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ITALIEN/012: Erneut vier Jahre Gefängnis für Berlusconi (Gerhard Feldbauer)


Erneut vier Jahre Gefängnis für Berlusconi

Gewaltsame Zusammenstöße mit seinen faschistoiden Anhängern

Sozialdemokraten wählten Übergangschef

von Gerhard Feldbauer, 13. Mai 2013



Schneller als erwartet könnte der von Enrico Letta, Demokratische Partei (PD), mit der faschistoiden Partei Volk der Freiheit (PdL) Silvio Berlusconis erst vor zwei Wochen gebildeten Regierung das Aus drohen. Entgegen der von ihm verbreiteten Zusicherung, ihm sei eine Einstellung der Strafprozesse gegen ihn zugesichert worden, haben die Mailänder Richter rasch gehandelt und die Pläne des Ex-Premiers durchkreuzt. In der vergangenen Woche bestätigten sie in zweiter Instanz ein im Oktober 2012 wegen Steuerbetrugs, begangen während seiner Zeit als Premier, gefälltes Urteil zu vier Jahren Gefängnis sowie zur Zahlung von zehn Millionen Euro an die Staatskasse. Berlusconi selbst hatte das Verfahren mit der unverfrorenen Forderung angeheizt, ihm den Vorsitz der für die Ausarbeitung von Strukturreformen, darunter der Justiz, zuständigen Parlamentskommission zu übertragen. Darunter fiel die ihm angeblich zugesagte Justizreform zur Unterstellung der Strafermittlungsbehörden unter das Innenministerium, dass PdL-Chef Angelo Alfano übernahm, der gleichzeitig Vizepremier wurde. Andernfalls, so hatte der Mediendiktator gedroht, werde er, wie "La Repubblica" schrieb, "einen Schritt zurückgehen", was im Klartext hieß, der Regierung die Unterstützung entziehen.

Über 20 Jahre, während er dreimal Premier war, habe Berlusconi mit "beachtlicher krimineller Energie", wie es im Richterspruch heißt, auf schwarze Konten von über 60 im Ausland illegal gegründeten Gesellschaften Millionen Euro transferiert und den Staat betrogen. Eine Bestätigung des Urteils in dritter Instanz würde das politische Aus Berlusconis bedeuten, darunter auch den Ausschluss aus dem Parlament, den die Protestbewegung Fünf Sterne (M5S) Beppe Grillos jetzt schon fordert.

Auf den Ex-Premier kommen weitere Prozesse großen Kalibers zu, darunter wegen Geschlechtsverkehrs mit einer Minderjährigen und Amtsmissbrauch. In Neapel wird gegen ihn wegen Bestechung eines Senators der Partei der Werte Italiens (IdV) ermittelt, den er für einen Wechsel zu seiner PdL drei Millionen Euro gezahlt habe. Das ermöglichte es 2008 die Mitte Links-Regierung Romano Prodis zu stürzen.

Berlusconis Anwälte verlangen, die Prozesse nach Brescia, einer Hochburg der PdL, zu verlegen, wo sie wohlgesinnte Richter erwarten. Bisher jedoch ohne Erfolg. In Brescia prostierte am Sonnabend Berlusconi mit Anhängern seiner PdL gegen das Urteil, mit dem "kommunistische Richter" ihn "eliminieren" wollten. Vizepremier Alfano und zwei Minister der PdL nahmen an den Protesten teil, während derer es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit M5S, darunter zahlreiche Arbeitslose, kam. Berlusconi wurde mit Pfeifkonzerten empfangen und immer wieder mit Rufen "Diebe", "Gauner" und "ins Gefängnis mit ihm" - unterbrochen.

Vor diesem Hintergrund wählte am Wochenende eine Nationalversammlung der PD den Nachfolger des zurückgetretenen Partei-Vorsitzenden Luigi Bersani. Nur mühsam gelang es das "Auseinanderdriften" der Partei ("Repubblica") zu überbrücken und sich auf die Wahl des langjährigen Führers der CGIL-Gewerkschaft, Guglielmo Epifani als Übergangschef bis zum ordentlichen Parteitag im Oktober zu einigen. Der frühere Sozialist, seit 1993 der Linkspartei (heute PD) angehörend, galt schon in der CGIL, der größten Gewerkschaft, als Mann des Ausgleichs, wenn auch oft zugunsten der Sozialpaktstrategie. Die Teilnahme von Vizepremier Alfano und Ministern der PdL an der Veranstaltung in Brescia wurde entschieden als Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz verurteilt. Premier Letta reagierte scharf. Am Sonntag rief er seinen Vize zu sich und bezeichnete dessen Verhalten und das der weiteren PdL-Minister als "unannehmbar". Alfano machte einen Rückzieher und erklärte, es habe sich seitens der Kabinettsmitglieder um keinen Protest gegen die Mailänder Richter gehandelt. Sie hätten an einer Kirmes ihrer Partei teilgenommen. Obwohl aus Kreisen der PdL verlautete, die Regierungskoalition mit der PD werde nicht in Frage gestellt, verdeutlichten die Debatten auf der PD-Konferenz, wie Medien-Berichten zu entnehmen war, dass die Sozialdemokraten sich mit der PdL auf eine Regierung auf Zeit einrichten und im Oktober schon Neuwahlen Thema des Parteitages sein könnten. Die "brennenden Fragen" seien aufgeschoben worden.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2013