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FRAGEN/007: Karl-Heinz Florenz, CDU - "Wir müssen zu einer echten Kreislaufwirtschaft gelangen" (DNR EU)


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EU-News - Donnerstag, 24. April 2014 / Politik & Recht

Karl-Heinz Florenz (CDU): "Wir müssen zu einer echten Kreislaufwirtschaft gelangen"



Der CDU-Politiker Karl-Heinz Florenz sitzt für die EVP-Fraktion im Umweltausschuss des Europaparlaments. In der laufenden Legislaturperiode war er Berichterstatter für die Elektro- und Elektronikaltgeräte-Richtlinie (WEEE-Richtlinie).

221 Verfahren, 78 ordentliche Gesetzgebungsanträge und 46 erfolgreiche Abschlüsse - kurz vor Ende der 7. Legislaturperiode blicken wir im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments auf erfolgreiche fünf Jahre zurück. Doch viel wichtiger als die bloßen Zahlen ist für mich die Bilanz, die ich persönlich ziehen kann und mit der ich durchaus zufrieden bin.

Strengere Regeln für die Zigarettenindustrie

Der Umweltausschuss befasst sich, wie der Name schon sagt, mit Themen zur Umweltpolitik, dem Klimaschutz sowie Gesetzgebungsverfahren im Gesundheits- und Ernährungsbereich. Das breite Spektrum macht die Arbeit auch so spannend und interessant. Wenn man mich aber nach meinem persönlichen Highlight der vergangenen fünf Jahre fragen würde, freue ich mich am meisten über die jüngste Errungenschaft: Die Revision der Tabakproduktrichtlinie. Zigaretten und andere Tabakerzeugnisse sind für mehr als 110.000 frühzeitige Todesfälle jedes Jahr in Deutschland verantwortlich. Die Tabakindustrie muss sich künftig endlich an strengere Regeln halten. Die Neuerungen umfassen größere Warnhinweise mit abstoßenden Bildern, die 65 Prozent der Vorder- und Rückseite einer Zigarettenschachtel oder Feinschnittpackung ausmachen müssen. Sie sollen verstärkt auf die Gefahren und Risiken hinweisen und junge Menschen vom Griff zur Zigarette abhalten. Besonders attraktive Verpackungen - beispielsweise in Lippenstiftform - werden verboten. Künftig dürfen Zigaretten auch keine verführerischen Aromastoffe mehr beigemischt sein. Auch gegen den Zigarettenschmuggel hat das Parlament Maßnahmen ergriffen, um den illegalen Handel mit Tabakerzeugnissen einzudämmen. Als Vater liegt mir natürlich auch persönlich sehr viel daran, dass wir nicht noch mehr junge Leute durch schöne Verpackungen oder Geschmacksverstärker an die Tabakindustrie verlieren. Ich kenne niemanden, der sich wünscht, dass seine Kinder zu rauchen beginnen. Daher halte ich den erzielten Kompromiss für sehr gelungen. Wenn es um reine Umwelt- und Klimafragen geht, fällt es mir nicht so leicht, ein einzelnes Highlight zu benennen.

Langen Atem hat es bei den Verhandlungen zur europäischen Klimapolitik gebraucht und wird es auch in Zukunft noch brauchen. Sowohl die Gesetzgebungsverfahren zum Backloading und zum Emissionshandel im Flugverkehr als auch das Grünbuch zur Klima- und Energiepolitik für 2030 wurden intensiv diskutiert, bis es zu einer Position des Parlaments kommen konnte. Vor dem Hintergrund der 2015 in Paris anstehenden Verhandlungen über einen neues UN-Klimaabkommen ist eine klare europäische Positionierung notwendig, um weiterhin weltweiter klimapolitischer Vorreiter zu bleiben. Dieser Prozess wird uns in der kommenden Legislaturperiode auf Trab halten.

Kreislaufwirtschaft in Europa schaffen

Ein wichtiges Dossier war die Elektro- und Elektronikaltgeräte-Richtlinie (kurz WEEE), die ich als Berichterstatter betreuen durfte. Es hat einige Zeit gedauert, bis alle Beteiligten verstanden haben, dass uns ehrgeizige Ziele helfen, wertvolle Rohmaterialien zurückzugewinnen und den illegalen Export in Entwicklungsländer oder das Verschwinden auf Mülldeponien zu unterbinden. Für die Wettbewerbsfähigkeit und Unabhängigkeit Europas ist es entscheidend, dass wir möglichst viel der wertvollen und teuren Rohstoffe wiederverwerten, anstatt sie teuer etwa in China einzukaufen. Aus vermeintlichem Abfall werden wertvolle Rohstoffe. Letztlich haben wir ein ehrgeiziges Sammelziel vereinbaren können, das von einer fixen Kilo-Zahl auf ein Prozentziel umgestellt wurde und so den unterschiedlichen nationalen Situationen gerecht wird aber trotzdem ein einheitliches Ziel darstellt. Ferner wird für den Export von Altgeräten künftig eine Beweislastumkehr gelten. Bei Kontrollen soll also der Unternehmer und nicht mehr der Zoll nachweisen müssen, dass es sich um gebrauchsfähige Geräte handelt und nicht um E-Abfall. Außerdem sind strenge Ausnahmen für die Verbringung von nicht mehr funktionsfähigen Altgeräten zur Reparatur außerhalb der EU aufgestellt worden. Die Erleichterungen bei der nationalen Registrierung für die Hersteller stärken auch den Binnenmarkt, indem künftig keine zusätzliche Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat für den Vertrieb erforderlich ist sondern ein Rechtsvertreter ausreicht.

