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ITALIEN/017: Ist Berlusconi am Ende? Kein Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter (Gerhard Feldbauer)


Ist Berlusconi am Ende?

Haftstrafe bestätigt, aber nicht Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter

von Gerhard Feldbauer, 3. August 2013



Das Oberste Kassationsgericht Italiens hat am 1. August in letzter und damit gültiger Instanz im sogenannten Mediaset-Prozess (gegen den Medienkonzern Berlusconis) das Urteil der Vorinstanz von vier Jahren Haft gegen den langjährigen Ex-Premier u. a. wegen Steuerbetrugs in Millionenhöhe, Bilanzfälschungen, Schmiergeldzahlungen und Richterbestechung bestätigt. Der Konzernchef wurde beschuldigt, Preise für Filmübertragungsrechte künstlich in die Höhe getrieben, dazu Scheinfirmen und Schwarzgeldkonten im Ausland unterhalten zu haben, für die er die Rechte erwarb, die anschließend an Mediaset zurückverkauft wurden. Berlusconi sei der "planende Kopf" in einem systematischen Steuerbetrug gewesen, so die Urteilsbegründung. Nicht bestätigt wurde das verhängte Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter für fünf Jahre, das die Richter an die zuständige Instanz zurückverwiesen. Damit dürfte eine Verjährung möglich werden. Das Gericht hat sich, so die vorherrschende Meinung in Rom, dem von Staatspräsident Giorgio Napolitano ausgeübten Druck, mit einem Urteil nicht die "politische Stabilität des Landes" zu gefährden, gebeugt. Der Staatschef wollte den Sturz der von ihm persönlich im Mai ins Amt gebrachten Koalitionsregierung seiner Demokratischen Partei (PD) mit der faschistoiden Partei Volk der Freiheit (PdL) durch Berlusconi nach einem Urteil verhindern.

30 Prozesse gegen sich abgewürgt

Während seiner Regierungszeit hatte Berlusconi in rund 30 Prozessen immer wieder rechtskräftige Urteile, u. a. durch die sogenannte Lex Berlusconi, die strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn untersagte, verhindert. Der Mediendiktator, wird jedoch, entgegen Verlautbarungen in Agenturmeldungen, nicht zum ersten, sondern bereits zum zweiten Mal rechtskräftig verurteilt. U. a. wiesen die Publizisten Giovanni Ruggeri und Mario Guarini in ihrem Buch "Silvio Berlusconi. Inchiesa sul Signor TV" (Mailand 1994) nach, dass er bereits vor seinem ersten Regierungsantritt 1994 wegen Meineids (Leugnung seiner Mitgliedschaft in der faschistischen Putschloge P2, die maßgeblich sein Medienimperium finanzierte) in der dritten Instanz rechtskräftig verurteilt wurde. Das heißt nichts anderes, als dass Italien mit Berlusconi mit Unterbrechungen fast zwei Jahrzehnte von einem rechtskräftig verurteilten Kriminellen regiert wurde.

Berlusconi fordert Gnadenerlass, sonst Ende der Regierung

Berlusconi, der nicht vor Gericht erschien, leugnete wie immer, alle Schuld und verstieg sich zu der Behauptung, man wolle ihn "eliminieren". Gleichzeitig drückte er auf die Tränendrüsen und verkündete heuchlerisch, er werde "ins Gefängnis gehen". Drei Jahre sind jedoch bereits verjährt. Nach einem von ihm als Regierungschef selbst verabschiedeten Dekret "über Haftverschonung" weiß er, dass er auch das restliche Jahr aus Altersgründen (er ist 77 Jahre) unter Hausarrest in seinen rund 20 Wohnsitzen verbringen darf. Ohnehin hat das Gericht in Kenntnis dieser Sachlage die Haftstrafe nach Verkündung bereits ausgesetzt. Wie "La Repubblica" am Sonnabend berichtete, hat Berlusconi als nächstes jedoch sofort einen Gnadenerlass des Staatschefs verlangt, anderenfalls werde seine Partei die Regierung verlassen und Neuwahlen fordern. Napolitano ist zur Zeit in Urlaub und ließ mitteilen, er habe nicht die Absicht, ihn zu unterbrechen, ließ aber die Möglichkeit offen, dass im Oktober Neuwahlen stattfinden könnten. Es wird nicht ausgeschlossen, dass er auch "Milde" walten lassen wird. Hier hat er zweifelsohne die Rolle der 5-Sterne Protestbewegung Beppe Grillos im Auge. Diese hatte seine Rolle bei der Installierung der Regierung mit der faschistoiden PdL als einen "kalten Staatsstreich" verurteilt und ebenso entschieden gegen seine Einflussnahme auf das Urteil zugunsten Berlusconis protestierte. Jetzt hat Grillo, der bisher eine Regierungsbildung mit der PD strikt ablehnte, nach einem Austritt der PdL seine Bereitschaft zu Gesprächen erklärt. Daran dürfte Napolitano nicht interessiert sein.

Kein Ende der Ära Berlusconi

Da das Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter nicht bestätigt wurde, kann der Mediendiktator weiter politisch aktiv bleiben, was er bereits ankündigte. Er will seine PdL in alter Form und unter ihrem Gründungsnamen von 1994 Forza Italia neu formieren und zu den nächsten Wahlen antreten. Sollte er nicht selbst antreten, hat er bereits angekündigt, dass dann seine älteste Tochter Maria Elvira für das Amt des Chefs im Palazzo kandidieren werde.

Das Urteil wird deshalb in Rom unter der Opposition zwar als ein moralischer Erfolg gewertet, mit dem aber die Ära Berlusconi längst nicht zu Ende sei. Grillo fordert, die Regierungszusammenarbeit mit der Partei eines nun rechtskräftig verurteilten Steuerbetrügers zu beenden. Premier Letta konzentriert sich im Parlament jetzt auf die Verabschiedung eines neuen, wenigstens bürgerlich-parlamentarischen Gepflogenheiten entsprechenden Wahlgesetzes. Auch diesen Weg kann Berlusconis PdL blockieren. Der Ausgang bleibt offen. Auch unter dem Aspekt, dass noch drei weitere Prozesse auf Berlusconi warten: Wegen Sex mit einer minderjährigen Prostituierten, Amtsmissbrauch und Bestechung eines Senators zum Übertritt in seine PdL, mit der 2008 die Mitte Links-Regierung Romano Prodis gestürzt wurde. Die Hoffnungen der Opposition ruhen hier erneut auf der Justiz, ihre Unabhängigkeit zu wahren und sich nicht erneut der ohnehin verfassungswidrigen Einmischung des Staatschefs zu beugen.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2013