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ITALIEN/070: Mit Giftmüllentsorgung verdient die Mafia Milliarden (Gerhard Feldbauer)


Mit Giftmüllentsorgung verdient die Mafia in Italien Milliarden

Mehr als mit dem Drogenhandel

EU-Gerichtshof verhängt Buße von 40 Millionen Euro

von Gerhard Feldbauer, 17. Dezember 2014



Die Aushebung eines von Faschisten und Mafia gebildeten Verbrecherkartells Anfang Dezember in Rom hat in den Hintergrund gedrängt, dass Italien wegen der chaotischen Zustände in der Abfallentsorgung vom EU-Gerichtshof in Luxemburg eine kräftige Geldbuße aufgebrummt wurde. Weil es die EU-Richtlinien über Mülldeponien noch nicht durchgesetzt hat, muss Italien 40 Millionen Euro zahlen. Weitere 42,8 Millionen Euro werden für jedes Halbjahr Verspätung bei der Umsetzung der Richtlinien fällig. Beanstandet wird vor allem, dass kein funktionierendes System der Abfallentsorgung besteht, um Müll umweltschonend und ohne Gesundheitsgefährdung für die Menschen zu beseitigen.


Früherer faschistischer Bürgermeister Schlüsselfigur auch im Müllskandal

Die Ermittlungen in Rom bestätigen, was seit langem bekannt ist: Die Mafia verdient Milliarden nicht nur mit Drogenhandel, Schutzgelderpressungen oder durch illegale Geschäfte im Agrarsektor. Sie macht sich durch Korruption Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes hörig, verschafft sich Zugriff zu öffentlichen Kassen, kollaboriert mit Unternehmern und verdient auch am Müll. Das aufgedeckte Verbrecherkartell beherrschte die gesamte Müllentsorgung der Hauptstadt. Der zuständige Ressortchef der Stadtverwaltung gehörte ihm an. Wenn das EU-Urteil geltend macht, dass diese Verstöße bereits seit 2007 angemahnt werden, bezieht sich das in der Hauptstadt auf die Amtszeit des Faschisten Alemanno, der von 2008 bis 2013 amtierte. Mehrfach hatten die EU-Inspektoren in den vergangenen Jahren in der Hauptstadt eine "katastrophale Lage" und "Missmanagement" kritisiert. Unweit von Rom, auf dem Weg zum Meer, befand sich eine berüchtigte - Malagrotta genannte - Mülldeponie, die als die größte Europas galt. Auf 250 Hektar wurden hier - was nach EU-Richtlinien verboten ist - täglich fünftausend Tonnen unbehandelter Stadtmüll abgeladen. Der süßliche Gestank der verrotteten Abfälle stieg in die Luft. Die Gegend ist auf lange Zeit verseucht, es drohen schwere Gesundheitsschäden. Alemanno weigerte sich, Abhilfe zu schaffen. Erst nach dem Amtsantritt des neuen Bürgermeister Ignazio Marini von der Demokratischen Partei (PD) wurde der Abfallberg im Januar 2014 geschlossen.


Arsen, Asbest, Schwermetalle und Lösungsmittel entsorgt

Ähnlich, wie jetzt in Rom bekannt geworden ist, beherrscht die Mafia in weiten Teile Italiens, besonders im Süden, das Geschäft auch mit dem Müll, vor allem mit dem giftigen: Arsen, Asbest, Schwermetalle und Lösungsmittel. Entsorgt werden aber auch radioaktive und andere toxische Stoffe aus Krankenhäusern. Seit Jahrzehnten verdient die Mafia in Italien Milliarden mit der illegalen und gesetzwidrigen Entsorgung von Giftmüll. Experten meinen, damit werde bereits mehr als mit dem Drogenhandel eingenommen. Was da abläuft, schilderte der Antimafia-Publizist Roberto Saviano in seinem auf Tatsachen beruhenden Bestseller "Gomorrha" und in dem gleichnamigen weltweit bekannt gewordenen Film schon vor Jahren. So herrscht in Neapel der Clan Casalesi der Camorra, wie die Mafia sich dort nennt, der sich auf den Handel mit Giftmüll spezialisiert hat. Ein Teil wird in Flüssen und Feldern versenkt bzw. vergraben. In einem Kalksteinbruch in der Umgebung von Caserta unweit von Neapel wurden 200.000 Tonnen Giftmüll entdeckt, der bereits in das Grundwasser eingedrungen war, mit schweren Schäden für die Landwirtschaft. Bei Caserta verbrannte der Clan Millionen Tonnen oft giftiger Industrieabfälle. Viele Deponien wurden regelmäßig in Brand gesetzt, um Spuren verschwinden zu lassen.


Ex-Premier Berlusconi der Komplizenschaft verdächtigt

Mit Hilfe korrupter Politiker verhindert die Müllmafia eine funktionierende Entsorgung und scheffelt so riesige Gewinne. Berlusconi erklärte als Regierungschef das Problem 2008 zu seiner Chefsache, geändert hat sich nichts, was Experten darauf zurückführen, dass der Medienmonopolist selbst der Komplizenschaft mit der Mafia verdächtigt wird.


Auch der Norden im Visier der Fahnder

Seit längerer Zeit schon gerät aber auch der Norden des Landes ins Visier von Umweltschützern. "Giftmüll ist unter dem Asphalt verborgen", berichtete vor einiger Zeit die römische Repubblica und schrieb über brisante toxische Funde, die unter der Autobahn A4 von Brescia nach Mailand vermutet werden. Hunderte Tonnen sollen dort vor 25 Jahren beim Bau mit Teer zugeschüttet worden sein.


Giftmüll bei Florenz verscharrt

In der toskanischen 190.000 Einwohner-Stadt Prato nördlich von Florenz hatte der gerade zum Chef der nationalen Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft in Rom ernannte Franco Roberti im Dezember vergangenen Jahres entdeckt, dass Mafiosi der Camorra aus Neapel dort Giftmüll verscharrten. Bis dahin hatten sie ihn immer nach Süden gekarrt. Nun sparten sie die Transportkosten und entsorgten Blei, Arsen und Dioxin gleich unter den malerischen Hügeln bei Florenz. Zwei Unternehmer aus Prato wurden verhaftet, gegen 60 weitere Personen Ermittlungen eingeleitet. Die lokalen Politiker suchten den Skandal, von dem Auswirkungen auf den Tourismus befürchtet wurden, nicht publik werden zu lassen. Der Bürgermeister von Prato, Roberto Cenni, leugnete die Existenz einer Deponie auf Gebiet der Stadt. Gespannt schauen umweltbewusste Italiener, ob der Mafia-Skandal in Rom eine Änderung bewirken wird.

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2014


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