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ZIVILRECHT/015: Rom-I-Verordnung bringt Bürgern Rechtssicherheit (BMJ)


Bundesministerium der Justiz - Berlin/Brüssel, 7. Dezember 2007

EU-Justizministerrat: Rechtssicherheit für EU-Bürger - Rom-I-Verordnung kommt


Der Rat der Justizministerinnen und -minister der EU hat den Weg für eine Einigung mit dem Europäischen Parlament zur Rom-I-Verordnung frei gemacht. Die neue Verordnung bestimmt, welches Recht innerhalb der europäischen Union auf internationale Verträge anwendbar ist. Der Rat hat heute den vom Europäischen Parlament am 29. November 2007 angenommenen Verordnungstext inhaltlich gebilligt. Möglich wurde dies nur, weil Bundesjustizministerin Zypries im Vorfeld des Rates durch eine Vielzahl bilateraler Gespräche mit europäischen Amtskollegen auf den von Deutschland und Luxemburg vorgeschlagenen Kompromiss hingewirkt hatte.

"Mit der Rom-I-Verordnung wird die Rechtssicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr weiter ausgebaut. Künftig richtet sich beispielsweise das auf grenzüberschreitend geschlossene Versicherungsverträge anzuwendende Recht nicht mehr nach einem unübersichtlichen Regelungsgeflecht, sondern einheitlich nach der Rom-I-Verordnung. Bei den Verhandlungen ist es uns außerdem gelungen, Verbraucherrechte zu sichern und gleichzeitig eine für den deutschen Mittelstand praktikable und sachgerechte Lösung zu finden", sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.

Die Rom-I-Verordnung löst in den EU-Mitgliedstaaten das Rom-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht von 1980 ab. "Anknüpfend an die Struktur des alten Übereinkommens haben wir bestehende Regelungen modernisiert, um den Veränderungen im Rechts- und Wirtschaftsverkehr Rechnung zu tragen. So ist es im Zeitalter des Internethandels nicht mehr sachgerecht, die Frage des anzuwendenden Rechts davon abhängig zu machen, ob sich ein Verbraucher bei Abschluss des Kaufvertrages in seinem Heimatstaat befindet oder nicht", erläuterte Zypries. Gerade die Regelung für Verbraucherverträge war in den letzten Monaten zum Zankapfel sowohl unter den Mitgliedstaaten als auch im Europäischen Parlament geworden. "Es waren lange und zähe Verhandlungen. Im Ergebnis konnten wir die deutsche Position durchsetzen, die wir zuvor mit Luxemburg abgesprochen hatten ", bilanzierte die Bundesjustizministerin zufrieden.

Die Verordnung regelt vor allem bei den "klassischen" Sachverhalten des Wirtschaftsverkehrs, die eine Verbindung zu mehreren Rechtsordnungen haben, welche dieser Rechtsordnungen im Einzelfall anzuwenden ist.

Verträge zwischen Gewerbetreibenden

Wenn beispielsweise ein deutscher Unternehmer über eine interaktive Website im Internet bei einem portugiesischen Händler Wein kauft, stellt sich die Frage, ob auf den Kaufvertrag deutsches oder portugiesisches Recht anzuwenden ist. Die Rom-I-Verordnung erlaubt den Vertragspartnern, das anzuwendende Recht selbst zu wählen. Machen sie davon keinen Gebrauch, findet das Recht am Ort der Partei Anwendung, die die geschäftstypische Leistung erbringt (im vorliegenden Fall die Lieferung des Weins durch den Weinhändler, die also zu portugiesischem Recht führt).

