstrategie beides anzugeben: die gesellschaftlichen und fachrechtlichen Anforderungen an die Lebensmittelerzeugung bewusst aufzugreifen und umzusetzen und gerade dadurch die Wertschöpfung für die meisten Betriebe zu erhöhen und nachhaltige ökonomische Perspektiven zu schaffen. Dafür brauche es ein strategisches Vorgehen, das die verschiedenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteure einbinde und die politischen Instrumente vom Fachrecht, der Förderpolitik bis zur Markt- und Handelspolitik entsprechend nutze und umgestalte."

Gewinner schaffen

Martin Schulz, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), sagte bei der Übergabe des Papiers an Bundesumweltministerin Hendricks in Berlin: "Die bisherige Agrarpolitik erzeugt viele Verlierer in Landwirtschaft und Gesellschaft. Wir brauchen aber eine starke Agrarpolitik, die Gewinner schafft, indem sie die gesellschaftlichen Leistungen der Bauern in der Erzeugung anerkennt und honoriert. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die gestiegenen qualitativen Anforderungen des Umwelt- und Tierschutzes in größere Wertschöpfungsmöglichkeiten mit höheren Erzeugerpreisen für die bäuerlichen Betriebe zu überführen." Bundesministerin Hendricks erklärte, dass es viele gute Ideen und Reformansätze brauche, um zu begründen, dass es auch in Zukunft noch europäische Agrar-Fördermittel in vergleichbarer Größenordnung geben solle. "Ich wäre sehr dafür", sagte sie. "Aber dafür brauchen wir ein Fördersystem, das sich nicht an Hektarzahlen orientiert, sondern Landwirte für die Leistungen belohnt, die sie für das Gemeinwohl erbringen, zum Beispiel für den Umweltschutz." Den Agrarministern von Bund und Ländern wurde das Papier auf der Agrarministerkonferenz in Hannover übergeben.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Die Breite der Plattform wurde sichtbar bei der Übergabe an Ministerin Hendricks: Martin Schulz (AbL), Klaus Seitz (Brot für die Welt), Felix Löwenstein (BÖLW) und Prof. Kai Niebert (Deutscher Naturschutzring DMR).

*

Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 410 - Mai 2017, S. 4
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/490 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,45 Euro
Abonnementpreis: 41,40 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 30,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang