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ITALIEN/190: Linke suchen Verständigung mit der regierenden Partito Democratico (Gerhard Feldbauer)


Linke suchen Verständigung mit PD

Renzi soll auf Kandidatur verzichten

von Gerhard Feldbauer, 28. September 2017


Rappelt sich die italienische Linke endlich auf, um einem bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 2018 möglicherweise drohenden Wahlsieg des faschistisch-rassistischen Bündnisses der Forza Italia (FI) Silvio Berlusconis und des Chefs der Lega Nord, Matteo Salvini, zu verhindern? Diesen Eindruck könnten die Reden ihrer führenden Repräsentanten in den vergangenen Tagen auf einem "Fest der Einheit" in Imola in der Region Emilia Romagna, und auf einer Veranstaltung der Linkspartei Sinistra Italiana (SI) in Regio Emilia vermitteln. Die Linke werde allein antreten, wenn der Sekretär der regierenden Partito Democratico (PD), Matteo Renzi, der offen bei einer fehlenden Mehrheit seiner PD eine Allianz mit Ex-Premier Berlusconi ins Auge fasst, der einzige Kandidat zu den Wahlen bleibe, erklärte der Leader des Campo progressista (Fortschrittslager), der frühere Bürgermeister von Mailand, Giuliano Pisapia, in Imola. Meine Feinde "sind die Populisten, die Rechte und die rechte Mitte, mein Feind ist der Nazifaschismus", zitierte ihn die der PD nahestehende La Repubblica. Er forderte, in den Mittelpunkt der Anstrengungen der Linken müssten wieder "die täglichen, allen sichtbaren Probleme" gestellt werden, "die Ungleichheit, die extreme Armut".

Pisapia will jedoch den Bruch mit der PD nicht endgültig vollziehen, sondern den Weg für eine Centro sinistra (Mitte Links-Koalition) mit ihr offen halten. Der Regierung von Paolo Gentiloni sagte er Unterstützung bei der Annahme eines neuen Wahlgesetzes und bei der Verabschiedung des Haushalts für 2018 zu, um ihren Sturz durch die Rechte zu verhindern. Die PD dürfe nicht nach rechts schauen, sondern müsse "eine Wende nach links" vollziehen. Nur so könnten "die Millionen verlorener Wähler zurückgewonnen" werden. Wenn die PD für eine Koalition sei, müsse über den PD-Kandidaten zu den Wahlen 2018 in Primarie (Vorwahlen) abgestimmt werden.

Aus Venedig meldete sich der ehemalige Bürgermeister (1993-2000 und 2005-09), der linke Philosophie-Professor Massimo Cacciari, zu Wort und riet dringend, entschieden der sich unter der Bevölkerung ausbreitenden rassistischen Hysterie und Fremdenfeindlichkeit entgegenzutreten, sonst würden die Wahlen verloren.

Der frühere Mitte Links-Premier, Massimo D'Alema, von der "Demokratischen und Fortschrittlichen Bewegung" (MDP), der in Regio Emilia sprach, nannte Pisapias Aussage eine "sehr klare Wahl", für die "wir zusammenarbeiten müssen", zitierte ihn die Nachrichtenagentur ANSA. Die Linke solle sich, so D'Alema, als "politische Alternative zur PD" in einer neuen linken Partei zusammenfinden. Für November schlug er "eine konstituierende und programmatische Versammlung" vor.

2018 würden dann folgende große Kräfte antreten: Mitte Links aus PD und Linken, oder die PD und die Linke allein; die faschistisch-rassistische Allianz, die sich über ihren Spitzenkandidaten - Salvini oder ein Vertreter der FI (der vorbestrafte Berlusconi kann selbst nicht kandidieren) noch nicht geeinigt hat; ferner die 5 Sterne-Bewegung (M5S), die am Wochenende als ihren Spitzenkandidaten den Vizepräsidenten des Parlaments Lugi di Maio nominiert hat. Der Sohn eines Faschisten der MSI, später Alleanza Nazionale, heute Fratelli-Brüder Italiens (FdI), mit deren Stimmen im Juni 2016 Virginia Raggi von M5S zur Bürgermeisterin von Rom gewählt wurde, gehörte 2007 zu den Mitbegründern der 5 Sterne. Der von Parteichef Beppe Grillo (der ebenfalls wegen einer Vorstrafe nicht kandidieren kann) geförderte 31jährige Journalist konnte sich so in einer Internet-Abstimmung gegen fünf Mitbewerber durchsetzen.

Wird der dem Parlament vorliegende Entwurf des neuen Wahlgesetzes angenommen, könnte die Linke in einem Alleingang bessere Chancen haben. Es legt das Verhältniswahlrecht zu Grunde, lässt Koalitionen zu und sieht eine Sperrklausel von drei Prozent vor, die auch für Parteien, die in Koalitionen antreten, gelten soll.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2017

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