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ITALIEN/252: Rassistischer Innenminister lässt Zehntausende Migranten aus ihren Unterkünften vertreiben (Gerhard Feldbauer)


Italiens rassistischer Innenminister lässt während der Feiertage Zehntausende Migranten aus ihren Unterkünften vertreiben

von Gerhard Feldbauer, 27. Dezember 2018


Die von der rassistischen Lega mit Schützenhilfe der Fünf-Sterne-Partei (M5S) betriebene erbarmungslose Vertreibung von Migranten erlebt während der Feiertage und vor dem neuen Jahr unter einer beispiellosen Heuchelei einen neuen Höhepunkt. Während die Lega propagiert, "die kulturellen Wurzeln und Werte des Abendlandes und insbesondere unseres Landes" hochzuhalten und die Krippe als "ein Symbol der Weihnachtsbotschaft, eine Botschaft von Liebe, Frieden und Toleranz gegenüber jedermann" preist, werden Migranten, wie u. a. dem linksliberalen Fatto Quotidiano zu entnehmen war, davon ausgeschlossen. Gegen sie ist, wie es in weiteren Medien heißt, noch vor den Feiertagen mit einer beispiellosen Brutalität das im November beschlossene "Sicherheitsgesetz" des Lega-Chefs und Innenmisters Salvini durchgesetzt worden.

Auf seine Weisung werden derzeit etwa 39.000 Asylbewerber - Männer, Frauen und Kinder - aus den "Centri di accoglienza per richiedenti asilo" (Aufnahmezentren für Asylbewerber) vertrieben und bei Wind und Wetter auf die Strasse gesetzt. Darunter befinden sich Familien mit Kleinkindern, Kranke und traumatisierte Menschen. Mehrere Präfekten, darunter in Kalabrien, Basilikata und Sizilien, haben die Gemeinden angewiesen, diese Personen unverzüglich aus diesen Unterkünften auszuweisen und für sie auch keine Kosten mehr zu übernehmen. Das bisher aus humanitären Gründen gewährte Aufenthaltsrecht wird damit beseitigt.

Kritische Medien wie das linke Online-Portal DinamoPress verurteilen diese Heuchelei entschieden. Die Cronache Di Ordinario Razzismo (Chronik des gewöhnlichen Rassissmus) vermerkt, selbst in diesen Tagen zeige sich der "permanente Rassismus der Lega Salvinis". Die römische La Repubblica nennt das einen "unglaublichen Zynismus", mit dem "die Symbole des Festes erstickt werden". Unter dieser Regierung sei "jegliche Toleranz, jegliches gute Gefühl beseitigt worden". Der Chefredakteur des katholischen Avvenire, Marco Tarquinio, gibt Berichte der Vertriebenen wieder. Yousuf, der mit seiner Familie in einem Aufnahmezentrum in der Nähe der Stadt Crotone in Kalabrien untergebracht war, erzählt, wie er mit seiner schwangeren Frau und dem sechs Monate alten Mädchen mit ihren Habseligkeiten von Polizisten auf die Strasse gesetzt wurde. So sei es noch 20 Personen aus ihrer Unterkunft - darunter zwei Jugendliche mit psychiatrischen Störungen und zwei Mädchen, die Opfer von Menschenhandel geworden waren - gegangen. So sehen Salvinis "Sprüche über die Weihnachtsbotschaft, die Krippe und Jesus" aus, kommentiert der Journalist. "Es ist eine zynische und unerträgliche Heuchelei".

Gegen dieses verfassungswidrige Vorgehen protestierten Geistliche, Vertreter des Roten Kreuzes und zahlreiche Bürgermeister, die versuchen, den Ausgesetzten mit provisorischen Unterkünften, warmen Decken und Getränken kurzfristig zu helfen. Der Kardinal von Agrigent in Sizilien, Francesco Montenegro, rief dazu auf, "nicht gleichgültig zu bleiben, wenn Menschen - Migranten - leiden und zu Tausenden sterben".

Laut Fatto Quotidiano hat der Präsident der Regionalregierung der Toskana, Enrico Rossi, von der Linkspartei Freie und Gleiche (LeU) erklärt, er werde sich nicht "an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig machen, die zur italienischen Verfassung im eklatanten Widerspruch stehen". Er will noch vor Jahresende ein Regionalgesetz auf den Weg bringen, um auch den Flüchtlingen, denen der humanitäre Schutzstatus aberkannt wurde, weiterhin das Recht auf Gesundheitsversorgung, Unterkunft und Bildung zu sichern. "Wir werden niemanden auf die Straße setzen. Wer in der Toskana lebt, hat unabhängig vom Aufenthaltsstatus ein Recht auf Gesundheit, sozialen Schutz und Bildung - ganz egal, um wen es sich handelt", so Rossi. Zur praktischen Umsetzung des Gesetzes werde er mit Sozialverbänden, Kirchen und örtlichen Gemeinden zusammenarbeiten.

Währenddessen verharrt die zahlenmäßig stärkste Oppositionskraft, die Demokratische Partei (PD), in ihrer Agonie. Nachdem der für ihre katastrophale Wahlniederlage im März Hauptverantwortliche Ex-Premier und frühere Parteichef, Matteo Renzi, angekündigt hat, sie zu verlassen und vermutet wird, dass er eine neue Partei gründen will, steht die PD vor ihrem Untergang. Wie La Repubblica schrieb, wittert Lega-Chef Salvini die Chance, noch vor den EU-Wahlen im Mai in Italien vorgezogene Parlamentswahlen zu provozieren, um in diesen stärkste Partei zu werden, M5S auf Platz zwei zu verweisen und selbst Regierungschef zu werden. Dazu trägt bei, dass die Koalition mit M5S auf der Kippe steht. Die Abstimmung über den Kompromiss mit Brüssel über den Haushalt gewann er in der Abgeordnetenkammer nur mit der erneut gestellten Vertrauensfrage.

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Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Dezember 2018

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