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MARKT/189: Unfaire Handelspraktiken sollen verboten werden (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 426 - November 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Unfaire Handelspraktiken sollen verboten werden
Auch die Tierschutzprogramme des Handels könnten betroffen sein

von Marcus Nürnberger


Die immer weiter fortschreitende Konzentration einzelner Unternehmen innerhalb der Handelskette von Lebensmitteln und deren daraus resultierende Marktmacht wird schon seit vielen Jahren immer wieder kritisiert. Auch EU-Kommissar Phil Hogan sieht diese Bedrohung eines fairen Wettbewerbs. 2014 sagte er im EU-Agrarausschuss: "Die schnelle Konzentration bei Handel und Verarbeitern hat für viele Landwirte zu einer ungleichen Verhandlungsposition geführt." Im Frühjahr dieses Jahres hat die Generaldirektion Landwirtschaft nun einen Vorschlag gemacht, obwohl Handelsfragen in der EU eigentlich in die Kompetenz der Generaldirektionen Binnenmarkt und Wettbewerb fallen würden.

Klare Regeln
In dem neuen Gesetz soll u. a. eine zeitnahe Bezahlung von leicht verderblichen Waren geregelt werden. Ebenso ein Verbot kurzfristiger Stornierung, die es dem Anbieter von verderblicher Ware unmöglich macht, andere Abnehmer zu finden. Auch sollen einseitige Änderungen der Lieferbedingungen - die Häufigkeit, den Zeitpunkt, Umfang und Qualität betreffend - untersagt werden. Zulasten des Lieferanten gehende Klauseln, die diesen zur Übernahme der Kosten für verdorbene Ware verpflichten, und die Praktik, dass der Handel sich eine Listung neuer Produkte durch sogenannte Listungsgebühren bezahlen lässt, sollen ebenso untersagt werden wie die Praxis, den Lieferanten die Produktwerbung des Verkäufers bezahlen zu lassen.

Nur gesetzliche Standards
Im weiteren Abstimmungsprozess zwischen Kommission, Agrarministerrat und EU-Parlament wurden vor allem im Agrarausschuss des Parlaments Anfang Oktober zahlreiche Änderungsanträge gestellt. Dabei wurde einem von deutschen Parlamentariern der CDU eingebrachten Änderungsantrag zugestimmt, der auch Vorgaben zu Tierschutz- und Umweltfragen als unfaire Handelspraktiken betrachtet. Hiervon betroffen wären dann eventuell auch die vom LEH in den vergangenen Jahren eingeführten Tierwohlprogramme. Denn die Parlamentarier fordern, dass der Handel keine zusätzlichen Qualitätskriterien von Lieferanten verlangen darf, die über gesetzliche Bestimmungen hinausgehen. Nur wenige Tage später forderte Kaufland in einer Pressemitteilung Tier- und Umweltschutzorganisationen auf, "gemeinsam mit uns diese bewusste Entscheidung gegen den Tierschutz zu verhindern". Eine ungewöhnliche Allianz sollte da entstehen. "Mit diesem EU-Verbot sollen kleine landwirtschaftliche Betriebe geschützt werden. Aber das Gegenteil ist der Fall: Es nimmt gerade kleinen und mittelständischen Betrieben die Möglichkeit, rentable Nischen zu entwickeln und sich im Wettbewerb zu behaupten", argumentiert Kaufland weiter. Die verstärkte Lobbyarbeit der Tier- und Umweltschutzverbände zeigt, dass die Initiative offenbar Erfolg hatte.

Augenwischerei?
Ob die Zielrichtung wirklich der Schutz kleiner Betriebe ist, darf bezweifelt werden. Vielmehr könnte den großen Handelsunternehmen auch daran gelegen sein, die Gesetzesinitiative als Ganzes zu kippen. Denn der Zeitplan ist denkbar eng. Eine Entscheidung muss noch vor den Parlamentswahlen im Mai kommenden Jahres fallen. Neben einer möglichen Plenarabstimmung im Parlament muss die Abstimmung innerhalb des Trilogs zwischen Kommission, Agrarrat und Parlament stattfinden. Hier jedoch, so zeigen erste öffentliche Stellungnahmen, wird die eingebrachte Erweiterung auf Tierschutz- und Umweltstandards kritisch gesehen. Selbst der Berichterstatter des Agrarausschusses, der italienische Sozialdemokrat Polo De Castro, hat eine Kehrtwende hingelegt. Obwohl er im Agrarausschuss für die Vorschläge der CDU stimmte, erklärte er danach unter dem Druck der Umweltorganisationen in einer Pressemitteilung, diese im Trilog nicht verteidigen zu wollen. Die EU-Abgeordnete Maria Heubuch, die den Gesetzesvorschlag für die Fraktion der Grünen verfolgt, erklärt: "Die konservativen Kräfte im EU-Parlament sperren sich traditionell gegen jede Anhebung von gesetzlichen Tier- und Umweltstandards. Nun wollen sie auch höhere private Standards verbieten. Aber es gibt genug Beispiele dafür, dass der Handel oft weitaus rascher auf die Bedürfnisse und Forderungen der Bürgerinnen und Bürger eingeht als die Politik. Gentechnikfreie Milch z. B. gäbe es nicht ohne die Initiative der Supermärkte. Wenn nun weder die gesetzlichen noch die privaten Standards angehoben werden dürfen, dann werden notwendige Verbesserungen komplett ausgebremst. Prinzipiell begrüße ich höhere Standards im Tier- und Umweltschutz. Uns Grünen ist dabei allerdings eines wichtig: Der Mehraufwand muss den Bäuerinnen und Bauern fair bezahlt werden."

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 426 - November 2018, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2019

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