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REZEPTION/023: Relativität und Absurdität - zum Werk Reinhard Lettaus (idw)


University of Gothenburg - 25.01.2010

Relativität und Absurdität - zum Werk Reinhard Lettaus


Das literarische Gesamtwerk des deutschen Autors Reinhard Lettau (1929-1996) ist jetzt untersucht worden. In ihrer Doktorarbeit verfolgt Katharina Nahlbom - Universität Göteborg, Schweden - die Kontinuität des Werkes Lettaus und findet, dass die verschiedenen Bücher, obwohl sie sich in Bezug auf ihre Gattung und Intention voneinander unterscheiden, viele gemeinsame Themen und narritive Strukturen aufweisen.

In den 1960er und 70er Jahren erhielt Reinhard Lettau viel Aufmerksamkeit als Autor, sowohl in Deutschland als auch im Ausland. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt und er war Mitglied der international anerkannten Gruppe 47, an deren Tagungen er mit Lesungen aus seinen Büchern teilnahm.

Lettau debütierte 1962 mit Schwierigkeiten beim Häuserbauen, eine Sammlung absurdistischer Erzählungen in Franz Kafkas Tradition.1963 folgte die ebenfalls absurdistische und experimentelle Sammlung von Kurzprosastücken, Auftritt Manigs.

Ende der 1970er Jahre wurde Lettaus Schreiben politisch orientiert. Er nahm an der Antivietnambewegung teil und kritisierte die Regierung der USA wegen ihrer Lateinamerikapolitik, was sich in den politisch-satirischen, dramatischen Texten dieser Zeit, Feinde (1968) und Frühstücksgespräche in Miami (1977), durchsetzte. Zur Frage der Himmelsrichtungen (1988) greift auf das sprachliche Experimentieren des Frühwerks zurück und Lettaus letztes Buch, Flucht vor Gästen (1994) ist ein Miniroman mit autobiographischen Zügen.

Nahlboms Arbeit zeigt, dass die fiktive Welt in Lettaus Büchern relativ und veränderlich ist und dass ihr absolute Wahrheiten und gebene Ausgangspunkte fehlen.

Lettau mischt Phantasie und Wirklickkeit, seine Figuren haben keine stabile Identität, sondern spielen Rollen, die sie ständig wechseln. Der Mangel an absoluten Wahrheiten spiegelt sich in der Erzählstruktur wider, sagt Nahlbom.

Lettaus Texte sind offen. Ihnen fehlen sowohl ein autoritärer Erzähler als auch eine deutliche Intention. Gegenüber der Offenheit und Relativität der Welt verhalten sich die Figuren und Erzähler der Bücher grundsätzlich auf zwei verschiedene Weise. Einige von ihnen akzeptieren die Veränderlichkeit und Offenheit und betrachten die Welt, in der sie leben, als ein lustvolles Spiel. Andere suchen unaufhörlich nach einer absoluten Wahrheit, einer festen Identität oder ewigen Werten, eine Suche, die ihnen immer misslingt.

In der Arbeit wird Lettaus Werk auch in einem literatur- und geistesgeschichtlichen Kontext diskutiert, wobei festgestellt wird, dass Lettaus Werk sowohl an die Literatur der Moderne als auch an die der Postmoderne anknüpft.

In der Arbeit wird auch die verbreitete Vorstellung, dass Lettaus Werk nur "leicht" und unterhaltend sei, kritisiert. Es wird gezeigt, dass Lettaus Bücher sich neben den humoristischen Zügen auch mit philosophischen Problemen, wie z.B. der Möglichkeit einer absoluten Wahrheit, auseinandersetzen.

Weitere Informationen unter:
http://hdl.handle.net/2077/21270 - Doktorarbeit

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution1327


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
University of Gothenburg, Helena Aaberg, 25.01.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Januar 2010