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ITALIEN/338: COVID-19 in Italien - Überraschung, Schreck, Verlauf ... 10.6.2020 (SB)



Ungeachtet der von der sozialdemokratischen Mitregierungspartei Partito Democratico (PD) vorgebrachten Kritik bleibt der parteilose Ministerpräsident Guiseppe Conte einem Bericht der Nachrichtenagentur "ANSA" vom Mittwoch zufolge bei seiner Absicht, die sogenannten Generalstände, bestehend aus Vertretern der Wirtschaft, Interessengruppen, Gewerkschaften u. a. Organisationen, zur Vorbereitung seines Dekrets zur Inanspruchnahme des Wiederbelebungsplanes der EU einzuberufen. Die Einsetzung eines solchen Beratungsgremiums hatten der Industriellenverband Confindustria und der Chef der Bankitalia (Staatsbank) gefordert.

Die PD hatte dies zunächst abgelehnt, da damit Vertreter der Opposition einbezogen werden würden, was den Weg zu der von der Lega, der Forza Italia (FI) Berlusconis und den Fratelli/Brüdern Italiens (FdI) Giorgia Melonis geforderten Regierung der Nationalen Einheit" freimachen könnte. Conte nennt die Versammlung laut ANSA jetzt nur noch "Generalstände der Wirtschaft". Sie werde am Wochenende zusammentreten. Der Sitzungskalender, der bis nächste Woche über vier oder fünf Tage laufe, werde derzeit ausgearbeitet. Aller Voraussicht nach sollen die Beratungen am Freitag mit den Vertretern der Opposition beginnen, wobei unklar ist, ob die jeweiligen Parteichefs einbezogen werden. Zuvor wolle Conte einzelne Minister zu "bilateralen Treffen empfangen". Die Gespräche mit den Sozialpartnern sollen am Montag, dem 15. Juni beginnen und könnten mehr als einen Arbeitstag beanspruchen. Ob darüberhinaus noch weitere Teilnehmer hinzugezogen werden, ist zur Zeit noch nicht bekannt.

Nicola Zingaretti, Sekretär der PD, hat unterdessen eingelenkt und gegenüber dem Fernsehkanal "Rai 1" erklärt: "Das Virus hat zu einer dramatischen wirtschaftlichen und sozialen Krise geführt", in der Italien jetzt "zig Milliarden Euro" erhalten könne. "Wir können diese Gelegenheit nicht verpassen", das Geld müsse "gut ausgegeben werden". Diese Regierung müsse "dies tun, indem sie der Gesellschaft und auch denen, die in der Opposition sind, zuhört. Diese historische Chance kann nicht verpaßt werden."

Finanzminister Roberto Gualtieri (PD) bezeichnet den EU-Plan als Wiederauffüllungsplan, der "ein ausgewogener Kompromiß" sei und "nicht reduziert werden" sollte. Jetzt müsse "an Investitionen und Reformen gearbeitet" werden. Dabei müsse beachtet werden, daß ein starker Zusammenhang zwischen den von der EU geforderten Strukturreformen und einem Wiederaufbau, der zu einer grünen und digitalen Transformation und einer optimalen Verteilung der Finanzhilfen aus dem Wiederauffüllungsfonds beitrage, bestehe.

Lega-Führer Matteo Salvini geht in die Offensive und erklärt: "Wir können uns keine Mehrheit leisten, die über alles streitet." Die Nachrichtenagentur ANSA zitiert ihn mit der Forderung: "Es wäre besser, den Italienern das Wort zu erteilen" und "zurück zur Abstimmung" zu kommen, was bedeuten würde, im Parlament über die Regierungspolitik abzustimmen. FdI-Chefin Giorgia Meloni habe laut ANSA erklärt, sie habe keine "Einladung zur Teilnahme an den Generalständen erhalten" und wolle wissen, "worüber wir da sprechen" und "was wir da tun".

Der Präsident (Regierungschef) der Emilia-Romagna, Stefano Bonaccini von der PD, der im Januar die Wahlen gegen den Lega-Kandidaten der faschistischen Allianz gewonnen hatte, forderte Ministerpräsident Conte unterdessen auf, die in drei Regionen wegen der Corona-Pandemie verschobenen Wahlen jetzt für September anzuberaumen.

10. Juni 2020


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