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PROJEKT/209: Zurück ins Leben - Hilfe für traumatisierte Kinder


die zeitung - terre des hommes, 1. Quartal 2010

Zurück ins Leben
Hilfe für traumatisierte Kinder

Von Urte Tegtmeyer


Die Gemeinschaftsstiftung terre des hommes legt einen Traumahilfefonds auf, mit dem Projekte langfristig unterstützt werden sollen, die Kindern psychosoziale Unterstützung für unterschiedliche Arten von Traumata anbieten. Kinder gesund aufwachsen zu lassen, bedeutet nämlich nicht nur, ihnen physische Sicherheit zu geben, sondern auch, für ihre psychische Gesundheit zu sorgen. Die Liste der Ereignisse, die Traumata auslösen können, ist lang: Hungersnöte und Naturkatastrophen, sexuelle Gewalt, der Verlust der Eltern durch HIV/Aids, Gewalt in der Familie, Krieg und Vertreibung, Ausbeutung - all diese Erlebnisse sind besonders für Kinder schwer zu verarbeiten. Und nicht selten tragen Kinder Traumata noch bis ins Erwachsenenleben hinein. Diese Erlebnisse wirken sich häufig auf die körperliche Entwicklung aus: Der Allgemeinzustand der Kinder verschlechtert sich erheblich.

Besonders in den Entwicklungsländern haben traumatisierte Kinder nur begrenzte Möglichkeiten, ihre Erlebnisse aufzuarbeiten. Im Vordergrund stehen andere, wichtigere Dinge: Wo kann ich sicher schlafen, wie bekomme ich genug zu essen, was muss ich tun, um zur Schule gehen zu können? Die Befriedigung dieser elementaren Bedürfnisse ist wichtig, reicht jedoch nicht aus.


Gewalt in der Gemeinde

Der zwölfjährige Rodriguez lebt in der mosambikanischen Hauptstadt Maputo. Sein Vater hatte die Familie schon früh verlassen, seine Mutter ist gestorben. Das konnte der Junge nicht verarbeiten. Er war gewalttätig, brach die Schule ab und stahl bei seinen Nachbarn und Freunden. Damit war Rodriguez kein Einzelfall im Trevo-Viertel, wo die Menschen wenig Perspektiven haben und Gewalt und Arbeitslosigkeit weit verbreitet sind. Anlass für den terre des hommes-Projektpartner CAPAZ, das Projekt der »Guten Nachbarn« einzuführen. Gewählte Ansprechpartner des Viertels vermitteln bei Problemen in der Familie, im Umgang mit Behörden und bei vielen Problemen des Alltags. Dafür werden sie von CAPAZ geschult. Im Fall von Rodriguez zeigen sich die positiven Einflüsse dieser Vertrauenspersonen: In langen Gesprächen und durch die Einbeziehung von Rodriguez' Angehörigen, bei denen er mittlerweile wohnt, konnte der Zwölfjährige zurück in die Schule gebracht werden, wo er jetzt einer der besten Schüler ist. Außerdem setzt sich Rodriguez für seine Kameraden ein und schlichtet in brenzligen Situationen.


Methoden der Traumabehandlung

Es gibt vielfältige Anlässe, nach denen Menschen mit traumatischen Erlebnissen Hilfe benötigen. Dazu zählt die Behandlung von Auswirkungen des Tsunamis in Indonesien ebenso wie die Verarbeitung des Verlustes von Eltern durch HIV/Aids im südlichen Afrika. Hier werden verschiedene Methoden der Memory Work angewendet: Memory Books, Body Mapping, Hero Books und Memory Boxes sind unterschiedliche Herangehensweisen an eine ähnliche Problematik: Sich der verstorbenen Eltern zu erinnern bzw. mit ihnen Erinnerung festzuhalten. Außerdem spielt die Bewusstmachung der Gefühle und Verletzungen, die die Erinnerung beinhaltet, eine große Rolle.

Eine weitere Methode, die vor allem bei den Opfern des Tsunamis in Aceh angewendet wird, ist das sogenannte EMDR, »Eye Movement Desensitization and Reprocessing«. Dahinter verbirgt sich eine kurzzeittherapeutische Methode. Durch schnelle, rhythmische Augenbewegungen werden einzelne traumatische Erlebnisse mit Unterstützung des Therapeuten noch einmal erlebt und zu Ende durchgearbeitet. Dadurch ist die gefühlte Erinnerung nicht mehr belastend, sondern neutral. Ziel aller Methoden ist, den Jugendlichen und Kindern mehr Selbstvertrauen zu geben, ihnen die Angst vor dem Erlebten zu nehmen, um sie so stark zu machen für ihr Leben.

terre des hommes plant ein interkulturelles Seminar zur Traumahilfe, bei dem Projektpartnern die Gelegenheit zum Austausch und zur Vernetzung gegeben werden soll. Ziel ist es unter anderem, dem Thema Traumahilfe nicht nur in den Projekten sondern auch in der breiten Öffentlichkeit mehr Bedeutung zu geben.


Für den Traumahilfefonds der Gemeinschaftsstiftung soll bis Ende 2010 eine Million Euro Stiftungskapital eingeworben werden.


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Quelle:
die zeitung, 1. Quartal 2010, S. 7
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
Ruppenkampstraße 11a, 49084 Osnabrück,
Tel.: 0541/71 01-0, Fax: 05 41/70 72 33
E-Mail: info@tdh.de
Internet: www.tdh.de

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4 Mal jährlich. Der Verkaufspreis wird durch Spenden
abgegolten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2010