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ITALIEN/334: COVID-19 in Italien - Überraschung, Schreck, Verlauf ... 2.6.2020 (SB)



Italien begeht heute seinen Nationalfeiertag, den 74. Jahrestag der Gründung der Italienischen Republik am 2. Juni 1946. Wie die staatliche Nachrichtenagentur ANSA berichtet, appellierte Staatspräsident Sergio Mattarella aus diesem Anlaß dafür, alle Kräfte einzusetzen, um "so schnell wie möglich aus dem globalen Albtraum der Corona-Epidemie herauszukommen". Neben "dem Schmerz über die Verluste und die Leiden, die wir erlitten haben, verspüren wir Tag für Tag ein wachsendes Verlangen nach Genesung und Wiedergeburt, gesellschaftlich und wirtschaftlich", so Mattarella.

Der Staatspräsident erinnerte an das Erbe der aus der Resistenza, dem Widerstand gegen das Besatzungsregime der Hitlerwehrmacht und den Mussolini-Faschismus, hervorgegangenen Republik, auf das sich heute zu stützen sei. Er gedachte der Ärzte, Krankenschwestern und der vielen anderen Menschen, die Opfer des Virus geworden sind, und erklärte: "Damals haben wir auf die Trauer, das Leid und die Zerstörung des Krieges reagiert. Heute müssen wir gegen einen unsichtbaren Feind kämpfen, der in vielerlei Hinsicht unbekannt und unvorhersehbar ist und unser geordnetes Leben und unsere Gewohnheiten durcheinander gebracht hat. Er hat uns gezwungen, soziale Beziehungen zu unterbrechen und Schulen zu schließen." Die Pandemie habe infolge der zu ihrer Bekämpfung ergriffenen Maßnahmen "viele Lebens- und Arbeitsprojekte gefährdet und die Produktionsstruktur unseres Landes belastet".

"Wir können diesen Tag als Sinnbild für den Beginn unseres Neustarts ansehen", zitiert ANSA den Staatschef, der "alle, die eine institutionelle Verantwortung tragen - natürlich beginnend mit mir -" aufgefordert habe, "diese Pflicht zu erfüllen, diesem Schmerz, dieser Hoffnung, diesem Bedürfnis nach Vertrauen gerecht zu werden". Diese Rede hielt Mattarella auf einem Konzert für Coronavirus-Opfer, am "Altar des Vaterlandes" legte er danach einen Kranz nieder.

Anschließend wird er sich nach Codogno begeben, einer besonders schwer von der Krise betroffenen Gemeinde in der Lombardei, wo er am Abend zusammen mit dem Sekretär der sozialdemokratischen Demokratischen Partei (PD) und Präsidenten (Regierungschef) der Region Lazium, Nicola Zingaretti, an einem Konzert im Innenhof des Lazzaro Spallanzani National Institute for Infectious Diseases teilnehmen wird. Zu dieser Veranstaltung hat die Regierung des Laziums, von der dieses staatliche Forschungsinstitut zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten gefördert wird, eingeladen.

Wie ANSA berichtet, hat Zingaretti erklärt: "Die Worte, die Präsident Mattarella für den 2. Juni an die Italiener gerichtet hat und die sich so sehr von den vorherigen unterschieden, haben wie immer die richtigen Fäden berührt. Vor allem den Geist der Einheit, ohne den unsere Gemeinschaft die Herausforderung für die Italiener nicht bewältigen und gewinnen kann." Es gehe um einen umfassenden Neustart und den Aufbau einer neuen Zukunft, so Zingaretti. "Wir alle sind dazu berufen, individuell und gemeinsam Verantwortung zu übernehmen und unseren Beitrag besser zu leisten. Weil wir all die Energie brauchen, die unser wundervolles Land hat. Wir sind uns bewußt, daß die Arbeit getan werden muß. Es ist immer noch sehr viel zu tun. Das Italien von morgen wird nie wieder dasselbe sein."

Der politische Führer der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) Vito Crimi habe erklärt: "Die Worte von Präsident Mattarella sind weise. Die Italiener arbeiten geschlossen an der Wiederbelebung. Wir nutzen die europäischen Ressourcen, um ein großartiges Projekt durchzuführen."

Die italienische Rechte nutzte den 2. Juni auf ihre Weise. Unter der provokativen Losung "Italien kapituliert nicht" demonstrierten die Parteien der faschistischen Allianz aus Forza Italia (FI) mit dem EU-Abgeordneten Antonio Tajani, der Lega Salvinis und den Fratelli/Brüdern Italiens (FdI) mit Giorgia Meloni an der Spitze am Nationalfeiertag gegen die Regierung aus Fünf-Sterne-Partei (M5S) und den Sozialdemokraten (PD). Wie ANSA berichtete, zogen in Rom hunderte Menschen durch eine lange Einkaufstraße.

Angeführt wurde der Zug vom ehemaligen Innenminister Matteo Salvini, an seiner Seite ging Giorgia Meloni. Sie kritisierte, es habe "zu viel Bürokratie bei der Vergabe von Corona-Hilfen" gegeben, die Krankheit erzeuge "soziales Unbehagen". Ministerpräsident Giuseppe Conte habe die Gefahren einer wirtschaftlichen Katastrophe nicht verstanden.

Auf dem Demonstrationszug sollen viele Menschen keine Schutzmasken getragen haben. Salvini habe wiederholt seinen Atemschutz abgenommen und Handys von Teilnehmern für Selfies ergriffen.

2. Juni 2020


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