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PROJEKT/203: Bolivien - Wie Rechte in der Bergwerksstadt Oruro Alltag werden


die zeitung - terre des hommes, 4. Quartal 2009

Die Energie der Jugend
Bolivien: Wie Rechte in der Bergwerksstadt Oruro Alltag werden

Von Cristina Cardozo und Peter Strack


Das Zinn aus den bolivianischen Bergwerkszentren ist wegen seiner Reinheit begehrt, und nach dem Tief der Weltwirtschaftskrise ziehen auch die Rohstoffpreise wieder an. Von solchen Schwankungen der globalen Märkte hängen die lokale Wirtschaft und auch die Staatsfinanzen ab. Ob Kinder aber in der Schule lernen können, ob das Essen zu Hause reicht, ob Kinder und Jugendliche dort geschlagen werden oder ob sie eine berufliche Perspektive bekommen, dafür sind andere Fragen nicht minder entscheidend: Etwa wie das Leben in einer Stadt wie Oruro organisiert ist, wem wie viel der Exporteinnahmen zugute kommen, oder wo der Reichtum des Landes versickert.

Vor 13 Jahren beschlossen 15 Studenten der örtlichen Universität, gemeinsam etwas gegen die Korruption und den Ausverkauf der Rohstoffe ihres Landes zu tun. Für ein technisches Gutachten zum Aufbau eigener Industriebetriebe wurden sie während der sozialen Proteste im Jahr 2003 noch vom Geheimdienst kritisch beäugt. VIVE nannte sich die Gruppe trotzig, was "Hoch lebe die Energie der Jugend" bedeutet. Und weil VIVE diese offensichtlich besaß, entschied sich terre des hommes für eine finanzielle Unterstützung ihrer Arbeit. Um Projektgelder regulär abwickeln zu können, organisierten sich die Jugendlichen als Verein.


Aus der Spielhölle ins Kulturcafé

Sie setzten sich an der Universität für besseren Unterricht ein und starteten eine Kampagne zur Schließung von Kneipen und Spielhöllen im unmittelbaren Umfeld von Schulen. In einigen Stadtvierteln hatten sie damit Erfolg. Zudem eröffneten sie in dem unwirtlichen Bergwerks- und Handelszentrum einen selbstverwalteten und bewirtschafteten Jugendtreff. Im Kulturcafé "Wayna Wasi" gibt es heute nicht nur die Möglichkeit, Hausaufgaben zu machen oder zu spielen, Feste zu feiern und sich über Schwierigkeiten und Probleme auszutauschen, sondern die Jugendlichen bilden sich auch fort. Sexualerziehung und Aids-Prävention durch Theater sind beliebt; aber auch Kurse darüber, wie öffentliche Verwaltung funktioniert, welche Rechte Kinder und Jugendliche haben, und wie sie diese einfordern können. Dies Wissen tragen sie in die Randviertel. Heute sind bei VIVE etwa 500 Jugendliche dauerhaft organisiert. Rund 1.500 weitere beteiligen sich im Jahresverlauf an Aktivitäten. Gerne wäre VIVE bei der Diskussion um die neue bolivianische Verfassung auch häufiger aufs Land und in die anderen Bergwerkszentren gegangen, doch dafür reichten die Mittel nicht.


Der erste Stadtjugendrat

Damit in Oruro künftig mehr staatliche Gelder zur Lösung der Probleme der Kinder und Jugendlichen zur Verfügung stehen, beteiligt sich VIVE an der Budget- und Stadtplanung. Ein Gesetz zur Einrichtung von Jugendräten gibt es schon seit 1999. Dass mehr als neun Jahre später in Oruro der erste Stadtjugendrat auch wirklich eingesetzt wurde, ist dem energischen Nachdruck der Jugendlichen von VIVE zu verdanken.


terre des hommes unterstützt VIVE und eine ähnliche Initiative im Bergwerkszentrum Llallagua jährlich mit 9.300 Euro.


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Quelle:
die zeitung, 4. Quartal 2009, S. 6
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
Ruppenkampstraße 11a, 49084 Osnabrück,
Tel.: 0541/71 01-0, Fax: 05 41/70 72 33
E-Mail: info@tdh.de
Internet: www.tdh.de

die zeitung - terre des hommes erscheint
4 Mal jährlich. Der Verkaufspreis wird durch Spenden
abgegolten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2010