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ITALIEN/297: Premier Conte widerspricht Regierungsumbildung (Gerhard Feldbauer)


Premier Conte widerspricht Regierungsumbildung

"Wir suchen keine neuen Mehrheiten"
PD-Sozialdemokraten richten sich auf Neuwahlen ein

von Gerhard Feldbauer, 17. Februar 2020


Italiens Premier Conte ist Medienberichten entgegengetreten, dass er eine Umbildung seiner Regierung aus der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), der Linkspartei Freie und Gleiche (LeU) und der aus der Abspaltung von der PD unter dem früheren PD- und Regierungschef Matteo Renzi hervorgegangenen Partei Italia Viva (Lebendiges Italien - IV) plane. Laut der Nachrichtenagentur ANSA vom Montag bestritt er Berichte in den Zeitungen über ihm unterstellte "angebliche Absichten" und stellte klar, dass er "keine anderen Mehrheiten sucht als die, die derzeit die Regierung unterstützen".

Der parteilose Jura-Professor Giuseppe Conte stand von Juni 2018 bis August 2019 an der Spitze einer Regierungskoalition der faschistischen Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S). Nachdem Lega-Chef Salvini im August 2019 diese Regierung zu Fall gebracht hatte, um in Neuwahlen (für die Umfragen der Lega mit 34 Prozent Stimmen den ersten Platz voraussagten) selbst Regierungschef zu werden, gescheitert war, bildete er mit der PD, der LeU und M5S eine neue Regierung.

Die Frage einer Regierungskrise war am Wochenende in den Medien thematisiert worden. Das Hauptstadtblatt Tempo schrieb, die Regierung befinde sich in "einer nicht enden wollenden Krise", das "Gleichgewicht" der Partner sei "anormal" und "Neuwahlen nicht vom Tisch". Die römische La Repubblica, Sprachrohr der PD, enthüllte gar Pläne des IV-Chefs Renzi, die Regierung zu stürzen. Er, der als "Chef der Regierung und der Linken die meiste Zeit damit verbrachte, die eigenen Truppen zu zerschlagen", kehre zurück, "um der Regierung Conte ein Ende zu bereiten". Er plane, die Vertrauensfrage zu stellen, um Conte durch einen neuen Premier zu ersetzen. Im Gespräch sei Ex-EZB-Chef Mario Draghi. Der Mailänder Corriere della Sera widersprach. Trotz Auseinandersetzungen würden beide (Conte und Renzi) vorerst mit Unterstützung der PD, M5S und LeU "gemeinsam in der Regierung verbleiben".

Für den Ernst der Lage sprach, dass Staatspräsident Sergio Mattarella Conte zu einem "langen Gespräch" empfing, in dem dieser "ausführlich über die Spannungen in der Regierungsmehrheit referiert" habe, "die explosiv seien, nachdem die Parlamentarier Renzis mehrmals mit der Opposition (Lega, Forza Italia - FI Berlusconis und Brüder Italiens - FdI von Giorgia Meloni) stimmten." Der Staatschef hat offensichtlich dem Premier den Rücken gestärkt, denn der erklärte sich laut ANSA danach "überzeugt, dass die Regierung nicht fallen werde, weil sie im Senat die notwendigen Stimmen habe".

Ein Faktor der Unsicherheit bleibt auch die Sternepartei, die nach der schweren Niederlage bei den Regionalwahlen am 26. Januar in Regio Emilia von 32 Prozent bei den Parlamentswahlen im März 2018 auf 4,7 Prozent absackte, in einer tiefen Krise steckt und vor einer Spaltung bedroht wird. Eine Kundgebung am Samstag in Rom auf der Piazza Santi Apostoli mit Vito Crimi, der an Stelle des zum Rücktritt gezwungenen Parteichefs Luigi Di Maio amtiert, war so gering besucht, dass sie außer von ANSA in keinen Medien erwähnt wurde.

Mehrere tausend Teilnehmer zählte dagegen am Sonntag auf dem gleichen Platz ein Sit-in der Protestbewegung der Sardinen, die eine grundlegende Abkehr von der rassistischen Politik der Lega, die M5S in der Regierung mit ihr vom Juni 2018 bis August 2019 unterstützte, forderten und dazu die Aufhebung des "Sicherheitsdekrets" vom damaligen Innenminister, Lega-Chef Matteo Salvini. Nachdem vergangene Woche der Senat die Immunität Salvinis aufgehoben hat und ihm ein Prozess wegen der Weigerung im Juli 2019, 131 Flüchtlinge an Land zu lassen, droht, will sich die Regierung laut La Repubblica demnächst mit dem Dekret befassen, es zwar nicht aufheben, aber grundlegende Aspekte annullieren. Entscheiden muss das Kabinett ebenso über die verkündeten sozialen Verbesserungen, die Steuerreform oder die Verkürzung der Verjährungsfristen bei Strafverfahren. Das alles dürften Bewährungsproben für die Stabilität der Regierung werden.

In der Emilia Romagna hat der Kandidat der PD mit Unterstützung der Sardinen die Wahl zum Regierungschef gewonnen. Das gibt der PD Auftrieb, die wieder stärker ihr sozialdemokratisches Outfit herausstellt, um verlorene linke Wähler zurückzugewinnen. Zwar hielt sie sich bisher zum Thema zurück, aber der langjährige EU-Parlamentarier und Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses in Brüssel, Goffredo Bettini, ein enger Vertrauter ihres Parteichefs Nicola Zingaretti, warnte in La Repubblica, "die Ränder sind sehr eng". Er erwarte "klügere Entscheidungen", als Italia Viva sie bisher getroffen habe. Nach Conte gebe es für die PD "keine andere Regierung". "Wenn Renzi es tun will, muss er es mit Salvini und Meloni (der FdI-Führerin) tun." Die Erklärung Bettinis verdeutlicht, was die PD bereits mehrfach verlauten ließ, dass sie sich bei einem Fall der Regierung Conte auf Neuwahlen einrichtet. Dabei dürfte ins Gewicht fallen, dass jüngste Umfragen des Meinungsforschungs-Instituts Ixe Salvinis Lega bei Wahlen nur noch 28 Prozent geben und M5S 14,9, während die PD 20 Prozent erhält.

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Quelle:
© 2020 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Februar 2020

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