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ITALIEN/265: Fünf Sterne setzen Entlassung eines Lega-Staatssekretärs durch - EU-Wahlkampf mit Mussolini (Gerhard Feldbauer)


Fünf Sterne setzen Entlassung der Korruption beschuldigten Staatssekretär der faschistischen Lega durch

Nur die Spitze des Korruptionseisberges

EU-Wahlkampf mit Mussolini

von Gerhard Feldbauer, 10. Mai 2019


Italiens Premier Giuseppe Conte hat am Mittwoch den der Korruption beschuldigten Staatssekretär für Verkehr, Armando Siri, von der faschistischen Lega entlassen. Gegen den Wirtschaftsberater von Lega-Führer und Vizepremier Matteo Salvini ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts, 30.000 Euro Bestechungsgeld von einem Windenergie-Unternehmen angenommen und Verbindungen zur sizilianischen Mafia unterhalten zu haben. Siri, der dem Senat (der zweiten Parlamentskammer) angehört, bleibt bis zur Klärung der Beschuldigungen Mitglied des Kabinetts. Conte, der sich seit seinem Amtsantritt im Juni 2018 stets dem Kurs des Lega-Chefs fügte und deswegen als dessen Marionette tituliert wird, ist damit erstmals einer Forderung des Führers der rechten Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und Vizepremiers Luigi Di Maio nachgekommen. Dem parteilosen Wirtschaftsprofessor dämmert wohl, dass die Opposition ihn für die unter Salvini vor sich gehende Installierung eines an Mussolini orientierten faschistischen Regimes verantwortlich machen wird.

Davon zeugt, dass sich in der Kampagne der faschistischen Rechten zu den EU-Wahlen am 26. Mai alles um den 1945 hingerichteten faschistischen Diktator dreht. So hielt Salvini in Forli, das in der Nähe von Predappio liegt, dem Geburtsort Mussolinis, wo dieser begraben und das gerade jetzt wieder Wallfahrtsort der Faschisten ist, eine Wahlkampfrede. Er sprach vom Balkon des Palazzo Comunale, von dem aus Mussolini am 18. August 1944 eine Rede hielt, während gegenüber an Laternenpfählen zur Abschreckung vier ermordete Partisanen aufgehängt worden waren. Zu denen, die für die faschistische Rechte die Trommel rühren, gehört der Urenkel des "Duce" Caio Giulio Cesare Mussolini, der für die faschistischen Brüder Italiens (FdI) für einen Sitz im EU-Parlament antritt. Er verkündet, stolz auf seinen Urgroßvater zu sein, der ihm Wählerstimmen bringen werde. In Mailand marschierten Fußballfans unter Mussolini-Bannern und mit dem "Saluto Romano", dem Führergruß des "Duce", ins Stadion.

Auf der am 9. Mai in Turin eröffneten Buchmesse wollte der Altaforte-Verlag, der von der mit der Lega verbundenen faschistischen Casa Pound unterhalten wird, einen Band mit Gesprächen mit Salvini vorstellen, in denen dieser seine rassistischen Angriffe auf Migranten und seinen an Mussolini orientierten Regierungskurs propagierte. Gegenüber ANSA erklärte Verlagsleiter Francesco Polacchi: "Ich bin Faschist. Der Antifaschismus ist das wahre Übel dieses Landes." Er bekannte sich zur Casa Pound, deren Schläger am Dienstag erneut in Rom im Stadtteil Casal Bruciato gegen die Unterbringung von Sinti mit Drohungen "hängt sie auf und verbrennt sie" vorgingen. Die Teilnahme des für seine Holocaustleugnung bekannten Verlages löste eine Protestwelle aus. Der polnische Leiter des Museums Auschwitz-Birkenau, Mitglied des Internationalen Auschwitz-Rates, Andrzej Cywinski, verurteilte den Vorgang mit aller Entschiedenheit und erklärte, man könne von Holocaust-Überlebenden nicht verlangen, "den Raum mit jemandem zu teilen, der die historischen Fakten leugnet, die zum Holocaust geführt haben".

Mehrere italienische Autoren sagten ihre Teilnahme an der Buchmesse ab. Nachdem die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Rechtfertigung des Faschismus eingeleitet hatte, wurde der Verlag von der Buchmesse ausgeschlossen. Salvini, der sich immer öffentlich zu den Rassengesetzen Mussolinis bekennt, griff auf seine Register der Demagogie zurück. Er hatte die Chuzpe, gegenüber ANSA zu erklären: Im Jahr 2019 "haben wir eine Bücherzensur, die auf Ideen wie der Bücherverbrennung fußt, das hat in der Vergangenheit niemals zu Gutem geführt". Verlagsleiter Polacchi schrieb auf Facebook, er werde Salvinis Buch am Samstag dennoch vorstellen. Die römische La Repubblica fasste am Donnerstag zusammen, das sei "der bürgerliche Faschismus Salvinis". In Brüssel gibt es dagegen keine Einwände. Im Gegenteil stellte sich EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani, engster Vertrauter von Ex-Premier Berlusconi und seiner Forza Italia (FI), mit der Äußerung, Mussolini habe auch "positive Dinge getan", an die Seite der faschistischen Trommler.

Salvini, der bis zuletzt versuchte, die Entlassung Siris zu verhindern, habe laut dem Mailänder Corriere della Sera mit "Wutausbrüchen" reagiert. Später erklärte er jedoch, an der Regierung werde sich "nichts ändern". Er fürchtet, ein Bruch mit M5S, die mit der Entlassung Siris einen Auftrieb erhält, könnte ihm bei der EU-Wahl schaden. Die Wirklichkeit sei, so La Repubblica, dass das "eine Regierung von Feinden" ist. Zur Bestätigung meldete sich Berlusconi zu Wort und verkündete in seinem Hausblatt Il Giornale, "nach den EU-Wahlen" werde M5S "nach Hause geschickt" und eine Regierung der Lega mit seiner FI und den FdI gebildet. Berlusconi, dessen Ämterverbot nach einer Verurteilung wegen Korruption und Steuerhinterziehung in Millionenhöhe aufgehoben wurde, kandidiert selbst für einen Sitz in Brüssel.

Die Anschuldigungen gegen Siri sind nur die Spitze eines Korruptions-Eisberges. Wie die Mailänder Wochenschrift Espresso in ihrer jüngsten Ausgabe berichtet, wird die Lega in Untersuchungen der Banca d'Italia weiter des Unterhalts illegaler Konten in Luxemburg beschuldigt, auf denen auch die von Salvinis Vorgänger, dem langjährigen Lega-Chef Umberto Bossi, unterschlagenen und verschwundenen 49 Millionen Euro lagern sollen. Bossi wurde deswegen 2017 zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Im Visier staatsanwaltschaftlicher Ermittlung befindet sich wegen ähnlicher Delikte laut dem Corriere della Sera auch der Regierungschef der Lega in der Lombardei, Attilio Fontana. Auch Berlusconis FI wird zwei Wochen vor dem Votum für ein neues EU-Parlament von einem Korruptionsskandal eingeholt. In den vergangenen Tagen wurden laut ANSA 43 hochrangige Personen der Partei wegen Korruption, illegaler Parteienfinanzierung, Amtsmissbrauch und Geldwäsche festgenommen. Gegen 50 weitere ermittelt die Staatsanwaltschaft.

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Quelle:
© 2019 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2019

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