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ITALIEN/180: Italien vor Neuwahlen (Gerhard Feldbauer)


Italien vor Neuwahlen

Scharfe Proteste gegen Bündnis von Ex-Premier Renzi mit faschistoider Forza Italia Berlusconis

von Gerhard Feldbauer, 2. Juni 2017


Entgegen entschiedenen Protesten gegen eine Kollaboration mit der faschistoiden Forza Italia (FI) von Ex-Premier Silvio Berlusconi, zuletzt am vergangenen Sonnabend während eines nationalen Antifa-Tages des Partisanenverbandes ANPI, hat der Chef des regierenden sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), Matteo Renzi, mit diesem eine Allianz zunächst zur Annahme eines neuen Wahlgesetzes vereinbart. Während der PD in der Abgeordnetenkammer über eine Mehrheit verfügt, fehlt ihm diese im Senat. Der Entwurf des Gesetzes sieht nach dem deutschen Modell die Rückkehr zum Verhältniswahrecht mit einer Sperrklausel von Fünf Prozent (bisher drei) vor. Ob es im Parlament bei dem bisherigen Bonus von 340 der 630 Sitze bleibt, für den die Siegerpartei 40 Prozent erreichen muss, ist noch offen. Wahlanalysen besagen, der PD liege nur bei 30 Prozent und knapp vor der Protestbewegung Fünf Sterne (M5S).

Laut der Nachrichtenagentur ANSA hat Renzi die Allianz mit der FI "persönlich mit Berlusconi" vereinbart. Bei einem weiteren Treffen mit der M5S habe diese der Vereinbarung "grünes Licht" gegeben. Damit gebe es, so ANSA, eine "Übereinstimmung der drei großen Parteien" zu dem Gesetz. Wie verlautet sprach sich auch die rassistische Lega Nord für den Entwurf aus. Die PD-Direktion stimmte der Vereinbarung Renzis nach harten Auseinandersetzungen mit 31 Gegenstimmen zu, berichtete der Mailänder Corriere della Sera, der in dieser Allianz "eine Gefahr für die Demokratie" sieht.

Den Senat wollte Renzi als zweite Parlamentskammer abschaffen, erlitt aber im Referendum am 4. Dezember eine Niederlage und trat danach als Premier und PD-Chef zurück. Ende April wurde er bei öffentlichen Wahlen, den sogenannten Primarie, mit über 70 Prozent wieder an die Spitze der Partei gewählt. Das Wahlgesetz will er nun im Hauruckverfahren bis Anfang Juli durchsetzen, um dann bei vorgezogenen Parlamentswahlen wieder als Kandidat der PD anzutreten. Als Termin will er den 24. September ansetzen, um aus dem Urnengang zusammen zur Bundestagswahl einen zusätzlichen begünstigenden Effekt für sich zu ziehen.

Neben Protesten der Linken gibt es auch Vorbehalte in der PD und ihrer Regierung gegen die Allianz mit Berlusconi als auch gegen vorgezogene Neuwahlen. Im Herbst steht die Verabschiedung des Haushalts 2018 durch das Parlament an, der mit einem gewaltigen Defizit konfrontiert ist und "Korrekturen", was heißt Kürzungen von mindestens 30 Milliarden Euro umfassen soll. Bei Wahlen im Herbst müsste ihn dann eine neue Regierung vorlegen. Schon jetzt wird befürchtet, es könnte erneut Ergebnisse, wie das Patt von 2013 und wieder chaotische Zustände geben. Die Mailänder Börse reagierte jedenfalls auf die Ankündigung von Wahlen im Herbst mit einem Sinken des FTSE MIB von 2 Prozent, und der Gouverneur der Banca d' Italia (Staatsbank), Ignazio Visco, äußerte sich besorgt zu möglichen Auswirkungen.

La Repubblica zitierte Renzis Gegner bei der Wahl zum Parteichef, Justizminister Andrea Orlando, der "die Risiken einer Unregierbarkeit" nach Wahlen nach dem deutschen Modell geltend machte und Ambitionen "einer Koalition mit Berlusconi" auch nach den Wahlen als "völlig unannehmbar" zurückwies, da die "PD sich damit ihr eigenes Grab schaufele".

Die Linke und die parteiinterne Opposition stehen dem seit langem ersichtlichen Vorstoß Renzis wieder einmal hilflos gegenüber. Ob es ihnen geling, wie die linke Unità am Donnerstag schreibt, sich zusammenzuschließen und mit einer eigenen Liste anzutreten, um die Sperrklausel zu überwinden, bleibt fraglich. Denn laut ANSA ist Renzi auch bereits mit Nicola Fratoianni, dem Chef der erst im Februar gegründeten neuen Linkspartei Sinistra Italiana (SI) zusammengetroffen, die im Senat sieben Sitze belegt. Fratoiani hatte sich bereits bei der SI-Gründung zu einem "Zusammengehen" mit der PD offen gezeigt.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2017

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