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ITALIEN/198: Faschisten feierten in Rom Mussolinis Machtantritt vor 95 Jahren (Gerhard Feldbauer)


Faschisten feierten in Rom Mussolinis Machtantritt vor 95 Jahren

Polizei hob Nazi-Schule der Forza Nuova aus

von Gerhard Feldbauer, 6. November 2017


Mit einem von der Forza Nuova (Neue Kraft) organisierten "Marsch der Patrioten" feierten Faschisten am Sonnabend in Rom mit "Führer"-Gruß und Forderungen wie "Ordnung im Chaos" zu schaffen, "Ausländer abzuschieben", deren in Italien geborenen Kindern keine Staatsbürgerschaft zu gewähren den 95. Jahrestag der Errichtung der faschistischen Diktatur unter Benito Mussolini. Die den Aufmarsch verfolgenden Polizisten wurden als "Henkersknechte" beschimpft. An der Zusammenrottung unter der Losung "Alles für das Vaterland" nahmen laut Polizeiangaben etwa 1000 Faschisten teil, viele in Kampfanzug mit Schnürstiefeln.

Der zunächst für den 28. Oktober, den Tag, an dem 1922 40.000 bewaffnete Faschisten in Rom einfielen, geplante Marsch war vom Polizeipräsidenten verboten worden. Um einem neuerlichen Verbot zu entgehen, hatte die FN nun den 4. November ausgewählt, an dem das offizielle Italien den "Tag der Streitkräfte" begeht, der daran erinnert, dass an diesem Tag 1918 bei Vittorio Veneto die letzte Schlacht des Ersten Weltkrieges mit einer Niederlage des im Dreibund mit Deutschland stehenden Österreich-Ungarn und damit einem Sieg Italiens auf der Seite der Entente endete. Auch das erinnerte an Mussolini, der als Wortführer der aggressivsten Kapitalkreise mit seinen im Januar 1915 gegründeten "Revolutionären Aktionsbünden", einer als demagogisch bezeichneten Vorläuferorganisation der faschistischen Bewegung, den Kriegseintritt (der dann im Mai 1915 erfolgte) vorangetrieben und zudem gefordert hatte, von Abgeordneten, die den Kriegseintritt ablehnten, "einige Dutzend zu erschießen", andere "ins Zuchthaus zu stecken".

Zu ihrer jetzigen Zusammenrottung hatte die FN das pompöse südliche Stadtviertel der Esposizione Universale di Roma (EUR) gewählt, das Mussolini ab 1938 für die 1942 geplante Weltausstellung hatte errichten lassen. Die Forza Nuovisten marschierten zum sogenannten "Colosseo Quadrato" (quadratisches Kolosseum), einem neoklassizistischen, 50 Meter hohen Bauwerk, das mit 216 Rundbogenarkaden auf sechs Stockwerken an das Kolosseum der Antike in Rom erinnern sollte. Um einem Einschreiten der Polizei, die die Kolonne der Faschisten mit einem Aufgebot von 400 Polizisten, auch aus Hubschraubern überwachte, zu entgehen, hatte die FN, auf das sonst übliche Zeigen von Bildern Mussolinis und anderer faschistischer Symbole verzichtet. Zumal das Parlament im September einen Gesetzentwurf verabschiedete, nach dem künftig Propaganda für das faschistische Regime, darunter das Zeigen seiner Symbole, mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Darunter fällt auch der während des EUR-Marsches gezeigte römische Gruß, mit dem Mussolini sich grüßen ließ. Das römische Polizeipräsidium hatte mitgeteilt, dass "alle Phasen des Zuges dokumentiert werden, um mögliche illegale Handlungen festzuhalten, die mit Strenge verfolgt werden".

Die 1997 gegründete Forza Nuova ging aus der damaligen faschistischen Alleanza Nazionale (AN), den heutigen Fraelli/Brüdern Italiens (FdI) hervor. Sie beansprucht, die Avanguardia (Vorhut) des Faschismus zu sein. Ihr Gründer und noch heute Führer Roberto Fiore ist ein bekannter Terrorist, der u. a. 1980 an dem Bombenattentat auf dem Hauptbahnhof von Bologna (85 Tote über 100 Verletzte) beteiligt war und eine mehrjährige Haftstrafe verbüßte.

La Repubblica berichtete am Sonnabend, dass in der vergangenen Woche das Raggruppamento Operativo Speciale (ROS), eine Spezial-Einheit der Carabinieri, in der Via Amuli in Rom eine Schule der FN zur Verbreitung derer rassistischen Theorien ausgehoben hat. U. a. wurde ein 352 seitiges "Lehrbuch" zur Verbreitung von Rassenhass sichergestellt. In der Nazi-Schule würden, so das Blatt, Jugendliche regelrecht für Überfälle auf Flüchtlinge trainiert. Eltern äußerten sich besorgt über den unter ihren Kindern verbreiteten Rassenhass.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2017

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