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ITALIEN/096: Renzis Gegner machen Ernst - neue Linkspartei scheint beschlossene Sache (Gerhard Feldbauer)


Renzis Gegner machen Ernst

Neue Linkspartei scheint beschlossene Sache

von Gerhard Feldbauer, 12. Juli 2015


Die in den vergangenen Wochen in Scharen (die Rede ist von Tausenden) aus dem sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) ausgetretenen Partei-Linken haben am 6. Juli in Rom die Gründung einer neuen Linkspartei beschlossen. Stefano Fassina eröffnete die Versammlung mit den Worten: "Wir sind hier, um eine neue politische Partei ins Leben zu rufen". Fassina (Jahrgang 1966) nahm als führender Linksdemokrat der PD, die aus der 1990 aufgelösten Kommunistischen Partei (IKP) hervorging, 2007 an deren Zusammenschluss mit der katholischen Zentrumspartei Margherita teil. In den seit den 1990er Jahren noch mit den Kommunisten der Nachfolgepartei der IKP, der Rifondazione Comunista (PRC), gebildeten Centro Sinistra-Regierungen (Linke Mitte) unter Romano Prodi war er mehrfach Minister. Aus Protest gegen den rechten Kurs Premier Renzis trat er im Januar 2014 als stellvertretender Finanzminister zurück.

An der Beratung des "neuen linken Projekts" nahmen, wie die der PD nahestehende Repubblica berichtete, mit Pippo Civitta, einem weiteren aus der PD ausgetretenen Parteilinken, der EU-Parlamentarier und langjährige Vorsitzende der der PD nahestehenden CGIL-Gewerkschaft (5,8 Millionen Mitglieder) Sergio Cofferati, als auch Vertreter der Partei Linke und Umwelt (SEL) und der PRC teil. Bei einem Zusammenschluss der beteiligten Parteien mit den Ex-PDlern dürfte eine neue Linkspartei ein stärkeres Gewicht als die bisherige SEL erhalten, und es sich keineswegs, wie kürzlich der Renzi-Kritiker aber in der Partei verbliebene Alfredo Reichlin meinte, um eine "linke Sekte" handeln.

Mit der Spaltung scheitert der 2007 unternommene Versuch, mit einem Zusammenschluss der damaligen Linksdemokraten mit dem katholischen Zentrum eine starke, auf die Mitte ausgerichtete Partei zu schaffen. Mit den Wahlerfolgen der PD 2014 bei den EU-Wahlen, bei denen die Partei 40,8 Prozent erreichte, und die rechtsextreme Forza Italia von Ex-Premier Berlusconi auf 16,8 abfiel und 60 Prozent einbüßte, schien diese Rechnung aufzugehen. Die Linksdemokratische Basis, in der viele noch aus der IKP kommen, sahen in der PD-Gründung inhaltlich jedoch eine Mitte Links-Partei mit einer sozialdemokratischen Ausrichtung, während der frühere Christdemokrat und nun PD- und Regierungschef Renzi genau das gegenteilige Ziel verfolgte: Mit linken, sozialdemokratischen Traditionen Schluß zu machen und die alte linke Garde zu entmachten, was ihm den Schimpfnamen Rottamatore (Verschrotter) einbrachte. Hinzu kam sein an den Forderungen des Industriellenverbandes Confindustria orientierter arbeiter- und gewerkschaftsfeindliche Kurs des Abbaus elementarer Arbeiterrechte, der in der Jobs act genannten Arbeitsmarktreform gipfelte. Mit seiner offenen Erklärung, die Zeiten seien vorbei, "da eine Demonstration der Gewerkschaften den Premier aufhalten könnte", löste er die Proteste aus, die, als er sie nicht zur Kenntnis nehmen wollte, in Scharen zu Parteiaustritten und der jetzigen Gründung einer neuen Linkspartei führten. Das Fass zum Überlaufen brachte Renzi dann noch, als er hinter dem Rücken der PD dem bei den PD-Linken beliebten griechischen Premier Tsipras in den Rücken fiel und versuchte, ihn von dem Referendum abzubringen.

Die scharfe Kritik an Renzi gipfelte, wie La Repubblica weiter schrieb, in der Anklage, die von ihm ausgeübte "Diktatur" in der Partei sei Ursache "der Niederlagen", wie jüngst bei den Regionalwahlen. Wir werden, wie Fassina betonte, einen "aufwärts gehenden" Weg eingeschlagen. Bei den Beratungen über die neue Partei sei es, so La Repubblica, auch um die Prüfung der "Perspektive einer Regierungsbeteiligung gegangen". Beobachter in Rom schlussfolgern daraus, dass es den Neugründern darum gehe, ein linkes Pendant zur PD zu schaffen, um eine an den Traditionen der alten Centro Sinistra anknüpfende Regierungskoalition mit der PD zu bilden. Ob das mit einem Premier Renzi zu machen wäre, bleibt abzuwarten. Aber in zwei Jahren sind ja bereits Parlamentsneuwahlen.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2015

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