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ITALIEN/183: Sozialdemokraten und Mitte Links verlieren bei Stichwahl der Bürgermeister gegen extreme Rechte (Gerhard Feldbauer)


Italiens Sozialdemokraten und Mitte Links verlieren bei Stichwahl der Bürgermeister gegen extreme Rechte

Fatto Quotidiano: "Renzi hat Berlusconi wiederbelebt"

von Gerhard Feldbauer, 27. Juni 2017


Im Ballottagio, der Stichwahl der Bürgermeister und Stadträte, haben am vergangenen Sonntag der sozialdemokratische Partito Democratico (PD) von Parteichef Matteo Renzi und die Mitte Linksparteien, obwohl meist in Koalitionen, eine schwere Niederlage erlitten. 16 von 22 Provinzhauptstädten, darunter die linken Hochburgen Genua, Verona, Piacenza und Aquila gingen an die extreme Rechte aus Forza Italia (FI) von Ex-Premier Berlusconi, der rassistischen Lega Nord und den faschistischen Fratelli/Brüder Italiens (FdI). In Padua und im südlichen Catanzaro konnten Mitte Links Stadtoberhäupter sich behaupten.

Zwei Wochen vorher hatte bereits die Fünf Sterne-Bewegung (M5S) des früheren Komikers Giuseppe (Beppe) Grillo im Ersten Wahlgang eine vernichtende Schlappe einstecken müssen, die sich im zweiten Urnengang fortsetzte. Nur in zwei Städten schafften ihre Kandidaten den Sprung ins Bürgermeisteramt. Peinlich für M5S-Chef Grillo, dass in Parma in der Stichwahl sein früherer Parteigänger Federico Pizzarotti, den er wegen Kritik an seinem rechten und autoritären Führungsstil ausgeschlossen hatte, auf einer "Bürgerliste" mit 57,9 Prozent zum Bürgermeister gewählt wurde. Die römische La Repubblica verweist auf einen besorgniserregenden Aspekt des Ausgangs der Stichwahl. Die meisten Bewerber der extremen Rechten konnten ihre Konkurrenten von PD und Mitte Links nur mit Hilfe der Stimmen von M5S aus dem ersten Votum schlagen. So war es bereits im Juni 2016 gewesen, als der frühere faschistische Bürgermeister von Rom, Giovanno Alemanno, langjähriger Minister in Regierungen Berlusconis und ein führender Mann der Fratelli Italiens, zur Wahl der Raggi aufrief und diese dann nur mit den 20 Prozent Stimmen der Lega Nord und der FdI den Sprung ins Bürgermeisteramt schaffte.

Fatto Quotidiano nennt den Wahlausgang "einen KO für die PD", der die "Alarmglocken schrillen lassen müsste". Die Hauptschuld sieht das linke Blatt in der Allianz, die Renzi mit dem faschistoiden Ex-Premier Berlusconi zur Durchsetzung eines neuen Wahlgesetzes mit der Erhöhung der Sperrklausel von drei auf fünf Prozent geschlossen hatte, was vier Tage vor der Stichwahl in der Abgeordnetenkammer scheiterte. Damit habe "Renzi Berlusconi wiederbelebt", so Fatto Quotidiano.

La Repubblica spricht von einer "Erschütterung" der Regierungspartei. Sie nennt die aus Protest gegen den gewerkschaftsfeindlichen Kurs Renzis erfolgten Parteiaustritte (die auf etwa 100.000 geschätzt werden) als einen entscheidenden Grund dieser schockierenden Niederlage. Das PD-nahe Blatt verweist darauf, dass viele der Ex-PDler der neuen Linkspartei Campo progressista (Fortschrittslager) des populären Linken und früheren Bürgermeisters von Mailand, Giuliano Pissapia, beitraten und für ein Mitte Links-Bündnis eine Kehrtwende verlangen. In der Partei gebe es weiterhin eine Minderheit, die dieselben Forderungen stellt. Renzi befinde sich faktisch "im Belagerungszustand". Der selbst räumte ein, dass die Niederlage größtenteils "eine Konsequenz der Spaltung und Reibungen innerhalb der PD" sei. Mit der entstandenen Situation soll sich am 10. Juli eine Tagung der PD-Direktion befassen.

Dabei hatte Renzi fest mit einem Erfolg gerechnet und noch am Abend vor der Wahl vorgezogene Parlamentsneuwahlen im November gefordert. Ob er dabei bleibt, ist offen, aber nicht ausgeschlossen. Er könnte auf eine Schocktherapie zur Einigung seiner Partei setzen, um der wohl noch schwerer angeschlagenen M5S keine Zeit zur Wiederbelebung zu lassen. Laut La Repubblica, unterstützt sein Widersacher und Konkurrent bei der Wahl zum Parteichef, Justizminister Andrea Orlando, die Bemühungen, gemeinsame Kandidaten aufzustellen. Ende Juni geht das Parlament in die Sommerpause, dann herrscht für gewöhnlich bis Mitte September politische Ruhe. Gelänge es dann, an dieser Schock-Atmosphäre anzuknüpfen, könnte die in sich und mit der Linken zerstrittene PD einigermaßen gefestigt und mit einer neuen Linken Mitte in einen kurzen Wahlkampf ziehen.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2017

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