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ITALIEN/086: Mafia-Boss beschuldigt Renzis Innenminister (Gerhard Feldbauer)


Mafia-Boss beschuldigt Renzis Innenminister:

2013 mit von Cosa Nostra gekauften Stimmen gewählt

Chefermittler im Mafia-Prozess in Palermo soll ermordet werden

Von Gerhard Feldbauer, 21. April 2015


Der frühere Mafia-Boss Carmelo D'Amico beschuldigt Renzis Innenminister Angelino Alfano, er sei bei den Parlamentswahlen 2013 mit von der Verbrecherorganisation gekauften Stimmen gewählt worden. Laut der Nachrichtenagentur ANSA machte D'Amico diese Aussage am vergangenen Freitag während einer Vernehmung durch den Staatsanwalt Nino di Matteo, den Chefermittler in dem in Palermo laufenden Prozess "Mafia-Staat", in dem es um die noch in die Zeit der Democrazia Cristiana (DC) zurückreichende Komplizenschaft höchster Vertreter des Staates mit der Mafia geht. Der inzwischen verstorbene mehrmalige Ministerpräsident Giulio Andreotti wurde 1992 der Komplizenschaft mit Mafia angeklagt, später verurteilt, in letzter Instanz nur wegen Mangel an Beweisen freigesprochen. Der dreimalige frühere Premier Silvio Berlusconi, der in der mit der Mafia vernetzten faschistischen Putschistenloge P2 dem Dreierdirektorium angehörte, wurde beschuldigt, diese Praxis fortgesetzt zu haben.

Im jetzigen Prozess in Palermo werden drei Carabinieri-Generäle, der frühere Christdemokrat, Senatspräsident und Vizepräsident des obersten Gerichtsrates, Nicola Mancino, und der langjährige engste Vertraute Berlusconis, der frühere Senator Marcello Dell'Utri, angeklagt. Dell'Utri wurde bereits in erster Instanz zu sieben Jahren Haft verurteilt, den "Pakt zwischen der Mafia und Berlusconi" eingefädelt zu haben. Dabei kam ans Licht, dass in der Villa Arcore Berlusconis in Mailand ein Mafiosi als Stallknecht getarnt untergebracht war. Als 2012 aufgedeckt wurde, dass Berlusconi Zahlungen in Millionenhöhe an die Mafia leistete, behauptete er, seine Kinder seien bedroht und er damit zu Schutzgeldzahlungen erpresst worden.

Die Aussage D'Amicos über Alfano ist jedoch, wie aus Berichten der sizilianischen Zeitung Gazetta del Sud hervorgeht, eher ein Nebenprodukt. Der als Pentito (Kronzeuge) der Anklage auftretende Mafiosi sagte u. a. aus, dass die Mafia plane, Staatsanwalt Nino di Matteo zu ermorden. Den Auftrag dazu habe der zu lebenslanger Haft verurteilte einstige Boss der Bosse der Mafia, Salvatore (genannt "Toto") Riina, im Gefängnis erteilt. Riina habe angewiesen, "Die Sache müsse jetzt erledigt werden, mit einem 'großen Knall', denn sonst höre dieser Di Matteo nie auf", wird der Pentito zitiert.


Wie einst Falcone ermordet wurde

Di Matteo wird in Rom mit dem Mafia-Ermittler Giovanni Falcone verglichen, dem es Anfang der 1990er Jahre gelang, tief in das Geflecht von Mafia und DC, Wirtschaft und Politik einzudringen und Hunderte Mafiosi vor Gericht zu bringen. Am 23. Mai 1992 wurde er in Palermo mit seiner Frau und drei Leibwächtern durch eine fern gezündete 500 kg TNT-Bombe ermordet. Der damalige Auftraggeber war Toto Riina. Zahlreiche weitere Mafia-Ermittler wurden wie Falcone umgebracht. Im Prozess "Mafia-Staat" geht es auch darum, ob höchste Repräsentanten des Staates damals mit der Mafia verhandelt haben, um gegen Hafterleichterungen und auch die Einstellung von Verfahren ein Ende der Mordanschläge der Mafia zu erreichen. Für Staatsanwalt di Matteo wurden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt. Er wird von 42 Carabinieri rund um die Uhr bewacht. Denn ein von Riina angewiesener "großer Knall" könnte eine Bombe mit gewaltiger Sprengkraft bedeuten.


Alfano tauschte traditionellen Bruderkuss mit Mafia-Boss

Nun sind Anschuldigungen gegen Alfano wegen Mafia-Beziehungen nicht neu. So wurde er schon beschuldigt, mit dem Mafia-Boss von Palma di Montechiaro, Croce Napoli, den Bruderkuss getauscht und später an der Hochzeit von dessen Tochter teilgenommen zu haben. Es wird nicht ausgeschlossen, dass Berlusconi seine Hand im Spiel haben könnte, denn Alfano war in dessen Forza Italia (FI) bis 2013 Sekretär und Vize des Parteichefs. Dann verließ er die FI, gründete mit einer beträchtlichen Gefolgschaft ein Neues rechtes Zentrum (NCD), mit dem er in die von der Demokratischen Partei (PD) Matteo Renzis geführte Regierung eintrat. Die kürzliche Aufforderung Berlusconis, die Regierung zu verlassen und in die FI zurückzukehren hat Alfano abgelehnt.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2015

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