Verbraucherverträge

Sondervorschriften sieht die Verordnung für die tendenziell "schwächere" Partei vor. Wäre beispielsweise im vorgenannten Fall der Käufer statt eines deutschen Weinhändlers ein deutscher Verbraucher gewesen, hätten die Parteien das anzuwendende Recht zwar auch wählen können. Doch der portugiesische Weinhändler hätte gleichwohl die zwingenden Vorschriften des Rechts des Verbrauchers (hier also des deutschen Rechts) berücksichtigen müssen - beispielsweise Gewährleistungsfristen. Bei Fehlen einer Rechtswahl kommt in diesem Fall nicht das Recht des Unternehmers, sondern immer das des Verbrauchers zur Anwendung.

Wie die Regelung für Verbraucherverträge ausgestaltet sein sollte, war bis zum Schluss der Verhandlungen umstritten. Ursprünglich hatten die Europäische Kommission und ein erheblicher Teil der Mitgliedstaaten gefordert, die Rechtswahlmöglichkeit bei Verbraucherverträgen abzuschaffen. Dies war insbesondere bei Deutschland, Luxemburg und Teilen des Europäischen Parlaments auf Widerstand gestoßen. "Mir ging es in dieser Frage um einen gerechten Ausgleich der Interessen von Verbrauchern und Unternehmern", meinte Zypries. "Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen haben in der Regel keine eigene Rechtsabteilung. Hätten wir in diesem Bereich die Rechtswahlmöglichkeit abgeschafft, wären sie zu sehr belastet worden, weil dann bei jedem Verbrauchervertrag das Heimatrecht des Verbrauchers maßgeblich gewesen wäre. Das hätte bedeutet, dass ein kleines Weingut aus dem Rheingau sich auf 27 und mehr Rechtsordnungen hätte einstellen müssen, wenn es über das Internet seine Weine an Verbraucher verkauft. Das kann man einem kleinen Unternehmen nicht zumuten. Deshalb soll der Winzer in diesem Fall weiter seine Geschäftsbedingungen zur Grundlage eines Verbrauchervertrags machen können. Aber auch der Verbraucher kommt nicht zu kurz: auch seine berechtigten Interessen sind geschützt, weil in jedem Fall die zwingenden Vorschriften seines Heimatrechts zu seinen Gunsten gelten. Zudem wird der Anwendungsbereich des Verbraucherschutzes in der Verordnung ausgebaut. Früher wurde der Verbraucher nur bei Warenkauf- und Dienstleistungsverträgen sowie darauf bezogenen Kreditverträgen geschützt. Künftig gelten die verbraucherschützenden Vorschriften für alle Verbraucherverträge", unterstrich Brigitte Zypries.

Rom I ist die zweite Verordnung, die auf Gemeinschaftsebene einheitliche Vorschriften zum anwendbaren Recht vorsieht. Unter deutscher Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 war bereits Rom II (Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht) verabschiedet worden. Auch die Rom-I-Verordnung wird im sogenannten Mitentscheidungsverfahren erlassen, bei dem sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat dem Rechtsakt zustimmen müssen, bevor er in Kraft treten kann. Nachdem sich nun beide Gremien über den Inhalt der Verordnung einig sind, wird ein Vermittlungsverfahren entbehrlich.

Voraussichtlich zu Beginn des nächsten Jahres wird der gemeinsame Verordnungstext in allen Amtssprachen der EU vorliegen. Dann kann der Rat die Verordnung annehmen - nach der nun erfolgten inhaltlichen Einigung mit dem Europäischen Parlament eine reine Formsache.

Die Verordnung gilt dann in den EU-Mitgliedstaaten unmittelbar mit Ausnahme von Dänemark, das aufgrund einer Sonderregelung im EG-Vertrag generell nicht an Maßnahmen der Justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen teilnimmt. Demgegenüber darf das Vereinigte Königreich aufgrund eines Zusatzprotokolls zum EG-Vertrag noch über seine Teilnahme entscheiden.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 07.12.2007
Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
des Bundesministeriums der Justiz
Verantwortlich: Eva Schmierer
Redaktion: Ulf Gerder, Dr. Henning Plöger, Christiane Wirtz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Dezember 2007