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PARTEIEN/269: Kampf um irische Präsidentschaft - Michael D. vorne (SB)


Kampf um irische Präsidentschaft - Michael D. vorne

Ex-Kommunikationsminister auf der Siegerstraße


Eine Woche nach dem Beginn des offiziellen Kampfes um das Amt des irischen Präsidenten liegt der Bewerber der sozialdemokratischen Labour Party, der 70jährige Michael D. Higgins aus Galway, in der jüngsten Red-C-Umfrage mit 25 Prozent vorne. Auch wenn bis zum Urnengang am 27. Oktober jede Menge passieren kann, stehen die Chancen von Michael D., wie ihn alle in Irland nennen, gut, als Sieger aus der Wahl hervorzugehen und die Stelle Mary McAleeses in Aras an Uachtarán, dem Präsidentenpalast im Phoenix Park zu Dublin, zu übernehmen. Derzeit sieht es nicht danach aus, als könnte irgendeiner der anderen sechs Kandidaten, Gay Mitchell von der nationalkonservativen Fine Gael, Martin McGuinness von Sinn Féin, der parteilose Senator David Norris, der Geschäftsmann Sean Gallagher, die Geschäftsfrau Mary Davis oder die Schlagersängerin Rosemary "Dana" Scallon, dem Spitzenreiter ernsthaft gefährlich werden.

An zweiter Stelle in den Umfragen liegt mit 21 Prozent Gallagher, der politisch ein unbeschriebenes Blatt ist, wenngleich ihm eine Nähe zu Fianna Fáil nachgesagt wird. Wegen ihrer Rolle bei der Entstehung der 2008 geplatzten Immobilienblase verlor die einst dominanteste Partei der Republik Irlands bei den Unterhauswahlen im vergangenen Februar Zweidrittel ihrer Abgeordnetenmandate, befindet sich immer noch im Schockzustand und hat deshalb darauf verzichtet, einen eigenen Kandidaten für die Präsidentenwahl zu nominieren. Gallagher, der aus der grenznahen Grafschaft Navan kommt, früher in der Landwirtschaft tätig war und hauptsächlich durch sein Auftreten in der Reality-Fernsehshow Dragon's Den bekannt ist, profitiert von der Abwesenheit Fianna Fáils und verkauft sich offenbar erfolgreich als derjenige Kandidat, der am besten die derzeit hohe Arbeitslosigkeit auf der grünen Insel bekämpfen könnte (auch wenn das Amt des Präsidenten weitestgehend repräsentativer Natur ist).

Der Verzicht Fianna Fáils auf eine Teilnahme an der Präsidentenwahl hat bisher Sinn Féin am meisten genutzt. Der Rummel um ihren Kandidaten McGuinness hat die linksnationalistische Gruppierung, die in Nordirland zusammen mit der protestantischen Democratic Unionist Party (DUP) eine Koalitionsregierung stellt, in Umfragen erstmals zur zweitpopulärsten politischen Fraktion hinter der regierenden Fine Gael, aber vor der mitregierenden Labour und der noch weiter abgeschlagenen Fianna Fáil aufsteigen lassen. Die anhaltende Kontroverse um die frühere Tätigkeit McGuinness' als führender Untergrundkämpfer der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) steht dessen Sieg bei der Präsidentenwahl diametral im Weg. McGuinness' Beharren auf die Legende, er hätte ab 1974 der IRA nicht mehr angehört, sondern ausschließlich einen Kampf gegen die britische Besatzung Nordirlands auf friedlichem politischen Wege geführt, trägt nicht gerade zu seiner Glaubwürdigkeit bei und macht ihn für eine große Mehrheit der Bürger in der irischen Republik unwählbar.

Die energischen Bemühungen von Fine Gael, McGuinness als Lügner bloßzustellen, haben weniger dem ehemaligen IRA-Oberbefehlshaber, der laut Red-C-Umfrage mit 16 Prozent an dritter Stelle steht - als vielmehr Gay Mitchell, dem Kandidaten der Partei um Premierminister Enda Kenny, geschadet. Mitchell, der einer Dubliner Arbeiterfamilie entstammt, hat es bisher nicht geschafft, die Wähler für sich zu begeistern oder sich vom Vorwurf der Farblosigkeit zu befreien. Laut Umfrage wollen ihm nur 10 Prozent der Wähler ihre Stimme geben. Neben Mitchell ist David Norris, der monatelang als aussichtsreichster Kandidat gehandelt wurde, derzeit der große Verlierer der Red-C-Umfrage. Er steht an vierter Stelle mit 14 Prozent. Irlands profiliertester Vorkämpfer für Homosexuellenrechte stolpert derzeit von einem Fettnäpfchen ins andere. Waren es letzte Woche noch die Gnadengesuche für seinen in Israel wegen Vergewaltigung verurteilten früheren Lebenspartner, so sind es in den vergangenen Tagen Enthüllungen, denen zufolge er jahrelang vom Trinity College, an der er früher Anglistik dozierte, eine Invalidenrente neben seinem Gehalt als Vollzeit-Senator bezog, die Ihm das Leben schwer machen.

Mary Davis, die 2003 die Behindertenolympiade in Dublin zu einem großen Erfolg machte, hatte den Wahlkampf zwar gut begonnen, sieht sich jedoch seit Tagen dem Vorwurf der Vetternwirtschaft ausgesetzt. Dieser rührt aus ihrer Nähe einerseits zu dem zwielichten Geschäftsmann Denis O'Brien und zum anderen zum ehemaligen Premierminister Bertie Ahern her, der Davis zu zahlreichen gutbezahlten Aufsichtsratsposten bei irgendwelcher staatlichen Behörden oder Stiftungen verholfen haben soll. Davis liegt mit 9 Prozent in den Umfragen an vorletzter Stelle vor Dana (6 Prozent). Die christliche Fundamentalistin aus Derry hatte bei den ersten beiden Fernsehauftritten der Präsidentschaftsbewerber - bei einer Diskussionsrunde am 30. September in der Late Late Show von RTÉ und bei einer Fernsehdebatte am 3. Oktober bei TV3 unter der Moderation des angesehenen Journalisten Vincent Browne - versucht, sich als EU-kritische Möchtegern-Hüterin der irischen Verfassung zu verkaufen. Zuletzt ist jedoch bekannt geworden, daß Dana Mitte der neunziger Jahre die US-Staatsbürgerschaft angenommen und es seitdem verheimlicht hat. Weil man beim Treueschwur auf die USA jede Loyalität seiner Herkuntsland gegenüber vollständig und für immer ablegen muß, behauptet Dana, sich nicht mehr an die damalige Zeremonie erinnern zu können. Damit dürfte für sie das Rennen gelaufen sein.

8. Oktober 2011