Am Ende der Legislaturperiode haben wir noch Änderungen der Abfallverbringungsverordnung vorgenommen, die die illegale Verbringung von sämtlichen Abfällen innerhalb und außerhalb Europas erschweren soll, indem die Mitgliedsaaten zu härterem Durchgreifen gezwungen werden. Ein solches Gesetzgebungsverfahren wäre überhaupt nicht notwendig gewesen, hätten die Mitgliedstaaten die bestehenden Regeln der bereits geltenden Verordnung um- und vor allem durchgesetzt. 25 Prozent der Abfallverbringung sind illegal; das hat eine zweijährige Untersuchung des EU-Netzwerks für die Umsetzung und von Umweltrecht (IMPEL) in 22 Mitgliedstaaten ergeben. Aus diesem Grund gibt es nun verpflichtende Inspektionspläne, die die Mitgliedstaaten zwingen, eine Abfallstrategie zu entwickeln und umzusetzen. Die Veröffentlichung der Pläne, der Kontrollergebnisse sowie der verhängten Strafen sollen dabei für öffentlichen Druck sorgen. Auch bei diesem Dossier haben wir - wie bei WEEE-Richtlinie - die Beweislast umgekehrt: Künftig muss der Abfallverbringer nachweisen, dass er sich legal verhält. Dies erleichtert den örtlichen Zollbehörden auf sehr praktische Art und Weise ihre Arbeit.

Ein weiteres wichtiges Thema in dieser Legislaturperiode waren die Verhandlungen zu strengeren Abgaswerten für Pkw. Wenngleich ich mir persönlich ambitioniertere Ziele gewünscht hätte, stellt der erreichte Kompromiss sicher, dass die Automobilindustrie Planungssicherheit hat und die Verbraucherinnen und Verbraucher mit sparsameren Autos rechnen können.

Europa besser vermitteln

Genau da möchte ich gerne in der kommenden Legislaturperiode wieder ansetzen. Als Eckdaten denke ich an das Abfallpaket, die für 2015 in Paris anstehenden Verhandlungen über den Nachfolger des Kyoto-Protokolls und unsere europäische Klima- und Energiepolitik, sowie die Stärkung der Ressourceneffizienz. Ich möchte erreichen, dass Rohstoffe schon bald über einen Lebenszyklus einer Ware hinaus wieder vollständig in den Produktionsprozess zurückgelangen und wir zu einer echten Kreislaufwirtschaft gelangen. Ein mir sehr wichtiges Anliegen ist zudem die Implementierung bestehender Gesetzgebung in den Mitgliedstaaten. Die Europäische Union hat - neben der Sicherung von Frieden und Freiheit - auch in Bezug auf das tägliche Leben und die mittlerweile eng verknüpfte Wirtschaft viel erreicht; sie ist ein Erfolg. Unterhält man sich jedoch mit Bürgerinnen und Bürgern, zeigt sich oft ein anderes Bild Europas. Von überbordender Bürokratie ist die Rede; von einer Institution, die weit von den Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen entfernt zu sein scheint. Diese unterschiedlichen Auffassungen entstehen, so zeigt die Erfahrung, häufig durch unnötige "Reibungsverluste" - etwa durch nicht fristgerechte oder extrem unterschiedliche Umsetzung beziehungsweise "Überimplementierung". Oft wird der politische Wille abseits der politischen Ebene, durch die umsetzenden Behörden im regionalen und lokalen Bereich, schlicht ad absurdum geführt. Auch die Diskussion wird - nach dem Abschluss der Gesetzgebung in den europäischen Institutionen - in den Mitgliedstaaten kontrovers weitergeführt. Dass im Rat immer auch der jeweils zuständige nationale Minister einem Gesetz zugestimmt hat, ist dann meist vergessen. Das Europäische Parlament ist also gefordert, der Europäischen Kommission stärker auf die Finger zu schauen, damit sie zu später oder unzureichende Umsetzung in den Mitgliedstaaten effizienter löst. Für all diese Aspekte werde ich mich in der nächsten Legislaturperiode stark machen und hoffe dabei auch künftig auf eine gute Zusammenarbeit mit den NGOs. Mein Wunsch an die deutschen Umweltverbände: realistische Forderungen und weiterhin wie bisher eine seriöse Informationspolitik - dies alles auch unter Beachtung des europäischen Blickwinkels. Bei der Umsetzung meiner Ziele und Ideen freue ich mich auf Ihre Unterstützung.

www.karl-heinz-florenz.de

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Quelle:
EU-News, 24.04.2014
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2014