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ITALIEN/129: Sozialdemokraten bei Bürgermeisterwahlen vor rechtsextremen Kandidaten (Gerhard Feldbauer)


Italiens Sozialdemokraten bei Bürgermeisterwahlen vor rechtsextremen Kandidaten

In Rom Protestbewegung M5S an Spitze

Von Gerhard Feldbauer, 7. Juni 2016


Bei den Wahlen der Bürgermeister und Kommunalparlamente in 1.368 Städten und Gemeinden, darunter in 7 Hauptstädten der Regionen (Länder) und 25 Provinzen haben die Kandidaten des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) Premier Renzis am 5. Juni im ersten Wahlgang einen Vorsprung gegenüber denen der extremen Rechten erreicht. Alle Bewerber in den Großstädten lagen jedoch unter 50 Prozent und die zwei bestplazierten müssen sich in zwei Wochen dem Ballattagio (der Stichwahl) stellen. In Rom kam es zum erwarteten Sieg der 37jährigen Rechtsanwältin Virginia Raggi von der erst 2009 von dem früheren Starkomiker Beppe Grillo gegründeten Protestbewegung M5S. Mit erreichten 35,5 Prozent trifft sie in der Stichwahl auf den von Renzi favorisierten PD-Bewerber Roberto Giachetti, einen aus der Radikalen Partei kommenden Mitbegründer der PD 2007, der auf 24,8 Prozent kam. Bei einem Sieg der M5S-Kandidatin würde erstmals ein Frau Stadtoberhaupt von Rom. Die Führerin der von der Lega unterstützten faschistischen Fratelli d' Italia (Brüder Italiens), Giorgia Meloni, erlitt mit 20,7 Prozent eine Niederlage und scheidet aus. Um einen Sieg der PD zu verhindern, hat der Chef der rassistischen Lega Nord, Matteo Salvini, bereits angekündigt, seine Partei werde nun die Raggi im Ballottagio unterstützen.

In Mailand erreichte der PD-Bewerber Giuseppe Sala mit Unterstützung der Partei Sinistra e Ecologia (SEL) 41,7 Prozent. Er liegt jedoch nur knapp vor dem Kandidaten der faschistoiden Forza Italia (FI) Ex-Premier Berlusconis und der Lega, die Stefano Parisi, ein früherer CGIL-Gewerkschafter und Anhänger der einstigen Democrazia Cristiana (DC), als einen "moderaten" Mann der Mitte aufgestellt hatte, der auf 40,8 Prozent kam. In vielen Gemeinden wurden die linken und PD-Kandidaten von den Kommunisten der Rifondazione Comunista (PRC) und der Partei der Kommunisten Italiens (PCdI) unterstützt. In Neapel, wo es der PD nicht gelang, ein Wahlbündnis der linken Mitte zustande zu bringen, erreichte der Kandidat der Partei Italien der Werte (IDV) und der SEL, Luigi Magistris, 41,7 Prozent und tritt in der Stichwahl gegen den Bewerber der FI und der Lega Nord, Gianni Lettieri, der 40,8 Prozent erzielte, an. Die allein angetretene PD-Kandidatin Valeria Valente, kam nur auf 10,1 Prozent und scheidet aus. Wie die römiche Repubblica am Dienstag schrieb, räumte Renzi ein, das sei "eine schwere Niederlage". Der PD-Chefappelierte, zu den Stichwahlen in zwei Wochen zur Einheit zu finden. Die Ergebnisse der Wahlen der neuen Stadt- und Gemeinderäte entsprechen im Allgemeinen denen der Bürgermeister.

Die Lega-Rassisten versuchten in der Wahlkampagne, wie die römische La Repubblica schrieb, "die sozialen Spannungen und die Probleme der Flüchtlingsunterbringung zu nutzen". Im roten Bologna provozierten sie vor den Wahlen schwere Ausschreitungen, denen sich die Sturmtrupps der Fratelli d' Italia, Forza Nuova, Casapo und Naziskins anschlossen. Unter Führergruß und Hakenkreuzen gingen sie mit Schlagstöcken und Brandflaschen gegen antifaschistische Gegendemonstranten vor. Lega-Führer Matteo Salvini verkündete vor einer johlenden Menge "wir werden Bologna erobern", gegen "Roma-Lager und Sozialzentren Bullodozer" schicken und forderte "Keine Einwanderungen mehr". Gegen die mit Schützenpanzerwagen vorgehende Polizei errichteten Studenten und linke Aktivisten Barrikaden mit roten Fahnen und sangen das traditionelle Partisanenlied Bella Ciao. Es gab zahlreiche Verletzte.

Mit etwa 13,5 Millionen war etwa ein Drittel der Wähler aufgerufen, was als nationaler Test für den Rückhalt der Parteien unter den Wählern galt. Unter diesem Aspekt wurde auch das für Oktober angesetzte Referendum über die Verfassungsreform zur Abschaffung des Senats als zweiter Kammer des Parlaments zu einem Schwerpunkt der Wahlkampagne. Sollte das Referendum scheitern, hat Premier Renzi seinen Rücktritt angekündigt, was noch vor Ablauf der Legislatur 2017 zu vorgezogenen Neuwahlen führen könnte. Rom würde dann zum Sprungbrett für einen Wahlsieg werden und die Stichwahl am 19. Juni um das Campidoglio zwischen M5S und der PD zu einer Bewährungsprobe.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2016

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